Die Querdenker
Wenn die Wirtschaftsexperten an den Universitäten und in den Beratungsfirmen Recht haben, ist es für Unternehmen eigentlich ganz einfach, in der digitalen Welt erfolgreich zu sein: Sie müssen sich nur auf ihre Kernkompetenz sowie einen klar umrissenen Markt konzentrieren, neue Ideen effizient in Produkte verwandeln und die Sichtweisen der Kunden permanent analysieren. Doch die Realität sieht meist anders aus, als die Lehre sagt. Das Paradebeispiel dafür ist die im kalifornischen Cupertino ansässige Firma Apple. Steve Jobs, Erfinder der Mac-Welt, der iPhones und iPads, beweist seit Jahren, dass Erfolg auch möglich ist, ohne die Regeln der Theorie und die vorgefassten Meinungen zu beherzigen.
„Wenn man bedenkt, wie wenig Apple die vorherrschenden Prinzipien beherzigt, müsste jeder Investor sich weigern, dieser Firma auch nur einen Dollar zu geben.“
Die zahlreichen innovativen Apple-Produkte haben längst Kultstatus erlangt, obwohl sie oft deutlich mehr kosten als die Angebote der Konkurrenz – und z. T. sogar über weniger technische Möglichkeiten verfügen. Aber Apple überzeugt durch Qualität, einfache Handhabung, Reduktion auf das Wesentliche, ansprechendes Design, Emotionalität und weit über die ursprünglichen Kundenwünsche hinausreichenden Nutzen. Das Geschäftsmodell widerspiegelt sich in sämtlichen Abläufen. Dieses Querdenken kommt auch in Werbefilmen wie dem „Think different“-Spot zum Ausdruck. Der Drang zu ungewöhnlichen Innovationen hebt Apple von anderen erfolgreichen Firmen wie etwa der Internetsuchmaschine Google ab, die ihre führende Position letztlich durch eine Monopolstellung sichert.
Die Apple-Strategie
Das Besondere an Apple ist, dass es sich nicht um ein reines Internetunternehmen handelt. Apples Erfolg basiert auf einem Unternehmensverständnis, das schon vor der digitalen Welt gegolten hat. So baut die Mannschaft um Firmengründer Steve Jobs nicht auf die viel beschworene Offenheit von Technologien oder auf deren kostenloses Bereitstellen und Weiterentwickeln durch die Internetnutzer. Von seinen innovativen Ideen lässt Apple nur nach außen dringen, was der Vermarktung dient. Die Produkte sind letztlich Teil eines geschlossenen Systems. Grund für diese Haltung ist die Ansicht, dass nur Experten wirklich qualitativ hochwertige Lösungen erarbeiten können. Und Apple ist der Beweis dafür, dass diese Meinung ein für die Kunden optimales Ergebnis hervorbringt: Produkte, die in jeder Hinsicht einfach zu nutzen und leicht zu verstehen sind.
„Das System Apple rollt Märkte nach Belieben auf und steht für eine faszinierende Mischung aus Modernität, Lifestyle und Qualität.“
Diese hohe Kundenorientierung hat zwar ihren Preis, doch die Käufer honorieren die besonderen Leistungen von Apple und die emotionale Verbindung, die sie mit den Produkten eingehen. Bestes Beispiel ist der iTunes Music Store. Obwohl Musik dank der digitalen Revolution sehr leicht zu kopieren ist und im Internet oft kostenlos heruntergeladen werden kann, ist es Apple gelungen, eine rentable Vertriebsplattform für Musikstücke zu etablieren, die überall auf der Welt gefragt ist. Dazu beigetragen hat die Entwicklung des innovativen Abspielgeräts iPod. Die Vernetzung der unterschiedlichen Apple-Produkte ist ein Garant für Kundennutzen und Firmenerfolg. Sie erschafft nicht nur eine eigene Apple-Welt, sondern führt zu einer engen Bindung zwischen Apple und seinen Kunden, sodass die Firma inzwischen Kultstatus erreicht hat.
