Rausfliegen mit Erfolg

Buch Rausfliegen mit Erfolg

Wie Sie die Bedrohung Jobverlust managen

Linde,


Rezension

Manager leben gefährlich. Das weiß Andreas Nentwich aus eigener Erfahrung. Das ehemalige Geschäftsführungsmit­glied eines in­ter­na­tionalen Konzerns wurde von seinem Arbeitgeber von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt. In seinem Buch abstrahiert Nentwich allerdings von der persönlichen Situation des Scheiterns, um Noch-nicht-Gekündigten Tipps zu geben, wie mit dem drohenden Jobverlust umzugehen ist. Dabei geht es ihm sowohl darum, die psychisch bedrückende Situation des Rauswurfs zu meistern, als auch um die strate­gis­che Chance, einen Neuanfang zu wagen. Lobenswert, wie hier ein Tabuthema angepackt und mit vielen sinnvollen Ratschlägen verbunden wird. Zuweilen mangelt es dem Buch leider etwas an Struktur: Es hätten auch ein paar sarkastis­che Anekdoten weniger und dafür einige sys­tem­a­tis­che Tipps mehr sein können. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften, die am Tag ihrer Kündigung nicht mit leeren Händen dastehen wollen.

Take-aways

  • Erfolg bewirkt Neid: Das kann Sie schneller Ihren Job kosten, als Sie denken.
  • Je dicker Ihr Gehalt und Ihre Boni, desto größer das Einspar­poten­zial für Ihren Chef.
  • Seien Sie gewarnt: Kündigungen verlaufen oft sehr un­pro­fes­sionell.
  • Die meisten Gefeuerten wollen, dass man sie in guter Erinnerung behält, und legen sich darum zum Abschluss noch mal richtig ins Zeug.
  • Bleiben Sie cool: Ein Rauswurf hat in der Regel nichts mit Gefühlen zu tun.
  • Rechtsstre­it­igkeiten mit dem Unternehmen können zermürbend sein; hilfreich sind pro­fes­sionelle Mediatoren.
  • Die Folgen eines Rauswurfs können das Unternehmen mehr kosten als die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
  • Machen Sie sich nicht psychisch von Ihrem Job abhängig.
  • Legen Sie sich einen Notfallplan für den Tag Ihrer Kündigung zurecht.
  • Wenn Sie rausfliegen, verzweifeln Sie nicht, sondern nutzen Sie die Chance auf einen Neuanfang.
 

Zusammenfassung

Führungse­ta­gen sind keine Kuschelnester

Trifft diese Situation auf Sie zu? Ihre Karriere verlief wie am Schnürchen, Sie sind ein Macher, der vor keiner noch so schwierigen Her­aus­forderung zurückschreckt? Ihr Chef findet Sie super, Ihre Expertise wird im gesamten Unternehmen anerkannt, Ihr Team und der Auf­sicht­srat lieben Ihre Entschei­dun­gen? Dann stehen Sie offenbar ganz oben – auf der Ab­schus­sliste. Denn längst ist da etwas im Busch. Die Säge für Ihren Stuhl ist schon bere­it­gelegt, Ihr Grab schon geschaufelt. Von wem? Von denjenigen Managern, denen Sie beim letzten Schachern um den Führungsjob eine Nasenlänge voraus waren. Und natürlich von den jungen Wilden, die schon lange darauf warten, dass Sie endlich abtreten. Erfolg bedeutet Neid. Und Neid bedeutet Tretminen, wo Sie stehen und gehen.

Sanieren und Re­struk­turi­eren

Wo sparen Unternehmen in der Krise? An Wer­beaus­gaben, Forschung und Entwicklung, Aus- und Weit­er­bil­dung und natürlich am Personal. Je fetter Ihr Gehalt, je höher Ihre Boni, je dicker Ihr Dienstwagen, desto höher ist auch das Einspar­poten­zial, das Ihr Chef mit Ihnen hat. Früher oder später wird er darauf kommen, dass er mit weniger Mi­tar­beit­ern Ihres Kalibers eine ganze Abteilung sanieren kann. Oder dem Top­man­age­ment fällt beim Suchen im Organigramm auf, dass da irgendwo eine Abteilung existiert, von der niemand so richtig weiß, was sie macht. Die Folgen sind immer die gleichen: Re­struk­turierung und Outsourcing. Entweder werden Jobs, die bisher im Unternehmen erledigt wurden, in ein Tochterun­ternehmen verlagert. Oder die Stellen werden komplett gestrichen und die Arbeit wird dann von einem externen Di­en­stleis­ter erledigt, der in Indien, Polen oder China sitzt.

