Einführung von Energiemanagement und erneuerbaren Energien

Buch Einführung von Energiemanagement und erneuerbaren Energien

Eine Untersuchung von Erfolgsfaktoren in deutschen Kommunen

Peter Lang Verlag,


Rezension

Mit vielen nützlichen Details informiert Sebastian Bolay seine Leser über kommunale En­ergiefra­gen. Dabei widmet er sich ins­beson­dere den Er­fol­gs­fak­toren: Warum klappt es in der einen Kommune mit dem En­ergies­paren und in der anderen nicht? Wie müssen die Rah­menbe­din­gun­gen aussehen? Warum machen einige der kommunalen Akteure mit, während sich andere verweigern? Wenn es allgemein um Ver­wal­tungsre­for­men geht, gibt es zwar um­fan­gre­iche Literatur. Bisher fehlen aber Forschungsergeb­nisse speziell für den En­ergiebere­ich – ein Politikfeld mit Zukunft, in dem Kommunen viel Geld sparen (oder versenken) können. Hier schließt der Autor eine Lücke. Für alle kommunalen En­ergie­m­an­ager, die von den guten wie schlechten Erfahrungen anderer Kommunen lernen wollen, ist dieses Buch eine wahre Fundgrube, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Ein Drittel der deutschen Städte zwischen 50 000 und 250 000 Einwohnern betreibt seit vielen Jahren kommunale En­ergiepoli­tik.
  • Zwei Drittel haben aber erst vor Kurzem oder noch gar nicht damit begonnen.
  • Unter En­ergie­m­an­age­ment versteht man die Optimierung des En­ergieein­satzes in kommunalen Ein­rich­tun­gen.
  • En­ergie­m­an­age­ment dient überwiegend der Kostensenkung, die Förderung erneuer­barer Energien dagegen dem Klimaschutz und der Ver­sorgungssicher­heit.
  • En­ergie­m­an­age­ment und die Nutzung erneuer­barer Energien gehören zusammen und müssen zentral angesiedelt werden.
  • Für kommunales En­ergie­m­an­age­ment gibt es drei Or­gan­i­sa­tions­for­men: ein En­ergiebeauf­tragter, eine Abteilung für En­ergie­m­an­age­ment oder eine En­ergieagen­tur.
  • Empfehlenswert ist die Anbindung des En­ergie­m­an­age­ments an das Gebäude­m­an­age­ment oder das Liegen­schaft­samt.
  • En­ergie­m­an­age­ment braucht Anreize, z. B. eine Bud­getierung, bei der Einsparun­gen ganz oder teilweise im Budget der Nutzer verbleiben.
  • En­ergiepoli­tisch er­fol­gre­iche Kommunen haben es geschafft, möglichst viele Promotoren ins Boot zu holen und Rei­bungsver­luste zu vermeiden.
  • Um ihre klimapoli­tis­chen Ziele zu erreichen, müssen die Kommunen ihr En­ergie­m­an­age­ment und die Nutzung erneuer­barer Energien noch deutlich verstärken.
 

Zusammenfassung

En­ergie­m­an­age­ment in Kommunen

Kommunales En­ergie­m­an­age­ment (EM) konzen­tri­ert sich auf die kom­mu­naleige­nen Gebäude und Ein­rich­tun­gen und besteht aus zwei Komponenten: Maßnahmen zur Senkung des En­ergiebe­darfs und Maßnahmen zur sparsamen und umweltscho­nen­den Erzeugung oder Umwandlung von Energie. Es umfasst or­gan­isatorische Aufgaben wie Verbrauchsüberwachung und Kostenkon­trolle, Fortbildung und Wis­sensver­mit­tlung sowie Anlagenüberwachung und -op­ti­mierung. Zum EM zählen außerdem In­vesti­tio­nen in En­ergiean­la­gen und Gebäude und das En­ergiecon­tract­ing, also die Vergabe von Fremdleis­tun­gen zur En­ergiekostensenkung an Dritte.

„Kommunen besitzen gegenüber privaten Unternehmen und der Bürgerschaft eine Vor­bild­funk­tion, der sie durch die Einführung von En­ergie­m­an­age­ment gerecht werden können.“

Die 161 un­ter­suchten Kommunen umfassen alle deutschen Städte mit 50 000–250 000 Einwohnern. Städte wie Kassel, Stuttgart oder Freiburg haben bereits nach den Ölpreiss­chocks der 70er Jahre mit kommunalem En­ergie­m­an­age­ment begonnen, auch wenn diese Bezeichnung damals noch nicht verwendet wurde. Richtig los ging es in den 90er Jahren, als die schlechte Finanzlage immer mehr Kommunen zum Sparen zwang. In den 2000er Jahren kam der Klimaschutz als wichtige Triebfeder hinzu. Inzwischen sind die deutschen Kommunen mit ihrem En­ergie­m­an­age­ment führend in Europa. Sie haben aber die damit verbundenen Potenziale noch längst nicht ausgeschöpft. Ein Drittel der un­ter­suchten Städte betreibt seit vielen Jahren kommunales En­ergie­m­an­age­ment. Zwei Drittel haben erst vor Kurzem oder noch gar nicht damit begonnen. Hier liegen erhebliche Potenziale.

