Vermögenserfassung und -bewertung
In die Doppik-Einführung in einer Kommune sollten die politischen Entscheidungsträger, der Personalrat, die Rechnungsprüfung und die Kommunalaufsicht eingebunden werden. Einige Grundsatzentscheidungen müssen gefällt werden: u. a. bezüglich der Prozesse der Buchhaltung, des Personals (was auch Einstellungen bedeuten kann) und der Fortbildungen. Bereits in der Zeit, da noch die kamerale Buchführung gilt, sollte eine neue Finanzsoftware eingeführt werden. So kann man den Umstieg auf die Doppik anschließend mit einer bereits vertrauten Software durchführen. Bei der Erfassung und Bewertung des kommunalen Vermögens gilt der Grundsatz der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Erfassungsprozess dauert mindestens zwölf Monate und sollte bereits ein Jahr vor dem geplanten Umstellungszeitpunkt abgeschlossen sein, damit die Zeit für die Erstellung der Eröffnungsbilanz und für weitere Reformschritte ausreicht.
„Bei der Doppik geht es um weit mehr als die bloße Einführung eines geänderten Buchführungsstils.“
Die Zuweisungen der Länder für kommunale Investitionen werden als Sonderposten passiviert und analog zum korrespondierenden Vermögen abgeschrieben. In der Eröffnungsbilanz müssen daher die Sonderposten und das Sachanlagevermögen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Erreichen die Sonderposten den Wert des korrespondierenden Vermögens oder überschreiten sie dieses sogar, liegen Erfassungs- oder Bewertungsfehler vor. Die Möglichkeiten der Kommunen zur Bilanzpolitik beschränken sich im Wesentlichen auf die Wertberichtigungen bei Forderungen, die Normalherstellungskosten und den Umgang mit Baumängeln. Bilanzpolitisch hoch angesetzte Bilanzwerte für Gebäude oder Infrastrukturvermögen erhöhen allerdings in den Folgejahren die Abschreibungen.
Rückstellungen sind ungewisse Verbindlichkeiten
Wer künftige Lasten transparent ausweisen will, muss Rückstellungen bilden. Das gab es im öffentlichen Rechnungswesen bisher nicht. Entscheidend für die Veranschlagung im kommunalen Haushalt war der Geldfluss, nicht die Verursachung. Zukunftslasten wurden damit auf künftige Generationen verschoben, ohne dies zu dokumentieren. Der Doppik ist diese Lastenverschiebung fremd. Sie zielt auf eine periodengerechte Zuordnung und weist Lasten im Jahresabschluss ihrer wirtschaftlichen Verursachung aus. Für die Bildung und Bewertung von Rückstellungen gelten enge gesetzliche Vorgaben der Länder. Zusätzlich haben die Länder Richtlinien oder Leitfäden zur Rückstellungsbewertung herausgegeben. Für die erstmalige Rückstellungsbildung reicht es aus, diese gesamthaft zu erfassen. Aber spätestens für den ersten doppischen Haushaltsplan müssen sie den Produkten zugeordnet werden. Daher sollten die Rückstellungen von Beginn an produktbezogen erhoben werden.
„Im Reformprozess nimmt die kommunale Vermögensrechnung (Bilanz) eine Schlüsselposition ein. Durch die bilanzielle Übersichtsdarstellung wird die tatsächliche Vermögens- und Finanzlage transparent.“
Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) aus dem Jahr 2009 hat die bisherigen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu den Rückstellungen erheblich verändert. Danach sind Rückstellungen nicht mehr mit ihrem Stichtagswert zu bewerten, sondern mit dem künftigen Erfüllungsbetrag, der auch Kostensteigerungen enthält. Im Gegenzug sind sie zwingend abzuzinsen. Kommunen, die ihre Eröffnungsbilanz ab dem 1. Januar 2010 erstellen, müssen diese Vorschriften anwenden. Das gilt allerdings nicht für die wichtigste Rückstellungsart, die Pensionsrückstellungen: Diese sind im kommunalen Haushaltsrecht ausdrücklich geregelt, sodass das HGB in der Fassung des BilMoG nicht zur Anwendung kommt.
Produkte
An die Stelle der kameralen Einzelpläne sind in den doppischen Planwerken Teilhaushalte und Produktbereiche getreten. Sie sind nicht mehr in Unterabschnitte gegliedert, sondern in Produktgruppen und Produkte. Nicht alle Produkte, nur die strategischen, sollen in Haushaltsplan und Jahresabschluss dargestellt werden. Bei der Auswahl der für die Gesamtsteuerung relevanten Produkte kann die 80-20-Regel herangezogen werden: Die wichtigsten 20 % der Produkte decken vermutlich 80 % des Haushaltsvolumens ab. Es reicht aus, diese im Haushalt detailliert darzustellen und die übrigen 80 % zu Produktgruppen oder Produktbereichen zusammenzufassen.
