Lila Kühe leben länger

Buch Lila Kühe leben länger

PR-Gags, die Geschichte machten

Ueberreuter,


Rezension

Claudia Cornelsen nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte und enthüllt, dass Aufsehen erregende historische und aktuelle Ereignisse oftmals inszenierte PR-Gags sind. Von Archimedes über Newton und Einstein bis zu Zlatko spannt sie den Bogen und entwickelt dabei ein Schema von sieben Taktiken, mit denen man garantiert in die Medien kommt. Das Buch ist zackig geschrieben und sorgt obendrein für so manche Lachfalten. Dabei verzeiht man der Autorin, dass manche Geschichten arg konstruiert erscheinen (und wohl auch sind). Diese Historie der Werbegags ist daher auch weniger dazu geeignet, daraus neue PR-Konzepte abzuleiten. Als amüsante Ideen­samm­lung taugt sie aber auf jeden Fall. Ausserdem ist sie einzigartig in ihrer Art und sorgt für viele heitere Stunden. BooksInShort legt dieses Buch allen ans Herz, die einen humorvollen Streifzug durch die Welt der PR-Ideen machen wollen.

Take-aways

  • PR-Gags sind immer bewusst inszeniert, um ein Ziel zu erreichen.
  • Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert: Die Geschichte ist voll von gelungenen PR-Aktionen.
  • Aller Anfang ist Selb­stin­sze­nierung. Machen Sie es wie Martin Luther und sorgen Sie dafür, dass man Sie kennt.
  • Tabus brechen: Wenn man über Sie schimpft, haben Sie die nötige Aufmerk­samkeit.
  • Verwandeln Sie Niederlagen in Siege: Eine souveräne Demutsgeste sorgt haufenweise für Sympathien.
  • Sonnen Sie sich im Licht der anderen und holen Sie sie ins Boot: „Im­age­trans­fer“ heisst das Zauberwort.
  • Menschen mögen das Geheimnisvolle: Mit geschickter In­sze­nierung und Halb­wahrheiten steigt die Spannung.
  • Machen Sie es wie Newton: Kleine Schum­meleien machen Sie in­ter­es­san­ter.
  • Schrecken Sie auch nicht vor Absurditäten zurück.
  • Was schräg erscheint, weckt die Neugierde der Medien und der Kunden.
 

Zusammenfassung

PR-Gags und wie sie entstehen

Genau genommen ist der Untertitel des Buches grober Unfug: Es gibt eigentlich keine PR-Gags, und schon gar keine, die Geschichte machten. Das Wort existiert gar nicht. Kein Lexikon weiss Rat. Wenn in den Medien von „PR-Gags“ die Rede ist, dann meist im negativen Sinne. Dann nämlich, wenn sich Oberflächlichkeiten, Gerüchte und absichtlich gestreute Un­wahrheiten in ein vaku­umver­pack­tes Nichts auflösen: „Britney Spears’ Busen – Operation oder PR-Gag?“ Aber trotzdem: Das Wort „PR-Gag“ hat auch etwas Geheimnisvolles, das uns Bewunderung abfordert. Und – PR-Gags sind immer bewusst inszeniert, um ein Ziel zu erreichen. Die Absicht ist wichtig. Bestes Beispiel: Der schwäbisch-maze­donis­che Au­to­mechaniker Zlatko versteht von PR so viel wie von Malerei. Doch das Me­di­enun­ternehmen von John de Mol machte aus dem „Big Brother“-Verlierer in Windeseile einen Medienstar. Wer in die Medien will, muss v. a. eine gute Taktik haben. Die Klaviatur des gelungenen PR-Gags hat sieben Tasten. Wer auf allen souverän spielen kann, der hat eben einen hohen „PR-Q“. Die Geschichte ist voll von gelungenen Aktionen dieser Art: von der Antike bis ins 21. Jahrhundert.

Taktik 1 – Selb­stin­sze­nierung bis zur Selb­stauf­gabe

Schon der Apostel Paulus, ehemals Saulus, war ein Meister der PR. Mit grösstem Stolz schreibt er, dass er den Griechen zum Griechen, den Römern zum Römer und den Juden zum Juden wurde. Diese Chamäleon-Strate­gie war massgeblich für seinen Erfolg, schliesslich musste seine Botschaft von den un­ter­schiedlich­sten Kul­turkreisen verstanden werden. Dabei war er ebenso erfolgreich wie Martin Luther rund 1500 Jahre später. Der verstand es mit seinen 95 Thesen, ein Tabu zu brechen. Die Aufmerk­samkeit war ihm sicher. Die Übersetzung des Neuen Testamentes in die deutsche Sprache machte ihn zum Volkshelden. Schlichtweg genial war jedoch, dass er konsequent Hightech verwendete: Zu seiner Zeit war das die Druck­tech­nik. Mit Unterstützung von Albrecht Dürer wurden mehrere Porträts des Reformators angefertigt und vervielfältigt. Seine Bekanntheit stieg unaufhörlich.

