Social Media im Personalmarketing

Buch Social Media im Personalmarketing

Luchterhand,


Rezension

Es ist der Albtraum jedes Bewerbers: Der neue Job scheint zum Greifen nahe, doch dann kommt eine Absage. Schuld ist das peinliche Partyfoto auf Facebook: Ein glasiger Blick oder ein blanker Hintern zerstören den Eindruck des seriösen Kandidaten. Tatsächlich nutzen bereits 80 % der Personaler in Deutschland soziale Netzwerke, um sich über potenzielle Mitarbeiter zu informieren. Doch die Bedeutung dieser „Back­ground-Checks“ wird überschätzt. Das wahre Potenzial des Web 2.0 liegt nicht in kom­pro­mit­tieren­den Fakten, sondern in der Möglichkeit, von Mensch zu Mensch mit zukünftigen Kandidaten zu reden. Arbeitgeber sind längst dem wachsamen Auge der sozialen Netzwerker ausgesetzt. Ehemalige oder anonym bleibende Mitarbeiter sprechen über ihre Erfahrungen, ob es den Ve­r­ant­wortlichen gefällt oder nicht. Was liegt da näher, als die Kom­mu­nika­tion im eigenen Interesse zu bee­in­flussen? Die Autoren haben zahlreiche Ideen und Prax­is­beispiele zusam­menge­tra­gen. Diese Stim­men­vielfalt macht das Buch etwas unübersichtlich und führt zu unnötigen Wieder­hol­un­gen. Nützlich ist es dennoch: BooksInShort empfiehlt es Personalern, die nicht länger unschlüssig am Rande der So­cial-Me­dia-Rev­o­lu­tion ausharren möchten, sondern sich lieber heute als morgen ins Getümmel stürzen wollen.

Take-aways

  • So­cial-Me­dia-Re­cruit­ing steckt noch in den Kinder­schuhen. Mit wenig Aufwand lässt sich hier viel erreichen.
  • Holen Sie die „Digital Natives“ dort ab, wo sie sich online überwiegend aufhalten: in sozialen Netzwerken.
  • Der Kampf um Talente führt dazu, dass Unternehmen sich bei den Kandidaten bewerben und nicht umgekehrt.
  • Social Media ersetzen herkömmliche Re­cruit­ing-Meth­o­den nicht, sondern ergänzen sie.
  • Verknüpfen Sie Ihre Kar­ri­ereweb­site und So­cial-Me­dia-Ange­bote zu einem Netz.
  • Beginnen Sie den Dialog mit jungen Menschen, noch bevor diese aktiv einen Job suchen.
  • Machen Sie die eigenen Mitarbeiter zu Botschaftern für Ihr Unternehmen.
  • Personaler werden zu „Brokern“, die zwischen Fachkol­le­gen und Kandidaten vermitteln.
  • Eine restriktive Kom­mu­nika­tion­spoli­tik lässt sich nicht mit der Stim­men­vielfalt in sozialen Netzwerken vereinbaren.
  • Die Net­zge­meinde entlarvt Lügen und Zensur sofort. Authentizität zahlt sich aus.
 

Zusammenfassung

Recruiting reloaded

90 % aller Deutschen im Alter von 14 bis 29 Jahren nutzen das Internet. Einen Großteil ihrer Onlinezeit kom­mu­nizieren sie mit anderen. Viele konsumieren und produzieren gle­ichzeitig Inhalte und lassen sich immer weniger von herkömmlichen Mar­ket­ing­meth­o­den beein­drucken. Das Web-2.0-Marketing wächst rasant, eine Entwicklung, der die Per­son­al­abteilun­gen noch hin­ter­her­hinken. Dabei eignen sich die sozialen Netzwerke her­vor­ra­gend zum Em­ployer-Brand­ing. Gerade die „Digital Natives“, die das Internet quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben, wollen als Bewerber dort abgeholt werden, wo sie sich ohnehin schon aufhalten.

„Die Digital Natives suchen Unternehmen, die ihnen in einem Umfeld aus Kollegialität und flachen Hierarchien die Möglichkeit zu selbstständigem Arbeiten bieten.“

Der Kampf um Talente wird sich weiter verschärfen und folglich auch die Bedeutung von „Sourcing“, der direkten Ansprache geeigneter Kandidaten. In Zukunft werden sich die Unternehmen bei den Job­suchen­den bewerben und nicht umgekehrt. Sys­tem­a­tis­ches Tal­ent-Re­la­tion­ship-Man­age­ment (TRM) garantiert, dass Sie einen Pool an poten­ziellen Top­kan­di­daten immer weiter ausbauen und pflegen, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Egal ob ehemalige Prak­tikan­ten, Doktoranden oder Bewerber, denen Sie einst keine passende Stelle anbieten konnten: Social Media sind eine exzellente Plattform, um Ihre Tal­ent-Pipeline zu einem machtvollen Re­cruit­ing-Tool auszubauen.