„Es ist nicht ausreichend, sich der Frage nach einer zentralen oder dezentralen Finanzbuchhaltung zu stellen. Man wird die einzelnen Aufgabenfelder und Funktionen analysieren und zuordnen müssen.“
Bei der Produktbildung sind die Kommunen zwar grundsätzlich frei. Für die Aggregation zu Produktgruppen und Produktbereichen sowie für die Gliederung des Haushalts gelten aber Vorgaben von Landesgesetzgebern und Finanzstatistik. In der Praxis wird die Organisationsstruktur häufig der Produktbereichsgliederung angepasst. Fällt beides allzu sehr auseinander, gibt es Probleme mit der Budgetverantwortung. Produkte sind nicht nur das Grundgerüst des Haushalts, sie sind auch unverzichtbar für die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR). Hier werden – anders als im Haushalt – alle Produkte einzeln dargestellt. Damit der Ressourcenverbrauch produktbezogen erfasst werden kann, müssen auch interne Leistungsverrechnungen aufgenommen werden.
Budgetierung
Die doppische Reform umfasst auch Haushaltskonsolidierung, Verwaltungsmodernisierung und Flexibilisierung. Daher wächst die Bedeutung der Budgetierung, eines aus der Kameralistik stammenden Reforminstruments. Seit Mitte der 90er Jahre budgetieren viele Kommunen ihren Haushalt und machen damit sehr gute Erfahrungen. Die Budgetierung hat bereits in der Kameralistik die dezentrale Verantwortung gestärkt, was die Doppik-Einführung in den betroffenen Kommunen erleichtert und dem neuen Buchungsstil zu breiter Akzeptanz verholfen hat. Beim Übergang zur Doppik lösen Zuschussbudgets im Ergebnishaushalt die kamerale Budgetierung ab. Zusätzlich können die Ein- und Auszahlungen für Investitionen im Finanzhaushalt einbezogen werden. Budgetiert werden die Teilhaushalte, die bei organisationsorientierter Gliederung des Haushalts mit den Fachbereichen identisch sind. Anschließend wird weiter aufgegliedert in Teilbudgets für die Fachdienste. Bereits zu kameralen Zeiten hat die Budgetierung das Kostenbewusstsein der Fachverantwortlichen gestärkt. In der Doppik muss streng darauf geachtet werden, dass man die motivierenden Elemente der bisherigen Regelung beibehält. Das sind vor allem eine strikt dezentrale Finanzverantwortung, die Begrenzung des Regelwerks auf das absolut Notwendige und eine gefestigte Vertrauenskultur.
Kosten- und Leistungsrechnung
Das interne Rechnungswesen – die KLR – unterstützt und unterfüttert das externe Rechnungswesen – die Doppik – mit Kosten- und Erlösdaten. Deren Übereinstimmung mit Aufwand und Ertrag ist hoch, aber nicht vollständig. Ohne KLR könnten z. B. keine internen Verrechnungen ausgewiesen werden, was vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt wird. Doppische Produkthaushalte wären also ohne KLR nicht möglich. Daher hat eine Kommune kein grundsätzliches Wahlrecht bei der KLR-Einführung. Entscheiden kann sie hingegen über Konzeption und Detaillierungsgrad der KLR, denn das gehört zur kommunalen Selbstverwaltung. Der überwiegende Teil der Daten in der KLR wird aus der Finanzbuchhaltung übergeleitet. Diese enge Verzahnung von internem und externem Rechnungswesen unterscheidet die kommunale KLR von der privatwirtschaftlichen.
Ziele und Kennzahlen im Haushalt
Die Kommunen sollen ihre Haushalte mit Zielen und Kennzahlen ergebnisorientiert steuern und die Wirtschaftlichkeit ihres Handelns steigern. Neben monetären Formalzielen gibt es auch nichtmonetäre Sachziele. Die meisten Ländergesetzgeber verlangen von den Kommunen, monetäre und nichtmonetäre Ziele und Kennzahlen produktbezogen im Haushalt auszuweisen und für Steuerungsentscheidungen zu verwenden. Abgeleitet werden Ziele in der Regel aus Leitbildern (langfristig) und Oberzielen (mittelfristig). Sie müssen in konkrete Handlungen umzusetzen sein und ihr Zielerreichungsgrad muss messbar sein. Dazu muss die Haushaltsplanung um einen Zielfindungsprozess ergänzt werden. Kennzahlen dienen während des Haushaltsvollzugs und im Anschluss daran der Erfolgskontrolle.
