Führungsstile gezielt einsetzen

Buch Führungsstile gezielt einsetzen

Mitarbeiterorientiert, situativ und authentisch führen

Beltz,


Rezension

Führen mit Stil – aber mit welchem? Regina Mahlmann arbeitet in ihrem Buch die geläufigsten Führungsstile und deren Anwendungsmöglichkeiten klar heraus. Dabei greift sie auf ihre Erfahrung als Coach in Wirtschaft­sun­ternehmen zurück. Im Gegensatz zu anderen Autoren legt sie sich nicht auf ein bestimmtes Führungskonzept fest und preist dieses als Schlüssel zum Erfolg an. Vielmehr plädiert sie für einen bewussten und flexiblen Einsatz un­ter­schiedlicher Stile. Trotz vieler Schnittmen­gen gelingt es ihr, bekannte und bewährte Führungsmuster deutlich voneinander abzugrenzen. Wünschenswert wären allerdings mehr sprechende Beispiele aus der Un­ternehmen­spraxis und ein sparsamerer Umgang mit gestelztem Akademik­erdeutsch. BooksInShort empfiehlt das Buch in erster Linie angehenden Führungskräften: Es wird ihnen helfen, sich ihre Hand­lung­sop­tio­nen bewusst zu machen.

Take-aways

  • Es gibt vier klassische Führungsstile (autoritär, kooperativ, situativ und Laisser-faire) und zwei moderne (systemisch und symbolisch).
  • Bei klassischen Führungsstilen wird von außen geführt, d. h. die Führungskraft sieht sich als externe Person. Bei modernen führen Sie von innen, als Teil des Teams.
  • Wenn Sie Ihren Führungsstil unbewusst wechseln, verun­sich­ern Sie Ihre Mitarbeiter.
  • Sie brauchen nicht für immer und ewig an einem Führungsstil festzuhal­ten, aber Sie müssen deutlich machen, welchem Sie folgen, und diesen authentisch vertreten.
  • Beim autoritären Stil bestimmt nur der Chef den Kurs, die Mitarbeiter befolgen seine Anweisungen.
  • Beim ko­op­er­a­tiven Stil werden die Mitarbeiter dialogisch mit einbezogen.
  • Der situative Stil nimmt Rücksicht auf die spezifische Kompetenz eines Mi­tar­beit­ers und die Komplexität der jeweiligen Aufgabe.
  • Beim Laisser-faire-Führen setzen Sie viel Vertrauen in Ihre Mitarbeiter und coachen sie so, dass sie Aufgaben möglichst selbstständig lösen.
  • Beim sys­temis­chen Führen achten Sie auf größtmögliche Flexibilität; Sie führen indirekt über Rah­menbe­din­gun­gen und Feedback.
  • Sym­bol­is­ches Führen setzt auf Regeln, Routinen, vor­bildliches Verhalten oder Leitbilder.
 

Zusammenfassung

Vier klassische und zwei moderne Führungsstile

Führungsstile sind nicht naturgegeben, sondern haben sich historisch entwickelt. Ihre Vielfalt reflektiert die zunehmende Komplexität des Wirtschafts­geschehens und die gesellschaftliche Entwicklung. Vier Arten des Umgangs mit Mi­tar­beit­ern kann man inzwischen als Klassiker bezeichnen: den autoritären, den ko­op­er­a­tiven, den situativen und den Laisser-faire-Stil. Viele Führungsper­so­nen kennen sie aus dem Effeff. Allen Klassikern gemeinsam ist, dass die Gruppe quasi von außen geführt wird. Bei den modernen Führungsstilen – dem sys­temis­chen und dem sym­bol­is­chen – ist die Führungskraft dagegen Teil des Systems, sie führt von innen.

„Autoritäres Führen verlangt, den ‚Un­tergebe­nen‘ exakte Anweisungen zu geben.“

Vorsicht: Wenn Sie unbewusst Ihren Führungsstil wechseln, verun­sich­ern Sie unter Umständen Ihre Mitarbeiter. Sie müssen sich natürlich nicht auf immer und ewig für einen bestimmten Führungsstil entscheiden, aber Sie sollten deutlich machen, welchem Sie folgen, und diesen dann authentisch vertreten.

