Neuromarketing im Internet

Buch Neuromarketing im Internet

Erfolgreiche und gehirngerechte Kundenansprache im E-Commerce

Haufe,


Rezension

Neu­ro­mar­ket­ing ist seit Jahren in aller Munde, und jeder Verkauf­sazubi kann das kleine Einmaleins der emotionalen Kun­de­nansprache herun­ter­beten. Nur beim On­li­neshop­ping dominieren kalte Technik und langweilige Produktpräsentation. Von Gefühlen oder gar Kaufer­leb­nis­sen keine Spur. Doch Emotion im Internet ist möglich. Wie, das erklären die Autoren dieses Buches locker-flockig anhand vieler Bild­beispiele und ohne Fachchi­ne­sisch. Sicher ist: Dem On­li­neshop­ping gehört die Zukunft. Ob tatsächlich schon bald alle Shop­ping­por­tale mit den empfohlenen virtuellen Verkäufern aus­ges­tat­tet sein werden, bleibt abzuwarten. Ein emotional ansprechen­der, gehirn­gerecht gestalteter In­ter­ne­tauftritt ist auf jeden Fall ein wichtiger Baustein zur weiteren Pro­fes­sion­al­isierung des In­ter­netverkaufs. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die ihren Onlineshop optimieren wollen.

Take-aways

  • Klassische Onlineshops verkaufen schlecht, weil sie den Kunden nicht emotional ansprechen.
  • Die meisten Webseiten sind überladen, zu in­for­ma­tion­slastig und bieten kaum positive Kaufer­leb­nisse.
  • Hohe Ab­bruchraten sind kein Schicksal, sondern das Resultat tech­nikgetriebener On­lin­eauftritte.
  • Auch im Internet gibt es un­ter­schiedliche Kauftypen (habituell, impulsiv, extensiv, limitiert), auch hier sind Kaufentschei­dun­gen zu 95 % emotional.
  • Je intensiver die emotionale Einbindung in den In­ter­ne­tauftritt, desto höher sind die Kon­ver­sion­sraten.
  • Auch beim In­ter­netverkauf spielen Spiegel­neu­ro­nen, Mul­ti­sen­sorik und Sto­ry­telling eine wichtige Rolle.
  • Besonders wirksam ist der Einsatz von in­ter­ak­tiven virtuellen Verkäufern, die, wenn gut gemacht, ein annähernd natürliches Verkauf­s­ge­spräch simulieren können.
  • Das Internet bietet Präsentations-, Beratungs- und In­for­ma­tionsmöglichkeiten, die weit über das klassische Verkauf­s­ge­spräch hinausgehen.
  • Schon heute ist das Netz die wichtigste In­for­ma­tion­squelle bei Kaufentschei­dun­gen.
  • Die Zukunft des Handels ist das Web; Verkaufsflächen werden zunehmend als reine Showrooms gestaltet werden.
 

Zusammenfassung

On­li­neshop­ping heute

Kaufer­leb­nis, in­di­vidu­elle Beratung, emotionale Kun­de­nansprache, Zuhören – die bewährten Rezepte er­fol­gre­icher Verkäufer scheinen beim On­li­neshop­ping nicht so recht zu funk­tion­ieren. Die meisten Shops bieten überfrachtete Nav­i­ga­tionsbäume, rein sachliche Pro­duk­t­in­fos, öde Bilder und oft genug auch noch völlig sinnfreie Cross-Sell­ing-Ange­bote. Welcher Kunde, der sich etwa für einen Pri­vatkredit in­ter­essiert, will sich ganz nebenher mit seiner Al­tersvor­sorge befassen oder – noch schlimmer – mit dem Probeabo einer Zeitschrift? Die meisten Websites reagieren nicht auf die per Mausklick klar und deutlich kom­mu­nizierten Kundenwünsche, sie hören schlicht und ergreifend nicht zu. Wenn man sich dann endlich für ein Produkt entschieden hat, wird auch der eigentliche Kauf oft so ab­schreck­end wie möglich gestaltet: Kom­plizierte Bestell­prozesse, bei denen man seitenlange Formulare mit allen möglichen Daten ausfüllen oder das bereits ausgewählte Produkt nochmals in allen Details neu kon­fig­uri­eren muss, sorgen nicht unbedingt für ein positives Kaufer­leb­nis. Beliebt ist auch die Verwendung stan­dar­d­isierter Warenkorb-Lösungen, was im Extremfall zu regelrecht zynischen Ergebnissen führen kann: So kann man sich bei einer Or­gan­i­sa­tion, die Kinder­paten­schaften vermittelt, ein Kind in den virtuellen Einkauf­skorb legen und es zur Kasse tragen. Kein Wunder, dass die Ab­bruchraten hoch sind – lebendige Verkäufer würden bei solchen Quoten schnell­stens gefeuert.