En­ergieaufwand und Einspar­poten­ziale

Eine Kommune gibt im Schnitt 30 € pro Einwohner und Jahr für Energie aus. Bei Großstädten ist der Betrag höher als bei Kleinstädten oder ländlichen Gemeinden. Beim Spar­poten­zial durch EM reichen die Schätzungen von ein­stel­li­gen Prozen­twerten bis zu etwa 45 % (realisiert in Saarbrücken), je nachdem ob sich eine Kommune auf or­gan­isatorische Maßnahmen beschränkt oder auch Geld für In­vesti­tio­nen in die Hand nimmt. In der kommunalen Praxis hatten In­vesti­tio­nen im En­ergiebere­ich ein Kosten-Nutzen-Verhältnis zwischen 1:2 und 1:7.

„Die Zen­tral­isierung von Kompetenzen ist der Aus­gangspunkt für die Einführung von En­ergie­m­an­age­ment.“

Dazu ein Rechen­beispiel: Wenn eine 100 000-Ein­wohner-Kom­mune den Durch­schnitts­be­trag von 30 € pro Kopf mit EM um 30 % senkt, er­wirtschaftet sie etwa 1 Million Euro pro Jahr. Je größer die Kommune, desto mehr lohnt sich die Einrichtung einer Or­gan­i­sa­tion­sein­heit für EM. Die erste geschaffene Stelle sollte mit einem Ingenieur besetzt werden, weitere (halbe oder ganze) Stellen zunächst mit Ver­wal­tungskräften und Technikern, bevor in größeren Or­gan­i­sa­tion­sein­heiten weitere Ingenieure er­forder­lich werden.

Or­gan­i­sa­tion des En­ergie­m­an­age­ments

Für kommunales EM gibt es drei mögliche Or­gan­i­sa­tions­for­men:

  1. En­ergiebeauf­tragter: Das ist ein Ansprech­part­ner mit Know-how und ggf. Kon­troll­befug­nis­sen über den En­ergie­ver­brauch der Ämter. Oft hat er aber keine oder nur geringe finanzielle Mittel.
  2. Abteilung für En­ergie­m­an­age­ment: Hier werden en­ergiebe­zo­gene Kompetenzen zentral gebündelt, d. h. anderen Ämtern weggenommen – andernfalls wird das Spar­poten­zial des EM nicht ausgeschöpft. Vorteile: eigenes Budget und umfassendes Know-how. Nachteile: Rei­bungsver­luste und Kom­pe­ten­zgerangel mit anderen Ämtern.
  3. En­ergieagen­tur: Dabei handelt es sich um eine pri­va­trechtlich verfasste und damit aus der Verwaltung herausgelöste Or­gan­i­sa­tion­sein­heit. Vorteilhaft ist das u. U. für kleinere Gemeinden, die ein eigenes EM nicht wirtschaftlich betreiben können und auf in­terkom­mu­nale Zusam­me­nar­beit setzen. Ein Nachteil ist der Kon­trol­lver­lust.
„Eine Zusammenführung von Energie- und Gebäude­m­an­age­ment in einer Ver­wal­tung­sein­heit stellt einen vielver­sprechen­den Ansatz dar, Kosten insgesamt zu senken und die Liegen­schaften in ihrer Ganzheit effizienter zu be­wirtschaften. Dadurch fallen auch mögliche Rei­bungsver­luste zwischen Energie- und Gebäude­m­an­age­ment weg.“

Das EM ist in seinen Wirkungen beschränkt, wenn technisches Know-how oder finanzielle Mittel für In­vesti­tio­nen fehlen, wenn die Akteure schlecht zusam­men­wirken oder wenn auf Ein­rich­tun­gen, die von kommunalen Töchtern be­wirtschaftet werden, nicht zugegriffen werden kann.

