Zufallstreffer

Buch Zufallstreffer

Vom erfolgreichen Umgang mit dem Unplanbaren

Orell Füssli,


Rezension

Ständig hören wir, dass wir uns nur die richtige Strategie zurechtle­gen und konsequent daran festhalten müssen – dann kommt der Erfolg von selbst. Wirklich? Ganz so planbar ist das Leben nicht, sagt der Chaos­the­o­retiker Jens Braak. Er fordert dazu auf, Projekte nicht minutiös durchzu­pla­nen, sondern stattdessen auf glückliche Zufälle zu setzen. Aber Achtung: Diese fallen einem gemäß Braak nicht in den Schoß; vielmehr gilt es, günstige Bedingungen für ihr Eintreffen zu schaffen. Grundsätzlich ein in­ter­es­san­ter Ansatz, ve­r­an­schaulicht mit Beispielen aus dem Er­fahrungss­chatz des Autors und seiner In­ter­view­part­ner. Die psy­chol­o­gis­chen Werkzeuge, die dann vorgeschla­gen werden, sind zu einem großen Teil hinlänglich bekannt aus der Rat­ge­ber­lit­er­atur. Aber Braak schafft es, den Blick für günstige Gele­gen­heiten zu schärfen. Er erläutert nicht nur, wie man seine Zu­fallschan­cen erhöht, sondern ebenso, wie man die gewonnenen neuen Per­spek­tiven auswertet. BooksInShort empfiehlt dieses Buch allen, die bereit sind, ihre Pläne zu hin­ter­fra­gen und sich auf einen ungewöhnlichen Ansatz einzulassen.

Take-aways

  • Erfolge sind nicht vo­rauszu­pla­nen. Oft spielt der Zufall eine große Rolle.
  • Die modernen Wis­senschaften belegen, dass eine kleine Ursache eine riesige Wirkung nach sich ziehen kann.
  • Laden Sie den Zufall in Ihr Leben ein, indem Sie neue Kontakte knüpfen.
  • Gehen Sie aber nicht zu verbissen auf Kon­tak­t­suche, denn unter Druck sind glückliche Zufälle kaum möglich.
  • Erweitern Sie Ihre Kompetenzen: Je mehr Sie können, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich.
  • Folgen Sie Ihrer Intuition, aber geben Sie ihr zugleich möglichst viel Nahrung: In­for­ma­tio­nen über die Al­ter­na­tiven, die Ihnen zur Verfügung stehen.
  • Bewerten Sie neue Ideen nach deren Er­fol­gschan­cen und danach, ob sie zu Ihnen passen.
  • Seien Sie beharrlich: Gerade auf neuem Terrain erwarten Sie besonders viele Hürden.
  • Bewerten Sie Misserfolge nicht negativ. Scheitern ist der natürliche Schatten des Erfolgs.
  • Zufall und Planung schließen sich nicht aus. Nutzen Sie beides.
 

Zusammenfassung

Er­fol­gschance Zufall

Ist es nicht ein erhebendes Gefühl, wenn man sich einen Erfolg mit harter Arbeit verdient hat? Das Wort „Erfolg“ suggeriert, dass er die Folge einer gewissen Handlung ist. Entsprechend stolz sind wir auf Er­fol­gser­leb­nisse. Die Schuld an Niederlagen dagegen schieben wir gern auf andere oder machen widrige Umstände ve­r­ant­wortlich. In Wirk­lichkeit beruht beides – Erfolg und Misserfolg – auf einer Vielzahl von Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben. Dazu gehören etwa unser Geburtsjahr oder globale Ereignisse.

„Wer sich bewusst ist, dass Erfolge und Misserfolge nicht nur an sein eigenes Handeln gekoppelt sind, gibt dem Zufall einen angemesse­nen Platz.“

Die Vision der klassischen Natur­wis­senschaft nach Newton lautete: Je besser wir die Ursachen von Prozessen oder En­twick­lun­gen erforschen, desto genauer können wir deren Verlauf und die daraus entste­hen­den Wirkungen berechnen. Dieser Berechen­barkeitswahn wird von den Erken­nt­nis­sen der modernen Quan­ten­physik, Ther­mo­dy­namik und Chaos­forschung stark infrage gestellt. Hier spielt der Zufall eine wichtige Rolle. Ähnlich verhält es sich bei sozialen Gebilden wie Gruppen, Unternehmen oder Märkten: Voraussagen sind aufgrund der hohen Komplexität dieser Systeme schwierig. Selbst kleinste Ursachen, beispiel­sweise ein Streit in einem Team oder ein sen­sa­tion­sheis­chen­der Me­di­en­bericht, können ungeahnte Reaktionen von großer Tragweite hervorrufen.