„Es wird Zeit für natürliche Kom­mu­nika­tion über das Internet.“

Der Grund dafür, dass Onlineshops häufig allen verkauf­spsy­chol­o­gis­chen Erken­nt­nis­sen wider­sprechen, ist einfach: Die tech­nikbegeis­terten In­ter­ne­ta­gen­turen und Unternehmen können sich kaum vorstellen, wie man Gefühle in ein Frameset bringen soll. Dazu kommt die Tatsache, dass eine emotionale, gehirn­gerechte Kun­de­nansprache teuer ist. Emotional funk­tion­ieren­der Content kann nicht mal eben schnell von der Fach­abteilung eingepflegt werden, sondern benötigt qual­i­fizierte, meist externe Di­en­stleis­ter. Auch Con­tent-Man­age­ment-Sys­teme sind nicht auf emotionale Aspekte aus­gerichtet, deshalb sind die Seiten meist schwierig zu ak­tu­al­isieren und zu warten. Und nicht zuletzt: Emotion kommt bei Google nicht vor. Die meisten Webshops sind such­maschi­nenop­ti­miert; Emotion spielt für das Ranking und damit auch für die Gestaltung der Website kaum eine Rolle. Die Folge: Es dominieren Texte, die eher den Verstand als den Bauch ansprechen – dabei wird im Internet noch weniger gelesen als in den Printmedien. Der Kunde ist emotional kaum bei der Sache, die Produkte und die Anbieter wirken für ihn aus­tauschbar, und bei der kleinsten Irritation ist er weg. Im schlimmsten Fall nimmt er dabei noch ein negatives Kaufer­leb­nis mit. Das ist auf Dauer tödlich für die Marke.

Arten von Kaufentschei­dun­gen

Das Internet ist heute die zentrale In­for­ma­tion­squelle für Kaufentschei­dun­gen – egal ob diese on- oder offline getroffen werden: Mehr als die Hälfte aller Kunden informiert sich vor dem Kauf im Internet. Wie im klassischen Handel kann man auch im Netz vier Typen von Kaufentschei­dun­gen un­ter­schei­den:

  1. Ha­bit­u­al­isierte Käufe: Die tägliche Zeitung, der übliche Kaffee, die Lieblingss­choko­lade – bei solchen Gewohn­heitskäufen wird nicht nachgedacht. Im Internet bieten sich hier Favoritenlösungen an, bei denen man mit einem Klick die üblichen Dinge bestellt.
  2. Impulskäufe: Gesehen, gekauft – spontan und ohne große Planung. Im Internet können beispiel­sweise zeitlich befristete Aktionen solche Impulse auslösen.
  3. Extensive Käufe: Diese gehen mit Vor­abrecherche, Fragen im sozialen Netzwerk oder ausgiebigem Pro­duk­tver­gle­ich einher. Wer sich noch nicht auskennt oder wem bei Fehlentschei­dun­gen negative Kon­se­quen­zen drohen, der informiert sich umfassend. Das Internet bietet hier mit zahlreichen Infokanälen und sozialen Netzwerken einen unschätzbaren Mehrwert gegenüber dem stationären Handel.
  4. Limitierte Käufe: Auch hier wird ein gewisser Aufwand getrieben, er ist aber wesentlich geringer als beim extensiven Kauf. Sobald man etwas Passendes gefunden hat, beendet man die Recherche. Das Internet kann hier über gezielte Pro­duk­tvorschläge die Anzahl der wahrgenomme­nen Al­ter­na­tiven erhöhen.
„Das Internet ist inzwischen das Medium zur Vor­bere­itung von Kaufentschei­dun­gen.“

Allerdings gilt es immer zu beachten: Der rationale Kunde ist eine Illusion. Auch im Internet sind Kaufentschei­dun­gen zum größten Teil Bauchentschei­dun­gen. Deshalb ist es wichtig, dass der Kunde richtig ange­sprochen wird. Wis­senschaftler haben nämlich schon länger erkannt, dass rund 95 % aller Kaufentschei­dun­gen weitgehend unbewusst vom so genannten Autopiloten getroffen werden. Das ist ein System aus erlernten emotionalen und kognitiven Codes (z. B. Marken oder Produkte), Emotionen, As­sozi­a­tio­nen, Ein­stel­lun­gen usw., das uns durch die überwältigende In­for­ma­tionsfülle des täglichen Lebens steuert und das auf der Basis erlernter Entschei­dungsmuster und in­di­vidu­eller Vorlieben für uns arbeitet.