Überschnei­dun­gen mit dem Gebäude­m­an­age­ment

Viele Kommunen be­wirtschaften die kommunalen Liegen­schaften nach dem Mi­eter-Ver­mi­eter-Mod­ell und haben in den letzten Jahren die Or­gan­i­sa­tion­sein­heit „Gebäude­m­an­age­ment“ ein­gerichtet. Das Budget der Mieter wird durch interne Leis­tungsver­rech­nung mit den Gebäudekosten belastet. Können die Mieter ihre Gebäudekosten bee­in­flussen, entsteht ein Anreiz zum Sparen. Nicht nur deshalb gibt es bei Gebäude- und En­ergie­m­an­age­ment erhebliche Schnittmen­gen. Vieles spricht dafür, die beiden Bereiche zusammenzuführen. Werden in die Leis­tungsver­rech­nun­gen auch die En­ergiekosten einbezogen, haben die Mieter einen Anreiz zum En­ergies­paren.

Erneuerbare Energien in Kommunen

Das Potenzial der Wasserkraft gilt in Deutschland als so gut wie ausgeschöpft. Wind­kraftan­la­gen wiederum gehören in der Regel nicht den Kommunen. Für diese sind daher vor allem So­laren­ergie (prog­nos­tiziertes Wachstum 2006–2012: gut 110 %), Biomasse (knapp 150 %) und Geothermie (etwa 5000 %) interessant. Kommunen haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, erneuerbare Energien (EE) zu fördern: Sie können selbst EE nutzen, indem sie Strom produzieren und in das Stromnetz einspeisen oder indem sie ihre Gebäude und Ein­rich­tun­gen mit Strom und Wärme aus EE versorgen. Oder sie können die Nutzung von EE durch Dritte, sprich: Bürger und Unternehmen, fördern, indem sie über Förder­pro­gramme finanzielle Anreize bieten oder indem sie rechtliche Instrumente nutzen (kommunale Satzungen, Anschluss- und Be­nutzungszwang hin­sichtlich kommunaler Wärmenetze usw.).

„In Freiburg wird der Ausstoß einer Tonne CO2 mit 50 € bewertet und bei In­vesti­tion­sentschei­dun­gen berücksichtigt.“

Die Kompetenzen für EE sind – anders als beim EM – in den Kommunen meist nicht zen­tral­isiert, sondern auf mehrere Di­en­st­stellen verteilt. Dazu zählen Gebäude­m­an­age­ment, Liegen­schaft­samt, Hochbauamt, Stadt­pla­nungsamt, Umweltamt und Stadtwerke. Sinnvoll wäre es allerdings, die Kompetenzen für EM und EE in einer gemeinsamen Or­gan­i­sa­tion­sein­heit zu bündeln.

Er­fol­gs­fak­toren für die Einführung von EM und EE

Für eine er­fol­gre­iche Einführung von EM und EE ist die Akzeptanz der Akteure sehr wichtig. Die Betroffenen in den Kommunen werden zu Promotoren, wenn sie sich davon Vorteile versprechen, wenn also der Nutzen höher ist als die Nachteile:

  • Die Politik lässt sich von EM besonders gut überzeugen, wenn damit Einspar­poten­ziale im Haushalt verbunden sind und finanzielle Mittel für andere Zwecke frei werden.
  • Als positiv wird eine günstige Öffentlichkeitswirkung angesehen, wobei dies für EE eher gilt als für EM: Für Ersteres in­ter­essiert sich die Öffentlichkeit und in der Folge auch die Politik. Mit Letzterem, das wesentlich der internen Optimierung dient, sind dagegen im Wettbewerb um die Wählergunst kaum Punkte zu machen.
  • Erwartet ein Amt durch EM oder EE ein größeres Budget oder mehr Mitarbeiter, Einfluss oder Ansehen, wird es sich dafür einsetzen. Umgekehrt wird es sich sperren, wenn es Bud­getan­teile oder Einfluss verliert – etwa weil die Kompetenzen für En­ergiefra­gen einer zentralen Di­en­st­stelle für EM und EE übertragen werden.
  • Vorteilhaft für EM und EE ist es, wenn eine Kommune bereits eine Bud­getierung eingeführt hat und die Ämter eingesparte En­ergiekosten zumindest teilweise behalten dürfen. Wo das nicht der Fall ist, ist das Interesse an Ver­brauch­sein­schränkungen gering.
  • Mit EM kann man den örtlichen Mittelstand stärken, zumindest wenn nicht nur or­gan­isatorische, sondern auch investive Maßnahmen durchgeführt werden. Das freut die Politik und wird von der Presse üblicher­weise wohlwollend begleitet.
  • Die Ver­sorgungssicher­heit steigt durch EM und EE; auch dies wird von der Kom­mu­nalpoli­tik positiv eingeschätzt.
  • Zwiespältig beurteilen die Stadtwerke EM und EE. Einerseits haben sie ein Interesse daran, ihrem Großkunden, der Stadtver­wal­tung, möglichst um­fan­gre­iche En­ergieliefer­un­gen anzubieten, an­der­er­seits sind sie auf ein ökologisches Image bedacht, um ihre zunehmend ökosensiblen privaten Kunden zu halten. Hierbei hilft eine – öffentlichkeitswirk­same – Beteiligung an EM und EE. Vor allem in kleinen und mittleren Kommunen bieten die Stadtwerke inzwischen einschlägige Ser­viceleis­tun­gen an und treten damit sogar als Con­tract­ing­part­ner für EM auf.

