Strategische Überlegungen zu Auslandseinsätzen
Kaum ein Unternehmen kommt heute noch darum herum: Auslandseinsätze von Mitarbeitern werden selbstverständlicher, je internationaler die unternehmerischen Aktivitäten werden. Die Expatriates (kurz: Expats) kümmern sich im Ausland darum, dass Ihre Geschäfte dort in Ihrem Sinne geführt werden. Auch wenn das für viele Unternehmen nichts Neues mehr ist, haben sich doch die Rahmenbedingungen geändert. Die EU-Osterweiterung etwa, modifizierte Rechtsgrundlagen oder auch globale Unternehmensstrategien wollen berücksichtigt werden.
„Je internationaler Unternehmen werden, umso wichtiger wird auch ein unternehmensinterner Personalaustausch über die nationalen und kulturellen Grenzen hinweg.“
Bei der strategischen Entscheidung für eine Entsendung spielt der Internationalisierungsgrad Ihres Unternehmens eine Rolle, ebenso die Arbeitsmarktsituation und die politischen Rahmenbedingungen im Gastland. Ins Gewicht fallen zudem Merkmale Ihrer ausländischen Niederlassung wie Alter, Größe oder Technologie. Einfluss auf die Entscheidung, ob Sie Leute ins Ausland entsenden, hat auch das Ziel, das Sie verfolgen, z. B. Wissenstransfer, Koordination und Kontrolle oder die Personalentwicklung speziell von Führungskräften. Für den Mitarbeiter ist mit der Entsendung üblicherweise entweder ein Karrieresprung, ein höheres Einkommen oder eine berufliche Herausforderung verbunden.
Rechtliche Grundlagen für Entsendungen
Um die Compliance-Anforderungen einzuhalten, müssen Sie sich mit Einreise- und Arbeitsgenehmigung, Arbeits-, Einkommens- und Lohnsteuerrecht sowie Unternehmenssteuer- und Sozialversicherungsrecht auseinandersetzen. Versäumnisse in diesen Bereichen können Sie teuer zu stehen kommen, etwa wenn Sie Steuern samt Strafe nachzahlen müssen oder Ihr Mitarbeiter des Landes verwiesen wird. Außerdem kann eine unprofessionell geplante Entsendung das Image Ihres Unternehmens im Gastland ankratzen oder gar ruinieren: Sie ziehen künftig verstärkt die Blicke der Behörden auf sich, verlieren Lizenzen und riskieren Gefängnisstrafen oder Sanktionen der Börsenaufsicht.
„Für das Expat-Management bedeutet Compliance, dass die Bestimmungen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts und des Arbeitsrechts im In- und Ausland sowie die Einreise- und Arbeitsgenehmigungsbestimmungen des Gastlandes zu befolgen sind.“
Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist ein Einsatz von Mitarbeitern im Ausland mit allerhand Tretminen gespickt. So kann z. B. nach internationalem Arbeitsrecht eine Entsendung vorliegen, im Sinne des Sozialversicherungsrechts aber nicht. Der Sachverhalt ist derart komplex, dass es vorteilhaft ist, sich von einem Experten für internationales Arbeitsrecht beraten zu lassen. In jedem Fall sollten Sie im Arbeitsvertrag festhalten, dass heimisches Recht auch für die Entsendungsvereinbarung Anwendung findet.
„Nicht zu unterschätzen sind die zeitaufwändigen Einreise- und Aufenthaltsformalitäten sowie die damit verbundenen Kosten.“
Beim Steuerrecht sind Unternehmen und Mitarbeiter gefordert, der eine bei der Lohnsteuer, der andere bei der Einkommenssteuer. Hat Ihr Mitarbeiter einen Wohnsitz in Deutschland – selbst wenn er diesen nur gelegentlich nutzt bzw. einfach möbliert bestehen lässt –, ist er auch in Deutschland mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt hat darauf keinen Einfluss. Der inländische Arbeitgeber muss auch Lohnsteuer einbehalten, es sei denn, es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, das dem ausländischen Staat das Recht der Besteuerung zuweist.
Sozialversicherung und Visum
Sozialversicherungspflichtig ist in Deutschland normalerweise nur, wer auch dort arbeitet. Damit keine Ansprüche verloren gehen, empfiehlt es sich im Regelfall, weiterhin in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Dazu gibt es eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die in der EU und den EWR-Mitgliedstaaten gelten, und zwar sowohl für eine befristete als auch für eine unbefristete Entsendung. Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit einigen Nicht-EU- bzw. Nicht-EWR-Mitgliedstaaten (darunter Australien, China oder USA) darauf geeinigt, dass Expatriates im deutschen Sozialversicherungssystem bleiben können.
