Mehr Geld als Gott

Buch Mehr Geld als Gott

Hedgefonds und ihre Allmachtsfantasien

FinanzBuch,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Die Geschichte der Hedgefonds ist ver­gle­ich­sweise kurz, sie beginnt im Jahr 1949, als der erste solche Fonds gegründet wurde. Weil der Autor Sebastian Mallaby sich jedoch um ein möglichst vollständiges Bild bemüht, um der facetten­re­ichen Branche gerecht zu werden, ist trotzdem ein um­fan­gre­iches Buch entstanden. Aus seinen Gesprächen mit sehr vielen, meist angelsächsischen Hedge­fondsgründern formt der Autor eine de­tail­re­iche, anek­dotenge­spickte Lektüre. Sein Fazit lässt aufhorchen: Die vielfach ver­teufel­ten Hedgefonds sind gemäß Mallaby fürs Fi­nanzsys­tem nicht etwa eine Last oder Bedrohung, sondern im Vergleich zum Treiben der Banken sogar ein Segen. BooksInShort empfiehlt das Buch nachdrücklich allen Fi­nanz­mark­t­teil­nehmern.

Take-aways

  • Es wäre falsch, als Antwort auf die Finanzkrise Hedgefonds zu verbieten.
  • Hedgefonds verlassen sich bei ihren Geschäften nicht auf die Rettung durch den Steuerzahler – im Gegensatz zu Banken.
  • Viele Banken agieren riskanter als Hedgefonds.
  • Der Erfolg vieler Hedgefonds beruht auf dem Ausnutzen von Mark­tin­ef­fizien­zen.
  • Dank Leerverkäufen (Hedging) und Fremd­kap­i­tal (Leverage) kombinieren Hedgefonds überdurch­schnit­tliche Sicherheit mit Er­tragschan­cen.
  • Der Leis­tungsvor­sprung speist sich auch aus ihrer großen Flexibilität und der gewinnabhängigen Bezahlung.
  • Bei Hedgefonds sind viele In­di­vid­u­al­is­ten tätig, die in kon­ven­tionellen Bankstruk­turen nicht arbeiten könnten.
  • Gewiss gibt es unter Hedgefonds auch schwarze Schafe, die In­sid­er­in­for­ma­tio­nen ausnutzen.
  • Hedgefonds sollten nicht reguliert werden – es sei denn, sie werden zu groß oder gehen an die Börse.
  • Der erste Hedgefonds der Welt, 1949 von Alfred Winslow Jones gegründet, hatte nach 20 Jahren eine Rendite von 5000 % erzielt.
 

Zusammenfassung

Der Hedge­fondsgründer

Der erste Hedgefonds der Welt wurde von Alfred Winslow Jones im Jahr 1949 gegründet. Jones war damals überzeugt, dass Ak­tien­mark­t­trends stark von men­schlichen Emotionen beeinflusst sind. Der Mann war zuvor unter anderem Kassenwart auf einem Frachtschiff gewesen, hatte Kontakte zu deutschen Kommunisten gehabt und im spanischen Bürgerkrieg mit Ernest Hemingway getrunken. Ein Ökonomi­es­tudium hatte er nicht absolviert, dafür besaß er jedoch einen Doktortitel in Soziologie. Er war zwar nicht in der Lage, Trends korrekt vorherzuse­hen, was immer wieder zu Verlusten führte. Aber er in­stal­lierte mit der leis­tungsabhängigen Vergütung für seine Mitarbeiter erfolgreich einen Anreiz, In­for­ma­tionsvor­sprünge zu erzielen und in An­lageer­folge umzumünzen. Sein Hedgefonds fuhr in den 50er und 60er Jahren hohe Gewinne ein: Die Rendite nach 20 Jahren betrug 5000 Prozent. Jones bereicherte die Finanzwelt mit In­no­va­tio­nen wie beispiel­sweise der Berechnung von Volatilitäten.

