Warum Verwaltungsmodernisierung?
Öffentliche Verwaltungen haben ein recht uneinheitliches Zielsystem, das sich nicht in wenigen Umsatz- und Gewinngrößen zusammenfassen lässt. Dennoch wurden in den letzten zwei Jahrzehnten privatwirtschaftliche Managementkonzepte auf den öffentlichen Sektor übertragen. Ausgelöst wurde die verhältnismäßig hohe Reformbereitschaft vor allem durch finanzielle Engpässe und steigende Anforderungen seitens der Bürger an die Kundenorientierung des öffentlichen Dienstes. International wird diese Verwaltungsmodernisierung als „New Public Management“ bezeichnet, in Deutschland spricht man vor allem von einem „Neuen Steuerungsmodell“ (NSM), in der Schweiz von „Wirkungsorientierter Verwaltungsführung“ (WoV). Betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente sollen öffentliche Verwaltungen effektiver und effizienter machen. Folgende Ziele werden dabei in erster Linie angestrebt:
- Leistungs- und Wirkungsorientierung: Steuerung nicht mehr über den Input (finanzielle Ressourcen), sondern über den erwarteten Output (Produkte) oder sogar den Outcome (erwünschte Wirkungen).
- Kundenorientierung: Beteiligung der Bürger (Kunden) an Entscheidungsprozessen, Transparenz und Rechenschaft, besserer Service.
- Qualitätsorientierung: kontinuierliche Verbesserungsprozesse, Beseitigung von Schwachstellen.
- Wettbewerbsorientierung: Marktwettbewerb, Ausschreibungen oder Benchmarking zur Effizienzsteigerung.
- Mitarbeiterorientierung: Übernahme von Verantwortung, leistungsorientierte Entgeltsysteme, Motivation.
Umsetzung von der Theorie in die Praxis
Besonders fortgeschritten mit ihren Verwaltungsmodernisierungen sind die angelsächsischen Länder Neuseeland, Großbritannien und die USA, auch wenn jeweils unterschiedliche Schwerpunkte gewählt wurden. In Europa sind die Schweiz und die Niederlande führend, Deutschland rangiert eher im Mittelfeld. Das Bild sähe anders aus, wenn man in Deutschland nur die Kommunen betrachten würde, die seit Beginn der 1990er Jahre umfassende Reformen durchgeführt haben. Die Länder hinken mit höchst unterschiedlicher Reformgeschwindigkeit hinterher, das Schlusslicht bildet der Bund. Insgesamt waren die Erwartungen an die Verwaltungsmodernisierung hoch, doch sie wurden in der Praxis nur teilweise erfüllt. Möglicherweise wurden zu hohe Sparpotenziale erwartet und man hätte besser auf langfristig wirkende Elemente wie Qualitätsmanagement und kontinuierliche Verbesserungen gesetzt. Um mehr darüber zu lernen, sollten empirische Erkenntnisse stärker genutzt und Modernisierungsprozesse evaluiert werden, wie es exemplarisch mit der Landesverwaltung von Nordrhein-Westfalen (NRW) gemacht wurde.
Modernisierung in der Landesverwaltung NRW
In NRW hat die Landesregierung seit den 90er Jahren verschiedene Konzepte und Elemente der Verwaltungsmodernisierung erprobt, ohne jedoch ein umfassendes Reformkonzept erarbeitet zu haben. Die NRW-Reformprojekte eignen sich besonders gut für eine Evaluation: Es ist viel Erfahrungswissen vorhanden, das für künftige Reformen genutzt werden kann. Im Winter 2006/07 wurde ein standardisierter Fragebogen mit 131 Fragen an 302 Behörden des Landes NRW verschickt, davon gingen 106 ausgefüllt zurück. Die Rücklaufquote ist mit gut 35 % für Untersuchungen dieser Art hoch. Gefragt wurde vor allem nach der Bedeutung und dem Umsetzungsstand von 19 Reformelementen (darunter etwa Mitarbeiterbefragungen, Budgetierung, Benchmarking, Beschwerdemanagement, E-Government) und nach ihrem Beitrag zu mehr Effektivität und Effizienz in den Behörden.