„Die Vertragsgestaltung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ist die Basis für alle weiteren Schritte.“
Kümmern Sie sich rechtzeitig darum, dass Ihr Mitarbeiter und evtl. auch dessen Familie in das Gastland einreisen und dort auch arbeiten darf. Visumanträge für die Arbeitsaufnahme sollten Sie mehrere Monate im Voraus stellen, ein Touristenvisum nützt Ihnen gar nichts. Am besten erkundigen Sie sich beim jeweiligen Generalkonsulat.
Zwei Vertragsmodelle für den Auslandsaufenthalt
Die Basis für die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland ist eine vertragliche Vereinbarung. Sie können zwischen zwei Modellen wählen, dem Einvertrags- oder dem Zweivertragsmodell. Im ersten Fall gibt es eine Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag. Im zweiten Fall ruht der bestehende Arbeitsvertrag, und der Mitarbeiter schließt mit dem Unternehmen im Ausland für die Dauer seines Aufenthalts einen lokalen Arbeitsvertrag. Meist gehören dazu auch Vereinbarungen über die Dauer der Entsendung, die Sozialversicherung oder die Frage, ob der Arbeitgeber im Gast- oder Heimatland die Personalkosten übernimmt.
„Unabhängig von der gewählten Vertragsgestaltung ist es empfehlenswert, Klarheit hinsichtlich der Zuordnung der Personalkosten zwischen Arbeitgeber im Heimatland und ausländischem Unternehmen zu schaffen.“
Einen Sonderfall stellt das so genannte „Commuting“ dar: Die Tätigkeit des Arbeitnehmers erstreckt sich zugleich auf den Arbeitsort im Heimatland und den im Ausland; oder der Mitarbeiter arbeitet vorwiegend im Ausland, hat aber seinen Wohnsitz im Heimatland und pendelt mindestens zweimal im Monat hin und her. In solchen Fällen wird meist zusätzlich zum bestehenden Arbeitsvertrag ein zweiter mit der ausländischen Gesellschaft geschlossen; Unterkunftskosten und Heimreisen regelt eine Zusatzvereinbarung. Im Großen und Ganzen eine verzwickte Geschichte, wenn vorher nicht alle rechtlichen Belange genau überprüft wurden.
Details vertraglich klären
Egal wie der Vertrag dann im Detail aussieht, immer sollten personalpolitische sowie sozialversicherungs- und aufenthaltsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Für projektbezogene Auslandseinsätze oder zum Aufbau einer Tochtergesellschaft bietet sich z. B. das Einvertragsmodell an. Nichteuropäische Länder (etwa Südkorea oder Russland) verlangen aber immer öfter ein Arbeitsvisum, und mit dem Einvertragsmodell ist die Voraussetzung für einen lokalen Arbeitsvertrag nicht erfüllt. Soll der Einsatz länger als drei Jahre dauern, ist das Zweivertragsmodell vorzuziehen. Dann aber fällt der Arbeitnehmer aus der deutschen Sozialversicherung, was nur durch eine Ausnahmevereinbarung verhindert werden kann, um die Sie sich rechtzeitig kümmern müssen.
„Das Expat-Management hat der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Rechnung zu tragen und auf eine eindeutige Auftragserteilung sowie auf die Einhaltung des intern vorgeschriebenen Genehmigungsprozesses zu achten.“
Um dem Entsender wie dem Entsendeten Ärger zu ersparen, verzichten Sie in den vertraglichen Vereinbarungen zum Auslandseinsatz besser nicht auf die scheinbar so lästigen Details. Neben den üblichen Klauseln wie Aufgabenbeschreibung, Berichtspflichten, Arbeitsort, Dauer des Auslandseinsatzes, Arbeitszeit, Rückrufrecht des Arbeitgebers oder Rückkehrgarantie sollte etwa das Angebot eines Sprachkurses sehr detailliert formuliert werden. Legen Sie klar fest, wie viele Unterrichtseinheiten zu welchem Preis zur Verfügung gestellt werden und ob dies auch für begleitende Familienmitglieder gilt.
Vergütung des Auslandseinsatzes
Expatriates sind meist qualifizierte, leistungsstarke Mitarbeiter, die natürlich auch eine angemessene Vergütung für die Zeit ihrer Entsendung erwarten. Schließlich sollen sie sich im Ausland für Ihr Unternehmen starkmachen. Andererseits müssen Sie dieses Einkommen auch finanzieren und es an landesspezifischen Besonderheiten ausrichten können. Entweder legen Sie das Einkommen basierend auf dem Niveau des Heimatlandes fest oder Sie orientieren sich am Einkommensniveau des Einsatzlandes. Wird aus einem Hoch- in ein Niedriglohnland entsandt, wird häufig zusätzlich eine Expatriate-Allowance gezahlt, die den gewohnten Lebensstandard sicherstellt.
