Was soll und was darf der Bürgermeister?
Das Kommunalrecht in Deutschland ist Ländersache. Leitprinzipien aller Gemeindeordnungen sind a) das Transparenzprinzip (Information und Kommunikation dienen der Bürgernähe und sollen für Glaubwürdigkeit sorgen) und b) das ungeschriebene Prinzip der Organtreue: Die Kommunalverfassungsorgane, also die politische Vertretung und der Bürgermeister, müssen so miteinander umgehen, dass sie ihre Aufgaben verantwortlich und gewissenhaft wahrnehmen können.
„Niemand erwartet, dass Sie komplexe Fragestellungen allein lösen. Gut beraten ist, wer sich guten Rat und gute Ratgeber holt, sei es über das eigene Rechtsamt oder extern.“
Der Bürgermeister ist an die Beschlüsse der politischen Vertretung gebunden, soweit ihm die Gemeindeordnung nicht eigenständige Rechte zuweist. Zu diesen gehören in der Regel die Organisationshoheit und die Geschäftsverteilung in der Verwaltung. Der Bürgermeister darf nicht gegen Beschlüsse der politischen Vertretung handeln. Er darf einen unliebsamen Beschluss auch nicht durch Nichtstun unterlaufen, sondern ist zum Handeln im Sinne des Beschlusses verpflichtet. Eine Ausnahme gilt für rechtswidrige Beschlüsse der Vertretung. Diese hat der Bürgermeister zu beanstanden.
„Als Entscheidungsträger wird ein Bürgermeister von vielen umworben. Zugleich soll er sicherstellen, dass seine Verwaltung rechtmäßig und ,sauber‘ ist.“
Einen beschlossenen Haushaltsplan muss der Bürgermeister umsetzen. Kommt ein Beschluss über einen ausgeglichenen Haushalt nicht zustande, gelten die engen Bestimmungen zur vorläufigen Haushaltsführung. Das wird besonders wichtig, wenn eine Kommune über längere Zeit keinen ausgeglichenen Haushalt aufstellen kann und sich im Nothaushaltsrecht befindet. Für den Bürgermeister gelten die allgemeinen gesetzlichen Haushaltsgrundsätze. Jede einzelne Maßnahme muss wirtschaftlich, sparsam und effizient sein. Verstößt der Bürgermeister vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen das Haushaltsrecht, kann er von der Gemeinde in Regress genommen werden. Möglicherweise benötigen die Kommunen Compliance-Richtlinien oder einen Compliance-Beauftragten wie in der Privatwirtschaft.
„Das Transparenzprinzip sollte ein Leitprinzip der Amtsausübung von Bürgermeistern sein.“
Hauptamtliche Bürgermeister sind Wahlbeamte auf Zeit, ehrenamtliche Bürgermeister sind Ehrenbeamte. Für die hauptamtlichen Bürgermeister gelten die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und das Beamtenrecht in vollem Umfang. Für Ehrenbeamte ist die Geltung vor allem bei Besoldung und Versorgung eingeschränkt. Das Beamtenrecht verbietet dem Bürgermeister, Geschenke oder sonstige Vorteile anzunehmen. Er muss sein Amt uneigennützig ausüben und ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Vorteilsannahme und Bestechlichkeit
Die Straftatbestände der Vorteilsannahme und der Bestechlichkeit unterscheiden sich nur in einem Merkmal: Bestechlich ist ein Bürgermeister, wenn er als Gegenleistung für einen Vorteil pflichtwidrig handelt, also wenn er etwa eine unrechtmäßige Genehmigung ausstellt. Eine Vorteilsannahme liegt auch ohne unrechtmäßige Gegenleistung vor. Seit 1997 gilt das Korruptionsbekämpfungsgesetz, mit dem der Straftatbestand der Vorteilsannahme ausgeweitet wurde. Seitdem ist auch die so genannte „Klimapflege“ strafbewehrt. Dazu gehören vorbereitendes „Anfüttern“ von Amtsträgern und nachträgliche Dankeschönspenden. Als Vorteil gilt jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Ein Vorteil muss nicht unmittelbar dem Bürgermeister zugutekommen, sondern kann auch für Dritte bestimmt sein. Es ist nicht erforderlich, dass der Bürgermeister den Vorteil aktiv verlangt, sondern es reicht die passive Annahme oder das Sich-versprechen-Lassen. Auch eine Verbindung zu einer bestimmten Handlung ist nicht erforderlich: Das Erkaufen von allgemeinem Wohlwollen reicht völlig aus. Für die Vorteilsannahme gibt es keine Bagatellgrenze: Gerichte haben sich bereits mit Einladungen zu Fußballspielen befasst – wobei sie in konkreten Fällen auch entschieden haben, dass keine Vorteilsannahme vorlag.
