Handbuch Business-Coaching

Buch Handbuch Business-Coaching

Beltz,


Rezension

Coaching verkommt zu einem Modetrend. Umso wohltuender ist die kompetente Art, mit der Björn Migge das Thema behandelt. Er räumt mit falschen Vorstel­lun­gen auf und grenzt das Coaching klar von be­nach­barten Bereichen ab. Im Zentrum des Buches stehen zahlreiche klassische und moderne Verfahren, die helfen, Veränderungen beim Klienten anzustoßen. Dabei betont Migge jedoch, dass die wichtigsten Werkzeuge die Persönlichkeit des Coachs und sein Gespräch mit dem Klienten sind. Im letzten Kapitel behandelt er eine Auswahl von Themen, die beim Coaching mit Führungskräften immer wieder auftauchen, und gibt In­ter­ven­tionsvorschläge. Trotz der wis­senschaftlichen Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und der dif­feren­zierten Abhandlung schreibt der Autor verständlich und prax­is­be­zo­gen. BooksInShort empfiehlt das Buch Coachs und Führungskräften, die als solche tätig sein oder die Qualitäten von Coachs einschätzen wollen.

Take-aways

  • Coaching ist weder Ex­perten­ber­atung noch Psy­chother­a­pie: Es setzt auf die Ressourcen und Potenziale des Klienten.
  • Busi­ness-Coach­ing beruht auf einer Vere­in­barung zwischen Unternehmen, Klient und Coach.
  • Der Klient soll von einer möglichen Opferrolle zur Selb­stver­ant­wor­tung geführt werden.
  • Er soll sich stärker auf Zielvi­sio­nen und weniger auf seine Probleme konzen­tri­eren.
  • Zielen Sie als Coach nicht auf kurzfristige Sensationen, sondern auf länger­fristige Ergebnisse.
  • Die Erken­nt­nisse des Klienten müssen in seinen Alltag integriert werden.
  • Dem Coach stehen zahlreiche Coach­ing-Tech­niken zur Verfügung: lösung­sori­en­tierte, kog­ni­tiv-emo­tionale, imaginative und systemische In­ter­ven­tio­nen.
  • Als Coach müssen Sie in der Meth­o­d­en­wahl flexibel sein.
  • Das wichtigste Werkzeug ist immer das persönliche Gespräch zwischen Coach und Klient.
  • Sichern Sie die Qualität Ihrer Arbeit, indem Sie mit dem Klienten und dem Unternehmen ein Gespräch über den Verlauf des Coachings und die Ziel­er­re­ichung führen.
 

Zusammenfassung

Was ist Busi­ness-Coach­ing?

Viele Berater werten ihr Angebot heute mit dem magischen Wort „Coaching“ auf. Coaching ist aber genau genommen keine Ex­perten­ber­atung und gibt weder konkrete Tipps noch Lösungskonzepte. Vielmehr appelliert es an die Ressourcen und Strategien des Klienten und verhilft ihm zu neuen Blick­winkeln und Erken­nt­nis­sen. Busi­ness-Coach­ing muss zum einen vom Personal Coaching abgegrenzt werden, wo es eher um bi­ografis­che und private Anliegen geht, zum anderen von der Psy­chother­a­pie, die vornehmlich krankhafte Störungen behandelt. Trotzdem sollte man als Coach die Grenzen durchlässig halten, um das eine oder andere Werkzeug aus den Nach­bardiszi­plinen anwenden zu können. Im Busi­ness-Coach­ing sind die Anliegen und Ziele berufs­be­zo­gen. Meist finanziert das Unternehmen die In­ter­ven­tio­nen, d. h. der Coach muss die Bedürfnisse des Klienten und die des Un­ternehmens berücksichtigen.

