Inflation oder Deflation?

Buch Inflation oder Deflation?

So schützen Sie sich vor allen Szenarien

FinanzBuch,


Rezension

Inmitten einer weltweiten Finanzkrise über Geldanlagen zu dozieren, ist ein Spiel mit der Angst: Nichts ist mehr sicher, alles scheint möglich. Die kap­i­tal­mark­ter­fahre­nen Autoren dieses Buches entwerfen einige bedrohliche Zukun­ftsszenar­ien. Doch von wenigen Ausflügen ins Sen­sa­tion­sheis­chende und Spekulative abgesehen, bleiben sie dabei weitgehend sachlich. Die komplexe Ver­flech­tung von Geld, Zins, Kredit und Wohlstand schildern sie angesichts der aktuellen Lage nicht ohne Grund mit drama­tis­chen Worten. Dass es dem Leser letztlich selbst überlassen bleibt, welche Zukun­ft­ser­wartung er für die wahrschein­lich­ste hält, dafür sind die Autoren nicht zu kritisieren, im Gegenteil. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die an Grund­ken­nt­nis­sen in Sachen Wirtschaft ebenso in­ter­essiert sind wie am Schutz ihres Vermögens.

Take-aways

  • In den letzten Jahrzehnten wurde weltweit der größte Schulden­berg aller Zeiten angehäuft.
  • Schulden­machen war ein wesentlicher Grund für unseren steigenden Lebens­stan­dard.
  • Solche Zins- und Kred­itzyklen, die dramatische Folgen haben können, gab es in der Geschichte immer wieder.
  • Wie die Kreditorgie diesmal endet, ist offen.
  • Fünf bedrohliche Szenarien sind denkbar: weltweite Inflation, Deflation, Staat­spleiten, (kalte) Wirtschaft­skriege und (heiße) Stel­lvertreterkriege.
  • Wenn Sie Inflation erwarten, dann entfernen Sie Anleihen aus Ihrem Portfolio und investieren Sie in Sachwerte.
  • Halten Sie Deflation für wahrschein­lich, empfiehlt sich der Kauf von Anleihen kreditwürdiger Staaten sowie von Aktien kon­junk­tur­re­sisten­ter Unternehmen.
  • Streiten Schuldner- und Gläubiger­staaten, ist der weltweite Freihandel vorüber: Ihre Aus­landsin­vesti­tio­nen sowie Aktien multi­na­tionaler Konzerne werden leiden.
  • Sehr wahrschein­lich folgt auf ein solches Neg­a­tivszenario eine Ära weltweiten Wohlstands auf Basis einer In­vesti­tion­swelle in Zukun­ft­stech­nolo­gien.
  • Die USA können sich von ihren Schulden befreien, indem sie ihre Gläubiger zum Konsum in ihrem Land animieren – z. B. durch die Er­le­ichterung von Waf­fen­ex­porten.
 

Zusammenfassung

Wachstum durch Kredite

Die Welt hat die größte Schulden­menge aller Zeiten aufgehäuft. Ihre Hauptquelle ist der US-Dollar. Die exorbitant hohen Dol­lar-De­visen­re­ser­ven, die weltweit lagern, sind nichts anderes als eine Trib­utzahlung der Welt an die USA. Es handelt sich um Kredite, mit denen die USA Waren, Di­en­stleis­tun­gen und ihr Militär bezahlen. Wahrschein­lich werden sie diese Schulden nie begleichen. Seit 60 Jahren wächst die Kreditmenge in der westlichen Welt schneller als die Wirtschaft­sleis­tung. Der re­sul­tierende Wohl­stand­sef­fekt war nur aufrechtzuer­hal­ten, weil das Kred­itwach­s­tum anhielt. Sobald dieser Prozess der zunehmenden Ver­schul­dung stockte, wurde nachge­holfen. So mo­bil­isierten die USA, als die Kred­it­nach­frage nachließ, nach der Jahrtausendwende den „Volkssturm des US-Kred­it­sys­tems“: Nicht kreditwürdige Familien konnten sich dank Hy­potheken­ver­briefun­gen für den Im­mo­bilienkauf verschulden. Die Nachfrage sorgte für einen Boom. Als die Blase platzte, kam es zur weltweiten Wirtschaft­skrise. Inzwischen sorgen die Notenbanken sowie Schat­ten­banken und Hedgefonds für die weitere Expansion der Kred­itver­gabe. Ver­sicherun­gen sind Komplizen der Schulden­staaten: Sie gewährleisten – auch aufgrund geset­zlicher Regelungen –, dass die Staaten ihre Haushalts­de­fizite billig mit dem Geld ihrer Bürger finanzieren können.