„Kommunen haben keine eigenständige Rechtsetzungsbefugnis im materiellen Beamtenrecht. Nicht alles, was unter Personalentwicklungsgesichtspunkten als sinnvoll erachtet wird, ist erlaubt.“
Für eine Vorteilsannahme ebenso wie für Bestechlichkeit muss eine Unrechtsvereinbarung vorliegen: Amtsträger und Vorteilsgeber sind sich einig, dass Vorteil und Dienstausübung miteinander verknüpft sind. Vor Gericht ist dies oftmals der entscheidende Punkt. Diese Vereinbarung muss nicht ausdrücklich geschlossen werden, es reicht bereits der „böse Anschein“. Dieser entsteht, wenn beide Seiten die Verknüpfung von Vorteil und Amtsausübung billigend in Kauf nehmen. Für Amtsträger besteht ein recht hohes Risiko bei der Annahme von Zuwendungen. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sollten die Amtsträger bei ihrem Dienstvorgesetzten oder der zuständigen Disziplinarbehörde unverzüglich eine Genehmigung für die Zuwendung beantragen. Nicht in Betracht kommt eine Genehmigung bei rechtswidrigem Handeln (also Bestechlichkeit) oder bei Zuwendungen, die der Amtsträger explizit einfordert. Ansonsten sieht das Strafgesetzbuch Straffreiheit vor, wenn die Genehmigung zuvor erteilt wurde oder wenn der Empfänger die Genehmigung unverzüglich beantragt.
„Für den Umgang mit Spenden und Sponsoring für öffentliche Aufgaben fehlt es an einem umfassenden Rechtsrahmen für die kommunale Ebene.“
In der Praxis ist der Grat zwischen zulässiger Spende, z. B. einer Wahlkampfspende, und unzulässiger, strafbewehrter Vorteilsannahme sehr schmal. Im Zweifelsfall sollten die Betroffenen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers respektieren, der den Straftatbestand der Vorteilsannahme mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 ausgeweitet hat.
Untreue durch aktive Handlung oder Unterlassen
Der Bürgermeister vertritt seine Gemeinde nach außen. Dabei verfügt er auch über das Gemeindevermögen und das Vermögen städtischer Tochtergesellschaften. Er ist verpflichtet, damit sparsam und wirtschaftlich, also fürsorglich umzugehen. Verletzt er seine Verpflichtung und entsteht daraus ein Nachteil für das Vermögen, kann es sich um Untreue im Sinne des Strafgesetzbuchs handeln. Das ist allerdings nur der Fall, wenn der Bürgermeister vorsätzlich oder zumindest bedingt vorsätzlich handelt. Bei so genannten Risikogeschäften, wie es sie z. B. im Rahmen von Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten immer wieder gibt, ist daher viel Sorgfalt erforderlich, denn nicht nur aktives Handeln, sondern auch das Unterlassen von Handlungen ist strafbewehrt: Niemand kann sich etwa damit herausreden, er habe keine Zeit gehabt, die Sitzungsunterlagen zu studieren.
Annahme von Geschenken oder Einladungen
Ob Geschenke oder Einladungen angenommen werden, muss sowohl unter dienst- als auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten entschieden werden: Was strafrechtlich erlaubt ist, kann dienstrechtlich unzulässig sein. Oft fällt die Entscheidung leichter, wenn die Kommune eine Verwaltungsvorschrift oder Richtlinie erlassen hat, die den Umgang mit Einladungen und Geschenken regelt. Wer dafür zuständig ist (Vertretung, Aufsichtsbehörde usw.), bestimmt das Landesrecht. Hier gilt: Vor Ort kann nicht legalisiert werden, was nach anderen Gesetzen unzulässig ist.
Reisen mit kommunalen Unternehmen
Inzwischen besteht Übereinstimmung darin, dass so genannte Lustreisen mit kommunalen Tochterunternehmen für Amtsträger eine Vorteilsannahme darstellen und rechtswidrig sind. Zu letztinstanzlichen Verurteilungen ist es nur deshalb nicht gekommen, weil bei den Beteiligten wegen geübter Praxis kein Unrechtsbewusstsein vorhanden war, weil die Wiederholungsgefahr gering ist und weil die Beschuldigten die Kosten aus eigener Tasche zurückgezahlt haben. Aus den vorliegenden Fällen kann ein Bürgermeister ableiten, welche Punkte er bei Reisen befolgen muss. Er sollte:
- kritisch überprüfen, ob das Beiprogramm eine Vorteilsannahme darstellt,
- auf das Mitnehmen des Lebenspartners verzichten,
- keine (Ko-)Finanzierung durch Dritte, etwa durch Energiekonzerne, zulassen,
- vorab eine Genehmigung einholen,
- kritisch fragen, ob man das Reiseprogramm veröffentlichen könnte, und
- kritisch fragen, ob er einem Mitarbeiter die Reise genehmigen würde.
