Der Hedgefondsgründer
Der erste Hedgefonds der Welt wurde von Alfred Winslow Jones im Jahr 1949 gegründet. Jones war damals überzeugt, dass Aktienmarkttrends stark von menschlichen Emotionen beeinflusst sind. Der Mann war zuvor unter anderem Kassenwart auf einem Frachtschiff gewesen, hatte Kontakte zu deutschen Kommunisten gehabt und im spanischen Bürgerkrieg mit Ernest Hemingway getrunken. Ein Ökonomiestudium hatte er nicht absolviert, dafür besaß er jedoch einen Doktortitel in Soziologie. Er war zwar nicht in der Lage, Trends korrekt vorherzusehen, was immer wieder zu Verlusten führte. Aber er installierte mit der leistungsabhängigen Vergütung für seine Mitarbeiter erfolgreich einen Anreiz, Informationsvorsprünge zu erzielen und in Anlageerfolge umzumünzen. Sein Hedgefonds fuhr in den 50er und 60er Jahren hohe Gewinne ein: Die Rendite nach 20 Jahren betrug 5000 Prozent. Jones bereicherte die Finanzwelt mit Innovationen wie beispielsweise der Berechnung von Volatilitäten.
Das Hedgefondskonzept
So untypisch Jones’ Lebenslauf für einen damaligen Finanzverwalter gewesen sein mag, so charakteristisch sind die vier Merkmale, die seinen Fonds auszeichneten, und die bis heute gelten:
- Geschäfte zur Absicherung (Hedging) sind meist eine Kombination aus dem Kauf aussichtsreicher Aktien und Leerverkäufen schwächerer Titel. Damit gelingt es, sich zumindest teilweise von allgemeinen Markttrends abzukoppeln.
- Eine Hebelwirkung (Leverage) erzielen die Fonds durch den Einsatz von Fremdkapital.
- Eine hohe Erfolgsbeteiligung (Performance Fee) motiviert die Fondsmanager und ihre Mitarbeiter.
- Regulierungen sind für Hedgefonds hinderlich, da diese von der Flexibilität leben. Sie wollen weltweit in vielen Anlageklassen und in jede Richtung spekulieren. Sie wollen je nach Marktlage von einer Anlageklasse in die nächste wechseln können. Jones achtete deswegen darauf, nicht mit den Aufsichtsbehörden in Konflikt zu geraten.
„Hedgefonds sind Vehikel für Einzelgänger und Antizykliker, für Menschen, deren Ambitionen zu groß sind, um innerhalb einer etablierten Finanzinstitution Platz zu finden.“
Das Konzept lässt sich nicht nur bei Aktien, sondern auch bei Anleihen und Derivaten anwenden. Dank Hedging und Leverage können Hedgefonds in Haussezeiten eine höhere Rendite als herkömmliche Investoren erzielen, obwohl sie geringere Risiken eingehen als diese. Ihr besseres Abschneiden in Baissephasen verdanken sie dem begrenzten Risiko. Allerdings nutzen Hedgefonds Hedging und Leverage nicht immer gleichzeitig, sondern verzichten mitunter auf die Absicherung. Marktcrashs haben darum in den 70er Jahren viele Hedgefonds ausgelöscht. Auf den Crash von 1987 folgte ihre Renaissance. Hedgefonds schreiben seitdem eine imposante Erfolgsgeschichte. Allein zwischen 2003 und 2006 verdoppelte sich das Kapital der 100 größten Fonds – auf 1 Billion Dollar.
Die Geldmacher
In der Liste der einkommensstärksten Finanzberufler liegen nicht die Vorstände von Investmentbanken oder Private-Equity-Verwalter vorn, sondern Hedgefondsmanager. Goldman-Sachs-Chef Blankfein ging 2006 mit 54 Millionen Dollar nach Hause. Im selben Jahr verdienten die 25 besten Hedgefondsmanager der Welt jeweils zwischen 240 Millionen und mehr als 1 Milliarde Dollar. Wie zuvor bei den New-Economy-Stars standen die Extravaganzen der Hedgefondsmanager oft im Licht der Öffentlichkeit. Sie leisten sich Firmenjets mit Kinderkrippe, veranstalten Fasanenjagden, bauen sich ein Eislaufstadion. Der extravagante Lebensstil passt zum charakterlichen Profil. Hedgefondsmanager sind meist zu individualistisch, als dass sie sich auf Dauer in einer Bank wohlfühlen würden. Einer der Großverdiener der frühen 2000er Jahre, Jim Simons, trug fast nie Socken im Büro und weigerte sich, Anweisungen zu befolgen. Nicht jede Exaltiertheit reicht hinein ins Kauzige: George Soros beispielsweise fördert zivilgesellschaftlichen Fortschritt im ehemaligen Ostblock, andere nutzen ihr Geld für wohltätige Zwecke, z. B. zur Armutsbekämpfung.