Madonna, Lady Di, Evita: Meis­terin­nen der Per­son­al­ity-PR

Schon mit der Wahl ihres Künstler­na­mens macht Madonna klar, worauf es ihr ankommt. Im Interview gestand sie: „Richtig glücklich bin ich erst, wenn ich so berühmt bin wie Gott.“ Die ketzerische Pop-Sirene hat aber keinen so geschickten Mar­ket­ing-Mix zu bieten wie einst Luther. Madonna ist das „Material Girl“, das Kun­st­pro­dukt, das nur durch sich und mit sich wirkt. Gestern war sie noch das sexy Dummchen mit Marylin-Mon­roe-Touch, morgen schon die gestrenge Managerin. Schneller Wechsel, immer wieder was Neues: das ist die Methode.

„PR-Gags sind das prachtvolle Ergebnis planmässiger Ef­fek­thascherei, das die spröde Wahrheit aus dem dunklen Schatten an das grelle Licht der Öffentlichkeit zieht.“

Der Ruhm zu Lebzeiten lässt sich dann eben nur durch einen grossen letzten Vorhang toppen. Lady Diana Spencer und Evita, die Gattin des ar­gen­tinis­chen Diktators Juan Perón, wurden durch ihren Tod zu symbolträchtigen Frauengestal­ten. War es bei Lady Di die Ikone der von Thron, Ehemann und Medien geknechteten Königin der Herzen, so setzte Eva Duarte-Perón bewusst schon zu Lebzeiten geschickt und skrupellos auf PR. Zuerst zieht sie aus ihrem Heimatdorf nach Buenos Aires und dort wird sie zur Meisterin des „Networking“ nach Evita-Stil: Alle Männer, mit denen sie sich einlässt, sind nur dafür gut, sie zu promoten. Mit Perón gelangt sie an die Macht, stilisiert sich zu einer Frau des Volkes und gründet grosszügige Stiftungen. Nach ihrem Tod weint ganz Argentinien und Evita wird zur Heiligen.

Taktik 2: Tabubruch – oder: Die Kunst des Po­lar­isierens

Aufmerk­samkeit bekommt man, indem man feste Regeln, Normen oder Dogmen aushebelt. Der geschickte Tabubruch zur rechten Zeit sorgt für ein dauerhaftes Renommee. Aber Vorsicht: Wer sich hier wie ein Stümper verhält, ist vielleicht für den Rest des Lebens oder zumindest der Karriere ge­brand­markt. Galileo Galilei beispiel­sweise hatte den Tabubruch par excellence begangen. Der Satz: „Die Erde bewegt sich um die Sonne“, war mit den gängigen the­ol­o­gis­chen Dogmen nicht in Einklang zu bringen. Seine heroische Attitüde wurde Galilei jedoch erst nach seinem Tod verpasst. Erst im 20. Jahrhundert wurde aus ihm der besser­wis­serische Querdenker, dem Brecht mit dem todesmuti­gen „Und sie bewegt sich doch!“-Zitat den nötigen Helden­spruch verlieh.

Klon-Arzt und Le­ichen­fled­derer

Einige Jahrhun­derte später: Der Tabubrecher unserer Tage heisst Severino Antinori, ist ital­ienis­cher Arzt und ganz wild aufs Klonen. Mit seinem Vorhaben, den ersten Menschen zu klonen, wenn nötig auf hoher See, entsetzt er in regelmässigen Abständen alle ethisch denkenden Klon-Gegner. Egal ob er das irgendwann wirklich wahr macht oder nicht: Me­di­en­rum­mel ist ihm heute schon sicher.

„Wenn sich Intelligenz wirklich mit IQ messen lässt, gibt es vielleicht auch so etwas wie PR-Q, einen Gradmesser, der anzeigt, ob jemand ein Händchen für PR-Aktivitäten hat.“

Sein Kollege aus der Pathologie ist der liebevoll als „Franken­stein vom Neckar“ betitelte Gunther von Hagens. Als er in wis­senschaftlichen Ausstel­lun­gen Organe, die mit seiner neuartigen Plas­ti­na­tion­stech­nik präpariert wurden, ausstellte, krähte kein Hahn danach. Doch seitdem seine Wan­der­ausstel­lung „Körperwelten“ tote aufgeschnit­tene Menschen beim Schachspie­len oder Reiten zeigt, rennen ihm Besucher und Medien die Bude ein. Nicht immer aus Freude an den Exponaten: Von Hagens wurde beschimpft als „Le­ichen­fled­derer“ und „Dr. Mabuse“. Doch der Hype bescherte dem hageren Pathologen Reko­rdbe­sucherzahlen. Darum kann er beim Dozieren zufrieden lächeln, während er in skurriler Lederweste und Beuys-Hut durch die Runde der aufge­bock­ten Körper marschiert: Das ist wirklich gruselig.

