Erfolgsfaktor Change Communications

Buch Erfolgsfaktor Change Communications

Klassische Fehler im Change-Management vermeiden

Gabler,


Rezension

Dass Change-Man­age­ment-Prozesse nicht auf der fröhlichen Spielwiese stattfinden, zeigen die zahlreichen Ratgeber und Fachbücher, die auf den Markt drängen. So umfangreich wie die Zahl der Veröffentlichun­gen sind die Herange­hensweisen, derer sich die Autoren befleißigen. Jan Lies, der Herausgeber dieses Werks, beherzigt den sys­temis­chen Ansatz; er und sein Autorenteam wagen einen ganzheitlichen Blick auf das komplexe Thema. Stoisch räumen sie alle Minen aus dem Weg, über die Manager im Change-Pro­jekt straucheln könnten – und das sind nicht wenige! Bei Lies und Co. ist der Begriff „Change Com­mu­ni­ca­tion“ viel weiter gefasst, als man erwarten würde. Das ausführlich dargestellte, akademische Fundament mag einige abschrecken. Doch Prax­is­beispiele und the­o­retis­che Modelle stehen im Buch recht anschaulich nebeneinan­der. Allerdings wäre ein Glossar für Leser, die mit den Anglizismen der Wirtschaftswelt nicht besonders vertraut sind, angebracht gewesen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die den Wandel in einem in Unternehmen leiten oder begleiten – ob extern oder intern.

Take-aways

  • Change Com­mu­ni­ca­tion ist ein vernachlässigter Er­fol­gs­fak­tor des Change-Man­age­ments.
  • Jede Veränderung im Unternehmen kann unbewusste Konflikte und eine Ket­ten­reak­tion auslösen.
  • Wer ein Change-Man­age­ment-Pro­jekt vorbereitet und durchführt, betritt ein gefährliches Minenfeld.
  • Im Change-Prozess gibt es über 20 hochex­plo­sive Tretminen, die sich gegenseitig bee­in­flussen.
  • Wer den Prozess erfolgreich bewältigen will, muss diese Tretminen aufspüren und entschärfen.
  • Sys­temis­ches Change-Man­age­ment verbindet harte und weiche Faktoren, indem Entschei­dun­gen rational gefällt werden und das relevante Umfeld beteiligt ist.
  • Topmanager und Führungskräfte sind kritische Mächte, die Sie geschickt einbinden müssen, z. B. bei der Entwicklung der Change-Story.
  • In jedem Change-Prozess werden Fehler gemacht. Der Umgang mit ihnen erfordert eine offene Kon­flik­tkul­tur.
  • Verteilen Sie In­for­ma­tio­nen zuerst intern (von oben nach unten) und danach extern.
  • Es genügt nicht, Mit­teilun­gen nur zu kom­mu­nizieren; die Überbringer der Botschaft müssen sich auch entsprechend verhalten.
 

Zusammenfassung

Veränderung­sprozesse in Unternehmen erfolgreich managen

Jeglicher Wandel innerhalb einer Or­gan­i­sa­tion ist mit Risiken behaftet. Um harte Faktoren wie Abläufe und Strukturen zu optimieren, wird rational gemessen, gesteuert und angepasst. Im Veränderung­sprozess treten Change-Man­ager oft Kon­flik­t­law­inen los, die sich schon lange aufgestaut haben. Im System Unternehmen können Gruppen eine starke Eigen­dy­namik entwickeln, die den Wandel durch Motivation und Beteiligung entweder beschle­u­nigt oder ihn durch Angst und Protest bremst. Der Weg des Change-Man­agers gleicht dem über ein Minenfeld: Weit über 20 Tretminen können explodieren. Werden diese rechtzeitig erkannt und umschifft oder entschärft, erhöhen sich die Er­fol­gschan­cen eines Change-Pro­jekts. Die folgenden Minen werden Ihnen in Change-Prozessen immer wieder begegnen. Einige sind Klassiker, manche können er­fol­gskri­tisch sein. Betrachten Sie die Minen niemals isoliert, sondern immer im Zusam­men­hang mit anderen – sie bee­in­flussen sich gegenseitig. Und halten Sie stets Augen und Ohren offen, denn die folgende Aufstellung ist lediglich beispiel­haft.