Autoritärer Stil

Hier hat nur die Führungsper­son den Überblick über das Ganze. Alle anderen sind Rädchen im Getriebe, die Anweisungen ausführen. Deren Befolgung und die Ergebnisse werden strikt kon­trol­liert. Dieser Pa­tri­archen­stil, der auf Befehl und Gehorsam beruht, wurde für die immer größer werdenden Wirtschaft­sun­ternehmen zu Beginn des 20. Jahrhun­derts zum be­trieb­swirtschaftlichen Leitbild: Im Zentrum stand die möglichst effiziente Zerstückelung der Produktion in mech­a­nisierte, getaktete Vorgänge am Fließband.

„Man muss sich nicht nur um die Ar­beits­be­din­gun­gen kümmern, sondern auch um die Menschen.“

Der autoritäre Stil setzt beim Manager ein umfassendes Know-how sowohl der technischen Abläufe wie auch des Marktes voraus. Er muss genau wissen, was er wie erreichen will. Seine Ziele setzt er in exakte Anweisungen um. Außerdem braucht er viel Durch­set­zungsvermögen. Er trägt für alles die volle Ve­r­ant­wor­tung und muss überdurch­schnit­tlich leis­tungs­bereit sein.

„Die Führungskraft respektiert den Mitarbeiter grundsätzlich als gle­ich­berechtigt und pflegt eine prinzipiell part­ner­schaftliche Di­alogkul­tur.“

Autoritär zu führen kann sinnvoll sein, wenn Ihre Mitarbeiter unerfahren sind, wenn Gefahr droht oder wenn Sie unter hohem Zeitdruck stehen. Auch gegenüber Mi­tar­beit­ern, die Eigen­ver­ant­wor­tung und selbstständiges Handeln scheuen, kann sich dieser Stil bewähren. Eine autoritäre Führung bietet Ori­en­tierung und Sicherheit, aber sie hat auch einen großen Nachteil: Das kreative Potenzial der Mitarbeiter kommt nicht zum Zug; sie weichen in Dienst nach Vorschrift aus, wenn sie sich unterdrückt fühlen.

Ko­op­er­a­tiver Stil

Die Kritik am strikt autoritären Stil führte dazu, dass mit einem ko­op­er­a­tiven Stil auf die men­schlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter mehr Rücksicht genommen wird. Zwis­chen­men­schliche Beziehungen und das soziale Umfeld werden hier gepflegt, der Ar­beit­splatz wird angenehm gestaltet. Das kann die Effizienz verbessern und die Motivation steigern – ins­beson­dere, wenn Sie den Mi­tar­beit­ern die Inhalte ihrer Aufgaben erklären und ihnen Befugnisse und Eigen­ver­ant­wor­tung geben. So können sie sich einbringen und bis zu einem gewissen Grad selbst ver­wirk­lichen. Sie erfahren Anerkennung.

„Die Führungskraft sollte über eine Klaviatur von vier Tasten verfügen und sit­u­a­tions­be­zo­gen darauf spielen können.“

Im Gegensatz zum mo­nolo­gis­chen Verfahren des autoritären Stils ist der kooperative Stil dialogisch. Die Führungsper­son verfügt über natürliche Autorität, macht das Geschehen im Unternehmen transparent, gibt die Ziele vor und hat Vertrauen zu den Mi­tar­beit­ern. Sie nimmt Feedback von ihnen an und achtet im Dialog auf die eigene Körpersprache. Fehler und Probleme werden frühzeitig erkannt und beseitigt. Alle ziehen an einem Strang. Die Führungsper­son führt den Betrieb wie ein Dirigent. Es gibt nur ein Problem: Nicht alle Mitarbeiter wollen kooperativ geführt werden; manche bevorzugen klare Anweisungen und wenig Eigen­ver­ant­wor­tung.

Situatives Führen

Man kann weder alle Mitarbeiter noch alle Situationen, in denen sich ein Unternehmen befindet, über einen Kamm scheren. Um ver­schiede­nen Aufgaben und Her­aus­forderun­gen gerecht werden zu können, ist situatives Führen angebracht. Als Führungskraft müssen Sie erkennen, welche Art von Führung der gegebenen Situation und dem Mitarbeiter am besten entspricht. So gehen Sie mit un­ter­schiedlichen Mi­tar­beit­ern um:

  1. Telling: Wenn der Reifegrad des Mi­tar­beit­ers eher gering und der Auftrag einfach ist, genügt es, ihm seine Aufgabe zu erklären. Das gilt auch für Angestellte, die neu im Betrieb sind.
  2. Selling: Verfügt der Mitarbeiter über ein mittleres Aus­bil­dungsniveau, über ein Grundmaß an Zuverlässigkeit und Ko­op­er­a­tions­bere­itschaft, dann kümmert sich die Führungskraft in erster Linie um die Beziehung. Der Mitarbeiter soll erfahren, dass seine Arbeit wert- und sinnvoll ist. In diesem Sinn wird sie ihm verkauft.
  3. Par­tic­i­pat­ing: Ein engagierter Mitarbeiter wird mit einer anspruchsvollen Aufgabe betraut, obwohl ihm dafür die nötige Kompetenz noch fehlt. Sein Reifegrad ist noch nicht voll entwickelt. Dann begleitet ihn die Führungsper­son wie ein Coach und nutzt die große Motivation des Mi­tar­beit­ers, damit dieser sich noch fehlende Kompetenzen aneignen kann und seine Potenziale geweckt werden. Die Führungskraft nimmt eher von Ferne an der Arbeit des Mi­tar­beit­ers teil.
  4. Delegating: Ein höchst motivierter und höchst kompetenter Mitarbeiter kann weitgehend eigenständig arbeiten. Hier wird nur das Ziel mit ihm vereinbart und das Ergebnis kon­trol­liert. Alles andere wird ihm überlassen.
„Ihr Hin­ter­grund­wirken realisiert die Führungskraft dadurch, dass sie auf die Demon­stra­tion der Insignien und Rituale von Macht und Eitelkeit verzichtet.“

Mitarbeiter können im Lauf der Zeit ihren Reifegrad verbessern – dann ändert sich auch der Stil, mit dem sie geführt werden. Situatives Führen erfordert, dass sich die Führungskraft immer mehr zurücknimmt. Wenn Sie sich selbst gerne ständig im Mittelpunkt des Geschehens sehen, ist situatives Führen nicht der geeignete Stil für Sie. Sie müssen Vertrauen zu Ihren Mi­tar­beit­ern haben, kollegial und freundlich mit Ihnen umgehen und bei jedem Einzelnen dafür sorgen, dass er oder sie sich weder überfordert noch un­ter­fordert fühlt.

Laisser-faire-Stil

Den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen, sich zurückzulehnen und die Mitarbeiter die ganze Arbeit machen zu lassen – das ist mit dem Laisser-faire-Stil natürlich nicht gemeint. Vielmehr nehmen Sie sich als Führungskraft bewusst zurück, überlassen das operative Geschäft weitgehend Ihren Mi­tar­beit­ern und kom­mu­nizieren diese Absicht auch ausdrücklich. Sie kümmern sich in erster Linie um diejenigen, die Unterstützung brauchen. Diese entwickeln Sie nach Möglichkeit zu Selbstläufern. Sie agieren nur als graue Eminenz im Hintergrund und gewinnen Zeit und Spielraum für strate­gis­che und visionäre Aufgaben.

„Wie beim Fußballspiel ist alles in Bewegung und die jeweils nächste Handlung ist un­vorherse­hbar – genau wie ihr Ausgang.“

In der hoch tech­nisierten, hoch spezial­isierten und glob­al­isierten modernen Un­ternehmenswelt verfügen Führungskräfte oftmals nicht mehr über das gesamte op­er­a­tionelle Wissen. Sie können daher gar nicht mehr De­tailan­weisun­gen geben. Laisser-faire-Führen setzt ein hohes Maß an gegen­seit­igem Vertrauen voraus. Sie müssen

  • Ihre Mitarbeiter wirklich kennen lernen, um deren Kompetenzen und Potenziale richtig einzuschätzen,
  • sozial kompetent sein, um Konflikte mit Einzelnen oder in Gruppen klären zu können, um Teams zusam­men­zuhal­ten und sie auf die Ziele ausrichten zu können,
  • Ziele und Zielvere­in­barun­gen als struk­turi­erende Ori­en­tierung kom­mu­nizieren können – Meilen­steine, Feedback und kon­struk­tive Kritik sind wichtige Elemente dieser Art von prozesshaftem Führen.
„In komplexen Kontexten sind wir gefordert, mit Eventualitäten und Optionen, mit Wahrschein­lichkeiten und Szenarien zu hantieren.“

Wenn Sie keine Freude oder keine Fähigkeiten im Umgang mit Menschen haben, nicht zuhören können, den Rol­len­wech­sel nicht beherrschen, lieber ein Selb­st­darsteller sind, werden Sie den Laisser-faire-Stil nicht erfolgreich durchhalten. Es geht hier nicht darum, aus falsch ver­standenem Mitleid oder Altruismus gegenüber den Mi­tar­beit­ern immer nur weich zu sein, sondern darum, durch eine Win-win-Sit­u­a­tion Unternehmen wie Mitarbeiter vo­ranzubrin­gen. Fordern und fördern sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Sys­temis­cher Stil