„Während in der Privatwirtschaft relativ homogene Zielsysteme mit einem dominierenden Gewinnstreben vorliegen, so sind die Ziele in der öffentlichen Verwaltung wesentlich uneinheitlicher, von höherer Komplexität und schwieriger zu operationalisieren.“
Mit der Evaluation sollte die Frage geklärt werden, ob es bestimmte Behördentypen gibt, die überdurchschnittliche Erfolge bei der Verwaltungsmodernisierung erzielen. Sind es große Behörden? Behörden mit einem standardisierten, wiederkehrenden Leistungsprogramm? Solche, die ihre Leistungen unter Wettbewerbsbedingungen erstellen oder die viele externe Kundenkontakte haben? Oder solche, die ihre Leistungen gegen Entgelt abgeben? Ebenso geprüft wurde die Hypothese, dass unterdurchschnittliche Modernisierungserfolge bei Behörden zu erwarten sind, auf die diese Kriterien nicht zutreffen. Diese Annahmen wurden durch die Befragung jedoch nur teilweise bestätigt. So hatten weder die kleinen noch die großen Behörden die besten Modernisierungserfolge, sondern die mittelgroßen. Auch die Tätigkeitsstruktur – standardisiert und repetitiv vs. individuell – und die Entgeltorientierung lassen keine eindeutigen Erfolgsaussagen für Reformen zu. Behörden im Wettbewerb und solche mit ausschließlich externen Kunden sind allerdings tatsächlich erfolgreicher als jene ohne Wettbewerb und ohne externe Kundenkontakte.
„Über Jahrzehnte verdeckten ein stetiges Wachstum und eine konstante Ausdehnung des Staates die abnehmende Problemlösungsfähigkeit bürokratischer Organisationen.“
Außerdem zeigten die Umfrageergebnisse: Eine positive Einstellung der Führungskräfte zur Verwaltungsmodernisierung und ein hohes Problem- bzw. Chancenbewusstsein in den Behörden steigern den Erfolg eines Reforminstruments. Anzahl und Intensität der eingesetzten Instrumente sind positiv mit dem Reformerfolg verbunden – nach dem Motto „Viel hilft viel“. Das gilt allerdings nicht für die Mitarbeiterzufriedenheit, die bei einer hohen Zahl von Reforminstrumenten auf einem ähnlichen Wert verharrte wie in Behörden, die kaum Reformen umsetzten.
Gesamtergebnis der Reform
Insgesamt waren die Befragten mit der Verwaltungsmodernisierung mäßig zufrieden. Sie vergaben im Durchschnitt einen Wert von 2,85 auf einer Fünferskala, wobei 1 die geringste und 5 die höchste Zustimmung bedeutete. Dieses Ergebnis zeigt eine generelle Modernisierungsskepsis, vermutlich ausgelöst von zeitgleich stattfindenden anderen Reformen, nämlich eine Strukturreform, bei der Behörden geschlossen, miteinander verschmolzen oder auseinandergerissen wurden, sowie einem allgemeinen Arbeitsplatzabbau in der Landesverwaltung. Das hat die Zufriedenheit der Beschäftigten offenbar so gestört, dass sie für Reformbemühungen nur wenig zugänglich waren.
Einzelergebnisse der Modernisierungsinstrumente
Besser als die Gesamtnote fielen die Urteile zu einzelnen Modernisierungsinstrumenten aus. Eine 4,54 und damit den Spitzenplatz gab es für die Mitarbeiterfortbildung, wobei diese vielleicht nicht ganz zu Recht zu den Modernisierungsinstrumenten gezählt wird, da auch vor dem New Public Management schon Fortbildung betrieben wurde. Auf den nächsten Rängen folgen Qualitätsmanagement, integrierte Personalentwicklungskonzepte, Budgetierung, E-Government und Prozessanalysen – allesamt Instrumente, die als bedeutend eingeschätzt wurden, auch wenn sie in der Mehrzahl der befragten NRW-Behörden noch gar nicht eingeführt sind.
„Häufig lassen sich Verbesserungen im besonderen Maße durch gewisse Kombinationen von Instrumenten erzielen. Diese Verknüpfung fehlt vielfach und führt zu einem suboptimalen Einsatz der Instrumente.“
Im Mittelfeld der Befragung rangieren Mitarbeitergespräche, Berichtswesen, Projektmanagement, Kunden- und Mitarbeiterbefragungen, Beschwerdemanagement, Kostenrechnung, Zielvereinbarungen, Benchmarking und Leistungsrechnung mit Zustimmungsraten zwischen 3,5 und 3,83. Für weniger wichtig halten die Befragten Produktdefinitionen, eine Wirkungsrechnung und ein Leitbild.
