Persönlichkeitscoaching

Buch Persönlichkeitscoaching

Acht Schritte zur Führungsidentität

Beltz,


Rezension

Tag für Tag müssen Führungskräfte vielfältigsten Ansprüchen genügen, die ihr berufliches Umfeld an sie stellt. Beim Versuch, alle Erwartungen zu erfüllen, kann man schon mal ins Straucheln kommen. In ihrem Buch, das die Ergebnisse jahrelanger Forschungsar­beit abbildet, legen die Autoren Riedelbauch und Laux den Schwerpunkt auf die Frage: „Wer bin ich und wo will ich hin?“ Denn eine Führungskraft, so die These, kann nur dann glaubwürdig führen, wenn sie ihre persönlichen Charak­tereigen­schaften in ihre Entschei­dun­gen und Handlungen mit einbezieht. Der Hauptteil des Buches stellt einen Prozess in acht Schritten vor, der eine als „stimmig“ definierte Führungsi­den­tität her­vor­brin­gen soll. Wer diesen Prozess allerdings erfolgreich durchlaufen will, sollte sich bereits fundierte persönlichkeit­spsy­chol­o­gis­che Kenntnisse angeeignet haben. BooksInShort empfiehlt dieses Buch darum in erster Linie Coachs und HR-Ve­r­ant­wortlichen, die Anregungen für ihre eigene praktische Arbeit suchen.

Take-aways

  • Im Mittelpunkt des Coachings steht die Führungsper­son mit der Frage: „Wo stehe ich und wo möchte ich hin?“
  • Der Coach hat die Aufgabe eines neutralen Prozess­ber­aters.
  • In einem Coaching sollten nicht mehr als drei Themen bearbeitet werden.
  • Wir nehmen Führungsver­hal­ten als stimmig wahr, wenn es authentisch wirkt.
  • Pro­fes­sionelles Coaching geht davon aus, dass sich die Identität einer Person ständig weit­er­en­twick­eln lässt.
  • Führungskräfte haben oft ein zu positives Bild von sich selbst.
  • Häufig ergibt sich unsere Selb­st­darstel­lung aus den Absichten, die wir verfolgen.
  • Die Fähigkeit zur Selb­stre­flex­ion ist im Coach­ing-Prozess entschei­dend.
  • Rah­menbe­din­gun­gen, wie soziale Normen oder die spezifische Un­ternehmen­skul­tur, bee­in­flussen die Aus­gestal­tung des Führungsver­hal­tens.
  • Der Coach­ing-Prozess fokussiert auf die Förderung der in­di­vidu­ellen Ressourcen einer Person. Neue Rol­len­bilder können zunächst spielerisch erprobt werden.
 

Zusammenfassung

Identitätsen­twick­lung durch Coaching

Coaching ist eine Maßnahme zur Persönlichkeit­sen­twick­lung. Mit­tler­weile als pro­fes­sionelle Man­age­ment­ber­atung anerkannt, hat sie in den letzten Jahren rasante Verbreitung gefunden. Im Vordergrund stehen die Optimierung von Potenzialen und die Förderung in­di­vidu­eller Kompetenzen bei Führungskräften. Dass Führungsper­so­nen die Hauptziel­gruppe sind, ist nicht zufällig: Sie sind umgeben von Vorge­set­zten, die Qualität erwarten, von Kollegen, die ihnen den Posten neiden, und von individuell zu führenden Mi­tar­beit­ern mit steigenden Ansprüchen. Oft ist der Anlass eines Coaching eine Krise oder ein spez­i­fis­ches Anliegen, das an die Führungsper­son gestellt wird. Der Coach übernimmt die Aufgabe eines neutralen Prozess­ber­aters.