Ganzheitliches Denken, globale Vernetzung, eine immer komplexere Technik und ein enormer Kostendruck führten in der Wirtschaft zu ganzheitlichen, vernetzten Führungsmod­ellen. Vorbilder hierfür lieferten die Kybernetik in Technik und Biologie. Die Komplexität ist nur schwer durch­schaubar, alles verändert sich ständig, alles fließt. Die Führungskraft ist hier Teil des Systems und muss von innen führen. Als systemische Führungskraft denken Sie in Szenarien und befördern die Selb­stor­gan­i­sa­tion. Ein Leitgedanke dieses Führungsstils lautet: Jeder innerhalb der Or­gan­i­sa­tion ist Unternehmer. Als Führungsper­son schaffen Sie einerseits die dafür er­forder­lichen Freiräume, an­der­er­seits definieren Sie Ziele und lenken die Eigen­dy­namiken der Mitarbeiter.

„Symbole wirken wie die Macht des Faktischen, obwohl sie nur indirekt zu uns sprechen.“

Das Geschehen im Unternehmen ist eher dezentral organisiert, Vertrauen und Ve­r­ant­wor­tungsübertragung spielen eine große Rolle. Aufgaben, Funktionen und damit ein­herge­hende Befugnisse sind sehr sach- und pro­jek­t­ge­bun­den und zeitlich befristet. Ziele müssen ggf. angepasst werden. Sie selbst und das Unternehmen müssen flexibel bleiben. Als Führungskraft sind Sie Antreiber wie Getriebener. Ihr Führungsver­hal­ten wird beobachtet. Auch nonverbales Verhalten, selbst Nichtstun, zeigt Wirkung, denn es stößt auf Erwartungen, die enttäuscht oder bestätigt werden, sowie auf Beobach­tun­gen, ob Sie selbst aufgeschlossen und neugierig oder ver­schlossen sind. Ihre Führungsrolle ist die eines Vorbilds. Sie müssen selbst lernen und das Lernen ermöglichen. Sie steuern die Mitarbeiter indirekt über Regeln, Rah­menbe­din­gun­gen, Feedback und Ergeb­niskon­trolle.

Sym­bol­is­cher Stil

Sie gehen im dunklen Busi­ness-Dre­it­eiler in die Firma? Schon führen Sie symbolisch. Man kann nicht nicht kom­mu­nizieren. Das gilt vor allem für die Führungskraft. Eine legere Hose und ein Rol­lkra­gen­pullover wie bei Steve Jobs sind ebenfalls eine Aussage – über die Un­ternehmen­skul­tur. Als Führungskraft prägen Sie diese, Sie entwerfen Leitbilder. Natürlich nicht nur über den Klei­dungsstil, sondern vor allem über Ihr Verhalten. Symbolik – das Setzen von Signalen und Zeichen, die auf etwas Komplexeres verweisen – spielte natürlich immer schon eine Rolle. Erst in jüngster Zeit hat sie sich zu einem eigenständigen Führungsin­stru­ment entwickelt. Der Umgang mit Komplexität und Veränderung­sprozessen kann dadurch vereinfacht werden.

„Das faktische Handeln gehorcht in der Praxis eher den informellen Regeln und Gewohn­heiten.“

Im Zeitalter permanenten Wandels reicht es nicht mehr aus, Veränderungen allein mithilfe der drei großen S zu bewältigen: Neuaus­rich­tung der Strategie, Veränderung der Struktur, sys­tem­a­tis­ches Abarbeiten. Hinzu treten drei weitere S, nämlich Stil (unser Umgang miteinander), Spezialken­nt­nis (unsere Stärken, unsere Kompetenz) sowie Stamm­belegschaft (ein verlässlicher, kompetenter Kern von Mi­tar­beit­ern). Alle diese Elemente werden durch das Selbstverständnis oder Leitbild des Un­ternehmens miteinander verbunden. Dieses zu definieren ist natürlich eine Führungsauf­gabe. Dazu zählen das erwähnte Er­schei­n­ungs­bild sowie Regeln, Routinen, technische Standards, Ser­vice­s­tandards, Gehaltsstruk­tur, Per­son­alen­twick­lung und ein möglichst au­then­tis­ches Führungsver­hal­ten.

Über die Autorin

Regina Mahlmann studierte Philosophie, Soziologie, Pädagogik und Psychologie. Sie arbeitet freiberu­flich als Beraterin und Coach, führt Workshops durch und hält Vorträge.