Strategieplanung für kleine und mittlere Unternehmen
Um langfristig erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen (bzw. deren Führungskräfte) wissen, wie sie sich weiterentwickeln wollen. Große Unternehmen haben üblicherweise eine Unternehmensstrategie, die die Leitlinien für die Zukunft vorgibt. Bei kleinen und mittleren Unternehmen sieht das oft anders aus. Die Führungskräfte verzetteln sich mitunter in der Hektik des Tagesgeschäfts und haben weder die Zeit noch die Ressourcen, sich der langfristigen Strategieplanung zu widmen. Dabei ist eine Strategie für kleinere Unternehmen mindestens ebenso wichtig wie für große. Außerdem haben es KMUs bei der Strategieentwicklung eigentlich leichter: Sie sind näher am Kunden; und in kleinerem Rahmen, mit flacher Hierarchie lässt sich eine Strategie auch schneller und einfacher umsetzen. Die geringeren Ressourcen müssen kein Nachteil sein, sondern können eher als Ansporn dienen, die vorhandenen Mittel sinnvoll einzusetzen und die Strategie rasch und zielstrebig zu erarbeiten.
Schritt 1: Initiative und Vorbereitung
Lassen Sie Ihre Strategie nicht von der Geschäftsleitung im stillen Kämmerlein entwerfen. Sonst besteht die Gefahr, dass sie nicht akzeptiert und umgesetzt wird. Bilden Sie ein Strategieteam, das aus Mitgliedern der Geschäftsleitung und den wichtigsten Führungskräften besteht. Idealerweise umfasst dieses Team sechs bis zehn Mitglieder. Es ist wichtig, dass die Entscheidungsträger im Unternehmen von Anfang an eingebunden sind. Sonst besteht die Gefahr, dass das Team voller Motivation und mit viel Aufwand eine ausgefeilte Strategie entwickelt, die dann in der Geschäftsleitung niemand haben will. Passiert das, hat mit einiger Sicherheit erst mal niemand mehr Lust auf Strategieentwicklung. Für die Erarbeitung einer Strategie sollten Sie etwa drei bis vier Monate einplanen. Das Team trifft sich einmal im Monat zu einem Workshop, der ein bis zwei Tage dauert. Für diesen Prozess können Sie auch einen externen Berater hinzuziehen. Das verursacht zwar zusätzliche Kosten, kann aber ausgesprochen hilfreich sein. Legen Sie im Voraus fest, wie die Entscheidungen im Team getroffen werden, ob z. B. die Geschäftsleitung ein Vetorecht erhalten soll. Informieren Sie auch die übrigen Mitarbeiter möglichst früh, damit keine unnötigen Unsicherheiten und Gerüchte aufkommen.
Schritt 2: Analyse
Der nächste Schritt der Strategieentwicklung ist die Analyse. Beginnen Sie mit der aktuellen Situation: Wie steht das Unternehmen heute da? Worin sieht es seine Mission? Wo gibt es Probleme, wo liegen die Chancen? Dann folgt der Blick in die Zukunft: Wie würden Sie die Vision des Unternehmens formulieren? Wo möchten Sie in einigen Jahren stehen? Halten Sie Ihre Ziele möglichst konkret in Zahlen fest, etwa „20 % mehr Umsatz“ oder „10 % Marktanteil“. Analysieren Sie das Umfeld: Welche Trends und Entwicklungen sind in Zukunft zu erwarten? Wer sind die Konkurrenten, wie ist der Wettbewerb in der Branche, müssen Sie mit Ersatzprodukten, neuen Konkurrenten rechnen? Welche Produkte Ihres Unternehmens bringen Geld ein, wo sehen Sie für die Zukunft noch Entwicklungschancen? Setzen Sie auf Produkte, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, oder entwickeln Sie auch Innovationen, die möglicherweise noch viel einbringen können? Erstellen Sie ein Nutzenpotenzialprofil. Darin schätzen Sie ein, welche Potenziale im Unternehmen vorhanden sind, aber bisher noch nicht optimal genutzt wurden, etwa Möglichkeiten zur Kostensenkung oder Leistungspotenziale Ihrer Mitarbeiter.