Apples Erfolgsgaranten
Apples Aufstieg zum innovativen Vorreiter der digitalen Welt ist nicht auf eine ganz bestimmte Methode zurückzuführen. Vielmehr ist es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, Einstellungen und Verhaltensweisen, das der gewinnträchtigen Firma mittlerweile ein Barvermögen von über 50 Milliarden Dollar beschert hat. Aus der Beobachtung des Unternehmens und den selten gewährten Einblicken in das Innenleben desselben lassen sich insgesamt neun Erfolgsgaranten der Hightech-Schmiede ableiten:
- Der Ideenprozess: Innovationen sind bei Apple nicht einfach Zufall oder die Leistung Einzelner. Neue Ideen entstehen in einem Teamprozess, dem 10-3-1-Prinzip. Dabei entwickeln zehn Teams jeweils eine eigene Lösung für eine bestimmte Herausforderung. Nach einer umfassenden Machbarkeitsprüfung werden die drei besten Entwürfe ermittelt und intensiv weiterbearbeitet. Dies kann sich über mehrere Monate hinziehen. Erst dann filtern die verantwortlichen Manager die beste Idee heraus.
- Der Design-Ansatz: Optimaler Kundennutzen ist keine Folge analytischen Denkens auf Basis von Umfragen oder Kalkulationen. Bei Apple stehen immer das Design und seine Funktionsfähigkeit im Vordergrund. Apple geht hierfür wie folgt vor: Das Kundenverhalten wird nicht erfragt, sondern genau beobachtet. Aus den Erkenntnissen entstehen voll funktionsfähige Prototypen, die wiederum auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden. Von Apple-Mitarbeitern verlangt dieses Vorgehen eine offene Kommunikation ohne hierarchisches Denken: Alle müssen Ideen einbringen können, jeder interessante Gedanke wird ernst genommen. Das Ergebnis sind oft herausragend gestaltete, ästhetische Produkte.
- Der Wert des Verzichts: Apple-Produkte zeichnen sich durch ihre einfache Bedienbarkeit aus. Voraussetzung dafür ist das konsequente Bemühen um Reduktion. Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Microsoft vermeidet Apple es, alles Machbare in seinen Produkten zu realisieren. Stattdessen konzentriert sich das Unternehmen auf die wichtigen technischen Möglichkeiten. Ziel des vorausgewählten Angebots ist es, Kunden nicht zu überfordern und gleichzeitig den Zugang zu dem Produkt zu erleichtern.
- Produkte als Systeme: Apple hat mit seinen Produkten ein komplettes, geschlossenes System erschaffen, das Geräte, Software und Internetangebote miteinander vernetzt. Dadurch gestaltet sich etwa der Prozess vom Einkauf eines Liedes auf iTunes bis zum Abspielen auf dem iPod extrem einfach. Ebenso können zahlreiche Programme für das iPhone im dazugehörigen Internetshop erworben werden.
- Das Prinzip der Langsamkeit: In der Internetökonomie ist Schnelligkeit Trumpf. Doch obwohl Apple einer der führenden Anbieter der digitalen Welt ist, entzieht sich das Unternehmen diesem Grundsatz. Statt Innovationen so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen, lässt sich Apple Zeit und perfektioniert die Qualität seiner Produkte. Dabei werden keine Kosten gescheut. So betrugen die Entwicklungsausgaben für das iPhone rund 150 Millionen Dollar.
- Das Screendesign: Nichts demonstriert Apples Innovationsfähigkeit eindringlicher als die Bedienung seiner Geräte. Mit der Abschaffung klassischer Tastaturen oder Knöpfe und der Entwicklung des so genannten Touchscreens, bei dem die Steuerung per Fingerdruck erfolgt, ist Apple nicht nur kundenorientiert. Das Unternehmen hat sogar eine ganz neue Designsparte begründet.
- Gründerkultur in der Belegschaft: Die Basis für Apples Produkte ist die Kreativität der Mitarbeiter. Diese fördert die Firma, indem sie ihren Leuten viel Raum für Eigeninitiative gewährt: kleine, interdisziplinäre, unbürokratische Teams, die intensiv kommunizieren und sich an klaren Zielen orientieren.
- Emotionales Marketing: Apple versteht es nicht nur, qualitativ hochwertige Produkte zu fertigen. Dem Unternehmen gelingt es auch vorbildlich, sie nachhaltig zu präsentieren und emotional in der Öffentlichkeit zu verankern. Ob es die charismatischen Auftritte von Firmengründer Steve Jobs, die flippigen Werbevideos oder die navigationsfreundliche Internetseite sind, immer steht der Kundennutzen im Vordergrund.
- Praxistauglichkeit: Letztlich lassen sich alle Apple-Produkte auf einen einzigen Nenner brennen: Sie bieten eine hohe Praxistauglichkeit. Dieser Nutzen lässt sich weniger theoretisch beschreiben. Er erschließt sich vor allem, wenn man ein Gerät erlebt und es längere Zeit verwendet.