„So wie der Körper besteht auch unsere Persönlichkeit aus Strukturen und Prozessen, die ‚nature‘ (Gene) und ‚nurture‘ (Erfahrung) wider­spiegeln.“

Persönlichkeit ist wis­senschaftlich betrachtet ein wertfreier Begriff und besteht aus vielen ver­schiede­nen Facetten. Jeder Mensch kom­mu­niziert Teile seiner Persönlichkeit mit seiner in­di­vidu­ellen Selb­st­darstel­lung an die Umwelt. Wurde sie früher als unveränderbar angesehen, so geht man heute davon aus, dass sich die Identität ein Leben lang entwickelt. Dieses Wissen wird im Coaching aktiv genutzt, in der Absicht, eine stimmige Führungsi­den­tität aufzubauen. Diese ist wie folgt definiert:

  1. Wesensgemäß: Die Selb­st­darstel­lung ist authentisch und stimmt mit dem Selbstbild der Führungsper­son überein.
  2. Sit­u­a­tion­s­gerecht: Die Führungsper­son passt ihr Handeln dem Kontext an und beachtet dabei sowohl In­ter­ak­tion­spart­ner als auch die eigene Person.
  3. Metakom­mu­nika­tiv: Die Führungsper­son ist bereit, die Wirkung ihres Verhaltens gemeinsam mit den betroffenen Personen anzuschauen.
„Mitarbeiter sind die häufigsten In­ter­ak­tion­spart­ner von Führungskräften und prägen somit deren Selbstverständnis maßgeblich.“

Im Span­nungs­feld wechselnder An­forderun­gen müssen Sie als Führungskraft aber auch Konstanz zeigen und eine grundle­gende und stabile Identität vermitteln. Nur so werden Sie als glaubwürdig wahrgenom­men.

Umsetzung des Persönlichkeitscoach­ings

Der Coach­ing-Prozess beginnt bereits vor der ersten Sitzung von Klient und Coach. Zuerst muss die Führungskraft das Bedürfnis nach einer in­di­vidu­ellen Unterstützung erkennen. Im Erstgespräch entscheidet sich dann, ob die Vo­raus­set­zun­gen für eine gemeinsame Arbeit gegeben sind. In der Um­set­zungsphase geht es um die Problemlösung: Ausgehend vom Ist-Zustand macht man sich daran, einen angestrebten Soll-Zu­s­tand zu erreichen. Hier steht die Frage im Zentrum: „Wo stehe ich und wo möchte ich hin?“ Zur er­fol­gre­ichen Umsetzung bieten sich ver­schiedene Methoden an, z. B. er­leb­nisak­tivierende Rol­len­spiele, Feed­back­ge­spräche oder der sys­tem­a­tis­che Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild. Diese Methoden sind eingebettet in einen aus acht Schritten bestehenden Prozess.

Schritt 1: Auswahl der Coach­ing-The­men

Die The­me­nauswahl konzen­tri­ert sich zunächst auf die zentralen Anliegen. Danach muss die Führungskraft zusammen mit dem Coach den Blickwinkel auf die Gesamtpersönlichkeit erweitern. Prob­lem­bere­iche, Anliegen und Erwartungen werden hinterfragt und priorisiert. Bei der Auswahl der Themen ist zu beachten, dass diese im vorgegebe­nen Rahmen des Coachings behandelbar sind, dass prinzipiell eine Veränderung möglich ist und dass eine solche auch wirklich einen Unterschied zum Status quo darstellt. Insgesamt sollten nicht mehr als drei Themen bearbeitet werden.

Schritt 2: Aktivierung realer Selb­st­bilder

Nun gilt es, sys­tem­a­tisch zu hin­ter­fra­gen, welches Bild der Coach­ing-Teil­nehmer von sich selbst als Führungsper­son hat. Ziel ist es, reale Selb­st­bilder zu aktivieren: Dadurch können die Ressourcen bestimmt werden, die den Klienten weit­er­brin­gen, aber auch Faktoren, die das Veränderungsver­hal­ten u. U. hemmen. Im Coaching geht es jedoch primär um die Nutzung der Ressourcen. Unsere realen Selb­st­bilder umfassen jene Eigen­schaften,

  • die uns als Person derzeit ausmachen,
  • die wir uns aufgrund von Erfahrungen zuschreiben und
  • die uns durch Rückmeldungen bestätigt werden.
„Vieles dreht sich im Coach­ing-Prozess um die Frage: Wer bin ich?“

Bei der Definition unserer realen Selb­st­bilder spielen Emotionen eine große Rolle. Wir wollen uns vor schlechten Gefühlen schützen und tendieren daher dazu, unser Selbst zu beschönigen, indem wir positive Wahrnehmungs­fil­ter einsetzen. Im Coaching sind die ver­schiede­nen Selb­st­bilder sys­tem­a­tisch als Stärken und Schwächen zu bewerten. Daneben kommen stan­dar­d­isierte Persönlichkeits­fragebögen und die Ein­beziehung von Selbst- und Fremdbeschrei­bun­gen infrage. Eine ehrliche Selb­stre­flex­ion ist in dieser Phase wichtig.

Schritt 3: Aktivierung möglicher und normativer Selb­st­bilder

Neben realen Selb­st­bildern verfügen wir auch über eine Vielzahl von möglichen und normativen Selb­st­bildern, d. h. neben der Frage „Wie bin ich?“ werden wir auch von den Fragen „Wie möchte ich sein?“ und „Wie sollte ich sein?“ beeinflusst. Zusammen bilden diese Aspekte das Selb­stkonzept. Es umfasst alle abrufbaren subjektiven Annahmen zu unserer Person. Damit sich die Führungskraft mit normativen und möglichen Selb­st­bildern au­seinan­der­set­zen kann, muss sie sich der Ideale bewusst werden, die ihre tägliche Arbeit bee­in­flussen. Die Ide­alvorstel­lung, die jemand von sich hat, kann sehr motivieren, aber sie weicht u. U. auch stark vom Status quo ab. Zur Aktivierung poten­zieller Selb­st­bilder hat sich neben struk­turi­erten Interviews vor allem das Modell des „inneren Teams“ durchge­setzt: Hierbei stellt man sich fiktive Team­mit­glieder vor, die un­ter­schiedliche Aspekte oder Ide­alvorstel­lun­gen der eigenen Person konkretisieren. Die Führungskraft schlüpft nacheinan­der in die definierten Rollen und entwickelt so ein Verständnis für un­ter­schiedliche Standpunkte.

Schritt 4: Erfassung von Fremd­bildern und Abgleich mit Selb­st­bildern

Für den Veränderung­sprozess besonders wichtig ist die Gegenüberstellung von Fremd- und Selb­st­bildern. Fremdbilder können – ebenso wie Selb­st­bilder – real, möglich oder normativ sein. Sie werden durch folgende Faktoren beeinflusst:

  • Selektive Wahrnehmung: Wir filtern die für uns relevanten In­for­ma­tio­nen aus; die Wahrnehmung wird damit sehr subjektiv. Erwartungen werden meist bestätigt.
  • Persönliche Konstrukte, in­di­vidu­elle Erwartungen und Werte: Neue Erfahrungen werden in vorge­fer­tigte Schubladen und Kategorien eingefügt.
  • Erklärungssuche: Während wir unsere eigenen Handlungen von bestimmten Situationen abhängig machen, ordnen wir den Handlungen anderer Personen gewisse Charak­tereigen­schaften zu.
  • Zentrale Eigen­schaften: Bestimmte Charak­ter­merk­male werden stärker gewichtet als andere.
„Der Coach übernimmt die Funktion des ‚sozialen Spiegels‘ für die Führungskräfte.“

Im Coaching soll der Führungskraft der Vergleich von Fremd- und Selbstbild transparent gemacht werden. Der Übere­in­stim­mungs­grad von Innensicht und Außensicht ist häufig sehr gering, da Führungskräfte ihr Verhalten oftmals zu positiv einschätzen.

Schritt 5: Klärung von Selb­st­darstel­lungsmustern

Im fünften Schritt geht es um die dynamische Interaktion zwischen innen und außen: darum, wie Selb­st­bilder vermittelt werden und wie andere darauf reagieren. Die Reaktion ist im Grunde eine Rück­pro­jek­tion und gibt der Führungskraft Hinweise zum Fremdbild. Die Vermittlung von Selb­st­bildern – die Selb­st­darstel­lung – ist allgegenwärtig und un­ver­mei­dlich, sobald Menschen in­ter­agieren. Es gilt, sich die Selb­st­darstel­lung bewusst zu machen und sie ggf. zu verändern. Oft läuft die Selb­st­darstel­lung unbewusst ab. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir den Eindruck, den wir auf andere machen, bewusst kon­trol­lieren:

  • wenn wir überzeugt sind, dass ein gewisser Eindruck auf den Gesprächspartner für das Erreichen persönlicher, wichtiger Ziele relevant ist,
  • wenn der Öffentlichkeits­grad hoch ist oder starke Abhängigkeiten bestehen,
  • wenn wir eine Diskrepanz wahrnehmen zwischen dem Eindruck, den wir erzielen wollen, und dem, den andere tatsächlich von uns haben.
„Menschen sind motiviert, nach ihren Zielvorstel­lun­gen über die eigene Person zu handeln.“

Zur Erkennung von konkreten Selb­st­darstel­lungsmustern eignen sich im Coach­ing-Prozess er­leb­nisak­tivierende Methoden, etwa Rol­len­spiele, in denen die Führungskraft konkret handelt.

Schritt 6: Klärung von Rah­menbe­din­gun­gen

Das Zusam­men­spiel von Fremd- und Selb­st­bildern findet nicht im luftleeren Raum, sondern immer in einem Kontext statt. Dieser muss der Führungskraft bewusst sein. Dazu zählen An­forderun­gen, Aufgaben und Funktionen, die mit der eigenen Position im Unternehmen verknüpft sind. Sie bestimmen den Handlungs- und Gestal­tungsspiel­raum. Auch die Un­ternehmen­skul­tur hat prägenden Einfluss auf die Führung. Das Ziel ist es, sich nicht blind den Rah­menbe­din­gun­gen anzupassen, sondern diese passend zur eigenen Persönlichkeit auszugestal­ten. Unser Verhalten ist von sozialen Normen geprägt. Sie definieren Grenzen, innerhalb deren wir uns bewegen können. Als Führungskraft müssen Sie abwägen, welchen Standards Sie gerecht werden wollen: Geltende Führungs­grundsätze sind mit eigenen Idealen abzu­gle­ichen.

Schritt 7: Förderung in­di­vidu­eller Ressourcen

Um her­auszufinden, welche Kompetenzen sich die Führungskraft in Zukunft aneignen kann, hat sie die Möglichkeit, im Coach­ing-Prozess spielerisch neue Selbst- und Rol­len­bilder zu erproben und damit ihre Potenziale zu erforschen. In einem zweiten Schritt geht es dann um die Auswahl konkreter Persönlichkeitsmerk­male und Ver­hal­tensweisen, die im Führungsall­tag übernommen werden sollen. Damit ein Klient überhaupt bereit ist, seine persönlichen Ressourcen zu erweitern, muss er vom Coach zur Veränderung motiviert werden.

Schritt 8: Etablierung einer in­di­vidu­ellen Führungsi­den­tität

Im letzten Schritt geht es um die Frage, welche Führungsi­den­tität man langfristig entwickeln möchte und kann. Um eine stimmige Führungsi­den­tität im Alltag zu im­ple­men­tieren, ist eine bewusste Auswahl und Vermittlung von Selb­st­bildern angebracht. Drei Identitätsthemen sollen den Coach­ing-Teil­nehmer bei der For­mulierung eines Identitätsentwurfs unterstützen:

  • Kohärenz: Innen- und Außen­per­spek­tive müssen zusam­men­spie­len.
  • Kreativität: Die Selb­stin­ter­pre­ta­tion muss flexibel sein.
  • Einzi­gar­tigkeit: Die Identitätskon­struk­tion muss individuell erfolgen.
„Die Wahrnehmung eines anderen Menschen hängt zu einem gewichtigen Teil von den eigenen Erwartungen und Präferenzen ab.“

Nach Abschluss des Coach­ing-Prozesses sind zur Kontrolle der er­fol­gre­ichen Umsetzung jeweils im Voraus Termine für Zwis­chen­re­flex­io­nen festzulegen.

Über die Autoren

Kerstin Riedelbauch ist Dipl.-Psy­cholo­gin, Lothar Laux Professor für Persönlichkeit­spsy­cholo­gie an der Universität Bamberg.