Das Ende der Schulde­norgie

In der Geschichte hat es immer wieder Kred­itkrisen gegeben. Die Frage lautet: Wie wird die Kreditorgie diesmal enden? Grundsätzlich gilt, dass Kredite die Wirtschaft antreiben. Werden bestehende Kredite zwar getilgt, aber weniger neue vergeben, fallen Geldmenge und Nachfrage. Aus stetem Wachstum wird lang anhaltender Rückgang, es droht die wirtschaftliche Depression. Die Wahl, vor der die Welt steht, wird deutlich an der Situation der USA: Sie können ihre Ver­schul­dung durch eine Geldflut loswerden, also durch Inflation. Oder sie entscheiden sich fürs harte Sparen – dann droht Deflation. Deflation ist gekennze­ich­net durch rückläufige Löhne und Preise, sinkende Gewinnspan­nen der Unternehmen und hohe Produktivitätszuwächse. Deflation ist keine wach­s­tums­freie Zeit: In Japan etwa – seit 20 Jahren in der Deflation – hat die Wirtschaft­sleis­tung real zugelegt.

„Ohne monetäre und fiskalische Disziplin geraten wir in ein inflationäres Umfeld.“

Wie sich die Welt entwickeln wird, ist ungewiss. Aber es lassen sich sechs Ba­sis­szenar­ien beschreiben, die eintreten könnten – fünf davon negativ, eins positiv. Sie können in einer beliebigen Folge nacheinan­der geschehen, es könnte aber auch ein einziges Szenario in Zukunft dominieren. Die Wirk­lichkeit wird sich natürlich nicht genau an diese ide­al­typ­is­chen Szenarien halten, sondern ihnen nur ähneln.

Szenario 1: globale Deflation

Die weltweit aufgehäufte Dol­larschulden­pyra­mide wird in diesem Szenario schrit­tweise abgebaut. Nach der Abwertung des Dollars – vor allem gegenüber dem chi­ne­sis­chen Yuan – wird die Sparneigung der Amerikaner stark zunehmen. Damit fallen sie als die Su­perkon­sumenten dieser Welt aus. Darunter leiden die Ex­port­na­tio­nen China, Deutschland und Japan sowie Rohstof­f­ex­por­teure wie Australien und Brasilien. Die Preise fallen weltweit und mit ihnen die Aktienkurse, die für mindestens ein Jahrzehnt unter ihren Höchstständen verharren. Gläubiger zahlungsunfähiger Länder werden ihr Geld verlieren. Handelt es sich dabei um Banken und Versicherer, hat dies Folgen für Sie als Sparer und Ver­sicherter. Die hohen Aus­landss­chulden der USA könnten sich bei Deflation für das Land als Segen erweisen – dann nämlich, wenn die Aus­lands­dol­lars in Form von Aus­land­snach­frage in die USA zurückströmen. Bereits unter Präsident Obama wurden viele Rüstungsgüter der USA zum Export freigegeben, damit Gläubigerländer wie Saudi-Ara­bien auf Einkauf­s­tour gehen können. Die Schulden werden also durch den Konsum liquidiert. Damit dieser Effekt nicht durch den Abfluss von Dollars für Ölimporte kompensiert wird, werden die USA mehr in die eigene En­ergiev­er­sorgung investieren. Außerdem wird das Land seine In­fra­struk­tur erneuern, um die Beschäftigung zu sta­bil­isieren.

„Sobald die gesamtwirtschaftliche Ver­schul­dung schneller zunimmt als der Nutzen, den der zusätzliche Kap­i­tal­stock einbringt, kann man von einem fi­nanziellen Schnee­ball­sys­tem sprechen.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Anleihen von Staaten und Unternehmen mit guter Bonität zu kaufen, ist in deflationärem Umfeld ebenso sinnvoll wie der Kauf von Gold und von div­i­den­den­starken, kon­junk­tur­re­sisten­ten Aktien. Mo­nop­o­lis­ten und Nis­chenan­bi­eter versprechen Gewinne, beispiel­sweise SAP, Microsoft, Eon, RWE, Deutsche Telekom und Vodafone. In der Pharmabranche kommen Roche und Novartis sowie – wegen des Kos­ten­drucks – Gener­ika­her­steller infrage. Meiden Sie Aktien von Ex­por­tun­ternehmen, In­vesti­tionsgüter­her­stellern und Unternehmen der Kon­sum­branche. Der Kurs des US-Dollars könnte vom weltweiten Schulden­ab­bau profitieren, während In­dus­triemet­all­preise unter Druck geraten. Aber: Nicht viele Ökonomen erwarten eine Ausbreitung deflationärer Tendenzen.