Die Gestaltung des Coachings

Als Coach aktivieren Sie das Potenzial Ihres Klienten. Im Personal Coaching sucht sich der Klient den Coach selbst aus. Im Busi­ness-Coach­ing wird dieser in der Regel von der Per­son­alen­twick­lung des Un­ternehmens zur Verfügung gestellt. Es ist in jedem Fall wichtig, dass alle Beteiligten in einem persönlichen Gespräch ihre Vorstel­lun­gen abklären. Neben der Besprechung der Aus­gangslage und der Schärfung des Ziels sollte erörtert werden, was der Klient bereits unternommen hat, um eventuellen Schwierigkeiten zu begegnen. Schon beim ersten Kontakt sollte der Coach dem Klienten durch gezielte Fragen eine mentale Struktur anbieten, die ihm hilft, seine oft chaotischen Gedanken und Gefühle zu ordnen und seine Perspektive zu erweitern. Manche Klienten sind beispiel­sweise vornehmlich auf Zahlen oder Daten fixiert, andere auf bestimmte Gefühle. Die Fragen des Coachs dienen nicht nur der In­for­ma­tion­s­gewin­nung, sondern stellen bereits In­ter­ven­tio­nen dar, indem sie etwa das Bewusstsein auf bisher un­re­flek­tierte Aspekte lenken. Von Anfang an sollte der Coach den Klienten zu folgenden Ein­stel­lun­gen hinführen:

  • Der Klient soll weg von der Opferrolle und für sein Denken, seine Gefühle, seine Glaubenssätze und seine Handlungen Ve­r­ant­wor­tung übernehmen.
  • Dem Klienten sollen Pro­jek­tio­nen und Übertra­gun­gen bewusst werden. Er soll erkennen, dass Eigen­schaften und Handlungen anderer Menschen, die er als negativ wahrnimmt, in seiner eigenen Persönlichkeit liegen oder aus vergangenen Situationen hervorgehen.
  • Der Klient soll seine Wahrnehmung hin­ter­fra­gen. Die meisten Menschen nehmen selektiv wahr und un­ter­schei­den nicht genau zwischen Fakten und In­ter­pre­ta­tio­nen.
  • Der Klient soll irrationale Selbstvorwürfe und veraltete Glaubensätze rel­a­tivieren.

Zielfindung und Umsetzung

Der Definition des Ziels – das sich im Lauf des Coachings auch verändern kann – folgt die Aufstellung von Zwis­chen­zie­len. Damit diese erreicht werden, sollte der Coach in seiner Meth­o­d­en­wahl flexibel sein und wissen, dass das wichtigste Werkzeug im persönlichen Gespräch liegt. Das Coaching findet aber nicht nur während der Sitzungen statt. Geben Sie Ihrem Klienten Übungen als Hausauf­gaben mit, in denen er etwa auf besondere Vorkomm­nisse achten oder sich in bestimmten Situationen anders als bisher verhalten soll. Damit wird gle­ichzeitig eine Brücke zum realen Alltag des Klienten gebaut. Von Zeit zu Zeit müssen Sie überprüfen, ob Sie und Ihr Klient noch am selben Strang ziehen und ob sich die Vorstel­lun­gen nicht au­seinan­der­en­twick­eln.

Was hilft beim Coaching?

Ähnlich wie in der Therapie liegt die Wirksamkeit eines Coachings in der Beziehung zwischen Coach und Klient begründet. Nicht nur Pro­jek­tio­nen und Übertra­gun­gen wirken sich abträglich auf den Coach­ing-Er­folg aus, sondern auch Kollusionen, d. h. Situationen, in denen Coach und Klient unbewusst und ein­vernehm­lich Wege suchen, um sich den eigenen Schat­ten­seiten und bestimmten heiklen Themen nicht stellen zu müssen. Zielen Sie als Coach nicht auf kurzfristige Effekte, mit denen Sie den Klienten beein­drucken oder gar ma­nip­ulieren wollen. Backen Sie lieber kleine Brötchen und haben Sie länger­fristige Ziele vor Augen. Eine fundierte psy­chol­o­gis­che Ausbildung sowie neutrale Su­per­vi­sio­nen helfen Ihnen, selb­stkri­tisch und reflexiv vorzugehen.