Finanzbuchhaltung und Jahresabschluss
Die Finanzbuchhaltung umfasst im Wesentlichen Hauptbuchhaltung, Zahlungsabwicklung, Liquiditätssteuerung sowie Mahn- und Forderungsmanagement, nicht aber Haushaltsplanung und Haushaltssteuerung. Viele Grundsätze – beispielsweise das Prinzip der Trennung von Anordnung und Vollzug – gelten natürlich auch weiterhin, zahlreiche Prozesse und organisatorische Regelungen können aus der Kameralistik übernommen werden. Grundsätzlich muss entschieden werden, ob die doppische Buchführung zentral, dezentral oder aber als Mischform organisiert wird. In der Praxis werden sich vermutlich meist Mischformen durchsetzen: Vorkontierung und Anordnung dezentral und das sonstige Buchungsgeschäft zentral. Ebenfalls in die Finanzbuchhaltung gehört die Verantwortung für den Jahresabschluss. Das erfordert eine möglichst enge Abstimmung mit der Haushaltsplanung – und damit der Kämmerei.
„Die Aufstellungspflicht sollte nicht als lästige ,Verpflichtung‘ angesehen werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Gesamtabschluss zu einem mit hohen Kosten verbundenen Zahlenfriedhof mutiert.“
Der Jahresabschluss dient an erster Stelle der Rechenschaftslegung. Er besteht aus Bilanz (die in einigen Ländern Vermögensrechnung heißt), Ergebnisrechnung, Finanzrechnung und Teilrechnungen. Ob Anhang und Lagebericht Bestandteile des Jahresabschlusses oder Anlagen zum Jahresabschluss sind, bestimmt das Landesrecht. Für die umfangreichen Arbeiten empfiehlt sich ein verbindlicher Zeitplan. Zahlreiche vorbereitende Arbeiten sind bereits unterjährig oder kurz vor dem Jahreswechsel möglich. Diesen Umstand sollten die Kommunen zur Fristwahrung nutzen. Damit der Gesamtabschluss erleichtert wird, sollten Wahlrechte in der Kommune und ihren Beteiligungen möglichst einheitlich ausgeübt werden. Die Abschlussarbeiten umfassen u. a.: Kassenabschluss, Bereinigung von Fehlbuchungen, Abschluss der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung und der Anlagenbuchhaltung, Eliminierung von internen Leistungsverrechnungen, Rechnungsabgrenzung und Forderungswertberichtigungen.
Prüfung der Eröffnungsbilanz
Die Eröffnungsbilanz ist daraufhin zu prüfen, ob sie ein zutreffendes Bild der Vermögens- und Schuldenlage vermittelt. Die Ertragslage fehlt hier allerdings: Naturgemäß liegt mit der Eröffnungsbilanz noch keine Ergebnisrechnung vor, sodass die Ertragslage schlichtweg nicht beurteilt werden kann. Die Prüffelder orientieren sich in der Regel an den Bilanzposten, wobei korrespondierende Bilanzposten womöglich gemeinsam geprüft werden sollten. Das wären beispielsweise das Sachanlagevermögen und die Sonderposten bzw. Sonderrücklagen. Die Prüfung der Eröffnungsbilanz obliegt in allen Bundesländern den vom Gesetz vorgesehenen kommunalen Prüfungseinrichtungen. Wirtschaftsprüfer können ergänzend hinzugezogen werden. Dies wird bei der Eröffnungsbilanz und den ersten Jahresabschlüssen allerdings unverzichtbar sein, damit die kommunalen Einrichtungen relevantes Know-how aufbauen können. Die Prüfung muss wirtschaftlich und kann deshalb nicht vollständig sein. Die Prüfer haben also zunächst Wesentlichkeits- und Nichtaufgriffsgrenzen festzulegen.
Der kommunale Gesamtabschluss
Ausgliederungen in Eigenbetriebe oder Betriebe unter privater Rechtsform haben die Gesamtsteuerung der Kommunen erheblich erschwert und zu Informationsverlusten geführt. Der doppische Gesamtabschluss soll die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im „Konzern Kommune“ wieder transparent machen. Dazu müssen die Einzelabschlüsse von Kommune und Beteiligungen so zusammengeführt werden, dass interne Leistungs- und Vermögensverflechtungen eliminiert werden. Auch hier gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit, sodass unwesentliche Konsolidierungen und Saldierungen unterbleiben. Der Gesamtabschluss erfordert Fachwissen und viel Zeit. Mittelständische Unternehmen rechnen für den ersten Konzernabschluss mehr als 1000 Manntage. Ein einheitlicher Formularsatz erleichtert die Informationsbeschaffung. In einer Konzernrichtlinie ist der Formularsatz ebenso vorzugeben wie etwa die Anwendung von Wahlrechten, Ansatz- und Bewertungsvorschriften sowie Nutzungsdauern.
Das zwölfköpfige Autorenteam besteht aus Verwaltungspraktikern, Beratern und Wirtschaftsprüfern aus mehreren Bundesländern. Alle verfügen über langjährige kommunale Berufs- oder Beratungserfahrung.