Ohne Frauen in die Krise
Bis vor wenigen Jahrzehnten mussten Frauen in Deutschland ihre Männer noch fragen, ob sie Geld verdienen dürfen. Auch ein Konto bei der Bank durften sie nur einrichten, wenn ihr Mann die Zustimmung gab. Und das, obwohl die Gleichberechtigung der Geschlechter schon seit über 60 Jahren im Grundgesetz verankert ist. Seither hat sich zwar viel getan. Trotzdem werden Frauen in der Wirtschaft noch immer benachteiligt. Beispielsweise sind weit über 90 % der deutschen Chefetagen männlich besetzt. Außerdem verdienen Frauen nach wie vor nicht so viel wie Männer.
„Je höher der Frauenanteil, desto höher das Betriebsergebnis.“
Das sollte sich nicht nur ändern, wirtschaftlich betrachtet muss es das sogar. Sonst hat Deutschland bald ein Problem. Schließlich geht die Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik ständig zurück. Davon sollten alle Firmen alarmiert sein, denn es bedeutet, dass es schon bald an guten Arbeitnehmern mangeln wird, und das auf allen Ebenen. Schon 2015 sollen 3 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Wer das nicht glaubt, sollte sich mit den Fakten auseinandersetzen: Weil die Lebenserwartung steigt, werden die Deutschen immer älter. Die Zahl der Neugeborenen ist seit Jahren sehr niedrig. Außerdem wandern mehr Leute aus als ein. Das hat zur Folge, dass die Größe der arbeitenden Bevölkerung schrumpft. Wer in dieser Situation noch zusätzlich auf Frauen als Arbeitskräfte verzichtet, schneidet sich ins eigene Fleisch. Ob auch Ihr Unternehmen in die demografische Falle zu tappen droht, können Sie schnell überprüfen: Steigt das durchschnittliche Alter Ihrer Arbeitnehmer? Wie entwickeln sich die Zahlen der Bewerber, werden sie mehr oder weniger? Bewerben sich bei Ihnen immer weniger potenzielle Mitarbeiter und nimmt der Altersdurchschnitt in der Belegschaft zu, dann sollten Sie sehr schnell handeln.
Viele gute Gründe
Andere Länder sind besser aufgestellt als Deutschland: In den USA beispielsweise gibt es schon längst nichts mehr zu reden, wenn eine Frau für eine Spitzenposition eingestellt wird; es ist schlicht normal. Auch in Schweden gehören Frauen im Management schon lange zum Alltag. Das hat einen Grund: Unternehmen mit gemischten Teams erzielen nämlich die besseren Ergebnisse. Die London Business School hat herausgefunden, dass sie auch innovativer sind. Es geht hier also nicht nur um Emanzipation und Frauenpower. Die Firmen, die mehr weibliche Führungskräfte einstellen, schneiden im Vergleich zur männerdominierten Konkurrenz auch viel besser ab. Das haben Untersuchungen der Unternehmensberatungen McKinsey und Accenture ergeben.
„Gehen beim Unternehmen weniger Bewerbungen ein als in der Vergangenheit, dann ist das keine Momentaufnahme, sondern der Indikator für eine zukünftige Bedrohung.“
Arbeitende Frauen sind übrigens auch gut fürs gesellschaftliche Klima. Denn je mehr Frauen in den Chefetagen sitzen, desto stärker gehen die Scheidungsraten zurück und sinkt die häusliche Gewalt. Trotzdem scheint es eine Art undurchlässige Sperre (die berühmte „gläserne Decke“) zu geben, die Frauen den Weg nach ganz oben versperrt. Schuld daran sind – wie so oft – Männer. Männliche Entscheider lassen sich folgendermaßen typologisieren:
- Der erste Typus will grundsätzlich keine Frauen im Management. Er hält an alten Traditionen fest.
- Der zweite fördert zwar die Gleichberechtigung, findet aber Frauen in Führungsrollen unweiblich. Er denkt außerdem, sie könnten die dort herrschende Härte nicht ertragen.
- Dem dritten Typ geht es ausschließlich um das Können. Karriere ist nur ohne Pause möglich, denkt er. Und somit scheiden Frauen aus dem Karrierefluss aus, zumindest, wenn sie Kinder bekommen.