Lösung­sori­en­tierte In­ter­ven­tio­nen

Am häufigsten kommen beim Coaching die lösung­sori­en­tierten In­ter­ven­tio­nen zur Anwendung. Sie sind aus der sys­temis­chen und hu­man­is­tis­chen Psychologie abgeleitet. Bei ihnen geht man davon aus, dass das Problem in einen größeren Gesamtzusam­men­hang eingebettet ist, dass das Erkennen eines Problems bereits der erste Schritt zur Lösung darstellt und dass der Mensch Ressourcen und Potenziale in sich trägt, die ihm erlauben, seine Situation durch Gedanken, Gefühle und Handlungen zu bee­in­flussen. Das lösung­sori­en­tierte Coaching besteht aus folgenden Phasen:

  1. Syn­chro­ni­sa­tion: Klient und Coach stimmen sich aufeinander ab und gewinnen Vertrauen zueinander.
  2. Lösungsvision: Nachdem der Klient sein Problem angeschaut hat, entwickelt er Lösungen.
  3. Lösungsver­schrei­bung: Die Zielvi­sio­nen werden nach und nach in die Praxis integriert.
  4. Lösung­se­val­u­a­tion: Sowohl im Alltag als auch während des Coachings wird überprüft, inwieweit die Lösungsvorstel­lun­gen realisiert werden.

Werkzeuge

Folgende Werkzeuge unterstützen Sie bei Ihren In­ter­ven­tio­nen:

  • Bitten Sie den Klienten, im Alltag auf kleinere Veränderungen zu achten, die bereits auf das Ziel hinweisen.
  • Loben Sie den Klienten, wenn er etwas Neues erkannt oder be­w­erk­stel­ligt hat, was ihm womöglich selbst gar nicht bewusst geworden ist.
  • Vertiefen Sie Überlegungen des Klienten, indem Sie bestimmte Satzteile seiner Äußerungen fragend wiederholen.
  • Wenn Sie sich während der Sitzung Notizen machen, lohnt es sich, Schlüsselsätze des Klienten wörtlich festzuhal­ten. Der Klient fühlt sich wertgeschätzt, wenn Sie von Zeit zu Zeit seine Aussagen zusam­men­fassen.
  • Lassen Sie den Klienten eine Situation aus dem Blickwinkel eines anderen Beteiligten sehen.
  • Fragen Sie den Klienten, wie man sein Problem kreiert. Durch diese zunächst ir­ri­tierende Frage erkennt der Klient, welchen aktiven Anteil er daran hat.
  • Richten Sie die Aufmerk­samkeit des Klienten immer wieder bewusst vom Problem weg und hin zur Lösung.
  • Fragen Sie den Klienten, wie er sich fühlen würde, wenn das Problem gelöst wäre.
  • Lassen Sie den Klienten andere Aspekte seiner An­gele­gen­heit betrachten.
  • Würdigen und re­flek­tieren Sie die bisherigen Bewälti­gungsstrate­gien Ihres Klienten.
  • Inspirieren Sie den Klienten, seine Hand­lungsstrate­gien auszu­tauschen, falls sie nicht zum gewünschten Ziel führen.
  • Mittels einer imag­inierten oder im Raum verankerten Skala kann der Klient nicht nur festlegen, an welchem Ort zwischen Problem und Ziel er sich befindet, sondern sich auch überlegen, was z. B. geschehen müsste, damit er ein Stück weiter nach vorne rückt.
  • Lassen Sie den Klienten gemäß der so genannten paradoxen Intention überlegen, durch welche Maßnahmen und Faktoren sich sein Problem ver­schlim­mern ließe.

Kog­ni­tiv-emo­tionale In­ter­ven­tio­nen

Die kog­ni­tiv-emo­tionalen In­ter­ven­tio­nen haben ihre Wurzeln in der Ver­hal­tens­ther­a­pie, die sich im Lauf ihrer Entwicklung auch den Gedanken und Gefühlen geöffnet hat. Folgende Maßnahmen gehören dazu:

  • Hin­ter­fra­gen Sie die „Ich bin“-Aussagen Ihres Klienten. Fragen Sie z. B., für welche Bereiche seine Aussage zutrifft und für welche nicht, was er mit seiner Haltung erreichen möchte und wer in seiner Familie auch so war oder ist.
  • Das ABC-Modell konzen­tri­ert sich auf das „Missing Link“ (B) zwischen einer Situation (A) und der Reaktion des Klienten darauf (C). Es wird erforscht, welche inneren Glaubenssätze, Bilder und Wertungen seine Reaktion hervorrufen und welche Vor- und Nachteile der Klient dadurch hat. Nachdem diese innere Landkarte bewusst gemacht wurde, kann sie auch verändert werden.
  • In Meditationsübungen lassen Sie den Klienten seine Gedanken und Gefühle sowie ganze Gedankenge­flechte beobachten. Dadurch lockern Sie seine Iden­ti­fika­tion mit ihnen. Sie können ihn auch anregen, einer störenden Emotion bis zu ihrem Ursprung nachzuspüren, indem er sich diese als Gewässer vorstellt, das er stromaufwärts bis zur Quelle verfolgt. In einer anderen Übung stellt der Klient sich vor, er sei ein Stein in einem Bach. Seine Gedanken und Emotionen bewegen sich in Form von Blättern oder Strudeln auf ihn zu. Er entscheidet selbst, welche Elemente er an sich heranlässt und welche er weiterströmen lässt.