Szenario 2: Hy­per­in­fla­tion

In diesem Szenario müssen die Notenbanken immer mehr Staat­san­lei­hen aufkaufen, um die Zinsen niedrig und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Dieses immer schnellere Gelddrucken ist in Ansätzen bereits zu beobachten: in den USA, Großbritannien, Japan und der Eurozone. Sobald die Anleihekäufe aufhören, werden die Zinsen drastisch steigen und es wird eine schwere Rezession ausbrechen. In einer extremen Variante dieses Szenarios werden die USA vom Papiergeld zu einem Gold- und Sil­ber­stan­dard wechseln, nachdem die ga­lop­pierende Inflation den Schulden­berg abgetragen hat. Daraufhin wird das Vertrauen zurückkehren. Allerdings wird das Wirtschafts­geschehen zuvor weltweit großen Schaden genommen haben, von politischen Umwälzungen ganz zu schweigen. Die US-Währung wird bei Hy­per­in­fla­tion ihren Status als Wel­tre­servewährung verlieren, woraufhin der Lebens­stan­dard in den USA drastisch sinkt. Aus diesem Grund ist es derzeit wahrschein­licher, dass die USA nicht hemmungslos mehr Geld drucken, sondern sparen werden. Gewiss ist das aber nicht. Die US-Noten­bank Fed kauft beispiel­sweise bereits heute über 70 % aller US-Staat­san­lei­hen. Hier wie auch in anderen Ländern ist es durchaus wahrschein­lich, dass Inflation künftig eine Rolle spielen wird.

„Ein von Krediten erzeugter Boom muss weiter durch Kred­itver­gabe gestützt werden, um einen Rückgang der Nachfrage zu vermeiden.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Falls Sie Inflation erwarten, entfernen Sie Anleihen aus Ihrem Depot. Schichten Sie um in Immobilien, Rohstoffe und Edelmetalle. Noch attraktiver als Sachwerte sind Geldanlagen in stabile Währungen. Auch Aktien sind interessant – vor allem jene von kon­junk­turabhängigen Unternehmen, Minen sowie Öl- und In­dus­triekonz­er­nen. Eine Anlage in ausländische oder multi­na­tionale Firmen schützt Sie bei ein­heimis­cher Hy­per­in­fla­tion. Steigen Sie bei Aktien erst dann ein, wenn die Kurse lange hinter der Gelden­twer­tung zurückgeblieben sind.

Szenario 3: Staat­spleiten und Währungsre­for­men

Eine Politik der Austerität, d. h. des drastischen Sparens, ist in demokratis­chen Staaten schwer durchzuset­zen. Ob durch Ausgabenkürzungen, Schulden­schnitt oder Währungsre­form: Letztlich werden die Bürger geschröpft; entsprechend radikalisiert sich die Mit­telschicht. Die Kred­itver­gabe wird drastisch einbrechen und die Per­spek­tiven der Unternehmen werden sich radikal ver­schlechtern, während Gold extrem gefragt ist. In jedem Fall ist eine Staat­spleite der USA für Europa eine Katastrophe – und umgekehrt. Um Panik zu verhindern, kann der Staat den Zugriff auf Bankguthaben einschränken.

„Der Prozess des Delever­ag­ing (Schuldenre­duk­tion) dürfte ein Jahrzehnt andauern.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Kommt es zu solchen drastischen Änderungen, unter denen Banken und Ver­sicherun­gen als große Investoren sehr leiden werden, wird es für Sie meist zu spät sein. Nur vo­rauss­chauen­des Handeln hilft. Sie sollten keine Anleihen von Wack­elka­n­di­daten der Eurozone sowie von Großbritannien und den USA kaufen. Mit nicht ver­schulde­ten Immobilien kommen Sie gut durch eine solche Krise.

Szenario 4: Han­delsstreit und Ende der Glob­al­isierung

Eine un­ko­op­er­a­tive Strategie, z. B. in Form von Schutzzöllen, haben viele Staaten im Zuge der Weltwirtschaft­skrise der 1930er Jahre sowie zu Beginn des Ersten Weltkriegs verfolgt. Ansätze dazu gab es auch in den USA nach dem 11. September 2001. Wirtschaftsstre­it­igkeiten können ganze Nationen gegeneinan­der aufhetzen. Wenn die USA sich für bankrott erklären, wird China als großer Gläubiger reagieren. Es wird Ausländern, die in China investiert haben, die Vermögenswerte abnehmen und sie mit wertlos gewordenen US-Staat­san­lei­hen abfinden. Europa wird nicht ab­seitsste­hen können, sondern wird sich für eine Seite entscheiden müssen – mit entsprechen­den Folgen für seine Aus­landsin­vesti­tio­nen.