Taktik 3: Die inszenierte Niederlage – oder: Die souveräne Demutsgeste

Im März 1998 beherrschte eine Woche lang ein geflügeltes Wort die Medien und Menschen, ob sie nun fuss­ball­begeis­tert waren oder nicht: „Ich habe fertig“ von Giovanni Trapattoni. Die Schimpfti­raden des Italo-Train­ers der Bayern in gebrochenem Deutsch wurden zur Lachnummer. „Stru­u­u­u­u­u­untz!“ und „Flasche leer“ prangte schon bald auf jedem T-Shirt. Zwar hatte sich Trapattoni den Respekt der Mannschaft verscherzt, jedoch die Sympathien der Zuschauer gewonnen. Es war einfach mal Zeit, dass der Trainer ohne Dolmetscher dem „lahmen Haufen“ die Wache ansagte. Zurück in Italien wurde „Trap“ dann auch gleich Na­tion­al­trainer. Auf populären Gram­matikschwächen kann man aufbauen.

„Will ein Medienstar glorreich zugrunde gehen, muss er im Idealfall einen Heldentod sterben.“

Wie man eine Niederlage in einen Sieg verwandelt, zeigte auch Daimler mit dem „Baby-Benz“. Nachdem ein schwedis­cher Elchtest die hoff­nungsvolle A-Klasse zum Kippen brachte, war erst mal guter Rat teuer. Beschwich­ti­gun­gen hätten wenig geholfen: Die ganze Nation lachte über die stolzen Stuttgarter. Doch die PR-Maschinerie rollte an und machte es richtig: Die Verbraucher wurden an den Verbesserun­gen beteiligt und informiert, wie das wacklige Auto kuriert wurde. Heute hängt in vielen Daimler-Büros ein Plüsch-Elch als Symbol des Erfolges.

Taktik 4: Ruhmes­tausch – oder: Sich im Glanze anderer sonnen

Wer sich im Glanze der Stars sonnt, hofft damit ein Stück ihrer Popularität zu erheischen. Neudeutsch nennt man das Im­age­trans­fer. Eines der besten Beispiele für gelungenen Im­age­trans­fer sind die Anzeigenkam­pag­nen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Qualität statt Quantität ist die Botschaft der FAZ. Schon in den fünfziger Jahren verwendete sie daher ein ganz einfaches Motiv: Ein unbekannter Leser, die Beine leger übereinander gelegt, ist tief in die Zeitung vertieft. Sein Kopf wird ganz von der aufgeschla­ge­nen Zeitung verdeckt. Doch erst später wurde das Motiv variiert: Mit dem Slogan „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ und Prominenten wie dem Starkri­tiker Marcel Re­ich-Ran­icki, gelang es der FAZ, das Image der hochw­er­ti­gen In­tellek­tuellen-Zeitung aufzubauen.

„Die Medien sind die wichtigste Waffe in der grossen Schlacht, in der es um die Verteilung von Mark­tan­teilen geht.“

Aussagen von Prominenten heissen in der Wer­be­branche „Tes­ti­mo­ni­als“. Genau wie beim Sponsoring soll die Ausstrahlung auf das Produkt übergehen. Das geht v. a. beim Massenthema Sport: Jägermeister beispiel­sweise führte als Erster eine Ban­den­wer­bung im Fuss­ball­sta­dion ein. Coca-Cola war ebenfalls sehr geschickt: Die Brause warb nicht nur mit dem Wei­h­nachts­mann, sie hat ihn optisch sogar neu erfunden: So wie wir Santa Claus kennen, wurde er 1931 von der Coca-Cola Company für eine Anzeigenkam­pagne entwickelt. Mit durch­schla­gen­dem Erfolg.

Taktik 5: Geheimnistuerei – oder: Bewusst etwas nicht erzählen

Die achtziger und neunziger Jahre sind dann die Jahrzehnte des Okkulten: Uri Geller und Elisabeth Tessier beherrschen die Medien und in manchem Haushalt verbiegen sich Löffel und zerplatzen Uhren. Doch man muss sich nicht mit übersinnlichen Kräften verbünden, um das Interesse der Zuschauer und Medien zu wecken: Manchmal reicht es, nur so zu tun, als ob. Künstliche Legenden kommen immer gut an. Durch „Akte X“ und Co. ist das Publikum bereits darauf eingeschworen, dass „die Wahrheit irgendwo da draussen“ ist. Nur wo?