„Ein beliebtes Spiel ist mit­tler­weile, den Namen des poten­ziellen Chefs in Kombination mit gängigen Schimpfwörtern zu googeln.“

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Engagements in sozialen Netzwerken ist exzellent. Sie brauchen nicht einmal externe Berater anzuheuern, wenn es in Ihrem Unternehmen genügend engagierte und kreative Mitarbeiter mit Web-2.0-Affinität gibt. Je länger Sie aber warten, desto eher wird die Konkurrenz an Ihnen vor­beiziehen.

Auf Facebook Freunde finden

Eine Xing- oder Facebook-Präsenz kann und soll kein Ersatz sein für das persönliche Gespräch auf einer Re­cruit­ing-Messe. Vielmehr sollten Sie Social Media ergänzend und eng verzahnt mit den etablierten Kanälen einsetzen. In der Zielgruppe der unter 26-Jährigen ist Facebook das mit Abstand wichtigste aller Netzwerke. Ehemalige Mitarbeiter oder Prak­tikan­ten gründen oft Gruppen, in denen sie sich über ihren Arbeitgeber austauschen. Aber Sie können auch selbst eine Kar­riere-Fan­site für Ihr Unternehmen einrichten. Im Idealfall verbreitet sie sich viral und zieht Tausende von In­ter­essen­ten an. Auf der Ca­reers-Seite von Ernst &Young in den USA waren im September 2010 mehr als 50 000 Fans registriert. Der Vorteil: Sie können ganz persönlich mit den Zielgruppen Schüler, Studenten und Absolventen ins Gespräch kommen. Anders als auf der Kar­riere-Home­page geht es nicht um konkrete Rekru­tierungss­chritte, sondern darum, auf Augenhöhe mit Ihren Fans zu kom­mu­nizieren und sie für eine Karriere in Ihrem Unternehmen zu begeistern. Und zwar so:

  • Ver­schwen­den Sie keine Ressourcen mit einer aufwändigen Gestaltung der Seiten. „Handgemacht“ wirkt am au­then­tis­chsten.
  • Veröffentlichen Sie drei- bis fünfmal in der Woche Neuigkeiten, z. B. Interviews, Be­wer­bungstipps, Filme oder Highlights aus dem Leben des Face­book-Teams.
  • Regen Sie im Diskus­sions­fo­rum Debatten über aktuelle Un­ternehmen­sthe­men an.
  • Beachten Sie den Face­book-Knigge: Beiträge sollten maximal 400 Zeichen lang sein, und Duzen ist die Regel.

Tweeting on time

Auf Twitter müssen Sie Ihre Botschaft in 140 Zeichen auf den Punkt bringen und In­ter­essen­ten überzeugen, Ihrem Angebot zu folgen. Twitter erweitert die Präsenz von Unternehmen im Netz, weil die Stichwörter in den Tweets von Such­maschi­nen erkannt werden. So genannte Hashtags (ein Doppelkreuz vor einem fest­gelegten Begriff) ermöglichen es Nutzern, Tweets in Gruppen gesammelt zu einem Stichwort oder Event zu erhalten. Wie auch bei Facebook ist das Anlegen eines Kontos kinder­le­icht. Die Arbeit beginnt danach:

  • Bestimmen Sie jemanden, der die Twitter-Präsenz acht bis zehn Stunden pro Woche pflegt. Twit­ter-Fol­lower erwarten regelmäßige Neuigkeiten. Wenn die nicht kommen, melden sie sich wieder ab.
  • Microblogs wie Twitter sind besonders unmittelbar und eignen sich deshalb ideal dazu, Ve­r­anstal­tun­gen wie z. B. Re­cruit­ing-Messen anzukündigen und live über diese zu berichten.
  • Analysieren Sie kon­tinuier­lich Ihre Follower: Wer meldet sich an und wer wieder ab? Erreichen Sie die anvisierte Zielgruppe?