„Der unbewusst handelnde Autopilot darf auch im Internet nicht vernachlässigt werden.“

Die entschei­dende Schaltzen­trale in unserem Gehirn ist das limbische System, das für die emotionale Bewertung von Sachver­hal­ten zuständig ist. Dort findet sich auch der so genannte Nucleus accumbens, das Be­loh­nungszen­trum, das immer dann aktiv wird, wenn wir etwas Angenehmes erwarten. Erst wenn das Be­loh­nungszen­trum aktiviert ist, kommt es zur eigentlichen Handlung, sprich zum Kauf des Produkts. Mithilfe moderner technischer Methoden kann man die Aktivitäten des Gehirns live sichtbar machen. Daim­ler­Chrysler hat beispiel­sweise mit Versuchen im Kern­spin­to­mo­grafen her­aus­ge­fun­den, dass Fotos von Sportwagen im Nucleus accumbens männlicher Probanden deutlich mehr Aktivität hervorrufen als Fotos von Kleinwagen und Limousinen.

Mul­ti­sen­sorik und Emo­tion­ssys­teme

Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich In­for­ma­tio­nen umso besser festsetzen, je mehr Sinneskanäle involviert sind (Mul­ti­sen­sorik). Am besten merkt man sich Dinge, die man selbst getan hat; der Inhalt gelesener Texte dagegen ver­schwindet nach kurzer Zeit wieder im See des Vergessens. Das Internet bietet mit seinen in­ter­ak­tiven Möglichkeiten die ideale Vo­raus­set­zung, genau diese maximale Wirkung zu erreichen. Allerdings: Wie im klassischen Verkauf entscheiden auch beim In­ter­ne­tauftritt die ersten Mil­lisekun­den über Sympathie oder Antipathie. Stimmt der erste Eindruck also nicht, wird es auch nichts mit der Interaktion – der Kunde ist schon wieder weg.

„Unsere Großmütter hatten viele gute Weisheiten auf Lager. Aber sie taten halt auch noch Mehl auf Brandwunden. Und viele E-Com­merce-Man­ager glauben nach wie vor an den bewusst und vernünftig handelnden Kunden, um abends nach der Arbeit in ihren BMW zu steigen, den sie wegen der ,Freude am Fahren‘ gekauft haben.“

Die zentralen Emo­tion­ssys­teme sind Balance (Harmonie), Stimulanz (Anregung) und Dominanz (Kontrolle/Macht). Sie sind bei un­ter­schiedlichen Menschen un­ter­schiedlich ausgeprägt; außerdem gibt es noch Mischtypen. Klas­sis­cher­weise ordnet man Marken in dieses System ein, aber auch Websites kann man entsprechend gestalten. Es lohnt sich also auch für den In­ter­ne­tauftritt, Zielgruppen gemäß den limbischen Typen zu klas­si­fizieren und die Website entsprechend zu gestalten.

Spiegel­neu­ro­nen und Sto­ry­telling

Spiegel­neu­ro­nen sind weitere Lieblinge der Neu­ro­mar­ket­ing­fach­leute. Sie kommen beispiel­sweise zum Einsatz, wenn Gähnen ansteckend wirkt. Emotionen können also über andere Menschen und über Bilder von Menschen vermittelt werden – natürlich auch im Internet. Das Potenzial des Webs ist hierbei noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Dabei bietet das Internet ideale Möglichkeiten, Menschen nicht nur abzubilden, sondern sie live und in Aktion zu zeigen – etwa in Videoclips – und damit die Spiegel­neu­ro­nen so richtig in Schwung zu bringen.

„Für das Gehirn sind In­ter­net­seiten wertlos, die keine Emotionen auslösen.“

Auch eine gute Geschichte rund um das Produkt steigert den Verkauf­ser­folg enorm. Und das Internet, allen voran soziale Netzwerke, ist das ideale Medium für dieses Sto­ry­telling. Wer sich schon mal aufgrund einer Horrorstory über Kakerlaken und dreckige Bettwäsche in einem Hotel­be­w­er­tungsportal für eine andere als die ursprünglich anvisierte Unterkunft entschieden hat, weiß genau, wie stark solche Geschichten wirken.

Neu­ro­mar­ket­ing im Internet

Inzwischen zeigen erste Studien, dass die un­ter­schiedliche Gestaltung von Onlineshops tatsächlich messbare, signifikant un­ter­schiedliche Ak­tivierungsmuster im Gehirn auslöst. Je intensiver die emotionale Aktivierung durch einen In­ter­ne­tauftritt ist, desto geringer sind die Ab­bruchquoten und desto höher sind die Kon­ver­sion­sraten beim be­tr­e­f­fenden Anbieter. Ebenfalls belegt ist die positive Wirkung so genannter an­thro­po­mor­pher In­ter­face-Agen­ten. Das sind menschenähnlich gestaltete, virtuelle Figuren, die mit dem Nutzer in­ter­agieren. Sind solche Figuren vorhanden, bleiben die Nutzer länger auf der entsprechen­den Seite, kom­mu­nizieren intensiver und sind weniger desin­ter­essiert und gelangweilt als bei herkömmlichen Seiten.

