Helfen Sie Menschen beim Kaufen
Verkauf besteht nicht nur aus der Summe von Verkaufstechniken. Er beginnt mit dem Verstehen der Kaufmotivation und des Kaufprozesses. Deshalb müssen Sie umdenken: Verkauf heißt, dass Sie Menschen beim Kaufen helfen. Dafür sprechen auch neueste Studien aus den USA. Die Befragung von 2500 Kunden nach ihrer Meinung zu 4000 Verkäufern hat bewiesen: Kunden geben Aufträge am liebsten an Verkäufer, die sie während des gesamten Kaufprozesses begleiten, die jedes ihrer Kundenbedürfnisse erfüllen und die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen liefern. Der Verkaufsprozess des Verkäufers ist im Idealfall genau auf den Kaufprozess des Kunden abgestimmt – die beiden Prozesse verlaufen spiegelbildlich. Das Einfühlungsvermögen des Verkäufers ist darum zentral. Denken Sie daher immer an den Kaufprozess Ihrer Kunden. Betrachten Sie Kaufentscheidungen aus Kundenperspektive, lassen Sie sich mehr Zeit für Kundengespräche, stellen Sie mehr Fragen. Diese Entschleunigung kommt dem Kunden entgegen und beschleunigt den Verlauf der restlichen Phasen des Kaufprozesses.
Der kauforientierte Verkaufsprozess
Als Verkäufer denken Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit hauptsächlich an Ihren Verkaufsprozess. Sie tun, was Sie gelernt haben und was das Gros der Verkaufsliteratur empfiehlt. Sie haben den Ablauf im Blick – aber nicht aus der Perspektive des Kunden. Der wiederum interessiert sich nicht für den Verkaufsprozess, sondern für den Kaufprozess. Genauso sollten Sie es auch halten. Beginnen Sie den Verkauf also beim Kauf, genauer gesagt: beim Kaufprozess Ihres Kunden. So gehen Sie vor:
- Identifizieren Sie die Schritte, die Ihr Kunde bei der Kaufentscheidung durchläuft.
- Stimmen Sie Ihre eigenen Schritte auf diesen Entscheidungsprozess ab.
- Ihre Fragen für die Planung eines Verkaufsgesprächs sind: An welcher Stelle des Kaufprozesses steht mein Kunde gerade? Welche Art von Unterstützung braucht er für den nächsten Schritt auf dem Weg zur Entscheidung?
Die acht Schritte im Kaufprozess
Der Kaufprozess besteht aus vier Phasen und acht Schritten:
- Phase 1: Bedürfnis – Schritt 1: Veränderung, Schritt 2: Unzufriedenheit
- Phase 2: Information – Schritt 3: Informationsbeschaffung, Schritt 4: Vergleich
- Phase 3: Kauf – Schritt 5: Angst, Schritt 6: Kaufzusage
- Phase 4: Wert – Schritt 7: Werterwartung, Schritt 8: Kundenzufriedenheit
„Verkauf sollte beim Kauf beginnen. Der Kaufprozess Ihres Kunden sollte Ihr Ausgangspunkt sein, Sie stimmen also Ihren Verkaufsansatz auf das Kaufverhalten Ihres Kunden ab.“
Jedem der acht Schritte im Kaufprozess entspricht eine Rolle, die Sie als Verkäufer spielen müssen.
1. Rolle: der Student
In der Schule oder im Studium haben Sie es erlebt: Je mehr Sie wussten, desto besser waren Sie. Dasselbe gilt für den Erfolg beim Kunden. Sie müssen möglichst viel über ihn wissen, speziell wenn es sich um einen Unternehmenskunden handelt. Externe Einflüsse wie Wettbewerber, Technologie, Wirtschaftslage und gesetzliche Vorschriften zwingen Ihren Kunden zum Umdenken. Ebenso können strategische Planung, Qualitätsinitiativen, Kostensenkung und Umstrukturierung dafür sorgen, dass das Kundenunternehmen sich verändert. Recherchieren Sie, welchen Wandel Ihr Kunde vollzieht und welche Chance auf Expansion er in diesem Wandel hat. Finden Sie heraus, was die Veränderung ausmacht und worin der Lösungsdruck für den Kunden besteht. Auch die Entscheidungshierarchie im potenziellen Kundenunternehmen müssen Sie kennen. Im Internet finden Sie viele Informationen. Sie können sich z. B. per Google Alerts benachrichtigen lassen, wenn neue Informationen über ein Unternehmen publik werden.