„Die Betreuungsmaßnahmen dienen dazu, dem Mitarbeiter am Einsatzort das Einleben und den Aufenthalt zu erleichtern und den Kontakt mit dem entsendenden Bereich aufrechtzuerhalten und zu stärken.“
Mitarbeitern, die nur kurzfristig im Ausland eingesetzt werden, bezahlen Sie das Einkommen weiter im Heimatland. Bei langfristigen Einsätzen ist es ratsam, das Einkommen im Einsatzland auszuzahlen, allein deshalb, weil der Mitarbeiter die Interessen des ausländischen Arbeitgebers vertritt und dieser meist die Kosten für den Einsatz übernimmt. Außerdem kann die Lohnsteuer dann direkt an die dortige Finanzbehörde abgeführt werden und muss nicht umständlich über eine so genannte Shadow-Payroll vom fiktiven Bruttoeinkommen errechnet und dann abgeführt werden. Klären Sie unbedingt auch, ob der Mitarbeiter oder das Unternehmen die Steuern und Sozialabgaben auf die entsendungsbedingten Leistungen übernimmt.
Den Auslandseinsatz gut planen
Ist die endgültige Entscheidung über den Auslandseinsatz gefallen und sind alle vertraglichen Details geklärt, halten Sie sich unbedingt noch einmal Ihre Fürsorgepflicht dem Mitarbeiter gegenüber vor Augen, damit die Entsendung für ihn nicht ein unberechenbares Abenteuer wird. Dies gilt ganz besonders bei Entsendungen in Länder mit Sicherheitsrisiko. Sie werden vermutlich nicht den Nächstbesten ins Ausland schicken, sondern zuvor Eignungskriterien festlegen, damit der Mitarbeiter dem Kompetenzprofil der Stelle entspricht. Aber nicht nur er, auch seine evtl. mitreisende Familie muss auslandstauglich sein. Machen Sie sich bewusst, dass ein Mitarbeiter sich z. B. für eine Entsendung nach Thailand gut eignen mag, sich aber in den USA möglicherweise nicht wohlfühlt. Auf jeden Fall müssen Sie die Entscheidung über die Entsendung zusammen mit dem Mitarbeiter treffen und ihn über alle relevanten Sachverhalte umfassend informieren. Es kann hilfreich sein, wenn Sie ein Gespräch mit ehemaligen Expats in die Wege leiten.
„Unternehmen zählen die Unzufriedenheit mit der neuen Position zu den Hauptgründen, weshalb zurückgekehrte Mitarbeiter innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Entsendung das Unternehmen verlassen.“
Ihr Mitarbeiter braucht genügend Zeit zur Vorbereitung: Ein Sprachkurs, interkulturelles Training, ärztliche Untersuchungen und Impfungen, Steuerberatung, Informationen über die Sicherheitslage am Einsatzort sowie der Hinweis auf seine Verantwortung für den Schutz seines Know-hows – damit dieses nicht in falsche Hände gerät – gehören dazu. Die Reisekosten für Ihren Mitarbeiter und seine Familie übernimmt selbstverständlich das Unternehmen; Umzugs- oder Renovierungskosten regeln Sie von Fall zu Fall, aber unbedingt vertraglich und bis ins Detail. Nimmt der Expat Reitpferd und Segelboot mit ins Ausland, kann das teuer werden. Auch über Kindergarten- oder Schulkosten, Dienstwagen und Heimreisen müssen Sie klare Absprachen treffen. Am Einsatzort angekommen, darf der Mitarbeiter nicht sich selbst überlassen werden : Versorgen Sie ihn regelmäßig mit Informationen aus dem Heimatland und überprüfen und aktualisieren Sie laufend die Vertragsbedingungen.
Rückkehr und Auswertung
Eines Tages möchte der Expat wahrscheinlich wieder nach Hause. Die Rückkehr und vor allem die Wiedereingliederung ins Unternehmen müssen darum vorher in allen Einzelheiten vertraglich festgezurrt sein. Ein jährlicher Heimflug beispielsweise gehört ebenso dazu wie das Angebot eines Rückkehrseminars, vielleicht auch Hilfe bei der Jobsuche für den Partner oder Nachhilfeunterricht für die Kinder. Nicht vergessen dürfen Sie zudem die Möglichkeit eines vorzeitigen Rückrufs des Arbeitnehmers oder einer Kündigung während der Entsendung.
„Es ist zu dokumentieren, wie der Mitarbeiter, der den ganzen Prozess durchlaufen hat, seine Entsendung beurteilt und welche Verbesserungsvorschläge er möglicherweise hat.“
Ganz am Schluss steht die Kontrolle der Auslandsentsendung. Darin sollten die Gesamtkosten inkl. notwendig gewordener Ausnahmeregelungen einfließen. In Kombination mit der Beurteilung durch den Expat selbst, durch den Arbeitgeber im Gastland und durch die Kunden ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild über den Erfolg der Maßnahme.