Die Geldanleger
Hedgefonds locken mit dem Versprechen, den Markt zu schlagen, also höhere Gewinne zu erzielen als ein Vergleichsindex. Das scheint Studien zufolge tatsächlich zu gelingen. Der Erfolg lockt neue Geldgeber an. Bis Ende der 80er Jahre speisten sich Hedgefonds vor allem aus dem Vermögen reicher Privatanleger. Danach kamen verstärkt Stiftungen als Kapitalausstatter der Fonds infrage, z. B. die Stiftung der Yale- oder der Harvard-Universität. Beide schafften durch diese Investments trotz Finanzkrise Jahresgewinne um die 10 %. Der Hedgefonds „Tiger“ erreichte von 1980 bis 1998 eine jährliche Rendite von 31,7 %. Die Hedgefondsmanager stecken oft eigenes Geld in ihren Fonds. Dies ist natürlich ein starker Anreiz, keine Verluste einzufahren. Händlern in Banken fehlt dieser Anreiz: Sie erhalten Boni im Erfolgsfall, haften aber nicht bei Verlusten. Für Kleinanleger sind Hedgefonds nicht geeignet. Für sie sind Indexfonds die bessere Lösung.
Wissenschaft vs. Hedgefonds
In der ökonomischen Theorie, wie sie von den 60er bis in die 80erJahre dominierte, hatten Hedgefonds keinen Platz. Ihre Existenz widersprach regelrecht der Theorie der effizienten Märkte. In einem solchen Markt wäre eine korrekte Kursvorhersage zufällig möglich, nicht aber systematisch. Die erfolgreichen Fonds belegen allerdings, dass sie offenbar mehr als nur das Glück auf ihrer Seite haben. Manche Hedgefonds nutzen die Tatsache aus, dass Märkte oft nicht so liquide sind, wie es die Theorie voraussetzt. Beispielsweise ist es schwierig, riesige Aktienpakete zum aktuellen Preis auf dem Markt abzusetzen oder zu kaufen. Daraus ergeben sich Preisab- oder Preisaufschläge, die die Fonds sich zunutze machen. Die Informationsvorteile der Hedgefonds lassen sich im Einzelfall nur schwer beschreiben. George Soros z. B. investierte auch ohne lange Recherche, wenn er eine Investmentidee verlockend fand und sich vorstellen konnte, dass auch andere der Verlockung erliegen würden. Immerhin gibt es eine Bezeichnung für die resultierenden Renditen, die es der Theorie nach gar nicht geben dürfte – das so genannte Alpha. Das ist die Rendite, die dem Geschick des Fondsmanagements zu verdanken ist, die also über der Durchschnittsrendite eines Marktindex liegt. Auf die Erkenntnis, dass Märkte nicht so effizient sind wie gedacht, reagierten die Finanzwissenschaftler. Sie suchten nach Mustern und damit nach Vorhersagemöglichkeiten. Manche stiegen bei Hedgefonds ein, z. B. Myron Scholes und Robert Merton bei Long-Term Capital Management (LTCM). Die Nobelpreisträger hatten eine Methode zur Berechnung von Optionspreisen gefunden.
Nutzen und Schaden
Hedgefonds neigen weniger dazu, dem Trend zu folgen und diesen zu verstärken, als dazu, gegen den Trend zu handeln. Leerverkäufe wirken antizyklisch. Sie können das Entstehen von Spekulationsblasen, wie es sie zuletzt im Subprimemarkt der USA gegeben hat, zumindest behindern. Ein Hedgefonds, der Arbitragegeschäfte betreibt, der also Preis- und Liquiditätsunterschiede zwischen verschiedenen Märkten ausnutzt, senkt diese Unterschiede. Der Markt insgesamt profitiert davon. Hedgefonds sind darum nach Ansicht ihrer Verfechter stabilisierend und nicht preistreibend. Diese positive Sicht auf die Hedgefonds dominiert nicht zufälligerweise dort, wo diese ihren Sitz haben: in den USA und in Großbritannien. Im Lauf der Zeit hat sich jedoch auch eine andere Bewertung Gehör verschafft: Hedgefonds können dank Leverage ein so großes Rad drehen, dass sie, sobald der Markt seine Richtung ändert, sozusagen umkippen. Der Schaden reicht dann weit über den Fonds selbst hinaus. Dieser hat eine zu geringe Eigenkapitaldecke, um Verluste ausgleichen zu können. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise scheint für viele nun erwiesen zu sein, dass Hedgefonds destabilisierend wirken. Schließlich trugen ihre Panikverkäufe mit dazu bei, die Kursausschläge zu verschärfen. Aber diese Argumentation greift vermutlich zu kurz: Hedgefonds sind nicht das Kernproblem im internationalen Finanzsystem.