„Wenn man sich Lebensläufe ver­schiedener Menschen ansieht, wird deutlich, dass der Zufall bei jedem eine bestimmende Rolle gespielt hat.“

Diese Un­vorherse­hbarkeit muss nun aber nicht bedeuten, dass Sie den Zufall aus Ihren Plänen ausschließen. Sie können sich ihm öffnen und ihn sogar einladen. Der Zufall ist nicht grundsätzlich negativ oder ein Störfaktor, nur weil Sie ihn nicht berechnen können. Er kann Ihnen sogar von Nutzen sein. Sie müssen ihn bloß beachten und prüfen.

Schaffen Sie neue Kontakte

Indem Sie neue Kontakte knüpfen oder Netzwerken beitreten, erhöhen Sie Ihre Chance auf Anregungen, Zufälle und in­ter­es­sante Begegnungen. Gehen Sie aber nicht von vornherein mit zu selb­st­be­zo­ge­nen Motiven oder zu hohen Erwartungen auf Kon­tak­t­suche. Glückliche Zufälle kann man nicht erzwingen. Sie können Ihre Begegnungen in drei Ver­traulichkeitsstufen einordnen, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben:

  1. Lose Kontakte: Diese können Sie mit vielen Menschen eingehen, um Anregungen und In­spi­ra­tio­nen zu sammeln. Mit ihnen sind keine weit­erge­hen­den Erwartungen oder gar Loyalitätsansprüche verbunden.
  2. Festere Verbindun­gen: Sie teilen mit Ihren Kontakten gemeinsame Interessen, Hobbys oder Projekte.
  3. Verlässliche Beziehungen: Diese Kontakte halten auch in schwierigen Situationen. Sie beruhen auf gegen­seit­iger Wertschätzung.
„Trotz aller Trend­forschun­gen gibt es immer wieder überraschende En­twick­lun­gen, auf die man als Unternehmen keinen Einfluss hat.“

Die Kenntnis dieses Stufen­mod­ells kann für Menschen hilfreich sein, die geneigt sind, zu rasch ver­trauliche Kontakte zu knüpfen, nur um hinterher enttäuscht zu werden. Es kann aber auch eine Leitlinie für Menschen sein, die im Ver­trauen­sauf­bau übervor­sichtig sind und sich neuen Kontakten schrit­tweise nähern möchten.

Erwerben Sie neue Fähigkeiten

Ihre Chancen im Leben erhöhen sich mit jeder Kompetenz, die Sie erwerben. Wichtig ist allerdings, dass diese zu ihnen passt. Es kommt nicht nur auf die Quantität Ihrer Fer­tigkeiten an, sondern ebenso auf deren Qualität. Auch der Erwerb neuer Kompetenzen lässt sich in drei Stufen einteilen, die ebenfalls alle Vor- und Nachteile aufweisen:

  1. Schnuppern: Auf dieser Stufe können Sie in vielen Bereichen Anregungen sammeln und Inspiration schöpfen.
  2. Können: Hier eignen Sie sich Kenntnisse und Fähigkeiten so weit an, dass Sie sie beherrschen.
  3. Virtuosität: Diese können Sie nur auf wenigen Gebieten erlangen. Die Kraft der Begeis­terung hilft Ihnen, Hindernisse zu bewältigen.
„Wer Neuem gegenüber aufgeschlossen ist, kann zufällige Ereignisse für sich nutzen.“

Fassen Sie nicht nur Kom­pe­tenzbere­iche ins Auge, die unmittelbar mit Ihrem Beruf zu tun haben. Auch aus Ihren persönlichen Interessen und Hobbys können Chancen erwachsen. So könnte beispiel­sweise ein Psy­chother­a­peut, der zudem eine Musik- oder Gesangsaus­bil­dung hat, sich auf das Coaching von Künstlern, etwa in Bezug auf Vorstel­lungs- oder Vor­spiel­ter­mine, spezial­isieren.

