Veränderungsprozesse in Unternehmen erfolgreich managen
Jeglicher Wandel innerhalb einer Organisation ist mit Risiken behaftet. Um harte Faktoren wie Abläufe und Strukturen zu optimieren, wird rational gemessen, gesteuert und angepasst. Im Veränderungsprozess treten Change-Manager oft Konfliktlawinen los, die sich schon lange aufgestaut haben. Im System Unternehmen können Gruppen eine starke Eigendynamik entwickeln, die den Wandel durch Motivation und Beteiligung entweder beschleunigt oder ihn durch Angst und Protest bremst. Der Weg des Change-Managers gleicht dem über ein Minenfeld: Weit über 20 Tretminen können explodieren. Werden diese rechtzeitig erkannt und umschifft oder entschärft, erhöhen sich die Erfolgschancen eines Change-Projekts. Die folgenden Minen werden Ihnen in Change-Prozessen immer wieder begegnen. Einige sind Klassiker, manche können erfolgskritisch sein. Betrachten Sie die Minen niemals isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit anderen – sie beeinflussen sich gegenseitig. Und halten Sie stets Augen und Ohren offen, denn die folgende Aufstellung ist lediglich beispielhaft.
- Mine 1: Strategie dominiert weiche Faktoren. Meist muss sich ein Unternehmen auf Druck von außen verändern, etwa weil Aktienkurse, Gewinnmargen und Ausschüttungen nicht den Erwartungen der Banken oder Eigner entsprechen. In Krisenzeiten und bei Fusionen bestimmen harte Faktoren wie der Blick auf Kennzahlen den Change-Prozess. Solche strategischen Veränderungen sind in der Praxis oft schlecht geplante Ad-hoc-Aktionen, die bereits auf der oberen Führungsebene nicht mit einer überzeugenden Story verankert sind. Damit der Wandel gelingt, müssen Sie auch die weichen Faktoren einbeziehen. Beginnen Sie damit schon bei der Organisation des Wandels: Arbeiten Sie nicht in der bestehenden Linienorganisation, sondern führen Sie ein separates Change-Projekt durch. Die Vorteile: Sie machen Verantwortliche und Ziele sichtbar, verringern die Komplexität und integrieren eine Informationskultur.
- Mine 2: Change-Management und Change Communication auf getrennten Wegen. Kommunikation im Change-Prozess soll die Beteiligten motivieren und begeistern. Sie können Change Communication im Change-Management verankern, indem Ihre Führungskräfte die gesetzten Ziele verkörpern und transportieren. Change Communication ist mehr als die bloße Bereitstellung von Informationen, sie beinhaltet auch Erklärungen und berücksichtigt die emotionale Ebene. Stellen Sie sicher, dass die interne PR stets der externen Pressearbeit vorangeht. Sonst kann es passieren, dass Mitarbeiter aus der Zeitung erfahren, welchem Konzern sie neuerdings angehören. Gestalten Sie Kommunikationsprozesse kaskadenartig vom oberen Topmanagement über die verschiedenen Führungsebenen nach unten zu den Mitarbeitern. Erst zum Schluss informieren Sie externe Ansprechpartner wie Journalisten und Kunden.
- Mine 3: fehlendes Handlungskonzept. Die strategischen Ziele des Change-Prozesses (z. B. Innovationsbester werden) definieren die Inhalte, die Werkzeuge und den Zeitplan. Als Manager des Wandels haben Sie mittels Dramaturgie und Didaktik eine gewisse Freiheit in der Umsetzung. Die Dramaturgie eines Projekts besteht wie im Theater aus Handlung, Erzählung und Bühne. Mit chronologischen Meilensteinen bilden Sie die zeitliche Struktur ab. Die Kommunikation erfolgt zu den Ereignissen und schafft Orientierung. Die Didaktik zielt darauf ab, die Mitarbeiter auf künftige Aufgaben vorzubereiten und sie einsatzfähig zu machen. Neben der Aneignung neuen Wissens (z. B. durch Trainings) geht es auch um die Überzeugung, dass eine Veränderung notwendig ist.
- Mine 4: Ziele ohne Scope-Management. Das Ziel ist bekannt, jedoch nicht der Weg dorthin: Welche Leistungen, Strukturen, Prozesse und Kapazitäten müssen verändert werden? Bandbreite und Tiefe des Wandels werden über den Scope bestimmt. Er entscheidet darüber, wie komplex sich der Wandel gestaltet. Er ist zugleich harter und weicher Faktor, weil er einerseits Kapazitäten bindet und andererseits die Dramaturgie definiert. Anders als vermutet, erhöht der Scope die Komplexität nicht, sondern senkt sie. Dadurch werden Widerstände im Projekt vermindert und dessen Eigendynamik wird positiv beeinflusst.