Bloggende Botschafter

Un­ternehmens-Blogs erscheinen im Google-Rank­ing viel eher unter den Topplätzen als statische Websites. Leser schreiben Kommentare und geben den Ve­r­ant­wortlichen die Chance, kompetent und glaubwürdig darauf zu antworten. Überprüfen Sie die Kom­mu­nika­tion­spoli­tik in Ihrem Unternehmen: Oft gilt die veraltete Regel, dass alle Mitarbeiter „mit einer Stimme“ sprechen müssen. Das ist in der sozialen Net­zw­erk­welt jedoch nicht prak­tizier­bar. Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, auf die En­twick­lun­gen im Netz zu reagieren und selbst Beiträge zu verfassen. Erstellen Sie So­cial-Me­dia-Richtlin­ien, die die Blogger nicht zensieren, sondern simple Regeln festsetzen: Begründete Kritik ist erwünscht, un­ternehmensschädigende Aussagen oder das Ausplaudern von Be­trieb­s­ge­heimnis­sen nicht. Schulen Sie bloggende Mitarbeiter in der Anwendung der Regeln. Bieten Sie ihnen redak­tionelle Hilfe an. Schließlich verbirgt sich nicht hinter jedem Pro­gram­mierer eine Edelfeder.

„Ein Netzwerk ist immer nur so relevant für die Teilnehmer, wie die Verbindun­gen, die un­tere­inan­der bestehen.“

Regeln Sie, wer sich um die Kommentare der Leser kümmert und wie damit umgegangen werden soll: Dürfen verunglimpfende Kommentare im Zweifel gelöscht werden? Natürlich schüren Social Media Ängste. Manager fürchten die Kontrolle zu verlieren, wenn sie ihre Mitarbeiter zu eigen­ver­ant­wortlichen Botschaftern für das Unternehmen machen. Viele verbieten ihnen sogar die Nutzung von Facebook & Co. Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass privates Netzwerken nur während der Mit­tagspause erlaubt ist, un­ternehmen­srel­e­vante So­cial-Me­dia-Ak­tivitäten hingegen durchgehend zulässig sind. Hin­ter­fra­gen Sie die gelebte Un­ternehmen­skul­tur: Teilen Mitarbeiter ihr Wissen gerne mit anderen? Sind Offenheit, gegen­seit­iges Vertrauen und Transparenz fest im Wertekanon verankert? In der direkten Kom­mu­nika­tion mit Kandidaten lassen Sie am besten die Kollegen vom Fach zu Wort kommen. Ein Ingenieur kann die Frage eines Fachmanns besser beantworten als ein Personaler. Im Em­ployer-Brand­ing der Zukunft werden HR-Mi­tar­beiter zunehmend die Rolle von „Brokern“ einnehmen: Sie fungieren als Kon­tak­tan­bah­ner zwischen Kollegen und Kandidaten, also zwischen den heutigen und den zukünftigen Experten ihres Fachs.

Netz im Netz

Eine So­cial-Me­dia-Präsenz steht und fällt mit den Inhalten. Erstellen Sie Videos, in denen Mitarbeiter offen und ehrlich über ihren Ar­beit­sall­tag berichten, denn nichts wirkt so authentisch wie die Stimmen von ganz normalen Menschen. Alternativ können Sie aufwändige Filme drehen lassen, in der Hoffnung, dass sie sich aufgrund ihrer Originalität viral verbreiten. Um alle Kanäle optimal zu nutzen, sollten Sie sie ineinander integrieren: Verlinken Sie Ihre Kar­ri­ereweb­site mit Social Media und umgekehrt, und stimmen Sie die Inhalte aufeinander ab. Sie können beispiel­sweise die Kar­ri­ere­seite mit den Xing-Pro­filen der Recruiter verlinken und so die Hemm­schwelle für einen ersten Kontakt senken. Umgekehrt lassen sich potenzielle In­ter­essen­ten von Ar­beit­ge­ber­be­w­er­tungsportalen wie Kununu durch Links auf die Kar­ri­ere­seiten der be­tr­e­f­fenden Unternehmen lenken. Ziel muss es sein, alle Ver­linkun­gen miteinander zu verknüpfen und so ein en­g­maschiges Netz zu spinnen, in dem In­ter­net­surfer früher oder später hängen bleiben.

„Es ist kaum vorherse­hbar, in welche Richtung sich eine Aktion, möglicher­weise getragen durch die Masse der Nutzer, bewegt.“

Weitere mögliche Web-2.0-An­wen­dun­gen sind Re­cruit­ing-Wikis, d. h. Plattformen mit in­for­ma­tiven Texten über das Unternehmen und den Be­wer­bung­sprozess, die permanent von den Nutzern verändert werden. In­ter­na­tional tätige Unternehmen können Jobangebote an ver­schiede­nen Standorten in eine Google-Maps-An­wen­dung integrieren. In­no­va­tio­nen mit Zukun­ftspoten­zial sind das On­line-As­sess­ment und Mobile Recruiting. Bei Letzterem kommt es darauf an, Art und Menge der In­for­ma­tio­nen auf mobile Endgeräte zuzuschnei­den. Mithilfe von Lo­ca­tion-Based Services (LBS) wie 4sq oder Gowalla können Sie Karriere- und Jobin­for­ma­tio­nen so platzieren, dass diese die Nutzer am richtigen Ort und zum optimalen Zeitpunkt erreichen.