  • Mine 1: Strategie dominiert weiche Faktoren. Meist muss sich ein Unternehmen auf Druck von außen verändern, etwa weil Aktienkurse, Gewin­n­mar­gen und Ausschüttungen nicht den Erwartungen der Banken oder Eigner entsprechen. In Krisen­zeiten und bei Fusionen bestimmen harte Faktoren wie der Blick auf Kennzahlen den Change-Prozess. Solche strate­gis­chen Veränderungen sind in der Praxis oft schlecht geplante Ad-hoc-Ak­tio­nen, die bereits auf der oberen Führungsebene nicht mit einer überzeu­gen­den Story verankert sind. Damit der Wandel gelingt, müssen Sie auch die weichen Faktoren einbeziehen. Beginnen Sie damit schon bei der Or­gan­i­sa­tion des Wandels: Arbeiten Sie nicht in der bestehenden Lin­ienor­gan­i­sa­tion, sondern führen Sie ein separates Change-Pro­jekt durch. Die Vorteile: Sie machen Ve­r­ant­wortliche und Ziele sichtbar, verringern die Komplexität und integrieren eine In­for­ma­tion­skul­tur.
  • Mine 2: Change-Man­age­ment und Change Com­mu­ni­ca­tion auf getrennten Wegen. Kom­mu­nika­tion im Change-Prozess soll die Beteiligten motivieren und begeistern. Sie können Change Com­mu­ni­ca­tion im Change-Man­age­ment verankern, indem Ihre Führungskräfte die gesetzten Ziele verkörpern und trans­portieren. Change Com­mu­ni­ca­tion ist mehr als die bloße Bere­it­stel­lung von In­for­ma­tio­nen, sie beinhaltet auch Erklärungen und berücksichtigt die emotionale Ebene. Stellen Sie sicher, dass die interne PR stets der externen Pressear­beit vorangeht. Sonst kann es passieren, dass Mitarbeiter aus der Zeitung erfahren, welchem Konzern sie neuerdings angehören. Gestalten Sie Kom­mu­nika­tion­sprozesse kaskadenar­tig vom oberen Top­man­age­ment über die ver­schiede­nen Führungsebe­nen nach unten zu den Mi­tar­beit­ern. Erst zum Schluss informieren Sie externe Ansprech­part­ner wie Jour­nal­is­ten und Kunden.
  • Mine 3: fehlendes Hand­lungskonzept. Die strate­gis­chen Ziele des Change-Prozesses (z. B. In­no­va­tions­bester werden) definieren die Inhalte, die Werkzeuge und den Zeitplan. Als Manager des Wandels haben Sie mittels Dramaturgie und Didaktik eine gewisse Freiheit in der Umsetzung. Die Dramaturgie eines Projekts besteht wie im Theater aus Handlung, Erzählung und Bühne. Mit chro­nol­o­gis­chen Meilen­steinen bilden Sie die zeitliche Struktur ab. Die Kom­mu­nika­tion erfolgt zu den Ereignissen und schafft Ori­en­tierung. Die Didaktik zielt darauf ab, die Mitarbeiter auf künftige Aufgaben vorzu­bere­iten und sie einsatzfähig zu machen. Neben der Aneignung neuen Wissens (z. B. durch Trainings) geht es auch um die Überzeugung, dass eine Veränderung notwendig ist.
  • Mine 4: Ziele ohne Scope-Man­age­ment. Das Ziel ist bekannt, jedoch nicht der Weg dorthin: Welche Leistungen, Strukturen, Prozesse und Kapazitäten müssen verändert werden? Bandbreite und Tiefe des Wandels werden über den Scope bestimmt. Er entscheidet darüber, wie komplex sich der Wandel gestaltet. Er ist zugleich harter und weicher Faktor, weil er einerseits Kapazitäten bindet und an­der­er­seits die Dramaturgie definiert. Anders als vermutet, erhöht der Scope die Komplexität nicht, sondern senkt sie. Dadurch werden Widerstände im Projekt vermindert und dessen Eigen­dy­namik wird positiv beeinflusst.
  • Mine 5: keine Man­age­ment-Agenda. Die Man­age­ment-Agenda ist der Fahrplan, anhand dessen die Führungskräfte den Un­ternehmenswan­del durchsetzen. Offenbar sind die Topmanager die wichtigsten Stakeholder im Change-Prozess, denn sie haben die Macht. Erarbeiten Sie deshalb mit den oberen Führungskräften ein verbindliches Leitbild. Ziel ist es, Fragen zum Selbstbild („Wer sind wir?“), zur Mission („Was treibt uns?“), zum Alle­in­stel­lungsmerk­mal („Was macht uns aus?“), zur Vision („Was wollen wir?“) und zu Meilen­steinen („Wie gehen wir vor?“) zu beantworten.