- Mine 5: keine Management-Agenda. Die Management-Agenda ist der Fahrplan, anhand dessen die Führungskräfte den Unternehmenswandel durchsetzen. Offenbar sind die Topmanager die wichtigsten Stakeholder im Change-Prozess, denn sie haben die Macht. Erarbeiten Sie deshalb mit den oberen Führungskräften ein verbindliches Leitbild. Ziel ist es, Fragen zum Selbstbild („Wer sind wir?“), zur Mission („Was treibt uns?“), zum Alleinstellungsmerkmal („Was macht uns aus?“), zur Vision („Was wollen wir?“) und zu Meilensteinen („Wie gehen wir vor?“) zu beantworten.
- Mine 6: keine Story. Mit einer aus dem Leitbild entwickelten Geschichte bieten Sie den Beteiligten eine bildhafte Identifikationsfläche für den Veränderungsprozess. Die Story muss plakativ, einfach und greifbar sein – bestenfalls umfasst sie wenige Seiten. Sie enthält Aussagen zu Zielen, Aufgaben und Prioritäten genauso wie Erklärungen in sprachlichen Bildern. Der positive Effekt: Beim Entwickeln und Verabschieden der Strategie werden Ungereimtheiten sowie mangelnder Konsens aufgedeckt und behoben.
- Mine 7: zu wenig Dringlichkeitsbewusstsein. Ist beim Einzelnen zu wenig Verständnis für den Wandel vorhanden, fehlt das Gefühl, dass die Veränderung auch ihm persönlich nutzt. Besonders in großen Konzernen oder Behörden verharren die Beteiligten oft in der Komfortzone. Um das zu ändern, müssen die Führungskräfte einen Leidensdruck aufbauen, der jedoch nicht in Angst umschlagen darf. Mit spielerischen Elementen können Sie außerhalb der Routine eine Erlebniswelt schaffen, in der sich Neues entfalten kann. Beachten Sie dabei den schmalen Grat zwischen Verunsicherung und Offenheit für Veränderungen!
- Mine 8: Führungskräfte bleiben außen vor. Oft verharrt die Führungsebene im Status quo, der den Wandel veranlasste. Doch Sie müssen sie systematisch in den Wandlungsprozess einbinden. Viele Führungskräfte haben eine schwierige Doppelrolle: Sie sind von den Veränderungen direkt betroffen (z. B. bei Zuständigkeitsänderungen), sollen diese aber loyal durchsetzen. Mit dem richtigen Timing und einem funktionierenden Informationsfluss können Sie Widerstand vorbeugen. Wenn internes Versagen als Auslöser des Change-Prozesses verstanden wird, kann es sinnvoll sein, die Vorbereitung externen Beratern zu überlassen. Den eigentlichen Startschuss aber muss immer die Unternehmensleitung selbst geben.
- Mine 9: vorgetäuschte Mitarbeiterbeteiligung. Ohne Einbindung kein Engagement! Eine Selbstverpflichtung zum Wandel erreichen Sie nur, wenn die Mitarbeiter den Wandlungsprozess mitgestalten. Beteiligen Sie sowohl Manager als auch Mitarbeiter an Analyse, Konzept, Durchführung und Controlling des Projekts, und zwar ehrlich und aktiv. Sie müssen aber keinesfalls die gesamte Organisation einbinden! Die Kunst liegt darin, relevante Schlüsselbereiche und -personen zu identifizieren, die als Multiplikatoren dienen.
- Mine 10: keine Anreize. Läuft ein Unternehmen aus dem Ruder, kann das durchaus an fehlgesteuerten oder nicht vorhandenen Anreizen liegen. Deshalb muss beim Veränderungsprozess auch die Honorierung auf dem Prüfstand stehen. Jeder Wandel erfordert zusätzliche Anstrengungen. Mit einem neuen Anreizsystem können Sie Verhalten direkt steuern und Einstellungen indirekt ändern.
- Mine 11: keine Selbstverpflichtung. Bei allen Beteiligten ein Bekenntnis und eine Motivation zur Veränderung zu erreichen, ist die zentrale Herausforderung des Change-Managements. Widerstände gehören zur Realität. Sie können meist nicht vollständig abgebaut, jedoch eingegrenzt werden. Dazu müssen Sie Gruppen aus Skeptikern, Bremsern, Promotoren und Widerständlern managen. Wenn Verhaltensänderungen gefragt sind, reicht Kommunikation allein nicht aus. Binden Sie die mittlere und obere Führung formell ein, z. B. als Projektsponsor. Auch Coaching und Mentoring sind bewährte Methoden, dynamische Gruppenprozesse zu steuern.