Aus kommunalen Erfahrungen lernen

Die in ausgewählten Städten durchgeführten Fallstudien brachten u. a. folgende Ergebnisse:

  • In Bergisch Gladbach ist seit 1991 ein En­ergiebeauf­tragter beim Umweltamt angesiedelt. Seine be­merkenswerten Erfolge (die Ver­brauchssenkun­gen überschrit­ten teilweise 50 %) konnte er durch eine gute Zusam­me­nar­beit mit dem Hochbauamt erzielen.
  • Lange Zeit wurde das EM in Friedrichshafen von einem Techniker wahrgenom­men, was die Akzeptanz und Durch­set­zungskraft bei anderen Di­en­st­stellen behinderte. Inzwischen ist der Stellenwert des EM deutlich gestiegen. Auss­chlaggebend waren vermutlich lokale Handw­erks­be­triebe: Während sich im Gemeinderat tra­di­tionell nur eine Minderheit für EM starkmachte, profitierte die mittelständische Wirtschaft von den Aufträgen und sorgte mit­tel­fristig für Akzeptanz auch in den bürgerlichen Mehrheits­frak­tio­nen. Inzwischen ist die Stelle mit einem Ingenieur besetzt und entsprechend aufgewertet.
  • Potsdam startete sein EM mit wenig eigenem Know-how und arbeitete deshalb viel mit Externen zusammen. Die Erfahrungen mit Contracting und der Teilnahme an externen Programmen waren wertvoll. Das EM ist inzwischen in das Gebäude­m­an­age­ment eingegliedert, die Gebäudenutzer können die Hälfte ihrer Einsparun­gen behalten.
  • Freiburg hat bereits 1986 im Stadtrat einstimmig ein En­ergiev­er­sorgungskonzept beschlossen. Die Schulen dürfen die Hälfte der Einsparun­gen für ihr Budget behalten, 30 % fließen ins Budget des En­ergie­m­an­age­ments, die restlichen 20 % entlasten den Gesamthaushalt. Inzwischen ist das EM in das neu geschaffene zentrale Gebäude­m­an­age­ment integriert. Hierzu liegen noch keine Erfahrungen vor. Freiburg ist sehr engagiert bei EE und hat diese eng mit EM verknüpft. Auch der kommunale En­ergiev­er­sorger ist sensibel für En­ergi­ethe­men, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung nicht überrascht, und betrachtet sein Engagement für EE und En­ergies­paren als Kun­den­bindung.
  • Dessau verfügt über ein Fernwärmenetz. Hier wird vor allem Wärme aus einem Mitte der 90er Jahre sanierten, mit fossiler Energie betriebenen Kraftwerk eingespeist. Das erweist sich bei der Nutzung von EE als hinderlich, obwohl Dessau in diesem Bereich ansonsten recht aktiv ist. Erst wenn die Kraftwerksin­vesti­tio­nen 2015 abgeschrieben sind, könnte sich das Fernwärmenetz als Er­fol­gs­fak­tor für EE her­ausstellen.
  • Das Engagement für EE war in Detmold in den 90er Jahren stärker als nach der Jahrtausendwende. Die Gründe waren ein Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im Rat und mehrere personelle Wechsel an der Stadtspitze.
  • Fürth hat bundesweit einen Spitzen­platz bei der Erzeugung von So­laren­ergie. Rechtliche Möglichkeiten etwa bei der Bauleit­pla­nung werden nicht eingesetzt. Besonders aktiv ist der Oberbürgermeister, der durch seinen Einsatz für EE seine Zus­tim­mungswerte in der Bevölkerung und damit seine Wieder­wahlchan­cen steigern konnte.
„Unter umwelt- und en­ergiepoli­tis­chen Aspekten ist der Stand des En­ergie­m­an­age­ments in vielen un­ter­suchten Kommunen un­be­friedi­gend.“

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Kommunen ihr En­ergie­m­an­age­ment und die Nutzung erneuer­barer Energien noch deutlich verstärken müssen, wenn die klimapoli­tis­chen Ziele des Bundes und der EU erreicht werden sollen.

Über den Autor

Sebastian Bolay studierte Ver­wal­tungswis­senschaften in Potsdam und Stockholm und promovierte mit dieser Arbeit über kommunale En­ergiepoli­tik. Inzwischen arbeitet er als Referent beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU).