Vier klassische und zwei moderne Führungsstile
Führungsstile sind nicht naturgegeben, sondern haben sich historisch entwickelt. Ihre Vielfalt reflektiert die zunehmende Komplexität des Wirtschaftsgeschehens und die gesellschaftliche Entwicklung. Vier Arten des Umgangs mit Mitarbeitern kann man inzwischen als Klassiker bezeichnen: den autoritären, den kooperativen, den situativen und den Laisser-faire-Stil. Viele Führungspersonen kennen sie aus dem Effeff. Allen Klassikern gemeinsam ist, dass die Gruppe quasi von außen geführt wird. Bei den modernen Führungsstilen – dem systemischen und dem symbolischen – ist die Führungskraft dagegen Teil des Systems, sie führt von innen.
„Autoritäres Führen verlangt, den ‚Untergebenen‘ exakte Anweisungen zu geben.“
Vorsicht: Wenn Sie unbewusst Ihren Führungsstil wechseln, verunsichern Sie unter Umständen Ihre Mitarbeiter. Sie müssen sich natürlich nicht auf immer und ewig für einen bestimmten Führungsstil entscheiden, aber Sie sollten deutlich machen, welchem Sie folgen, und diesen dann authentisch vertreten.
Autoritärer Stil
Hier hat nur die Führungsperson den Überblick über das Ganze. Alle anderen sind Rädchen im Getriebe, die Anweisungen ausführen. Deren Befolgung und die Ergebnisse werden strikt kontrolliert. Dieser Patriarchenstil, der auf Befehl und Gehorsam beruht, wurde für die immer größer werdenden Wirtschaftsunternehmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum betriebswirtschaftlichen Leitbild: Im Zentrum stand die möglichst effiziente Zerstückelung der Produktion in mechanisierte, getaktete Vorgänge am Fließband.
„Man muss sich nicht nur um die Arbeitsbedingungen kümmern, sondern auch um die Menschen.“
Der autoritäre Stil setzt beim Manager ein umfassendes Know-how sowohl der technischen Abläufe wie auch des Marktes voraus. Er muss genau wissen, was er wie erreichen will. Seine Ziele setzt er in exakte Anweisungen um. Außerdem braucht er viel Durchsetzungsvermögen. Er trägt für alles die volle Verantwortung und muss überdurchschnittlich leistungsbereit sein.
„Die Führungskraft respektiert den Mitarbeiter grundsätzlich als gleichberechtigt und pflegt eine prinzipiell partnerschaftliche Dialogkultur.“
Autoritär zu führen kann sinnvoll sein, wenn Ihre Mitarbeiter unerfahren sind, wenn Gefahr droht oder wenn Sie unter hohem Zeitdruck stehen. Auch gegenüber Mitarbeitern, die Eigenverantwortung und selbstständiges Handeln scheuen, kann sich dieser Stil bewähren. Eine autoritäre Führung bietet Orientierung und Sicherheit, aber sie hat auch einen großen Nachteil: Das kreative Potenzial der Mitarbeiter kommt nicht zum Zug; sie weichen in Dienst nach Vorschrift aus, wenn sie sich unterdrückt fühlen.
Kooperativer Stil
Die Kritik am strikt autoritären Stil führte dazu, dass mit einem kooperativen Stil auf die menschlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter mehr Rücksicht genommen wird. Zwischenmenschliche Beziehungen und das soziale Umfeld werden hier gepflegt, der Arbeitsplatz wird angenehm gestaltet. Das kann die Effizienz verbessern und die Motivation steigern – insbesondere, wenn Sie den Mitarbeitern die Inhalte ihrer Aufgaben erklären und ihnen Befugnisse und Eigenverantwortung geben. So können sie sich einbringen und bis zu einem gewissen Grad selbst verwirklichen. Sie erfahren Anerkennung.
„Die Führungskraft sollte über eine Klaviatur von vier Tasten verfügen und situationsbezogen darauf spielen können.“
Im Gegensatz zum monologischen Verfahren des autoritären Stils ist der kooperative Stil dialogisch. Die Führungsperson verfügt über natürliche Autorität, macht das Geschehen im Unternehmen transparent, gibt die Ziele vor und hat Vertrauen zu den Mitarbeitern. Sie nimmt Feedback von ihnen an und achtet im Dialog auf die eigene Körpersprache. Fehler und Probleme werden frühzeitig erkannt und beseitigt. Alle ziehen an einem Strang. Die Führungsperson führt den Betrieb wie ein Dirigent. Es gibt nur ein Problem: Nicht alle Mitarbeiter wollen kooperativ geführt werden; manche bevorzugen klare Anweisungen und wenig Eigenverantwortung.
Situatives Führen
Man kann weder alle Mitarbeiter noch alle Situationen, in denen sich ein Unternehmen befindet, über einen Kamm scheren. Um verschiedenen Aufgaben und Herausforderungen gerecht werden zu können, ist situatives Führen angebracht. Als Führungskraft müssen Sie erkennen, welche Art von Führung der gegebenen Situation und dem Mitarbeiter am besten entspricht. So gehen Sie mit unterschiedlichen Mitarbeitern um:
- Telling: Wenn der Reifegrad des Mitarbeiters eher gering und der Auftrag einfach ist, genügt es, ihm seine Aufgabe zu erklären. Das gilt auch für Angestellte, die neu im Betrieb sind.
- Selling: Verfügt der Mitarbeiter über ein mittleres Ausbildungsniveau, über ein Grundmaß an Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft, dann kümmert sich die Führungskraft in erster Linie um die Beziehung. Der Mitarbeiter soll erfahren, dass seine Arbeit wert- und sinnvoll ist. In diesem Sinn wird sie ihm verkauft.
- Participating: Ein engagierter Mitarbeiter wird mit einer anspruchsvollen Aufgabe betraut, obwohl ihm dafür die nötige Kompetenz noch fehlt. Sein Reifegrad ist noch nicht voll entwickelt. Dann begleitet ihn die Führungsperson wie ein Coach und nutzt die große Motivation des Mitarbeiters, damit dieser sich noch fehlende Kompetenzen aneignen kann und seine Potenziale geweckt werden. Die Führungskraft nimmt eher von Ferne an der Arbeit des Mitarbeiters teil.
- Delegating: Ein höchst motivierter und höchst kompetenter Mitarbeiter kann weitgehend eigenständig arbeiten. Hier wird nur das Ziel mit ihm vereinbart und das Ergebnis kontrolliert. Alles andere wird ihm überlassen.
„Ihr Hintergrundwirken realisiert die Führungskraft dadurch, dass sie auf die Demonstration der Insignien und Rituale von Macht und Eitelkeit verzichtet.“
Mitarbeiter können im Lauf der Zeit ihren Reifegrad verbessern – dann ändert sich auch der Stil, mit dem sie geführt werden. Situatives Führen erfordert, dass sich die Führungskraft immer mehr zurücknimmt. Wenn Sie sich selbst gerne ständig im Mittelpunkt des Geschehens sehen, ist situatives Führen nicht der geeignete Stil für Sie. Sie müssen Vertrauen zu Ihren Mitarbeitern haben, kollegial und freundlich mit Ihnen umgehen und bei jedem Einzelnen dafür sorgen, dass er oder sie sich weder überfordert noch unterfordert fühlt.
Laisser-faire-Stil
Den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen, sich zurückzulehnen und die Mitarbeiter die ganze Arbeit machen zu lassen – das ist mit dem Laisser-faire-Stil natürlich nicht gemeint. Vielmehr nehmen Sie sich als Führungskraft bewusst zurück, überlassen das operative Geschäft weitgehend Ihren Mitarbeitern und kommunizieren diese Absicht auch ausdrücklich. Sie kümmern sich in erster Linie um diejenigen, die Unterstützung brauchen. Diese entwickeln Sie nach Möglichkeit zu Selbstläufern. Sie agieren nur als graue Eminenz im Hintergrund und gewinnen Zeit und Spielraum für strategische und visionäre Aufgaben.
„Wie beim Fußballspiel ist alles in Bewegung und die jeweils nächste Handlung ist unvorhersehbar – genau wie ihr Ausgang.“
In der hoch technisierten, hoch spezialisierten und globalisierten modernen Unternehmenswelt verfügen Führungskräfte oftmals nicht mehr über das gesamte operationelle Wissen. Sie können daher gar nicht mehr Detailanweisungen geben. Laisser-faire-Führen setzt ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen voraus. Sie müssen
- Ihre Mitarbeiter wirklich kennen lernen, um deren Kompetenzen und Potenziale richtig einzuschätzen,
- sozial kompetent sein, um Konflikte mit Einzelnen oder in Gruppen klären zu können, um Teams zusammenzuhalten und sie auf die Ziele ausrichten zu können,
- Ziele und Zielvereinbarungen als strukturierende Orientierung kommunizieren können – Meilensteine, Feedback und konstruktive Kritik sind wichtige Elemente dieser Art von prozesshaftem Führen.
„In komplexen Kontexten sind wir gefordert, mit Eventualitäten und Optionen, mit Wahrscheinlichkeiten und Szenarien zu hantieren.“
Wenn Sie keine Freude oder keine Fähigkeiten im Umgang mit Menschen haben, nicht zuhören können, den Rollenwechsel nicht beherrschen, lieber ein Selbstdarsteller sind, werden Sie den Laisser-faire-Stil nicht erfolgreich durchhalten. Es geht hier nicht darum, aus falsch verstandenem Mitleid oder Altruismus gegenüber den Mitarbeitern immer nur weich zu sein, sondern darum, durch eine Win-win-Situation Unternehmen wie Mitarbeiter voranzubringen. Fordern und fördern sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Systemischer Stil
Ganzheitliches Denken, globale Vernetzung, eine immer komplexere Technik und ein enormer Kostendruck führten in der Wirtschaft zu ganzheitlichen, vernetzten Führungsmodellen. Vorbilder hierfür lieferten die Kybernetik in Technik und Biologie. Die Komplexität ist nur schwer durchschaubar, alles verändert sich ständig, alles fließt. Die Führungskraft ist hier Teil des Systems und muss von innen führen. Als systemische Führungskraft denken Sie in Szenarien und befördern die Selbstorganisation. Ein Leitgedanke dieses Führungsstils lautet: Jeder innerhalb der Organisation ist Unternehmer. Als Führungsperson schaffen Sie einerseits die dafür erforderlichen Freiräume, andererseits definieren Sie Ziele und lenken die Eigendynamiken der Mitarbeiter.
„Symbole wirken wie die Macht des Faktischen, obwohl sie nur indirekt zu uns sprechen.“
Das Geschehen im Unternehmen ist eher dezentral organisiert, Vertrauen und Verantwortungsübertragung spielen eine große Rolle. Aufgaben, Funktionen und damit einhergehende Befugnisse sind sehr sach- und projektgebunden und zeitlich befristet. Ziele müssen ggf. angepasst werden. Sie selbst und das Unternehmen müssen flexibel bleiben. Als Führungskraft sind Sie Antreiber wie Getriebener. Ihr Führungsverhalten wird beobachtet. Auch nonverbales Verhalten, selbst Nichtstun, zeigt Wirkung, denn es stößt auf Erwartungen, die enttäuscht oder bestätigt werden, sowie auf Beobachtungen, ob Sie selbst aufgeschlossen und neugierig oder verschlossen sind. Ihre Führungsrolle ist die eines Vorbilds. Sie müssen selbst lernen und das Lernen ermöglichen. Sie steuern die Mitarbeiter indirekt über Regeln, Rahmenbedingungen, Feedback und Ergebniskontrolle.
Symbolischer Stil
Sie gehen im dunklen Business-Dreiteiler in die Firma? Schon führen Sie symbolisch. Man kann nicht nicht kommunizieren. Das gilt vor allem für die Führungskraft. Eine legere Hose und ein Rollkragenpullover wie bei Steve Jobs sind ebenfalls eine Aussage – über die Unternehmenskultur. Als Führungskraft prägen Sie diese, Sie entwerfen Leitbilder. Natürlich nicht nur über den Kleidungsstil, sondern vor allem über Ihr Verhalten. Symbolik – das Setzen von Signalen und Zeichen, die auf etwas Komplexeres verweisen – spielte natürlich immer schon eine Rolle. Erst in jüngster Zeit hat sie sich zu einem eigenständigen Führungsinstrument entwickelt. Der Umgang mit Komplexität und Veränderungsprozessen kann dadurch vereinfacht werden.
„Das faktische Handeln gehorcht in der Praxis eher den informellen Regeln und Gewohnheiten.“
Im Zeitalter permanenten Wandels reicht es nicht mehr aus, Veränderungen allein mithilfe der drei großen S zu bewältigen: Neuausrichtung der Strategie, Veränderung der Struktur, systematisches Abarbeiten. Hinzu treten drei weitere S, nämlich Stil (unser Umgang miteinander), Spezialkenntnis (unsere Stärken, unsere Kompetenz) sowie Stammbelegschaft (ein verlässlicher, kompetenter Kern von Mitarbeitern). Alle diese Elemente werden durch das Selbstverständnis oder Leitbild des Unternehmens miteinander verbunden. Dieses zu definieren ist natürlich eine Führungsaufgabe. Dazu zählen das erwähnte Erscheinungsbild sowie Regeln, Routinen, technische Standards, Servicestandards, Gehaltsstruktur, Personalentwicklung und ein möglichst authentisches Führungsverhalten.