Das Hedge­fond­skonzept

So untypisch Jones’ Lebenslauf für einen damaligen Fi­nanzver­wal­ter gewesen sein mag, so charak­ter­is­tisch sind die vier Merkmale, die seinen Fonds ausze­ich­neten, und die bis heute gelten:

  1. Geschäfte zur Absicherung (Hedging) sind meist eine Kombination aus dem Kauf aus­sicht­sre­icher Aktien und Leerverkäufen schwächerer Titel. Damit gelingt es, sich zumindest teilweise von allgemeinen Markttrends abzukoppeln.
  2. Eine Hebel­wirkung (Leverage) erzielen die Fonds durch den Einsatz von Fremd­kap­i­tal.
  3. Eine hohe Er­fol­gs­beteili­gung (Performance Fee) motiviert die Fonds­man­ager und ihre Mitarbeiter.
  4. Reg­ulierun­gen sind für Hedgefonds hinderlich, da diese von der Flexibilität leben. Sie wollen weltweit in vielen An­lageklassen und in jede Richtung spekulieren. Sie wollen je nach Marktlage von einer An­lageklasse in die nächste wechseln können. Jones achtete deswegen darauf, nicht mit den Auf­sichts­behörden in Konflikt zu geraten.
„Hedgefonds sind Vehikel für Einzelgänger und An­tizyk­liker, für Menschen, deren Ambitionen zu groß sind, um innerhalb einer etablierten Fi­nanzin­sti­tu­tion Platz zu finden.“

Das Konzept lässt sich nicht nur bei Aktien, sondern auch bei Anleihen und Derivaten anwenden. Dank Hedging und Leverage können Hedgefonds in Haussezeiten eine höhere Rendite als herkömmliche Investoren erzielen, obwohl sie geringere Risiken eingehen als diese. Ihr besseres Abschneiden in Bais­sephasen verdanken sie dem begrenzten Risiko. Allerdings nutzen Hedgefonds Hedging und Leverage nicht immer gle­ichzeitig, sondern verzichten mitunter auf die Absicherung. Marktcrashs haben darum in den 70er Jahren viele Hedgefonds ausgelöscht. Auf den Crash von 1987 folgte ihre Renaissance. Hedgefonds schreiben seitdem eine imposante Er­fol­gs­geschichte. Allein zwischen 2003 und 2006 verdoppelte sich das Kapital der 100 größten Fonds – auf 1 Billion Dollar.

Die Geldmacher

In der Liste der einkom­mensstärksten Fi­nanzberu­fler liegen nicht die Vorstände von In­vest­ment­banken oder Pri­vate-Eq­uity-Ver­wal­ter vorn, sondern Hedge­fonds­man­ager. Gold­man-Sachs-Chef Blankfein ging 2006 mit 54 Millionen Dollar nach Hause. Im selben Jahr verdienten die 25 besten Hedge­fonds­man­ager der Welt jeweils zwischen 240 Millionen und mehr als 1 Milliarde Dollar. Wie zuvor bei den New-Econ­omy-Stars standen die Ex­trav­a­ganzen der Hedge­fonds­man­ager oft im Licht der Öffentlichkeit. Sie leisten sich Firmenjets mit Kinderkrippe, ve­r­anstal­ten Fasa­nen­jag­den, bauen sich ein Eis­lauf­s­ta­dion. Der ex­trav­a­gante Lebensstil passt zum charak­ter­lichen Profil. Hedge­fonds­man­ager sind meist zu in­di­vid­u­al­is­tisch, als dass sie sich auf Dauer in einer Bank wohlfühlen würden. Einer der Großverdiener der frühen 2000er Jahre, Jim Simons, trug fast nie Socken im Büro und weigerte sich, Anweisungen zu befolgen. Nicht jede Ex­altiertheit reicht hinein ins Kauzige: George Soros beispiel­sweise fördert zivilge­sellschaftlichen Fortschritt im ehemaligen Ostblock, andere nutzen ihr Geld für wohltätige Zwecke, z. B. zur Armutsbekämpfung.

Die Geldanleger

Hedgefonds locken mit dem Versprechen, den Markt zu schlagen, also höhere Gewinne zu erzielen als ein Ver­gle­ichsin­dex. Das scheint Studien zufolge tatsächlich zu gelingen. Der Erfolg lockt neue Geldgeber an. Bis Ende der 80er Jahre speisten sich Hedgefonds vor allem aus dem Vermögen reicher Pri­vatan­leger. Danach kamen verstärkt Stiftungen als Kap­i­ta­lausstat­ter der Fonds infrage, z. B. die Stiftung der Yale- oder der Har­vard-Uni­ver­sität. Beide schafften durch diese Investments trotz Finanzkrise Jahres­gewinne um die 10 %. Der Hedgefonds „Tiger“ erreichte von 1980 bis 1998 eine jährliche Rendite von 31,7 %. Die Hedge­fonds­man­ager stecken oft eigenes Geld in ihren Fonds. Dies ist natürlich ein starker Anreiz, keine Verluste einzufahren. Händlern in Banken fehlt dieser Anreiz: Sie erhalten Boni im Erfolgsfall, haften aber nicht bei Verlusten. Für Kleinan­leger sind Hedgefonds nicht geeignet. Für sie sind Indexfonds die bessere Lösung.