- Mine 12: Mikropolitik übersehen. Mikropolitik beinhaltet Taktiken, mit denen Macht zur Durchsetzung von geplanten Handlungen aufgebaut wird. Dazu zählen z. B. Informationskontrolle und Beziehungspflege, die durchaus Eigeninteressen dienen. Haben Sie es im Unternehmen mit egoistischen Mikropolitikern zu tun, können Sie Vetostimmen entweder durch Machtanreize stärker einbinden oder sie ausgrenzen, indem Sie sie in irrelevante Bereiche wegloben.
- Mine 13: Systemmacht unterschätzen. Macht zeigt sich u. a. in Weisungsbefugnis, Position und Durchsetzungsfähigkeit. Macht im Change-Prozess ist formell oder informell. Jeder Wandel bewirkt eine Machtverschiebung, die tief greifende Gruppenprozesse auslösen kann. Mit Meinungsbildnern streuen Sie positive Informationen und verhindern, dass wenige lokale Minderheiten die globale Mehrheit mit ihrer negativen Meinung anstecken. Mithilfe von Change-Agents, die als Botschafter der Change-Idee fungieren, können Sie Machtverlust, der durch Gruppendruck auftritt, bekämpfen.
- Mine 14: weder Moderation noch Mediation. Beim Change-Management können sich Konflikte entwickeln, für die keine Lösungskompetenz vorhanden ist. Mit einer Clearingstelle, die moderierend oder mediierend eingreift, schaffen Sie eine neutrale Anlaufstelle und beschleunigen offene Entscheidungsprozesse. Gleichzeitig entlasten Sie die Projektführung, weil Lösungen direkt mit den betroffenen Parteien erarbeitet werden.
- Mine 15: Due Diligence ist einseitig. Diese intensive Überprüfung des Unternehmens, z. B. vor einem Börsengang, durchleuchtet sowohl rechtliche und finanzielle Aspekte als auch die Unternehmenskultur. Letztere ist flüchtig, schwer messbar und sehr wandlungsfähig. Trotzdem gilt es, sie stetig zu beobachten, auch wenn sich die Ergebnisse nicht in Kennzahlen ausdrücken lassen. Hilfreich ist die periodische Abfrage von Themen wie Konfliktkultur, Kundenorientierung und Hierarchiebedeutung.
- Mine 16: keine offene Konfliktkultur. Jasager machen das, was Vorgesetzte von ihnen verlangen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Von dort ist der Weg nicht weit zu schöngefärbten Kennzahlen, die unrealistisch sind. Abhilfe schafft ein offener, konstruktiver Umgang mit unvermeidlichen Fehlern. Werden diese als Aufbau von Erfahrungswissen gewertet, ist eine produktive Fehlerkultur gegeben. Genauso lassen sich Konflikte als Energien betrachten, die eine Organisation positiv für sich nutzen kann. Die notwendige Kritikfähigkeit der Führungsebene lässt sich in Workshops trainieren.
- Mine 17: schlechtes Timing. Der Zeitbedarf für die Ausführung einer Handlung ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch ein strategischer Erfolgsfaktor. Hier gilt es, einen angemessenen Zeitrahmen zu entwickeln: Ist er zu groß bemessen, können widerstrebende Gruppenprozesse entstehen. Ist er zu knapp, kommt es zu Überforderung; Aufgaben werden nicht bewältigt. Wird das Team für die Zielorganisation schnell bestimmt, bildet sich frühzeitig eine Allianz für den Wandel.
- Mine 18: Geheimniskrämerei und Indiskretion. Wer sich nicht traut, unbequeme Wahrheiten zu kommunizieren, macht den Weg frei für eine schädliche Gerüchteküche. Potenzielle Vetostimmen fallen da natürlich auf fruchtbaren Boden. Nur mit transparenter Kommunikation zu den Meilensteinen des Change-Projekts können Sie Gegenstimmen eindämmen und zerstörerischen Energien die Kraft rauben.
- Mine 19: unglaubwürdiges Showbusiness. Glaubwürdigkeit entsteht, wenn Reden und Handeln übereinstimmen. Werden hingegen Wunschwelten konstruiert, z. B. indem ein übernommenes Unternehmen als gleichberechtigter Partner dargestellt wird, obwohl dessen frustrierte Mitarbeiter sich als Verlierer fühlen, ist das schlicht unglaubwürdig. Verwenden Sie eine realistische Sprache.
- Mine 20: kein Verhaltensmanagement. Mitteilende Kommunikation allein reicht nicht, um Änderungsprozesse zu begleiten. Diesen müssen auch praktische Handlungen folgen. Manager müssen ihr Verhalten entsprechend justieren, weil es die Mitarbeiter beeinflusst.