  • Mine 6: keine Story. Mit einer aus dem Leitbild en­twick­el­ten Geschichte bieten Sie den Beteiligten eine bildhafte Iden­ti­fika­tionsfläche für den Veränderung­sprozess. Die Story muss plakativ, einfach und greifbar sein – bestenfalls umfasst sie wenige Seiten. Sie enthält Aussagen zu Zielen, Aufgaben und Prioritäten genauso wie Erklärungen in sprach­lichen Bildern. Der positive Effekt: Beim Entwickeln und Ve­r­ab­schieden der Strategie werden Un­gereimtheiten sowie mangelnder Konsens aufgedeckt und behoben.
  • Mine 7: zu wenig Dringlichkeits­be­wusst­sein. Ist beim Einzelnen zu wenig Verständnis für den Wandel vorhanden, fehlt das Gefühl, dass die Veränderung auch ihm persönlich nutzt. Besonders in großen Konzernen oder Behörden verharren die Beteiligten oft in der Komfortzone. Um das zu ändern, müssen die Führungskräfte einen Lei­dens­druck aufbauen, der jedoch nicht in Angst umschlagen darf. Mit spielerischen Elementen können Sie außerhalb der Routine eine Er­leb­niswelt schaffen, in der sich Neues entfalten kann. Beachten Sie dabei den schmalen Grat zwischen Verun­sicherung und Offenheit für Veränderungen!
  • Mine 8: Führungskräfte bleiben außen vor. Oft verharrt die Führungsebene im Status quo, der den Wandel veranlasste. Doch Sie müssen sie sys­tem­a­tisch in den Wand­lung­sprozess einbinden. Viele Führungskräfte haben eine schwierige Doppelrolle: Sie sind von den Veränderungen direkt betroffen (z. B. bei Zuständigkeitsänderungen), sollen diese aber loyal durchsetzen. Mit dem richtigen Timing und einem funk­tion­ieren­den In­for­ma­tions­fluss können Sie Widerstand vorbeugen. Wenn internes Versagen als Auslöser des Change-Prozesses verstanden wird, kann es sinnvoll sein, die Vor­bere­itung externen Beratern zu überlassen. Den eigentlichen Startschuss aber muss immer die Un­ternehmensleitung selbst geben.
  • Mine 9: vorgetäuschte Mi­tar­beit­er­beteili­gung. Ohne Einbindung kein Engagement! Eine Selb­stverpflich­tung zum Wandel erreichen Sie nur, wenn die Mitarbeiter den Wand­lung­sprozess mit­gestal­ten. Beteiligen Sie sowohl Manager als auch Mitarbeiter an Analyse, Konzept, Durchführung und Controlling des Projekts, und zwar ehrlich und aktiv. Sie müssen aber keinesfalls die gesamte Or­gan­i­sa­tion einbinden! Die Kunst liegt darin, relevante Schlüssel­bere­iche und -personen zu iden­ti­fizieren, die als Mul­ti­p­lika­toren dienen.
  • Mine 10: keine Anreize. Läuft ein Unternehmen aus dem Ruder, kann das durchaus an fehlges­teuerten oder nicht vorhandenen Anreizen liegen. Deshalb muss beim Veränderung­sprozess auch die Honorierung auf dem Prüfstand stehen. Jeder Wandel erfordert zusätzliche Anstren­gun­gen. Mit einem neuen An­reizsys­tem können Sie Verhalten direkt steuern und Ein­stel­lun­gen indirekt ändern.
  • Mine 11: keine Selb­stverpflich­tung. Bei allen Beteiligten ein Bekenntnis und eine Motivation zur Veränderung zu erreichen, ist die zentrale Her­aus­forderung des Change-Man­age­ments. Widerstände gehören zur Realität. Sie können meist nicht vollständig abgebaut, jedoch eingegrenzt werden. Dazu müssen Sie Gruppen aus Skeptikern, Bremsern, Promotoren und Widerständlern managen. Wenn Verhaltensänderungen gefragt sind, reicht Kom­mu­nika­tion allein nicht aus. Binden Sie die mittlere und obere Führung formell ein, z. B. als Pro­jek­t­spon­sor. Auch Coaching und Mentoring sind bewährte Methoden, dynamische Grup­pen­prozesse zu steuern.
  • Mine 12: Mikropoli­tik übersehen. Mikropoli­tik beinhaltet Taktiken, mit denen Macht zur Durch­set­zung von geplanten Handlungen aufgebaut wird. Dazu zählen z. B. In­for­ma­tion­skon­trolle und Beziehungspflege, die durchaus Eigen­in­ter­essen dienen. Haben Sie es im Unternehmen mit ego­is­tis­chen Mikropoli­tik­ern zu tun, können Sie Vetostimmen entweder durch Mach­tan­reize stärker einbinden oder sie ausgrenzen, indem Sie sie in irrelevante Bereiche wegloben.