Wis­senschaft vs. Hedgefonds

In der ökonomischen Theorie, wie sie von den 60er bis in die 80erJahre dominierte, hatten Hedgefonds keinen Platz. Ihre Existenz widersprach regelrecht der Theorie der effizienten Märkte. In einem solchen Markt wäre eine korrekte Kursvorher­sage zufällig möglich, nicht aber sys­tem­a­tisch. Die er­fol­gre­ichen Fonds belegen allerdings, dass sie offenbar mehr als nur das Glück auf ihrer Seite haben. Manche Hedgefonds nutzen die Tatsache aus, dass Märkte oft nicht so liquide sind, wie es die Theorie voraussetzt. Beispiel­sweise ist es schwierig, riesige Ak­tien­pakete zum aktuellen Preis auf dem Markt abzusetzen oder zu kaufen. Daraus ergeben sich Preisab- oder Preisauf­schläge, die die Fonds sich zunutze machen. Die In­for­ma­tionsvorteile der Hedgefonds lassen sich im Einzelfall nur schwer beschreiben. George Soros z. B. investierte auch ohne lange Recherche, wenn er eine In­vest­men­tidee verlockend fand und sich vorstellen konnte, dass auch andere der Verlockung erliegen würden. Immerhin gibt es eine Bezeichnung für die re­sul­tieren­den Renditen, die es der Theorie nach gar nicht geben dürfte – das so genannte Alpha. Das ist die Rendite, die dem Geschick des Fonds­man­age­ments zu verdanken ist, die also über der Durch­schnittsren­dite eines Marktindex liegt. Auf die Erkenntnis, dass Märkte nicht so effizient sind wie gedacht, reagierten die Fi­nanzwis­senschaftler. Sie suchten nach Mustern und damit nach Vorhersagemöglichkeiten. Manche stiegen bei Hedgefonds ein, z. B. Myron Scholes und Robert Merton bei Long-Term Capital Management (LTCM). Die No­bel­preisträger hatten eine Methode zur Berechnung von Op­tion­spreisen gefunden.

Nutzen und Schaden

Hedgefonds neigen weniger dazu, dem Trend zu folgen und diesen zu verstärken, als dazu, gegen den Trend zu handeln. Leerverkäufe wirken an­tizyk­lisch. Sie können das Entstehen von Speku­la­tions­blasen, wie es sie zuletzt im Sub­primemarkt der USA gegeben hat, zumindest behindern. Ein Hedgefonds, der Ar­bi­tragegeschäfte betreibt, der also Preis- und Liquiditätsun­ter­schiede zwischen ver­schiede­nen Märkten ausnutzt, senkt diese Un­ter­schiede. Der Markt insgesamt profitiert davon. Hedgefonds sind darum nach Ansicht ihrer Verfechter sta­bil­isierend und nicht preistreibend. Diese positive Sicht auf die Hedgefonds dominiert nicht zufälligerweise dort, wo diese ihren Sitz haben: in den USA und in Großbritannien. Im Lauf der Zeit hat sich jedoch auch eine andere Bewertung Gehör verschafft: Hedgefonds können dank Leverage ein so großes Rad drehen, dass sie, sobald der Markt seine Richtung ändert, sozusagen umkippen. Der Schaden reicht dann weit über den Fonds selbst hinaus. Dieser hat eine zu geringe Eigenkap­i­taldecke, um Verluste ausgleichen zu können. Seit der Finanz- und Wirtschaft­skrise scheint für viele nun erwiesen zu sein, dass Hedgefonds desta­bil­isierend wirken. Schließlich trugen ihre Panikverkäufe mit dazu bei, die Kursausschläge zu verschärfen. Aber diese Ar­gu­men­ta­tion greift vermutlich zu kurz: Hedgefonds sind nicht das Kernproblem im in­ter­na­tionalen Fi­nanzsys­tem.

Hedgefonds sind weniger prob­lema­tisch als Banken

Der Risikoap­petit des Fi­nanzsys­tems muss gezügelt werden, damit eine Wieder­hol­ung der Finanzkrise verhindert wird. Es ist aber weder möglich, die großen Banken im Fall der Fälle untergehen zu lassen, noch lässt sich die Regulierung ausreichend wirksam gestalten. Zur Ver­schul­dung­sorgie der Banken und Verbraucher in den USA kam es auch ohne das Zutun von Hedgefonds. Eine Lehre aus der Finanzkrise lautet: Die Zen­tral­banken sollten nicht nur die Steigerung der Ver­braucher­preise, sondern auch die Inflation bei Vermögensgegenständen im Auge behalten. Wenn nötig, müssen sie die Luft aus Speku­la­tions­blasen lassen.