Spenden und Sponsoring
Spenden sind Geldleistungen, für die keine Gegenleistung erbracht wird. Bei Sponsoring dagegen erwartet der Geber eine Werbewirkung als Gegenleistung. Spenden erwecken leicht den Anschein, dass im Verborgenen doch eine Gegenleistung erwartet wird. Als kommunale Finanzierungsquelle ist Sponsoring anerkannt, solange der Umfang im Vergleich zu anderen Einnahmen nachrangig bleibt und Verfahrensregeln eingehalten werden. Einige Länder haben ihr Kommunalrecht sogar entsprechend erweitert. Dadurch ist Sponsoring allerdings nicht automatisch strafrechtlich unbedenklich: Landesrecht kann nicht Bundesrecht brechen. Ob es sich um Vorteilsannahme handelt, muss im Einzelfall entschieden werden. Da eine Genehmigung der zuständigen Behörde nur erteilt werden kann, wenn der Vorteil nicht eingefordert wurde, ist besonders das aktive Einwerben von Spenden oder Sponsoring bedenklich.
„Das Nebentätigkeitsrecht ist so kompliziert, dass selbst Fachleute es als schwer handhabbar kritisieren.“
Sponsoring muss der Allgemeinheit zugutekommen – eine Betriebsfeier fällt nicht darunter. Außerdem muss Chancengleichheit unter den möglichen Sponsoren herrschen, d. h. entsprechende Aktivitäten müssen quasi ausgeschrieben werden. Die Auswahl muss anschließend nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Sobald der Anschein entsteht, dass der Sponsor bestimmte Verwaltungshandlungen als Gegenleistung erwartet, handelt es sich nicht mehr um zulässiges Sponsoring, sondern um unzulässige Vorteilsannahme. Das ist auch der Fall, wenn der Vorteil nicht dem Bürgermeister, sondern sozialen Einrichtungen oder der Bürgerschaft zugutekommt. Dass die Annahme von Vorteilen zugunsten Dritter ebenfalls strafbar ist, war ausdrücklich der Wille des Gesetzgebers beim Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997. Auch bei Spenden und Sponsoring helfen örtliche Richtlinien mit transparenten Regeln. Dennoch ist jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich.
Nebentätigkeiten
Bei der rechtlichen Bewertung von Nebentätigkeiten gelten nicht nur Kommunalrecht, Beamtenrecht und Nebentätigkeitsverordnungen, sondern auch Spezialgesetze wie das Sparkassenrecht oder Korruptionsbekämpfungsgesetze. Bürgermeister sollten vor der Ausübung einer Nebentätigkeit klären, welche Stelle nebentätigkeitsrechtlich zuständig ist, und sich dort beraten lassen. Sie sollten korrekt und transparent handeln, um politisch und in der Presse möglichst nicht angreifbar zu sein. Ist eine vergütete Tätigkeit, etwa in einem Gremium, dem Hauptamt des Bürgermeisters zugeordnet, muss er die Vergütung komplett an die Gemeinde abführen. Bei der Annahme von Nebentätigkeiten sollte sich der Bürgermeister fragen, ob er einem Mitarbeiter diese Nebentätigkeit genehmigen würde. In Nordrhein-Westfalen verpflichtet das Korruptionsbekämpfungsgesetz den Bürgermeister, alle Nebentätigkeiten und Nebeneinnahmen zu veröffentlichen. Auch in anderen Ländern kann es nicht schaden, wenn der Bürgermeister freiwillig solche Angaben macht.
Rechte und Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern
Für städtische Töchter in privater Rechtsform gilt das Gesellschaftsrecht des Bundes (Aktiengesetz, GmbH-Gesetz). Es verlangt von Aufsichtsratsmitgliedern u. a. fachliche Eignung, Sorgfalt, Verschwiegenheit, Weisungsfreiheit und das Eintreten für das Wohl der Gesellschaft. Das Kommunalrecht der Länder zielt hingegen auf Transparenz und Gemeinwohlorientierung. Auch hier geht im Zweifel Bundesrecht vor Landesrecht.
„Vor der Übernahme einer Aufsichtsratstätigkeit sollte ein Bürgermeister selbstkritisch einschätzen, ob die Aufgabe für ihn fachlich und zeitlich zu bewältigen ist.“
Das Kommunalrecht stellt unter bestimmten Bedingungen die kommunalen Aufsichtsratsmitglieder von Schadenersatzansprüchen frei. Dennoch besteht ein erhebliches Haftungsrisiko. Wie dieses verringert werden kann, zeigt der Public-Corporate-Governance-Kodex, den Land und Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009 erarbeitet haben. Er kann von Kommunen in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern, freiwillig übernommen werden.