Copycats

Buch Copycats

Gut kopiert ist besser als teuer erfunden

Redline,


Rezension

Innovation, die Entwicklung neuartiger Produkte oder Di­en­stleis­tun­gen, wird von allen gefeiert. Er­fol­gre­iche Produkte einfach nachzuahmen, gilt dagegen als anrüchig, gar als Piraterie. Zu Unrecht, behauptet der Man­age­ment­pro­fes­sor Oded Shenkar. Für ihn ist die Nachahmung ein legitimer, einfacher und günstiger Weg zum Un­ternehmenser­folg – spart sie doch teure In­vesti­tio­nen in Forschung und Entwicklung. Leider kommen im Buch die praktischen Hinweise neben den the­o­retis­chen Überlegungen etwas zu kurz. Die zahlreichen Beispiele beschränken sich überwiegend auf amerikanis­che Unternehmen, die dem europäischen Leser nicht immer ein Begriff sind. Trotzdem ist das Buch auf jeden Fall eine gute Einführung in ein in­ter­es­santes Thema. BooksInShort empfiehlt es allen Führungskräften, die mit dem Gedanken spielen, ganz legal unter Pi­raten­flagge in Richtung Un­ternehmenser­folg zu segeln.

Take-aways

  • Alle Lebewesen lernen durch Nachahmung und vermeiden damit Fehler, die u. U. tödlich sein könnten.
  • In der Wirtschaft ist Nachahmung verpönt, stattdessen setzt man auf Innovation.
  • Nachahmung kann eine einfache und günstige Möglichkeit sein, ein er­fol­gre­iches Produkt herzustellen.
  • Nachahmung ist eine Strategie, die ebenso wie andere Strategien erlernt und gepflegt werden muss.
  • Nachahmung muss als Er­fol­gsstrate­gie in der Un­ternehmen­skul­tur verankert werden.
  • Nachahmer sparen die Kosten für Forschung und Entwicklung, können die Entwicklung des Produkts erst einmal beobachten und dann eine verbesserte Version anbieten.
  • Eine gute Quelle für Nachahmer sind kleine, gescheit­erte Unternehmen. Oft lässt sich deren Geschäftsidee mit einigen Änderungen erfolgreich umsetzen.
  • Für eine er­fol­gre­iche Nachahmung ist es wichtig, das ganze zu kopierende System in seinen Zusammenhängen zu verstehen und zu übertragen.
  • Auch der Nachahmer braucht entsprechende Ressourcen, um ein gutes Nach­fol­ge­pro­dukt herstellen zu können.
  • Nachahmer können versuchen, ein neues Produkt möglichst schnell zu kopieren oder einige Zeit später ein günstigeres, besseres Nach­fol­ge­pro­dukt anzubieten.
 

Zusammenfassung

Original oder Kopie

Innovation gilt heute als der Schlüssel zum Erfolg. Ein Unternehmen, das langfristig auf dem Markt bestehen will, muss kreativ sein und ständig in die Entwicklung neuer Produkte investieren, so lautet das Credo. Doch in Wirk­lichkeit ist Innovation nicht unbedingt der Königsweg. Etwas Neues zu entwickeln, kostet viel Zeit und Geld – und kaum ist das Produkt auf dem Markt, wird es von der Konkurrenz auch schon nachgeahmt. Ein Blick in die Geschichte zeigt: In­no­va­tio­nen bringen zwar durchaus Erfolg, aber oft nicht dem Unternehmen, das sie entwickelt und gegen alle Widerstände auf dem Markt einführt, sondern den Nachfolgern, die das neue Produkt kopieren, sobald es seine Kinderkrankheiten überstanden hat. So hieß z. B. die erste Fast-Food-Kette nicht McDonald’s, sondern White Castle. McDonald’s kopierte das Konzept erfolgreich, White Castle kennt heute kaum noch jemand. Die Kreditkarte war eine Entwicklung von Diners Club, doch die Marktführer heißen heute MasterCard, Visa und American Express.