„Hedgefonds scheinen tatsächlich Gewinne zu liefern, die über die Gewinne der Markt-Bench­marks hinausgehen.“

Im Bewusstsein, vom Steuerzahler gerettet zu werden, gehen Banken zu hohe Risiken ein. Hingegen hat kein Hedgefonds Steuergeld erhalten, um die Krise zu überstehen. Die Ausweitung der Staatsver­schul­dung im Zuge der Krise wurde also nicht von Hedgefonds verursacht. Ein weiterer Vorteil für den Steuerzahler: Die meisten Hedgefonds sind klein genug, um scheitern zu können, ohne unerträgliche Kol­lat­er­alschäden anzurichten. Von 2000 bis 2009 haben rund 5000 Hedgefonds den Markt verlassen. Hedgefonds sind nicht „too big to fail“, anders als viele Banken.

Vernünftige Anreize

Gegenüber Händlern in Banken haben Hedgefonds stärkere Anreize, vor­sichtiger zu spekulieren. Das führt dazu, dass sie als zusätzliches Kapital für Leverage in der Regel nur bis zum Doppelten des In­ve­storenkap­i­tals Kredit aufnehmen. Bei In­vest­ment­banken waren vor der Krise hingegen Hebel vom bis zu 30-Fachen des eigenen Kapitals verbreitet. Die Gebühren, die Hedgefonds ihren Kunden abnehmen, sind Studien zufolge durch höhere Gewinne gerecht­fer­tigt. In­ter­essenkon­flikte von Banken, die gebührenori­en­tiert beraten und verkaufen, sind bei Hedgefonds kleiner. Sie sind aber nicht die Antwort auf alle offenen Fragen im Fi­nanzsys­tem: Sie führen keine Kun­denkon­ten und reichen auch keine Kredite an Klei­n­un­ternehmer aus. Da sie aber Risiken besser überwachen als die Banken, sollten sie im Fi­nanzsys­tem in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Schwarze Schafe unter den Hedgefonds

Seit es Hedgefonds gibt, stehen sie bei Erfolgen unter dem Verdacht, sich illegitimer In­for­ma­tio­nen bedient zu haben. Das Problem: Weil Aktienhändler von Banken hohe Gebühren ein­stre­ichen, wenn sie Han­del­saufträge von Hedgefonds erhalten, sind manche geneigt, In­sid­er­in­for­ma­tio­nen weit­erzugeben. Erst 2009 wurde in New York in einem solchen Fall der Hedge­fonds­man­ager Raj Rajaratnam angeklagt. Keine Frage: In der Branche gibt es schwarze Schafe. Aber Beweise dafür, dass Betrug bei Hedgefonds häufiger vorkommt als bei Banken, gibt es keine.

Regulierung unerwünscht

Am besten wäre es, die meisten Hedgefonds nicht zu regulieren. Eine Regulierung kommt allerdings für solche Fonds infrage, die zu groß werden und ihren Charakter als private Part­ner­schaft verlieren, wie es z. B. durch einen Börsengang geschehen kann. Der Reg­ulierungs­be­darf sinkt, wenn der Fonds vor allem solche Positionen hält, die sich im Fall der Fälle leicht liquidieren lassen. Darüber hinaus eignet sich die Höhe des Leverage als Reg­ulierungskri­terium. Er sollte nicht – wie bei LTCM mit 25 zu 1 – zu hoch sein. Außerdem kann die Höhe des Gesamt­port­fo­lios herange­zo­gen werden. Der Grad der Regulierung sollte sich bei bestimmten Schwellen­werten verschärfen. Da die meisten Hedgefonds klein sind, würden heute nur wenige der rund 9000 Hedgefonds überhaupt unter solch ein Reg­ulierungsregime fallen. Börsen­notierte Hedgefonds würden hingegen zu ähnlich riskanten Mark­t­teil­nehmern werden, wie es heute die In­vest­ment­banken sind.

Über den Autor

Sebastian Mallaby ist Senior Fellow für in­ter­na­tionale Ökonomie am Council on Foreign Relations in New York und Kolumnist für die Washington Post. Zuvor arbeitete er 13 Jahre lang für den Economist und war Redak­tion­sleiter in ver­schiede­nen Ländern der Erde.