  • Mine 13: Systemmacht unterschätzen. Macht zeigt sich u. a. in Weisungs­befug­nis, Position und Durch­set­zungsfähigkeit. Macht im Change-Prozess ist formell oder informell. Jeder Wandel bewirkt eine Machtver­schiebung, die tief greifende Grup­pen­prozesse auslösen kann. Mit Mei­n­ungs­bild­nern streuen Sie positive In­for­ma­tio­nen und verhindern, dass wenige lokale Min­der­heiten die globale Mehrheit mit ihrer negativen Meinung anstecken. Mithilfe von Change-Agents, die als Botschafter der Change-Idee fungieren, können Sie Machtver­lust, der durch Grup­pen­druck auftritt, bekämpfen.
  • Mine 14: weder Moderation noch Mediation. Beim Change-Man­age­ment können sich Konflikte entwickeln, für die keine Lösungskom­pe­tenz vorhanden ist. Mit einer Clear­ing­stelle, die moderierend oder mediierend eingreift, schaffen Sie eine neutrale An­lauf­stelle und beschle­u­ni­gen offene Entschei­dung­sprozesse. Gle­ichzeitig entlasten Sie die Projektführung, weil Lösungen direkt mit den betroffenen Parteien erarbeitet werden.
  • Mine 15: Due Diligence ist einseitig. Diese intensive Überprüfung des Un­ternehmens, z. B. vor einem Börsengang, durch­leuchtet sowohl rechtliche und finanzielle Aspekte als auch die Un­ternehmen­skul­tur. Letztere ist flüchtig, schwer messbar und sehr wandlungsfähig. Trotzdem gilt es, sie stetig zu beobachten, auch wenn sich die Ergebnisse nicht in Kennzahlen ausdrücken lassen. Hilfreich ist die periodische Abfrage von Themen wie Kon­flik­tkul­tur, Kun­de­nori­en­tierung und Hi­er­ar­chiebe­deu­tung.
  • Mine 16: keine offene Kon­flik­tkul­tur. Jasager machen das, was Vorgesetzte von ihnen verlangen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Von dort ist der Weg nicht weit zu schöngefärbten Kennzahlen, die un­re­al­is­tisch sind. Abhilfe schafft ein offener, kon­struk­tiver Umgang mit un­ver­mei­dlichen Fehlern. Werden diese als Aufbau von Er­fahrungswis­sen gewertet, ist eine produktive Fehlerkul­tur gegeben. Genauso lassen sich Konflikte als Energien betrachten, die eine Or­gan­i­sa­tion positiv für sich nutzen kann. Die notwendige Kritikfähigkeit der Führungsebene lässt sich in Workshops trainieren.
  • Mine 17: schlechtes Timing. Der Zeitbedarf für die Ausführung einer Handlung ist nicht nur ein Kosten­fak­tor, sondern auch ein strate­gis­cher Er­fol­gs­fak­tor. Hier gilt es, einen angemesse­nen Zeitrahmen zu entwickeln: Ist er zu groß bemessen, können wider­strebende Grup­pen­prozesse entstehen. Ist er zu knapp, kommt es zu Überforderung; Aufgaben werden nicht bewältigt. Wird das Team für die Zielor­gan­i­sa­tion schnell bestimmt, bildet sich frühzeitig eine Allianz für den Wandel.
  • Mine 18: Geheimniskrämerei und In­diskre­tion. Wer sich nicht traut, unbequeme Wahrheiten zu kom­mu­nizieren, macht den Weg frei für eine schädliche Gerüchteküche. Potenzielle Vetostimmen fallen da natürlich auf fruchtbaren Boden. Nur mit trans­par­enter Kom­mu­nika­tion zu den Meilen­steinen des Change-Pro­jekts können Sie Gegen­stim­men eindämmen und zerstörerischen Energien die Kraft rauben.
  • Mine 19: unglaubwürdiges Show­busi­ness. Glaubwürdigkeit entsteht, wenn Reden und Handeln übere­in­stim­men. Werden hingegen Wun­schwel­ten konstruiert, z. B. indem ein übernommenes Unternehmen als gle­ich­berechtigter Partner dargestellt wird, obwohl dessen frustrierte Mitarbeiter sich als Verlierer fühlen, ist das schlicht unglaubwürdig. Verwenden Sie eine re­al­is­tis­che Sprache.
  • Mine 20: kein Ver­hal­tens­man­age­ment. Mitteilende Kom­mu­nika­tion allein reicht nicht, um Änderung­sprozesse zu begleiten. Diesen müssen auch praktische Handlungen folgen. Manager müssen ihr Verhalten entsprechend justieren, weil es die Mitarbeiter beeinflusst.

Über die Autoren

Jan Lies ist Professor für Me­di­en­man­age­ment an der Macromedia Hochschule und Berater mit Schwerpunkt Veränderung­sprozesse und Kom­mu­nika­tion. Steffen Mörbe und Ulrike Volejnik leiten die Beratung bei T-Systems Multimedia Solutions. Simon Schoop ist selbstständiger Un­ternehmens­ber­ater.