2. Rolle: der Arzt
Signale, die Ihnen zeigen, dass Ihr potenzieller Kunde mit der derzeitigen Situation unzufrieden ist, sind Aussagen wie „Ich wünschte, ich könnte ...“, „Wir können nicht ...“, „Es wäre schön, wenn ...“. Reagieren Sie darauf nicht sofort mit der Präsentation Ihrer Lösung. Danach kommt nämlich meist die Frage nach dem Preis und gleich danach der Einwand: „Das können wir uns nicht leisten.“ Diagnostizieren Sie lieber ganz in Ruhe und mit gezielten Fragen, welches Bedürfnis der potenzielle Kunde hat. Stellen Sie fest, wie unzufrieden er ist, und verstärken Sie ggf. seine Unzufriedenheit. Ihr Kunde sollte nach dem gemeinsamen Erstgespräch besser über seine Probleme Bescheid wissen. In einer nachträglichen E-Mail wiederholen Sie die Probleme. Gleichzeitig machen Sie die E-Mail zu einer Absichtserklärung und bestätigen, dass Sie die Beziehung zum Kunden ausbauen möchten.
3. Rolle: der Architekt
Erst im nächsten Schritt gehen Sie näher auf die Lösung des Kundenproblems ein. Diese entwerfen Sie ganz nach dessen Bedürfnissen. Das lässt Sie als Verkäufer zum Architekten werden. Allerdings präsentieren Sie die Lösung noch nicht. Ihr Kunde beginnt inzwischen, sich Informationen zu beschaffen. Er will herausfinden, wie seine Unzufriedenheit beseitigt werden kann. Er entwickelt Kriterien, um ein mögliches Angebot zu bewerten. Ermitteln Sie Ihrerseits, welche Kaufkriterien der Kunde hat, und beeinflussen Sie ihn durch gezielte Informationen. Damit bestimmen Sie, nach welchen Kriterien er Sie später mit Ihren Wettbewerbern vergleichen wird.
4. Rolle: der Trainer
Als Trainer erstellen Sie einen Plan, der aufzeigt, wie Sie die Konkurrenz besiegen. Führen Sie eine Wettbewerbsanalyse durch. Orientieren Sie sich an den härtesten Konkurrenten und vergleichen Sie deren Lösung mit Ihrer eigenen. Eine gute Informationsquelle sind Kunden, die vor Kurzem bei Ihnen gekauft haben, denn die haben schon zwischen verschiedenen Angeboten gewählt und sich für Sie entschieden. Wenn Sie zu diesen Kunden eine sehr gute Beziehung haben, können Sie ruhig fragen, ob sie Ihnen die Wettbewerbsangebote zur Verfügung stellen. Halten Sie auch in dieser Phase engen Kontakt zu Ihrer Kontaktperson im potenziellen Kundenunternehmen. In keiner Phase ist es wichtiger, jemanden zu haben, der Ihnen sagen kann, wo Sie stehen und wo Sie mit Konkurrenzangeboten nicht mithalten können. Denn jetzt unterbreiten Sie dem Kunden Ihr Angebot und Sie werden vielleicht zu einer Präsentation eingeladen. Dann können Sie auf die Angebote Ihrer Konkurrenz reagieren.
5. Rolle: der Therapeut
Die meisten Kunden haben Kaufängste. Das kann z. B. dazu führen, dass Sie den Kunden plötzlich nicht mehr ans Telefon kriegen, obwohl für die kommende Woche die Vertragsunterzeichnung vereinbart ist. Versetzen Sie sich in die Lage des Käufers und fragen Sie sich, welche Sorgen und Ängste er hat. Hören Sie zu und beobachten Sie. Wechseln Sie von der analytischen zur emotionalen Ebene. Akzeptieren Sie die Angst und gehen Sie sie offensiv an. Dazu müssen Sie die Kaufrisiken kennen. Eines kann z. B. darin bestehen, dass der Kauf einer neuen Technologie mit hohen Schulungskosten für die Mitarbeiter verbunden ist. Reagieren Sie mit einer Lösung auf dieses Problem – wenn es geht, schon zu einem früheren Zeitpunkt im Kaufprozess. Sorgen Sie auf jeden Fall dafür, dass Sie wieder mit dem Kunden ins Gespräch kommen. Sie wissen: Jede Antwort ist besser als gar keine Antwort.