„Die neue Generation von Websites bietet echtes Kaufer­leb­nis.“

Weitere Studien zeigen, dass die Gedächt­nisleis­tung der Nutzer bei dynamisch gestalteten, mul­ti­sen­sorischen Websites, die mit einer Kombination aus Bild, Ton, Text und Video arbeiten, erheblich besser ist als bei statischen Seiten. Besonders wirksam hin­sichtlich Response und Kon­ver­sion­sraten sind so genannte Video-In­ter­faces, vor­pro­duzierte Videose­quen­zen mit Moderatoren, die je nach Bedarf und Kun­den­reak­tion eingespielt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Ver­suchsper­so­nen im Interview solche virtuellen Verkäufer ausdrücklich ablehnten. Der Eindruck eines persönlichen, in­ter­ak­tiven Dialogs aktiviert die Spiegel­neu­ro­nen. Ver­suchsper­so­nen reagierten beispiel­sweise intensiv auf die Mimik und Gestik des Moderators. Allerdings kann der Schuss auch nach hinten losgehen: Schon kleine Ir­ri­ta­tio­nen können die Person zum Abbruch bewegen.

Der Blick des Kunden zählt

Wenn Sie Ihre In­ter­net­seite neu ausrichten möchten, müssen sie bei der Grund­konzep­tion anfangen: Statt klassischer Navigation sollten der Blickwinkel und die Bedürfnisse des Kunden im Mittelpunkt stehen, genauso wie beim realen Verkauf auch. Gut gemachte In­ter­net­por­tale sind heute schon sehr nah am natürlichen Einkauf­ser­leb­nis. Bereits rund 400 vor­pro­duzierte Videose­quen­zen mit virtuellen Moderatoren reichen aus, um sehr natürliche Verkauf­s­ge­spräche zu gestalten, bei denen der Kunde kaum noch merkt, dass er nicht mit einem realen Menschen kom­mu­niziert. Auch die pro­fes­sionelle Behandlung von Einwänden ist kein Hexenwerk. Die Vorteile dieser Onlineverkäufer liegen auf der Hand: Sie sind immer top geschult, werden niemals müde und haben immer genug Zeit, auch mitten in der Nacht. Bei der Produktpräsentation können sie mit Darstel­lung­stech­niken (Videos, Animation usw.) punkten, von denen der reale Verkäufer nur träumen kann. Welches Reisebüro kann seine Kunden schon mitten in der Nacht an einen tropischen Traumstrand mit Wellen­rauschen kat­a­pul­tieren? Speziell die En­twick­lun­gen der Spielein­dus­trie lassen hier noch viel In­ter­es­santes für die Zukunft erwarten. Zunehmend werden sich außerdem virtuelle und reale Bilder mischen (Mixed Reality), etwa wenn das Fernsehgerät Zusatzinfos aus dem Internet präsentiert oder wenn das Smartphone in ein gerade fokussiertes Bild der Umgebung In­for­ma­tio­nen aus Google Maps einblendet (Augmented Reality).

„Die Website der Zukunft verkauft aktiv und geht auf den Kunden ein.“

Fazit: Der Faktor Mensch, die möglichst natürliche, emotional ansprechende Kom­mu­nika­tion mit dem Kunden, un­ter­schei­det er­fol­gre­iche Websites von weniger er­fol­gre­ichen. Die Zukunft des Handels liegt im Internet – und zwar nicht nur vom stationären PC und Laptop aus, sondern auch mittels in­ter­ak­tiver Fernseher, Smartphones und Tablet-Com­puter. Wer nicht im Meer aus­tauschbarer Angebote untergehen will, muss die emotionale Kun­de­nansprache im Internet genauso vehement vo­rantreiben wie auf den klassischen Verkaufskanälen. Der stationäre Handel wird sich zunehmend zu Showrooms entwickeln – gekauft wird dann online, egal ob an der virtuellen Käsetheke oder in der Baumschule. Und das ist keineswegs Zukun­ftsmusik, sondern schon heute mit den aktuell verfügbaren technischen Mitteln möglich.

Über die Autoren

Ralf Pispers ist Inhaber der Un­ternehmens­ber­atung dotkomm rich media solutions sowie Dozent an der Kölner Hochschule Fresenius. Joanna Dombrowski ist Pre­sales-Con­sul­tant in der Firma von Ralf Pispers und Gas­tre­f­er­entin an mehreren deutschen Hochschulen.