Mit Licht­geschwindigkeit vor die Tür gesetzt

Das Rauswerfen folgt bestimmten Ritualen. Besonders gerne werden Kündigungen an einem Montag aus­ge­sprochen – noch lieber an einem Montag nach dem Urlaub oder nach Weihnachten. So läuft der Chef in der Abwesenheit des Kündi­gung­sopfers nicht Gefahr, dass Mitwisser sich verplappern. Außerdem können in dieser Zeit schon mal die Ressourcen des Gefeuerten in spe neu verteilt werden. Wer krank ist, bekommt entweder Besuch oder einen eingeschriebe­nen Brief. Wobei es inzwischen auch schon passiert ist, dass in­ter­na­tionalen Topmanagern per E-Mail gekündigt wurde. Beim persönlichen Kündi­gungs­ge­spräch sind viele Vorgesetzte erstaunlich ungelenk: Sie reden um den heißen Brei herum, verwenden peinliche Floskeln, kündigen gar an grotesken Orten wie z. B. auf dem Herrenklo vor einer Sitzung oder bei klirrender Kälte auf dem Raucherbalkon. Der Grund ist, dass sie für einen würdevollen Rauswurf nicht ausgebildet sind. Noch frap­pieren­der: Ist die Kündigung aus­ge­sprochen, muss der Exmi­tar­beiter meist fluchtartig das Gebäude verlassen oder wird gar vom Sicher­heits­di­enst abgeführt. Fast so, als könnte er eine Revolution unter der verbleiben­den Belegschaft anzetteln.

Der psy­chol­o­gis­che Vertrag

Befragt man raus­ge­wor­fene Mitarbeiter, was ihnen bei der Kündigung als Erstes durch den Kopf gegangen ist, erhält man stets ähnliche Antworten. Viele reagieren mit blankem Unverständnis: „Wie kann es sein, dass mich mein Chef, der mir gerade einen fetten Bonus versprochen hat, jetzt vor die Tür setzt?“ In solchen Situationen bekommen es vor allem Familienväter mit der nackten Angst zu tun. Aber merkt man ihnen das an? Schreien sie, hauen sie den Laden zusammen oder zerstechen sie die Autoreifen ihres Vorge­set­zten? Nein, im Gegenteil: In den aller­meis­ten Fällen klotzen sie noch mal richtig ran und sorgen dafür, dass das sowieso viel zu knapp geplante Projekt doch noch rechtzeitig fertig wird.

„Das Rampenlicht ist kein Wärmeschild, die Belegschaft kein Fanclub.“

Der Grund für diese Selb­stkasteiung: Sie wollen an ihrem letzten Arbeitstag zumindest eine winzige Träne im Auge ihres Vorge­set­zten erblicken. Sie wollen, dass alle wissen: Der Chef hat den Falschen gefeuert. Dahinter steckt eine Art psy­chol­o­gis­cher Vertrag, den Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen eingehen, solange sie noch fest dazugehören. Vorgesetzte sollten das wissen und die Kündigung mit der Wertschätzung abwickeln, die dem Mitarbeiter gebührt. Dann kann der gegen­seit­ige Respekt auch nach der Kündigung bestehen bleiben.

Termin beim be­trieblichen Schei­dungsan­walt

Trennt sich ein Unternehmen von einem langjährigen Mitarbeiter, wird in den meisten Fällen versucht, das Verhältnis möglichst kühl, sachlich und neutral zu beenden. Bei privaten Zerwürfnissen klappt das natürlich nie, weil jeder Schritt der Gegenseite emotional bewertet wird. Es ist schlichtweg nicht möglich, die Gefühle außen vor zu lassen. Anders im Unternehmen: Sie wurden aufgrund eines Di­en­stver­trags eingestellt, um eine Aufgabe zu erfüllen, ein Projekt vo­ranzutreiben oder dem Unternehmen Profit zu bringen. Wenn diese Punkte aus irgendeinem Grund nicht mehr bewältigt werden können, ist es für Ihren Chef logisch, Sie vor die Tür zu setzen. Das hat nichts mit Gefühlen zu tun, auch nicht mit Un­dankbarkeit, sondern mit wirtschaftlichen Fakten. Damit hat es auch zu tun, dass Ihr Chef Ihnen den Rauswurf nicht lange ankündigt, sondern eher nach dem Prinzip „Überraschungsan­griff“ verfährt. Würde er Ihnen die Kündigung erst einmal in Aussicht stellen, könnte er gar nicht mehr damit rechnen, dass Sie ihm und dem Unternehmen die gleiche Loyalität ent­ge­gen­brin­gen wie vorher.