„Die Strategie stellt die Grundlage für den nachhaltigen Unternehmenserfolg dar. Dies gilt nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen.“
Aus diesen Daten erstellen Sie schließlich eine Stärken-Schwächen-Analyse Ihres Unternehmens. Möglicherweise fallen Ihnen dabei Probleme auf, die kurzfristig gelöst werden können. Wenn ja, gehen Sie sie sofort an. Konzentrieren Sie sich nun zunächst auf die Stärken des Unternehmens: Wo sind Sie bereits erfolgreich? Können Sie diesen Schwerpunkt weiter ausbauen? Überlegen Sie auch, wo Sie Zukunftschancen für Ihr Unternehmen sehen. Wie können Sie diese erschließen? Legen Sie fest, wie Sie sich gegenüber der Konkurrenz positionieren möchten und wie Sie Ihr einzigartiges Profil stärken bzw. entwickeln können. Achten Sie auch auf das Timing: Ist die Zeit überhaupt reif für die Produkte, die Sie anbieten möchten? Ein Produkt kann noch so gut sein, es wird keinen Erfolg haben, wenn es zur falschen Zeit auf den Markt kommt. Ein Beispiel: Schon vor Jahrzehnten wurden Autos mit niedrigem Spritverbrauch gebaut, waren aber lange ein Flop, weil sich damals noch niemand dafür interessierte. Geben Sie Ihrem Unternehmen eine klare Ausrichtung und konzentrieren Sie sich auf die wirklich wichtigen und erfolgreichen Bereiche – wenn Sie allen alles anbieten wollen, verzetteln Sie sich nur und werden am Ende gar nichts erreichen.
Schritt 3: Strategieentwicklung
Es gibt drei grundlegende Strategien: Sie können besser, schneller oder billiger sein als die Konkurrenz. Die Kunden werden nur dann bei Ihnen kaufen, wenn sie in irgendeiner Weise einen Vorteil davon haben. Dabei birgt die Billigstrategie gerade für kleine und mittlere Unternehmen ein hohes Risiko: Meist können große Unternehmen günstigere Angebote machen, und in Zeiten, in denen der Kunde bequem über das Internet Preise vergleichen kann, sind Sie möglicherweise auch als Zweitbilligster schon aus dem Rennen. Da ist es besser, sich auf Qualität oder Schnelligkeit zu konzentrieren. Oder aber Sie entscheiden sich, gezielt eine bestimmte Kundengruppe anzusprechen. Möchten Sie mit Ihren Produkten auf dem bisherigen Markt präsenter sein oder ganz neue Märkte erschließen? Möchten Sie neue Produkte anbieten? In diesem Fall brauchen Sie auch die Kapazitäten, um Innovationen zu entwickeln. Oder sehen Sie Ihre Zukunft darin, ganz neue Geschäftsfelder zu erschließen? Werfen Sie einen Blick auf Ihr Marketing: Vielleicht wollen Sie auch hier neue Taktiken anwenden? Eine Möglichkeit wäre es, verstärkt auf die Gewinnung von Neukunden zu setzen. Oder Sie versuchen, die bereits vorhandenen Kunden stärker an das Unternehmen zu binden, etwa durch Einführung einer Kundenkarte. Wichtig ist auch die Frage, ob Sie das Image Ihrer bewährten Produkte pflegen oder eher auf neue Trends setzen.
„Das übergeordnete Ziel einer Strategie ist, die Marktposition des Unternehmens nachhaltig und systematisch zu verbessern.“
Prüfen Sie, welche Kernkompetenzen Ihr Unternehmen bereits hat und welche Sie für die Zukunft entwickeln möchten. Eine Kernkompetenz ist etwas, was Ihr Unternehmen besonders gut kann und womit es sich von der Konkurrenz abhebt. Aber Vorsicht: Nicht jeder Vorteil eines Unternehmens ist auch gleich eine Kernkompetenz. Einen attraktiven Standort z. B. zählt man nicht zu den Kernkompetenzen, es sei denn, Ihr Unternehmen ist generell besonders gut darin, die Unternehmensstandorte optimal auszuwählen. Ein besonders guter Kundenservice kann eine Kernkompetenz sein, ebenso die Fähigkeit, schneller als andere auf Trends zu reagieren. Wenn Sie neue Kernkompetenzen aufbauen möchten, setzen Sie sich Ziele, die realistisch sind. Denken Sie daran, dass der Aufbau neuer Kernkompetenzen nicht von heute auf morgen geschieht und immer Zeit und Ressourcen benötigt. Suchen Sie sich eine Kernkompetenz, die Ihnen ein Profil gibt und mit der Sie sich klar von der Konkurrenz unterscheiden. Eine Kompetenz auch, die sich nicht einfach in kurzer Zeit kopieren lässt – sonst dankt Ihre Konkurrenz für die Inspiration, und Sie haben wenig davon. Verzetteln Sie sich nicht mit zu großen Plänen; mehr als ein bis drei Kernkompetenzen sollten Sie sich nicht vornehmen. Und denken Sie daran, dass Ihre Kernkompetenzen auch langfristig gepflegt werden müssen.