Erfolgreich als Nachahmer

Noch ist die Nachahmung in den Wirtschaftswis­senschaften verpönt. Aber auch wenn die gängige Man­age­mentlit­er­atur dem Thema meistens kritisch gegenübersteht: Kopieren ist durchaus eine Er­fol­gsstrate­gie. Und wie alle Strategien kann man sie lernen und muss sie pflegen. Beim Nachahmen geht es übrigens nicht darum, illegal Fälschungen zu produzieren. Es werden ganz legal Produkte hergestellt, die bereits vorhandenen ähnlich sind und dem Nachahmer einen ähnlichen Erfolg versprechen. Nachahmer haben einige Vorteile: Sie müssen keinen Cent in teure Forschung und Entwicklung stecken. Sie können erst einmal entspannt zusehen, welche Chancen das neue Produkt auf dem Markt hat und was sich vielleicht noch verbessern ließe. Und sobald die Kunden sich an das Produkt gewöhnt haben, bringen sie etwas ganz Ähnliches, vielleicht sogar Besseres auf den Markt. Ein guter Aus­gangspunkt für den Erfolg.

Nachahmung ist überall

In der Natur wird ganz selbstverständlich überall nachgeahmt. Nachahmung ist sogar ein lebenswichtiger Vorgang. Viele Lebewesen lernen, indem sie andere Lebewesen imitieren; sie vermeiden auf diese Weise Fehler, die andere vor ihnen gemacht haben und die sogar tödlich enden konnten. Auch Babys lernen vom ersten Tag an durch Imitation. Ebenso selbstverständlich haben Menschen und Nationen zu allen Zeiten fremde Er­run­gen­schaften kopiert, wenn sie sie für fortschrit­tlich und nützlich hielten. Was in anderen Bereichen also ganz selbstverständlich ist, ist merkwürdigerweise in der Wirtschaft verpönt: Unternehmen sind stolz darauf, als innovativ zu gelten, geben es aber nicht gerne zu, wenn sie von anderen etwas übernehmen.

„Die Nachahmung ist ein fun­da­men­taler Bestandteil des bi­ol­o­gis­chen und sozialen Lebens.“

Die Glob­al­isierung führt dazu, dass neue En­twick­lun­gen innerhalb kürzester Zeit weltweit bekannt werden. Das heißt aber auch, dass Unternehmen in aller Welt mit den neuesten En­twick­lun­gen Schritt halten müssen, sonst sind sie bald nicht mehr wet­tbe­werbsfähig und werden vom Markt verdrängt. Also bleibt ihnen nicht viel anderes übrig, als möglichst schnell etwas Ähnliches anzubieten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Die Folge davon ist, dass neue Produkte immer rascher kopiert werden. Ein Unternehmen, das eine Innovation auf den Markt bringt, kann sich heutzutage nicht lange auf seinem Erfolg ausruhen. Firmen aus China oder Indien setzen alles daran, die Produkte aus westlichen Ländern nachzuahmen und billiger zu liefern. Auf diese Weise verdrängen sie große Tra­di­tion­sun­ternehmen mehr und mehr vom Markt.

Wissen weltweit

Dank moderner In­for­ma­tion­stech­nolo­gien ist es einfacher geworden, auch komplexes Wissen festzuhal­ten und weit­erzugeben. In in­ter­na­tionalen Ko­op­er­a­tio­nen teilen Unternehmen ihr Know-how mit ihren Partnern, die es dann selbstverständlich weiterhin nutzen. Oftmals gründen auch ehemalige Mitarbeiter eines innovativen Un­ternehmens ihre eigene Firma und setzen dort ihr Wissen ein. Unternehmen investieren viel Energie, um die Nachahmung ihrer Produkte zu verhindern. Vielleicht wären sie besser bedient, wenn sie selbst zum Nachahmer würden. Denn vor Imitatoren gibt es kaum einen tauglichen Schutz. Marken galten einst als eine wirksame Waffe, haben aber schon lange ihren Nimbus verloren; ein gutes Beispiel dafür ist der stetig wachsende Markt für Generika. Auch ein Patent bietet keinen richtigen Schutz – der Nachahmer stellt einfach ein ähnliches Produkt her, das er dann seinerseits zum Patent anmelden kann.