6. Rolle: der Verhandlungspartner
Der nächste Schritt des Kaufprozesses ist die Kaufzusage. In diesem Schritt fragt sich der Kunde nicht mehr „Warum sollte ich kaufen?“ oder „Wer ist die beste Wahl?“. Er bestimmt jetzt den Wert Ihrer Lösung im Rahmen seines Kostenmanagements. Meist wird er um Nachbesserung des Angebots (z. B. um mehr Leistung für weniger Geld) bitten. Nun beginnen Sie zu verhandeln und sorgen dafür, dass beide Seiten zufrieden sind. In der Vorbereitung auf die Verhandlung setzen Sie sich Ihre Grenzen bezüglich Preis, Menge, Zeit, Leistungsmerkmale und Service. Schätzen Sie Ihre Verhandlungsmacht und Ihre Wettbewerbsvorteile ein. Dann gehen Sie in das Geben und Nehmen, denn nichts anderes ist Verhandeln.
7. Rolle: der Lehrer
Die meisten Verkäufer denken, der Verkaufsprozess sei nun beendet. Doch für den Kunden hat der wichtigste Teil des Kaufprozesses gerade erst angefangen. Deshalb bleiben zwei Rollen für Sie. In diesen arbeiten Sie auf die Kundenloyalität hin. Der Lehrer ist eine der beiden Rollen. Direkt nach dem Kauf achtet der Kunde sehr darauf, ob das Produkt oder die Dienstleistung dem erwarteten Wert entspricht. Deshalb sollten Sie ihm zeigen, wie er damit den maximalen Wert erzielt. Dadurch unterscheiden Sie sich wirklich von Ihren Wettbewerbern. Sie brauchen also wieder Nähe zum Kunden und Informationen. In Ihrer Rolle als Lehrer sollten Sie zunächst die Erwartungen des Kunden ermitteln und unrealistische Wünsche herunterschrauben. Helfen Sie Ihrem Kunden, Ziele für die Dienstleistungs- bzw. Produktnutzung zu formulieren. Präsentieren Sie dem Kunden dann einen verfeinerten Umsetzungsentwurf, führen Sie ihn in die Anwendung der Dienstleistung bzw. des Produktes ein und kontrollieren Sie den Fortschritt.
8. Rolle: der Gärtner
Der Gärtner ist die zweite Rolle, in der Sie die Kundenloyalität pflegen. Regelmäßiger Kundenkontakt, Service und Unterstützung bei der Nutzung Ihrer Dienstleistung oder Ihres Produktes sind der Schlüssel. Eine Möglichkeit ist es, sich bei Neuigkeiten mit einer E-Mail, einem Anruf oder einer handgeschriebenen Karte zu melden. Fragen Sie nach, ob die Umsetzung immer noch funktioniert. Geben Sie konkrete Antworten auf Fragen und unterstützen Sie den Kunden bei Problemen. Und das Wichtigste: Verfallen Sie angesichts der erfolgreichen Kundenbeziehung nicht in Selbstgefälligkeit.
Den Kunden zur Kaufentscheidung bewegen
Den Kunden im Kaufprozess zu unterstützen, bedeutet, während der Entscheidung sein Partner zu sein. Das tun Sie, indem Sie:
- die guten Gründe aufzählen, die für einen Wechsel zu Ihnen sprechen,
- das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Dienstleistung oder Ihres Produkts für jede Kundengruppe anpassen,
- alle Mitentscheider in den Kaufprozess einbeziehen,
- ein ansprechendes Angebot aus Kundenperspektive verfassen, durch das jeder Entscheider den Wert Ihrer Lösung erkennt,
- den Kunden genau informieren, wie Sie sicherstellen, dass die Umsetzung erfolgreich ist,
- den Kunden nach dem Kauf die Erfolgsmessung durchführen lassen oder sie selbst durchführen,
- die Erfolgserlebnisse, die sich daraus ergeben, auch den anderen Führungskräften im Unternehmen mitteilen.
„Der Gärtner ,ernährt‘ die Kundenzufriedenheit, um die Kundenbeziehung zu stärken.“
Und vergessen Sie nicht: Ein Kunde ist erst ein Kunde, wenn er das zweite Mal bei Ihnen gekauft hat.