„Es ist schon fast ein Muss für ein Unternehmen, eine Vision zu haben. Visionen sind jedoch häufig allgemein gehalten, vage formuliert und wenig aussagekräftig.“
Aus den umfangreichen Informationen entwickeln Sie nun mehrere mögliche Strategien. Vielleicht favorisieren Sie nach der ganzen Vorarbeit schon eine bestimmte Strategie. Legen Sie sich trotzdem noch nicht fest, denn damit würden Sie Ihre Möglichkeiten unnötig einschränken. Arbeiten Sie auf jeden Fall mindestens zwei unterschiedliche Strategien aus. Sie müssen noch nicht alles im Detail festlegen, es genügt eine grobe Planung. Schauen Sie sich zuerst das Nutzenpotenzialprofil noch einmal an. Welche Nutzenpotenziale möchten Sie in Zukunft aus- oder aufbauen? Welche Kernkompetenzen brauchen Sie jeweils dafür? Welche Kunden sprechen Sie mit dieser Strategie an, und welche Produkte stehen im Mittelpunkt? Welche Kosten entstehen bei jeder Strategie? Stellen Sie anschließend die verschiedenen Strategien einander gegenüber, vergleichen Sie die Vor- und Nachteile. Denken Sie dabei nicht nur an Kosten und Umsätze, sondern auch daran, ob die Strategie zum Unternehmen passt – nur dann wird sie von Mitarbeitern und Kunden auch akzeptiert.
„Die Strategieumsetzung ist der eigentliche Kraftakt und erfordert viel Biss und Beharrlichkeit.“
Nachdem Sie die verschiedenen Alternativen verglichen haben, treffen Sie im nächsten Schritt die Entscheidung und formulieren Ihre Strategie. Seien Sie dabei nicht zu knapp, aber auch nicht zu langatmig: Wenn Sie die Strategie Ihren Mitarbeitern kommunizieren, können Sie sich durchaus auf kürzere, knackige Sätze beschränken, doch die offizielle Version sollte etwas mehr Substanz haben und etwa drei bis fünf Seiten umfassen. Wenn Sie sich zu kurz halten, besteht die Gefahr, dass sich Ihre Strategie auf schwammige, wenig aussagekräftige Floskeln beschränkt und dass bei der Umsetzung vieles noch umständlich ausdiskutiert werden muss. Achten Sie aber auch darauf, die Strategie nicht mit zu vielen Informationen zu überfrachten. Die Protokolle der bisherigen Sitzungen können Sie ruhig als Anlagen beifügen, um den Entscheidungsprozess transparent zu machen; sie sind aber nicht Bestandteil der eigentlichen Strategie.
Schritt 4: Strategieumsetzung
Nun wird es ernst – die Strategie muss in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Prüfen Sie erst einmal, welche der Punkte das Unternehmen bereits befolgt und was sich noch ändern muss. Das wird am Anfang sehr viel sein; lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Achten Sie vor allem auf die Frage, ob die für die neue Strategie notwendigen Kompetenzen schon vorhanden sind oder erst noch aufgebaut werden müssen.
„Strategien, die nicht die volle Unterstützung der Geschäftsleitung haben, sind zum Scheitern verurteilt.“
Aus der Liste der erforderlichen Maßnahmen erstellen Sie konkrete Aktionspläne. Sie werden die Strategie nur dann erfolgreich umsetzen können, wenn die Geschäftsleitung geschlossen hinter der Sache steht und alle Abteilungen zusammenarbeiten. Aber auch die Mitarbeiter an der Basis müssen den Prozess mittragen. Dazu ist kontinuierliche Information notwendig. Ein neues Corporate Design hilft, den Veränderungsprozess sichtbar zu machen. Prüfen Sie immer wieder, wo die neue Strategie bereits erfolgreich umgesetzt wurde und wo es noch hakt. Mit Sicherheit wird es während des Umsetzungsprozesses auch Phasen geben, in denen es nicht gut läuft und der Sinn des Ganzen infrage gestellt wird. Seien Sie darauf vorbereitet.
Schritt 5: Strategieüberprüfung
Nun haben Sie erfolgreich eine Strategie entwickelt und eingeführt. Das ist aber noch kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Denn Sie müssen überprüfen, ob die Strategie auch funktioniert, ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Die Gefahr ist groß, dass das Unternehmen sich jetzt völlig auf die Umsetzung konzentriert und deshalb alles andere aus dem Blick verliert.
„Auch eine Erfolg versprechende Strategie ist zum Scheitern verurteilt, wenn die für deren Umsetzung notwendigen Fähigkeiten nicht vorhanden sind.“
Lassen Sie immer wieder prüfen, ob die Ziele erreicht werden, ob die Strategie überhaupt noch passt oder ob sich die Bedingungen längst wieder verändert haben. Wirklich objektiv kann man das nur von außen beurteilen, deshalb sollten Sie diese Prüfung unbedingt an Externe abgeben. Für die erste Phase der Strategieumsetzung empfiehlt sich eine Prüfung alle drei Monate, danach können die Intervalle nach und nach vergrößert werden. Falls die Strategie nicht mehr stimmt, weil sich die Ausgangslage geändert hat, etwa durch einen neuen Konkurrenten oder geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen, müssen Sie sie entsprechend anpassen. Wenn Sie zuvor gründlich geplant haben, wird das aber relativ selten der Fall sein.