Ganz oder gar nicht

Es reicht allerdings nicht aus, ein er­fol­gre­iches Modell halbherzig nachzuahmen. Die Flugge­sellschaft Southwest beispiel­sweise kopierte ein Bil­ligfliegerkonzept von Anbietern, die zuvor damit gescheitert waren. Southwest hingegen war erfolgreich, sehr zum Ärger der etablierten Flugge­sellschaften. Einige von ihnen starteten nun den Versuch, die er­fol­gre­iche Idee zu kopieren, wollten aber auch ihr anges­tammtes Geschäft nicht aufgeben. Also schufen sie neben ihrer eigentlichen Tätigkeit einfach eine Bil­ligsparte. Doch diese halb­herzi­gen Ansätze blieben letzten Endes erfolglos, weil sie das Modell nicht im seiner Gänze übernahmen, sondern nur einzelne Teile davon kopierten. Wenn nun beispiel­sweise eine Fluglinie ihren Piloten allgemein hohe Löhne zahlte, musste sie das auch in ihrer Bil­ligsparte tun, mit entsprechen­den Auswirkun­gen auf die Kosten. Er­fol­gre­icher waren Anbieter wie Ryanair, die das System von Southwest von Grund auf kopierten und es auf einen anderen Markt übertrugen. Generell stehen die Chancen für Nachahmer am besten, wenn sie das gesamte Modell kopieren. Nur einzelne Elemente übernehmen zu wollen, ist ein riskanter Ansatz.

Der Weg zur Nachahmung

Wie wird Ihr Unternehmen zum er­fol­gre­ichen Nachahmer? Zunächst einmal muss der Wille zur Nachahmung in der Un­ternehmen­skul­tur verankert sein. Das klingt einfacher, als es ist. Denn in der Regel formulieren Unternehmen den Stolz auf ihre In­no­va­tionsfähigkeit, aber nicht auf die Fähigkeit, die In­no­va­tio­nen anderer zu kopieren. Diese Einstellung gilt es zu ändern. Wenn Sie sich zutrauen, das zu schaffen, gehen Sie als Nächstes auf die Suche nach Erfolg ver­sprechen­den Ideen und Modellen. Schauen Sie dabei nicht nur auf er­fol­gre­iche Unternehmen, auch wenn das auf den ersten Blick verlockend scheint. Nehmen Sie gerade auch die erfolglosen, gescheit­erten Un­ternehmungen in den Blick. Vielleicht versteckt sich dort eine gute Geschäftsidee, die Sie weit­er­en­twick­eln können. Hat die Firma Fehler gemacht, die Sie vermeiden können? Versuchen Sie, Erfolg ver­sprechende Modelle zu iden­ti­fizieren.

Das Vorbild verstehen

Wenn Sie mit dem Imitieren erfolgreich sein möchten, reicht es nicht, etwas einfach zu kopieren. Sie müssen vor allem das so genannte Ko­r­re­spon­den­zprob­lem lösen: Wie können Sie etwas so au­seinan­dernehmen und in einem anderen Kontext wieder zusam­menset­zen, dass die positiven Eigen­schaften erhalten bleiben? Wie die Erfahrung zeigt, ist das gar nicht so einfach. Sie müssen das ursprüngliche Modell mit seinen Zusammenhängen gründlich analysieren, um es erfolgreich kopieren zu können. Wie ist das Geschäftsmodell in sein Umfeld eingebettet, und wie lassen sich diese Strukturen auf Ihre Situation übertragen? Wo liegen die Un­ter­schiede? Halten Sie sich möglichst nur an ein einziges Konzept und widerstehen Sie der Versuchung, die Vorzüge ver­schiedener Anbieter kombinieren zu wollen, also etwa den Service eines exklusiven Un­ternehmens mit dem Preismodell eines Discounters. Mit solchen Ex­per­i­menten werden Sie scheitern. Analysieren Sie Ihr Vorbild so ausführlich wie möglich, ehe Sie etwas Ähnliches schaffen.

Nachahmung als Strategie

Es hört sich ziemlich einfach an, etwas nachzuahmen, was es bereits gibt. Aber hüten Sie sich davor, den Prozess des Nachahmens auf die leichte Schulter zu nehmen. Viele Firmen wenden das Kopieren als Notlösung an, wenn eigene Strategien gescheitert sind. Gehen Sie die Sache durch­dachter an: Integrieren Sie die Nachahmung in Ihre Un­ternehmensstrate­gie. Was auch immer Sie für die Nachahmung auswählen, es muss zu Ihrer Gesamt­strate­gie passen. Innovation und Nachahmung haben eine Menge gemeinsam: Auch Innovatoren erfinden nicht alles neu, sondern greifen auf Vorhandenes zurück. Wie die Nachahmer brauchen die Innovatoren möglichst umfassende In­for­ma­tio­nen und müssen das Umfeld des neuen Produkts analysieren, ehe sie aktiv werden können. Denken Sie daran, dass sich manche Produkte leichter nachahmen lassen als andere. Gebrauchsgüter sind z. B. leichter zu imitieren als Medikamente oder Chemikalien, wofür die geset­zlichen Vorschriften viel rigoroser sind.