Mithören und mitbes­tim­men

Das Grun­drauschen im Social Web wird von Tag zu Tag lauter, und viele HR-Mi­tar­beiter würden sich am liebsten die Ohren zuhalten. Einen Überblick zu behalten und immer angemessen zu reagieren, ist ohne Strategie und Struktur schlicht unmöglich. Am Anfang eines Engagements stehen deshalb Beobachten und Zuhören. Bestimmen Sie, welches Ziel Sie mit einer So­cial-Me­dia-Analyse verfolgen:

  • Fokus: Sie recher­chieren die Vorlieben und die Sprache Ihrer Zielgruppe sowie deren Entschei­dun­gen für oder gegen bestimmte Arbeitgeber. Versetzen Sie sich in die Lage der Kandidaten und überlegen Sie, wie sich Ihr Unternehmen den Wünschen der Zielgruppe annähern kann.
  • Monitor: Verfolgen Sie alle In­for­ma­tio­nen, die sich verändern, wie z. B. Er­fahrungs­berichte über Unternehmen. Sie erhalten so ständig ein Update darüber, was von wem zu bestimmten Themen und Unternehmen gesagt wird.
  • Sonar: Entdecken Sie potenziell gefährliche oder auch vorteil­hafte Diskus­sio­nen im Netz so früh wie möglich, um gegen­zus­teuern bzw. einen Hebel zu setzen. Es gilt, blitzschnell zu reagieren, da es im Netz schnell zur Law­inen­bil­dung kommt.
„Social Media macht es auch und vor allem den Hidden Champions aus dem Mittelstand möglich, aktiv auf die ,richtigen‘ Talente zuzugehen – auch in­ter­na­tional.“

Anschließend müssen Sie die relevanten Quellen iden­ti­fizieren. Sie werden feststellen, dass Ihre Zielgruppe sich nicht nur auf Facebook und Twitter aufhält. Inhaltlich tiefer gehende Diskus­sio­nen finden eher in Blogs und Foren statt. Die quan­ti­ta­tive, semantische Analyse ermittelt, wie oft bestimmte Begriffe in den ausgewählten Beiträgen vorkommen. Mithilfe einer Tonalitätsanalyse stellen Sie fest, wie geredet wird. Com­puter-lin­guis­tis­che Methoden sind hilfreich, sollten aber um qualitative Analysen einiger Beiträge ergänzt werden. Sobald Sie wissen, wo sich Ihre Zielgruppe tummelt und was sie in­ter­essiert, können Sie sich dort unverfänglich po­si­tion­ieren, noch bevor die Zielper­so­nen aktiv auf Jobsuche gehen. In der Be­wer­bungsphase sollten Sie Ihre Vorzüge gegenüber Wet­tbe­wer­bern hervorheben, um dann in der Ab­schlussphase konkrete Tipps zum Be­wer­bung­sprozess zu geben.

Kluges Krisen­man­age­ment

Natürlich bergen Social Media Risiken. Jedes Unternehmen ist auf irgendeinem Feld angreifbar. Wenn es zu einer Panne kommt, kann das die Reputation schwer beschädigen. Im Juli 2009 wurden im Onlineshop des Ver­sand­hauses Otto z. B. 1700 € teure Laptops fälschlicher­weise für 49 € angeboten – Otto reagierte richtig: Besteller erhielten statt des Geräts einen Einkauf­sgutschein über 100 €, ein Entschuldigungss­chreiben und die Möglichkeit, an der Verlosung von 50 Laptops teilzunehmen. Twit­ter-Nutzer, die das kri­tisierten, wurden direkt kontaktiert, und die ganze Aktion konnte über Twitter verfolgt werden. Fazit: Wenn Sie Kritik im Netz ignorieren, Tatsachen abstreiten, Un­zufriedene auf den Sankt-Nim­mer­leins-Tag vertrösten, abmahnen oder Inhalte löschen, ist der Ruf schnell ruiniert. Diese Fehler haben andere gemacht. Sie müssen sie nicht wiederholen.

Über die Autoren

Dominik Bernauer arbeitet als Berater, Autor, Blogger und Referent zum Thema Social Media. Gero Hesse ist für das Em­ployer-Brand­ing bei Bertelsmann zuständig. Steffen Laick ve­r­ant­wortet das globale Em­ployer-Brand­ing bei Ernst & Young, und Bernd Schmitz leitet die Abteilung University & Talent Relations bei Bayer.