Hedgefonds sind weniger problematisch als Banken
Der Risikoappetit des Finanzsystems muss gezügelt werden, damit eine Wiederholung der Finanzkrise verhindert wird. Es ist aber weder möglich, die großen Banken im Fall der Fälle untergehen zu lassen, noch lässt sich die Regulierung ausreichend wirksam gestalten. Zur Verschuldungsorgie der Banken und Verbraucher in den USA kam es auch ohne das Zutun von Hedgefonds. Eine Lehre aus der Finanzkrise lautet: Die Zentralbanken sollten nicht nur die Steigerung der Verbraucherpreise, sondern auch die Inflation bei Vermögensgegenständen im Auge behalten. Wenn nötig, müssen sie die Luft aus Spekulationsblasen lassen.
„Hedgefonds scheinen tatsächlich Gewinne zu liefern, die über die Gewinne der Markt-Benchmarks hinausgehen.“
Im Bewusstsein, vom Steuerzahler gerettet zu werden, gehen Banken zu hohe Risiken ein. Hingegen hat kein Hedgefonds Steuergeld erhalten, um die Krise zu überstehen. Die Ausweitung der Staatsverschuldung im Zuge der Krise wurde also nicht von Hedgefonds verursacht. Ein weiterer Vorteil für den Steuerzahler: Die meisten Hedgefonds sind klein genug, um scheitern zu können, ohne unerträgliche Kollateralschäden anzurichten. Von 2000 bis 2009 haben rund 5000 Hedgefonds den Markt verlassen. Hedgefonds sind nicht „too big to fail“, anders als viele Banken.
Vernünftige Anreize
Gegenüber Händlern in Banken haben Hedgefonds stärkere Anreize, vorsichtiger zu spekulieren. Das führt dazu, dass sie als zusätzliches Kapital für Leverage in der Regel nur bis zum Doppelten des Investorenkapitals Kredit aufnehmen. Bei Investmentbanken waren vor der Krise hingegen Hebel vom bis zu 30-Fachen des eigenen Kapitals verbreitet. Die Gebühren, die Hedgefonds ihren Kunden abnehmen, sind Studien zufolge durch höhere Gewinne gerechtfertigt. Interessenkonflikte von Banken, die gebührenorientiert beraten und verkaufen, sind bei Hedgefonds kleiner. Sie sind aber nicht die Antwort auf alle offenen Fragen im Finanzsystem: Sie führen keine Kundenkonten und reichen auch keine Kredite an Kleinunternehmer aus. Da sie aber Risiken besser überwachen als die Banken, sollten sie im Finanzsystem in Zukunft eine größere Rolle spielen.
Schwarze Schafe unter den Hedgefonds
Seit es Hedgefonds gibt, stehen sie bei Erfolgen unter dem Verdacht, sich illegitimer Informationen bedient zu haben. Das Problem: Weil Aktienhändler von Banken hohe Gebühren einstreichen, wenn sie Handelsaufträge von Hedgefonds erhalten, sind manche geneigt, Insiderinformationen weiterzugeben. Erst 2009 wurde in New York in einem solchen Fall der Hedgefondsmanager Raj Rajaratnam angeklagt. Keine Frage: In der Branche gibt es schwarze Schafe. Aber Beweise dafür, dass Betrug bei Hedgefonds häufiger vorkommt als bei Banken, gibt es keine.
Regulierung unerwünscht
Am besten wäre es, die meisten Hedgefonds nicht zu regulieren. Eine Regulierung kommt allerdings für solche Fonds infrage, die zu groß werden und ihren Charakter als private Partnerschaft verlieren, wie es z. B. durch einen Börsengang geschehen kann. Der Regulierungsbedarf sinkt, wenn der Fonds vor allem solche Positionen hält, die sich im Fall der Fälle leicht liquidieren lassen. Darüber hinaus eignet sich die Höhe des Leverage als Regulierungskriterium. Er sollte nicht – wie bei LTCM mit 25 zu 1 – zu hoch sein. Außerdem kann die Höhe des Gesamtportfolios herangezogen werden. Der Grad der Regulierung sollte sich bei bestimmten Schwellenwerten verschärfen. Da die meisten Hedgefonds klein sind, würden heute nur wenige der rund 9000 Hedgefonds überhaupt unter solch ein Regulierungsregime fallen. Börsennotierte Hedgefonds würden hingegen zu ähnlich riskanten Marktteilnehmern werden, wie es heute die Investmentbanken sind.