„Der Ver­sicherungsmoloch führt dem Schulden­staat ahnungslose, entmündigte Gläubiger zu.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Diese Entwicklung ist besonders tückisch für Investoren. Da es hier zu einer Lager­bil­dung kommt, sind all jene Anlagen für Sie verloren, die Sie als multi­na­tional di­ver­si­fizierter Investor in Ländern des nun feindlichen Lagers besitzen. Aktien von Unternehmen, deren Geschäft auf weltweiter Ver­flech­tung basierte, werden abstürzen.

Szenario 5: Stel­lvertreterkriege

Durch das Bevölkerungswach­s­tum wird der Wettbewerb um Nahrung und Energie sich verschärfen. Es ist vorstellbar, dass aus Währungs- und Han­del­skriegen zwischen großen Machtzen­tren gewaltsame Konflikte werden. Die Rivalität zwischen großen Wirtschaftsblöcken kann nicht von Dauer sein, sondern wird früher oder später in einen Krieg ausarten. Beispiele dafür finden sich in der Geschichte mehr als genug. So führten Verbündete der jeweiligen Hege­mo­nial­macht zur Zeit des Kalten Krieges Stel­lvertreterkriege. Der japanische Angriff auf Pearl Harbour war eine Reaktion auf den Ölboykott des Westens. Gelänge es den USA, zwischen zwei von ihren Gläubigern einen Krieg anzuzetteln, käme es zu einer Kriegshausse in den USA.

„Die moderne Noten­bankpoli­tik macht Bargeld praktisch zu Schwundgeld durch ein In­fla­tion­sziel oberhalb von 0 % der Preis­steigerun­gen für die Konsumenten.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Wie bei Währungs- und Han­del­skon­flik­ten sind Ihre Investments außerhalb der eigenen Wirtschaft­szone in Gefahr. Krieg ist zudem ein In­fla­tion­streiber.

Szenario 6: Megazyklus

Irgendwann in der Zukunft wird wieder einmal eine Art Goldenes Zeitalter anbrechen. Ein Macht­gle­ichgewicht sorgt dann in­ter­na­tional für Frieden. Der Freihandel blüht. Allerorten wird investiert. Energie wird umwelt­fre­undlich produziert. Überschuldete Staaten wenden dank des Wachstums den Bankrott ab. Die G20 küren Deutschland zum Vorbild. Die Zinsen steigen wieder, die Preis­steigerun­gen sind moderat. Leider ist es sehr wahrschein­lich, dass es zu dem glücklichen Szenario erst kommen wird, nachdem eines der anderen Wirk­lichkeit geworden ist.

„Die Vermögen­spreis­blase ist nur entstanden, weil die Vermögenspreise schneller als andere Preise auf die Änderungen der Geldmenge reagieren.“

Ihre In­vesti­tion­schance: Kaufen Sie Aktien. Lösen Sie dafür, sofern vorhanden, Ihre Edel­met­all­re­ser­ven teilweise auf. Am besten laufen Papiere von Unternehmen in Wach­s­tums­branchen. Den Zeitpunkt zum Einsteigen erkennen Sie an niedrigen Ak­tienkursen, steigenden Zinsen, gesunden Staats­fi­nanzen, niedrigen In­fla­tion­sraten und einer Fülle an In­no­va­tio­nen. Speku­la­tions­blasen sind nicht zu erwarten.

Was der Verhaltensökonom weiß

Aus den Erken­nt­nis­sen der Verhaltensökonomie lassen sich folgende Tipps und Erken­nt­nisse ableiten:

  • Suchen Sie sich eine langfristige Strategie und folgen Sie dieser konsequent. So gehen Sie Mod­ein­vest­ments nicht auf den Leim.
  • Misstrauen Sie Voraussagen konkreter Kennzahlen. Prognosen sind immer unsicher.
  • Analysten überschätzen die Höhe der Un­ternehmensgewinne sys­tem­a­tisch.
  • Anleger machen viele Fehler: Sie handeln nicht immer rational, folgen der Herde, nehmen nur selektiv wahr und hin­ter­fra­gen In­for­ma­tio­nen zu wenig. Viele unterliegen Fehleinschätzungen, so genannten Heuristiken.
  • Zweifeln Sie an Ihrem Selb­st­be­wusst­sein. Das schützt vor Selbsttäuschung bei der Geldanlage. Eine Methode ist gründliche Buchführung. Meiden Sie Schnellschüsse.

Über die Autoren

Markus Lindermayr ist Chefredak­teur eines On­line­di­en­stes rund ums Thema Vermögensver­sicherung; Christoph Schnabel ist dessen Herausgeber. Janne Jörg Kipp ist Koautor des Anti-Crash-Buchs.