Blair Witch – Realität oder Fiktion?

Ein Beispiel, wie mit Geheimnistuerei Interesse geweckt wurde, ist der Film „Blair Witch Project“. Im Vorfeld des schaurigen Low-Bud­get-Films von 1999 wurde auf mysteriösen Websites das Gerücht verbreitet, dass die im Film geschilderten Vorfälle tatsächlich geschehen sind. Mit gefälschten Zeitungs­berichten und immer neuen Halb­wahrheiten wurde die Spannung ins Uner­messliche gesteigert. Als der Film dann herauskam, suggerierte die Kameraführung, dass die Akteure tatsächlich einsam und allein in der Wildnis unterwegs seien, um den Mysterien der Hexe Blair auf den Grund zu gehen. Allerdings zeigten sich die meisten Zuschauer des fertigen Films relativ un­beein­druckt vom Horror, der sich auf den Gesichtern abbildet. Viel in­ter­es­san­ter war die Diskussion in In­ter­net-Foren und der Öffentlichkeit: „Was ist echt?“ Die PR-Profis der Pro­duk­tions­firma jedenfalls hatte eine moderne Legende erschaffen.

Taktik 6: Pointierende Täuschung

Übertreibung macht anschaulich. Auch für PR-Gags ist es manchmal notwendig, die Wahrheit ein wenig zurechtzu­biegen. Von Sir Isaac Newton kennt jedes Kind die Anekdote, dass ihm beim Picknick im Garten ein Apfel auf dem Kopf fiel und er auf diese Weise das Grav­i­ta­tion­s­ge­setz entdeckt haben soll. Allerdings gab Newton diese an­schauliche Geschichte erst 60 Jahre später zum Besten und dann auch noch, um einer schönen Frau zu gefallen. Man könnte also tatsächlich annehmen, dass der Wis­senschaftler, der sich sonst nie um die Verständlichkeit seiner Theorien scherte, bei seiner berühmten Anekdote ein wenig geflunkert hat. Trotzdem steht sie heute in jedem Physik-Buch.

„Erst mit dem richtigen PR-Gag wird die Grosszügigkeit auch der Rede wert sein.“

Überhaupt scheinen kleine Schum­meleien in der Welt der Wis­senschaft besonders beliebt zu sein. Wenn Sie an das „Archimedis­che Prinzip“ denken, erinnern Sie sich wahrschein­lich nicht an die entsprechen­den Formeln, sondern an das Bild des badenden Archimedes, dessen voluminöser Körper das Wasser über den Wannenrand fliessen lässt. Und danach soll er dann auch noch split­ter­nackt auf die Strasse gelaufen und sein berühmtes „Heureka!“ gerufen haben. Alles ein PR-Gag, der vermutlich auf den Schrift­steller Plutarch aus dem ersten Jahrhundert zurückgeht und sich ebenfalls bis heute hartnäckig gehalten hat.

Taktik 7: Das Absurde – oder: Die Verknüpfung von Unsinn zu Neusinn

Mit Absurditäten fängt man Kunden und mit lila Kühen Naschkatzen. Auch heute antworten einige Kinder bei Umfragen, dass Kühe doch eigentlich lila seien. So erfolgreich ist die Milka-Kuh, die schon seit 1950 auf einer saftigen Almwiese steht und für den sahnigen Schmelz wirbt. Genauso absurd wie eine lila Kuh ist der Slogan „Für das Beste im Mann“, der den Werbespot eines Nass­rasier­ers begleitete. Was bitte sollte denn das Beste im Mann sein? Die Bart­stop­peln? Der Spruch war unsinnig, aber er schlug ein wie eine Bombe: Die Spots mussten sogar kurzzeitig abgesetzt werden, weil die Produktion nicht mehr liefern konnte. Der Gott der PR ist eben ein Schelm.

Über den Autor

Claudia Cornelsen ist Inhaberin der 1993 gegründeten Kom­mu­nika­tions-Agen­tur „Art d’Eco“ mit Standorten in Berlin und Mannheim. Bevor sie in den Bereich Public Relations wechselte, sammelte sie Erfahrungen als Jour­nal­istin. Mit ihrer Agentur hat sich Cornelsen auf die Entwicklung in­di­vidu­eller PR-Strate­gien und deren kreative und wirkungsvolle Umsetzung spezial­isiert.