Ihr Unbewusstes als Ideen­gener­a­tor

Zündende Ideen kommen selten aus dem Nichts, auch wenn es sich manchmal so anfühlen mag. Gewöhnlich haben Sie sich bereits lange mit einer Thematik au­seinan­derge­setzt und Ihr Unbewusstes hat in einer ruhigen Minute auf die entsprechen­den In­for­ma­tio­nen zurückgegriffen. Wenn wir gerade in Schwierigkeiten stecken, tun wir uns allerdings schwer, kreativ zu sein und mit unserem Unbewussten konstruktiv zusam­men­zuar­beiten. Wir geraten dann leicht in eine so genannte Prob­lem­trance. Wie wäre es daher, Ideen auf Vorrat zu produzieren? Selbst wenn sich der eine oder andere Einfall praktisch nicht umsetzen lässt, gibt er Ihnen doch zumindest eine neue Wahrnehmungsper­spek­tive.

„Das richtige Verhältnis von Zu-Tun und Zu-Fall zu finden, ist notwendig, um die Ziele zu erreichen.“

Von den drei aufgezeigten Wegen, Chancen zu erzeugen, lassen sich zwei koppeln, nämlich die Begegnung mit neuen Menschen und das Generieren von Ideen: Tauschen Sie mit anderen Menschen Ideen aus. Hüten Sie sich aber vor Miesmachern, die von vornherein alles negativ bewerten und unzählige Einwände haben.

Chancen erkennen

Sichten Sie Ihre Chancen, bewerten Sie sie und wählen Sie die besten aus. Um die richtige Entschei­dung zu treffen, ist es nötig, dass Sie keine der Chancen übersehen. Deshalb lohnt es sich, den gewohnten Wahrnehmungs­fokus zu erweitern, indem Sie Ihre Situation mit Abstand betrachten. Bewerten Sie anschließend die Vor- und Nachteile der jeweiligen Al­ter­na­tiven. Ein Rest an Ungewis­sheit wird bleiben, da Situationen in der Regel so komplex sind, dass Sie nicht alle möglichen Auswirkun­gen berücksichtigen können. Um möglichst frei entscheiden können, sollten Sie sich etwaiger psychischer Er­fol­gs­block­aden oder innerer Saboteure bewusst werden, die sich Ihrem Vorhaben ent­ge­gen­stellen könnten:

  • Selb­stvor­wurf: Man sieht bei Schwierigkeiten die Schuld bei sich.
  • Fremd­vor­wurf: Man sieht sich als Opfer von Umständen oder anderen Menschen.
  • Erwartung an andere: Man ist zu passiv und glaubt, selbst keinen Einfluss auf eine Situation zu haben.
  • Loyalitätsfalle: Man schränkt sich ein und verwirft neue Möglichkeiten, weil man glaubt, dass andere nicht auf einen verzichten können.
  • Al­ter­sre­gres­sion: Durch sie reagiert man in schwierigen Situationen wie ein kleines Kind und hat Mühe, auf seine Fähigkeiten zurückzugreifen.
„Wer ver­schiedene Chancen ergreift und ausprobiert, hat höhere Er­fol­gsaus­sichten als jemand, der sich auf eine Idee fokussiert.“

Haben Sie den Mut, Ideen, die nicht re­al­isier­bar sind oder nicht zu Ihnen passen, loszulassen.

Be­w­er­tung­shil­fen

Die meisten Entschei­dun­gen werden aus dem Bauch heraus, mithilfe der Intuition, gefällt. Damit aber die Intuition, die auf unseren gesammelten Erfahrungen beruht, kompetent und treffsicher ist, sollten Sie ihr Futter geben, sprich: möglichst viele In­for­ma­tio­nen über den zu entschei­den­den Sachverhalt. Zudem ist es sinnvoll, zwischen Kopf und Bauch hin und her zu pendeln, damit bei Entschei­dun­gen sowohl Fakten und rationale Überlegungen als auch emotionale Empfind­un­gen und Bilder berücksichtigt werden. Wenn es also z. B. darum geht, ein Hautpflege­pro­dukt zu kreieren, ist es ratsam, sich das Wissen in Bezug auf Chemie, Her­stel­lungsver­fahren und Kon­sumentenbedürfnisse anzueignen und dann intuitiv fortz­u­fahren. Bewerten Sie Ihre Intuitionen und Gedankengänge nicht zu früh, um sie nicht voreilig abzuwürgen. Achten Sie darauf, welche Körpersignale sich bei Ihren Überlegungen einstellen, und versuchen Sie, ihre Sprache zu verstehen. Überdenken Sie möglichst viele Auswirkun­gen Ihrer Entschei­dung, z. B. auf Ihren Kon­tak­tkreis, auf Ihre Familie, auf den Aufen­thalt­sort usw.