Digitale Trends
Mit der Entwicklung des iPhones hat Apple die Vernetzung von mobilen Telefonen mit dem Internet ermöglicht. Im Zuge der digitalen Revolution sind einige weitere Trends entstanden, die zahlreiche Geschäftschancen und neue Werbemöglichkeiten bieten. Die derzeit am intensivsten diskutierten Bewegungen sind die sozialen Netzwerke von Facebook und Twitter. Hier werden nicht nur persönliche Informationen rund um die Uhr in Echtzeit ausgetauscht. Die Nutzer sprechen auf ihren Profilen oder in ihren Gruppen auch Produktempfehlungen aus oder versenden Firmennachrichten in Sekundenschnelle.
„Wie kaum ein anderes Unternehmen versteht Apple es, bestehende Hürden zu eliminieren, die gegen den Erfolg eines Projektes sprechen.“
Ein weiterer Trend ist die Möglichkeit, Smartphones an jedem Ort der Welt per Satellitennavigation zu orten. Unternehmen können auf diese Weise den Kunden an einen beliebigen Standort passende Informationen zu Produkten oder Dienstleistungen senden. Völlig neue Perspektiven in puncto Leistungsangebot, Kostenersparnis und Büroorganisation bietet das Cloud-Computing. Hierbei handelt es sich um das Auslagern von Computerprogrammen, Datenspeicherung und Produkten wie E-Books oder Musik in externe Rechenzentren. Auf diese Weise können Unternehmen etwa den Zugang zu Programmen per Internet ermöglichen, statt Software wie das Office-Paket von Microsoft auf jedem Rechner zu installieren. Genauso müssen Videotheken Filme nicht mehr physisch ausleihen, sondern sie nur noch für die bezahlte Leihdauer im Web freischalten.
Die Welt der Apps
Die Apps, eine weitere Erfindung der kalifornischen Ideenschmiede, verbinden die digitalen Trends mit den Apple-Produkten. Bei den Apps handelt es sich um interaktive Softwareeinheiten, die einem bestimmten Ziel dienen, über wenige Funktionen verfügen und von jedem Anwender sofort genutzt werden können. Mit diesen kleinen, einzeln zu erwerbenden Programmen verwandelt sich das Handy z. B. in eine Wasserwaage, lassen sich juristische Informationen aus einer Datenbank abrufen, Spiele herunterladen oder Produkte leichter einkaufen.
„Mit Cloud-Computing schreitet die Entmaterialisierung von Dingen, vor allem der Medien, fort.“
Für die Produzenten von Apps sind diese zudem ein viel wirksameres Marketingmittel als vergleichbar teure Werbespots. Apps bieten die Möglichkeit, Verbraucherdaten genauer zu erfassen, Informationen über die Produkte hinaus zu liefern, Wegweiser zu den nächsten Verkaufsstellen zu übermitteln oder etwa Möbelstücke virtuell in selbstgemachte Videos oder Fotos der eigenen Wohnung zu projizieren. Auf diese Weise erhalten Firmen Gelegenheit, bei ihren Kunden weit länger als die wenigen Sekunden, die ein Werbefilm dauert, im Gespräch zu bleiben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Unternehmen eigene Marken-Apps entwickeln, die so interessant sind, dass die Kunden sie automatisch in ihrem Bekanntenkreis weiterempfehlen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Apps neben Produktinformationen auch journalistische Qualität und ansprechende Unterhaltung bieten.
„Apps sind wie Schokoriegel, die man mitnimmt, wenn man auf Reisen ist.“
Schon jetzt beweist Apple mit seinem App Store, dass der Markt für kleine funktionale Programme sehr lukrativ ist. Wer seiner Kundschaft interessante Anwendungen anbieten will, kann sie im App Store verkaufen – wobei Apple entscheidet, welche Apps dort vertrieben werden, und daran natürlich mitverdient. Schon bald soll es sogar Abonnement-Angebote geben.
Zukunftsfragen
Wird sich Apple auch in Zukunft neben den großen Konkurrenten Google, Facebook und Microsoft halten können? Die bisherige Erfolgsgeschichte der Firma spricht dafür. Apple könnte sogar zum wertvollsten Unternehmen der Welt werden – und weiterhin Standards dafür setzen, wie sich in der digitalen Welt Geld verdienen lässt.