„Die Verwaltungsmodernisierung wird auch in den nächsten Jahren eines der beherrschenden Themen im öffentlichen Sektor sein.“
Haben die Modernisierungsinstrumente einen positiven Einfluss auf die Effizienz oder die Effektivität? Das wurde bei der Umfrage ebenfalls ermittelt. Danach ist die Verwaltungsmodernisierung in den NRW-Landesbehörden überwiegend effizienzorientiert, fokussiert also stärker die Wirtschaftlichkeit als die Zielerreichung. In einer höheren Effektivität liegt das größte Potenzial künftiger Modernisierungen.
Tipps für künftige Reformen
Was sollte bei zukünftigen Reformvorhaben beachtet werden?
- Die Führungskräfte müssen hinter der Verwaltungsmodernisierung stehen. Damit lassen sich besonders große Erfolge bei den einzelnen Reforminstrumenten erzielen. Hilfreich ist es, wenn sie ihre Überzeugungen intensiv kommunizieren und damit auch die Beschäftigten gut auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten.
- Erfolgreich sind Instrumente vor allem dann, wenn sie nicht nur anlassbezogen oder gar zufällig genutzt werden, sondern in den Behördenalltag integriert sind und fortlaufend überprüft und optimiert werden.
- Außerdem sind jene Instrumente erfolgreich, die bereits anderswo positiv evaluiert wurden. Sie sind dann schon länger im Einsatz, haben erste Optimierungen hinter sich und haben dadurch ihre Kinderkrankheiten bereits überwunden.
- Zum Einstieg in die Verwaltungsmodernisierung ist vor allem die Budgetierung geeignet, da sie zu den schnellsten und auch zu nachhaltigen Erfolgserlebnissen führt. Wer mehr will als ein inputorientiertes Instrument zur Effizienzsteigerung, kombiniert die Budgetierung mit Zielvereinbarungen und Produktbeschreibungen und integriert eine Kosten- und Leistungsrechnung. Das hat die Zielorientierung der befragten Verwaltungen verbessert und Informationen für strategische Entscheidungen geliefert.
- Eine Kombination von Kosten- und Leistungsrechnung ist wirksamer als eine reine Kostenrechnung. Mindestens sollte die Kostenrechnung mit einem Berichtswesen kombiniert werden. Auch das steigert ihre Wirksamkeit.
- Die Mitarbeiter sind in den NRW-Behörden bisher noch nicht recht zufrieden mit der Verwaltungsmodernisierung, obwohl sie ihre Leistungen steigern konnten. Den Erfolgen bei Wirtschaftlichkeit und Prozessoptimierung wirken Arbeitsbelastung und Motivationsdefizite entgegen. Es braucht mehr dienst- und tarifrechtliche Leistungsanreize.
- Besonders geeignet für Reformen sind Behörden mit vielen Kundenkontakten. Handelt es sich überwiegend um interne Kunden, sollten vor allem Reforminstrumente angewendet werden, die auf Kunden- und Leistungsorientierung sowie auf Qualität zielen. Arbeitet eine Behörde in erster Linie für externe Kunden, ist der Legitimations- und Modernisierungsdruck höher. Dann sollten noch mehr Instrumente eingesetzt werden, u. a. Kundenbefragungen und Beschwerdemanagement.
- Besonders geeignet für Verwaltungsreformen sind auch Behörden, die ihre Leistungen nicht unter Monopolbedingungen, sondern in einem Wettbewerbsumfeld erstellen. Daher sollten Wettbewerbselemente dort eingeführt werden, wo bisher keinerlei Wettbewerb vorhanden ist. Da echter Marktwettbewerb bei öffentlichen Dienstleistungen nicht überall möglich ist, hilft auch Quasi-Wettbewerb – vor allem in Form von Benchmarking – dabei, Verwaltungsreformen erfolgreicher zu machen.
- Die Behörden tun sich schwer damit, ihre eigene Wettbewerbssituation zu erkennen: Einige gaben in der Umfrage an, keinerlei Wettbewerb ausgesetzt zu sein, während gleichartige Behörden in einer anderen Region sehr wohl der Meinung waren, zumindest bis zu einem gewissen Grad in einem Wettbewerb zu stehen. Dort wurden mehr Reforminstrumente eingesetzt und diese waren erfolgreicher als in den Behörden vermeintlich ohne Wettbewerb. Offenbar hilft man der Verwaltungsmodernisierung auf die Sprünge, wenn übergeordnete Dienststellen auf mögliche Wettbewerbssituationen hinweisen.
- Verwaltungsreformen sind erfolgreicher, wenn mehrere Instrumente kombiniert werden. Dafür fehlt in der Verwaltung häufig noch das Bewusstsein. Hier muss eine längerfristige Modernisierungsstrategie ansetzen.