Der richtige Zeitpunkt

Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt Sie nachahmen möchten. Sie haben drei Möglichkeiten:

  1. Sie können ein „schneller Zweiter“ sein, der eine Innovation so rasch wie möglich kopiert. Das bringt Ihnen einen entschei­den­den Vorteil: Sie sind anderen Nachahmern einen Schritt voraus – ein guter Aus­gangspunkt, um in einen neuen Markt einzusteigen. Möglicher­weise verhindern Sie damit die Bildung eines Monopols. Doch Sie brauchen auch die Ressourcen, um entsprechend rasch zu reagieren. Daher eignet sich diese Strategie eher für große Unternehmen.
  2. Als „Angreifer von hinten“ treten Sie eher spät in den Markt ein. Auch das kann Vorteile bringen: Sie haben Zeit, das neue Produkt erst einmal zu beobachten und einen günstigen Zeitpunkt für den Mark­tein­tritt abzuwarten. Vielleicht gelingt es Ihnen, das Nachah­mer­pro­dukt zu einem deutlich günstigeren Preis anzubieten. Allerdings haben Sie als Angreifer von hinten auch mit mehr Konkur­renten zu kämpfen.
  3. Als „Pi­o­nier­im­por­teur“ sind Sie der Erste, der eine Idee in einen anderen Markt oder eine andere Region importiert. Das macht Ihnen vieles einfacher, aber Sie sollten besonders auf das Ko­r­re­spon­den­zprob­lem achten und das Umfeld genau analysieren, ehe Sie Ihr Vorbild adaptieren.

In Nachahmung investieren

Entscheiden Sie sich nur dann für eine Nachahmung, wenn Sie sicher sind, dass sie auch erfolgreich sein wird. Denn auch wenn Imitation wesentlich weniger kostet als Innovation, kommen doch erhebliche Kosten auf Sie zu. Stellen Sie sicher, dass Sie überhaupt in der Lage sind, eine gute Kopie zu produzieren. Wenn Sie sich irgendwann später eingestehen müssen, dass Sie es nicht schaffen, haben Sie vermutlich schon viel Geld verbrannt. Außerdem müssen Sie von Anfang an mit mehr Konkurrenz als der Innovator rechnen – Konkurrenz in Form weiterer Nachahmer. Achten Sie außerdem auf rechtliche Aspekte. Und noch etwas gilt es zu bedenken: Auch Ihr Image verändert sich, wenn Sie als Nachahmer bekannt werden.

Hindernisse überwinden

Manche Unternehmen sind sich ihrer Vor­ma­cht­po­si­tion so sicher, dass sie ohne Weiteres In­for­ma­tio­nen über ihre Produkte nach außen geben. Nutzen Sie solche Gele­gen­heiten, auch wenn Sie keine vollständigen In­for­ma­tio­nen erhalten. Lücken können Sie möglicher­weise durch eigenes Know-how füllen. Achten Sie darauf, ob Firmen eine Zusam­me­nar­beit aufkündigen: Ein ehemaliger Partner kann ein wichtiger Informant sein. Wirtschaftswis­senschaftler vertreten oft die Auffassung, hohe Wech­selkosten würden ausreichen, um Kunden vom Wechsel zu einem Nachah­mer­pro­dukt abzuhalten. Doch in der Praxis sieht das oft anders aus. Außerdem können Sie die Wech­selkostenhürde umgehen, indem Sie Nach­fol­ge­pro­dukte anbieten, die mit dem ursprünglichen Produkt kompatibel sind. Eine starke Marke ist in vielen Fällen noch immer ein guter Schutz vor Nachahmung. Doch wenn es Ihnen gelingt, ein ähnliches Produkt anzubieten, das besser oder günstiger ist als das Original, werden Sie sich auch gegenüber einer starken Marke behaupten können.

Über den Autor

Oded Shenkar studierte Soziologie und Os­tasien­wis­senschaften in Jerusalem und promovierte an der Columbia University. Heute ist er Professor für Management und Human Resources an der Ohio State University.