„Nur Rausflieger können sich FÜR etwas entscheiden, ohne etwas anderes dafür aufgeben zu müssen.“

Bleibt noch die Frage nach dem Rechtsstreit um Abfindungen und Prämien. Je höher Ihre Position in der Fir­men­hier­ar­chie, desto weniger Unterstützung können Sie von den Ar­beit­nehmervertretern erwarten. Ein Rechtsstreit ist meistens zermürbend, und es ist auch nicht zu unterschätzen, dass Sie in der Branche schnell einen „Out­law-Sta­tus“ bekommen. Engagieren Sie darum lieber einen Mediator, der die eher ungünstige Kon­stel­la­tion „Mensch gegen Unternehmen“ besser managen kann als ein Richter.

Vol­lkosten­rech­nung eines Rauswurfs

Zuweilen bekommt man den Eindruck, dass es sich Chefs zu leicht machen, wenn sie Mitarbeiter vor die Tür setzen. Denn die meisten haben noch nie eine Vol­lkosten­rech­nung gemacht, die die Folgen einer Kündigung abbildet:

  • Kosten der Abfindung: Hier kann es sich um ein Monats­ge­halt, aber auch um mehrere Jahresgehälter handeln. Würden diese Kosten nicht außeror­dentlich verbucht, sondern in den nächsten Jahren auf die Abteilung umgelegt, wäre der Kosten­vorteil einer billigeren Ar­beit­skraft schnell dahin.
  • Opportunitätskosten: Stand dem Exmi­tar­beiter ein Firmenwagen, ein Mo­bil­tele­fon oder gar eine Di­enst­woh­nung zu, kostet die Auflösung der entsprechen­den Verträge meist einen Batzen Geld. Das sind Ausgaben, die in keiner Abrechnung im Zusam­men­hang mit der Freisetzung auftauchen.
  • Kosten der Beschaffung: Neue Mitarbeiter wachsen nicht auf Bäumen. Sie müssen gesucht und gefunden werden. Das macht entweder die Per­son­al­abteilung oder ein externer Per­son­al­ber­ater. Meist haben auch noch Anwälte und weitere Rechts­ber­ater ihre Hände mit im Spiel. Die Kosten dafür sind horrend.
  • Kosten der Einar­beitung: Gewöhnlich nimmt die Ar­beits­menge nicht ab, nur weil es weniger Mitarbeiter gibt. Wird Arbeit verlagert, entsteht Schulungs- und Einar­beitungs­be­darf. Das gilt auch für externe Anbieter, die die Arbeit übernehmen müssen.
  • Kosten der liegen gebliebenen Arbeit: Muss die vorhandene Arbeit neu aufgeteilt werden, verursacht das in jedem Fall Kosten. Entweder in Form von Überstunden oder in Form von Umsatzeinbußen, weil Aufträge nicht mehr angenommen werden können.

Zehn Gebote zur Vor­bere­itung auf den eigenen Rauswurf

Vielleicht werden Sie nie in die Lage kommen, sich mit dem überraschen­den Verlust Ihres Jobs zu beschäftigen. Damit Sie doch für den schlimmstmöglichen Unglücksfall vorbereitet sind, orientieren Sie sich an den folgenden zehn Geboten:

  1. Du sollst deinen Arbeitgeber unter die Lupe nehmen! Informieren Sie sich über Ihren neuen Arbeitgeber. Glauben Sie nicht, was in den Hochglanzbroschüren steht. Fragen Sie Ihren zukünftigen Chef auch ruhig nach seinem Führungsstil.
  2. Du sollst Verträge schließen! Sichern Sie sich für den Fall ab, dass etwas schiefgeht: eine garantierte Mindestprämie, ein jährlicher Gesund­heitss­check, die Möglichkeit, einen Coach zu kon­sul­tieren, ein pro­fes­sionelles Out­place­ment, falls sich Ihr Arbeitgeber von Ihnen trennt, oder eine ar­beit­ge­ber­seit­ige Verlängerung der Kündi­gungs­frist.
  3. Du sollst dich nicht abhängig machen! Hand aufs Herz: Ist das Büro nur das Mittel zum Geld­ver­di­enen oder schon Teil Ihrer Familie? Seien Sie auf der Hut und begeben Sie sich in keine allzu große psychische Abhängigkeit von Ihrem Ar­beit­splatz, sonst betrifft die Kündigung nicht nur das Gehalt­skonto, sondern Ihr ganzes Leben.
  4. Du sollst dich zusammenreißen! Wenn Ihr Chef Sie loswerden will, wird er ganz sicher kein Auge mehr zudrücken, wenn Sie es mit ir­gendwelchen Richtlinien mal nicht so genau nehmen. Besser, Sie lassen es gar nicht so weit kommen.
  5. Du sollst planen! Legen Sie sich für den Tag Ihrer Kündigung einen Notfallplan oder noch besser eine Not­fallschublade bereit. Diese sollte Folgendes enthalten: die Forderung auf eine Abfindung, ein Taschen­rech­ner, die Tele­fon­num­mer eines guten Fachanwalts, eine Packliste für den Umzug vom Büro ins Homeoffice, Ab­schieds­briefe an Ihr Team und Ihr Netzwerk sowie Textbausteine für Ihr Ar­beit­szeug­nis.
  6. Du sollst den Tag X üben! Das Gespräch, das Sie anlässlich Ihrer Kündigung führen, wird unangenehm sein. Üben Sie es vorher, legen Sie sich Argumente zurecht, spielen Sie mit guten Freunden ver­schiedene Szenarien durch.
  7. Du sollst die Zeichen richtig deuten! Liegt Ihre Kündigung in der Luft, gibt es dafür meist Signale, z. B. dass Sie nicht mehr über alles informiert werden oder Ihr Chef eine auffällige Verhaltensänderung an den Tag legt. Seien Sie wachsam!
  8. Du sollst dem Chef zuvorkommen! Wenn Sie alle Zeichen richtig gedeutet haben, können Sie der Kündigung zuvorkommen. Entweder indem Sie sich zeitig nach einem neuen Job umschauen oder indem Sie Ihren Chef davon überzeugen, die Kündigung gar nicht oder zu einem Ihnen genehmen Zeitpunkt auszus­prechen.
  9. Du sollst dich nicht unter Druck setzen lassen! Wer etwas verkaufen will, gibt Gas. Das gilt auch für den un­ter­schrift­sreif vor­bere­it­eten Aufhe­bungsver­trag. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, sondern nehmen Sie sich mindestens so viel Zeit zur Prüfung, wie Ihr Arbeitgeber zur Vor­bere­itung hatte.
  10. Du sollst mit dem Schlimmsten rechnen! Optimismus ist schön und gut. Bei einem ernsten Thema wie einer Kündigung kann er aber auch schädlich sein. Rechnen Sie täglich mit der Katastrophe und nutzen Sie die Chance, sich darauf vorzu­bere­iten.

Erste Hilfe für Rausflieger

Sie wachen auf. Es geht Ihnen nicht gut. Sie haben einen Kater. Aber Sie haben doch gar nichts getrunken. Jetzt wird Ihnen klar: Gestern wurde Ihnen gekündigt! Unzählige Fragen schießen Ihnen durch den Kopf. Hier ist Ihr Er­ste-Hilfe-Paket für die Zeit danach:

  • Suchen Sie sich einen Out­place­ment-Be­rater, der Ihnen Tipps für den Neustart gibt.
  • Or­gan­isieren Sie ein Ab­schied­sessen mit guten Exkollegen.
  • Mustern Sie alles aus, was Sie an Ihren alten Arbeitgeber erinnert.
  • Ziehen Sie nüchtern Bilanz und überlegen Sie, was Ihnen am alten Job gefallen hat und was nicht. Die positiven Aspekte sollte auch der neue Job für Sie bere­i­thal­ten.
  • Ein Rauswurf ist kein Beinbruch, sondern Ihre Chance für einen Neuanfang!

Über den Autor

Andreas Nentwich ist Berater beim Out­place­ment-Spezial­is­ten DBM und geschäftsführender Gesellschafter des Un­ternehmens interim agents. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsleitung eines in­ter­na­tionalen Konzerns.