„Die Intuition gibt uns sehr eindeutige Signale, es heißt entweder ‚Stop!‘ oder ‚Go!‘.“

Holen Sie sich die Einschätzungen anderer Menschen ein. Fragen Sie dazu die un­ter­schiedlich­sten Men­schen­typen – keinesfalls nur diejenigen, mit denen Sie gut harmonieren. Hin­ter­fra­gen Sie aber deren Antworten auch kritisch: Prüfen Sie sie auf ihre Sach­lichkeit hin und überlegen Sie sich, ob Ängste oder andere Gefühle die Antwort beeinflusst haben. Sie können eine Idee auch zuerst im kleinen Kreis aus­pro­bieren.

„Ver­hal­tens­muster werden im Gehirn mit jeder Wieder­hol­ung stabiler. Neue Wege haben es deshalb immer schwerer, sich zu etablieren.“

Machen Sie Ihr Selb­st­wert­gefühl nicht davon abhängig, ob sich Ihre Chancen ver­wirk­lichen lassen. Kalkulieren Sie von vornherein die Möglichkeit des Scheiterns mit ein sowie die Wahrschein­lichkeit, dass sich die Umsetzung anders entwickelt als vorgesehen. Wenn Ihre Idee schiefläuft, sollten Sie sie leicht ad acta legen können.

„Wer ‚ausprobiert‘, hat einen spielerischen Umgang mit der Möglichkeit des Scheiterns gefunden.“

Spielen Sie keinesfalls den Hansdampf in allen Gassen: Reduzieren Sie die Chancen, die sich Ihnen aufgetan haben, auf ein machbares Minimum. Ansonsten laufen Sie Gefahr, sich zu übe­ranstren­gen. Dieses Risiko besteht vor allem dann, wenn sich die Überlastung schleichend vollzieht, sodass Sie sich an die Mehran­forderun­gen gewöhnen und diese nicht mehr bewusst zur Kenntnis nehmen.

Chancen verfolgen

Wenn Sie Chancen nachgehen, die sich durch Zufälle ergeben, werden Sie automatisch mit Neuem kon­fron­tiert, sei es mit Menschen, Orten oder Konzepten. Hier ist die Gefahr des Scheiterns natürlicher­weise größer als auf gewohntem Terrain. Bewerten Sie das Scheitern aber nicht negativ, sondern als das, was es ist: den Schatten des Erfolgs. Angesichts plötzlicher Schwierigkeiten oder Niederlagen reagieren Menschen un­ter­schiedlich. Folgende Reak­tion­sweisen liegen zwar in unseren Genen begründet, sind aber heutzutage alles andere als konstruktiv:

  • Sie sind gelähmt und hand­lung­sunfähig.
  • Sie beschränken sich auf einen Tunnelblick und übersehen alternative Lösungen.
  • Sie verfallen in Aktionismus, sodass die Konzen­tra­tion auf das Wesentliche sowie die Analy­se­bere­itschaft leiden.
„Die Kunst bei Veränderung­sprozessen besteht darin, die passenden Unterstützer zu finden und die Energie, die sie einem geben, zu nutzen.“

Besser und er­fol­gver­sprechen­der ist es, sich seinen Empfind­un­gen, etwa Ängsten, Wut, Trauer oder Ärger, zu stellen. Akzeptieren Sie diese Gefühle und nehmen Sie das Scheitern als eine notwendige Etappe auf Ihrem Weg an. Neue Wege müssen Sie mit Be­har­rlichkeit, einer positiven Grun­den­ergie und Motivation beschreiten. Sonst kommen Sie aus den alten Gleisen nicht heraus. Diese sind für Sie natürlich vertrauter und stabiler, deshalb ist es wichtig, dass Sie sich das Neue nach und nach zur Gewohnheit machen. In­spiri­erende innere Bilder und Visionen unterstützen Sie dabei. Beteiligen Sie Ihren engsten Kon­tak­tkreis an Ihren Veränderungen, denn Sie brauchen für Ihre Vorhaben ebenso die Akzeptanz von außen. Knüpfen Sie auch neue Kontakte, die Sie unterstützen. Sie sehen: Planung und Zufall schließen sich nicht aus. Nutzen Sie beide Pole auf Ihrem Weg.

Über den Autor

Jens Braak ist Physiker und hat zum Thema Chaos­the­o­rie promoviert. Seit 1992 arbeitet er als Busi­ness­coach und Man­age­ment­ber­ater.