Imaginative und intuitive In­ter­ven­tio­nen

Die Hyp­nother­a­pie arbeitet im Gegensatz zur klassischen Hypnose weniger direktiv, sondern überlässt es dem Klienten, welche inneren Bilder sich einstellen. Der Coach bietet Metaphern und gle­ich­nishafte Geschichten mit Botschaften für das Unbewusste an.

„Coaching ist zu einer Schlüsselkom­pe­tenz in Wirtschaft und Verwaltung geworden.“

In der aktiven Imagination, die auf C. G. Jung zurückgeht, lässt der Klient ein Bild zu seinem Problem entstehen, das er samt seinen Wandlungen betrachtet. Auf­tauchende Störbilder lässt er weit­erziehen. Er kann seine Perspektive ändern, in das Bild eintauchen oder dem Dargestell­ten Fragen stellen.

„Jede Coach­ing-Sitzung sollte mit der Einladung zu einem kleinen Prax­is­trans­fer enden.“

Diese Arten von In­ter­ven­tio­nen werden oft in Trance durchgeführt. In diesem Zustand ist die Aufmerk­samkeit auf bestimmte innere Vorgänge oder körperliche Empfind­un­gen fokussiert. Die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem lockert sich. In Trance kann der Klient z. B. einen weisen Ratgeber aufsuchen, um dessen Rat einzuholen. Er kann ebenso in der Zeit zurückgleiten, um zu einem Ereignis zu gelangen, das dem heutigen ähnlich ist, und dieses zu bearbeiten.

Hand­lung­sori­en­tierte und systemische In­ter­ven­tio­nen

Sys­temis­chen Auf­stel­lun­gen ve­r­an­schaulichen die Beziehungen zwischen ver­schiede­nen Menschen, Gruppen, Systemen, Gefühlen oder Aspekten eines Konflikts, indem diese mittels Stel­lvertretern aufgestellt werden. Diese Stel­lvertreter können echte Menschen, Spielfig­uren oder Ak­tion­skarten sein. Bert Hellinger, der die Auf­stel­lungsar­beit populär machte, übernahm sie von der Fam­i­lien­ther­a­peutin Virginia Satir, ersetzte aber die Ori­en­tierung an den Idealen der hu­man­is­tis­chen Psy­chother­a­pie durch ein starres Ord­nungssys­tem. Daher ist seine Variante für Coach­ing-In­ter­ven­tio­nen weniger geeignet. Einige Anwender sehen die Aufstellung als eigenständiges effektives Werkzeug, während andere die aus der Aufstellung her­vorge­hen­den Erfahrungen konzen­tri­ert auswerten.

Coach­ing-Qualität sichern

Egal, welche Methode Sie anwenden, sichern Sie die Qualität Ihrer Arbeit, indem Sie gegen Ende der Coach­ing-Sitzun­gen mit dem Klienten und dem Unternehmen ein Gespräch über den Verlauf des Coachings und die Ziel­er­re­ichung führen. Alternativ kann auch mittels Fragebogen eine Evaluation durchgeführt werden. Tauschen Sie sich regelmäßig mit Kollegen aus und bilden Sie sich weiter.

Über den Autor

Björn Migge arbeitete nach seinem Studium der Medizin und der sozialen Ver­hal­tenswis­senschaft als Oberarzt und Universitätsdozent. Heute bildet er in einem von ihm gegründeten Train­ingsin­sti­tut Coachs aus. Es ist Se­nior-Coach im Deutschen Bun­desver­band Coaching e. V.