„Erst wenn zukünftige Bonuszahlungen davon abhängen, wie viele weibliche Führungskräfte an den Unternehmenszielen mitarbeiten, wird sich das System verändern.“
Unabhängig davon gibt es den homosozialen Faktor, der dazu führt, dass wir Leute bevorzugen, die uns ähnlich scheinen. Das ist mit ein Grund, warum Männer lieber Männer einstellen oder befördern. Für Frauen ist es daher schwierig, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Wie Frauen es an die Spitze schaffen
Es kommt nicht allein darauf an, was eine Frau ist und was sie kann, wenn sie es an die Spitze schaffen will. Vielmehr geht es darum, wie sie sich verhält. Wer Karriere machen möchte, muss beispielsweise Konkurrenz ertragen und Macht anstreben. Eng damit verbunden ist Neid. Es sind nicht immer nur Frauen, die andere Frauen beneiden, oft sind auch Männer neidisch auf sie. Besonders, wenn es um die wenigen und begehrten Plätze ganz oben geht. Darum sind Beziehungen im Unternehmen meist rein geschäftlicher Natur. Harmonie oder gar Freundschaft wird, je höher Sie kommen, immer seltener. Umso mehr kommt es auf diplomatisches Geschick an. Dazu gehört, dass Sie die Sach- von der Beziehungsebene trennen. Versuchen Sie außerdem, immer geduldiger als Ihr Gegenüber zu sein. Führen Sie sich niemals wie ein Sieger auf, das hilft dem Widersacher, sein Gesicht zu wahren.
„Wenn ich als Frau nicht selbstbewusst auftrete und von meinen Fähigkeiten überzeugt bin, dann kann ich auch andere nicht von mir und meinen Leistungen überzeugen.“
Gehen Sie Ihre Karriere strategisch an und warten Sie nicht darauf, dass jemand Sie befördert, nur weil Sie gut sind. Zeigen Sie, was Sie können, werben Sie für sich und bleiben Sie hartnäckig. Frauen, die den Weg nach ganz oben gehen möchten, sollten zudem gezielt nach einem Coach oder Mentor Ausschau halten, der ihnen behilflich ist. Beim Mentoring geht es darum, Wissen auszutauschen und sich weiterzuentwickeln. Mentoring kann auch unternehmensübergreifend stattfinden. Ein Coach dagegen hilft der Führungskraft gezielt dabei, ihre Erfahrungen aufzuarbeiten und ihre Ziele zu erreichen. Er steht ihr zur Seite, um Misserfolge zu analysieren und neuen Optimismus für die Zukunft zu finden. Da es in der Zusammenarbeit mit einem Coach oft um sehr persönliche Dinge geht, ist es wichtig, dass eine Vertrauensbasis entsteht.
„Frauen, die Familie und Karriere managen, müssen mit Löwenkräften ausgestattet sein, um diese Doppelbelastung zu bewältigen.“
Außerdem sollten Frauen verstärkt netzwerken. Das ist u. U. nicht so einfach, denn Männer sind, was Netzwerke anbelangt, den Frauen gegenüber klar im Vorteil. Immerhin gibt es bereits das European Women’s Management Development International Network. Die Nase vorn haben Frauen, wenn es um bestimmte Verhaltensweisen geht. Respekt und Höflichkeit beispielsweise liegen Frauen eher als Männern. Auch weil sie im Umgang mit anderen ihre Offenheit bewahren und authentisch bleiben, punkten sie gegenüber Männern auf der gleichen Hierarchiestufe. Und: Frauen können sich und ihr Können besser einschätzen als Männer. Beim Weg an die Spitze geht es nicht zuletzt um Selbstmarketing; streuen Sie also ganz gezielt die Informationen, die Sie in einem positiven Licht erscheinen lassen. Offenbaren Sie z. B. wichtige Bekanntschaften aus Ihrem Netzwerk. Kontrollieren Sie Ihr Bild in der Öffentlichkeit, indem Sie Themen besetzen. Schaffen Sie Ihren eigenen Stil und kleiden Sie sich dementsprechend. Besuchen Sie Rhetorikseminare, in denen Sie auch Ihre Körpersprache und Stimme schulen. Behalten Sie immer Folgendes im Gedächtnis:
- Zu jeder Kommunikation gehören zwei.
- Wichtig ist, was bei Ihrem Gegenüber ankommt, nicht, was Sie sagen.
- Die ersten Sekunden eines Gesprächs sind die wichtigsten.
- Wer seinem Gegenüber zeigt, dass er aufmerksam zuhört, gewinnt Freunde.
- Befehle, ironische Bemerkungen oder Ratschläge kommen beim Gegenüber nicht gut an.
Der weibliche Führungsstil
Frauen, die es nach oben geschafft haben, pflegen einen anderen Führungsstil als Männer. Sie denken weniger an sich selbst als an die Firma und die Angestellten. Sie gehen auf ihr Team ein und legen Wert darauf, die Kollegen an Entscheidungen zu beteiligen, um so eine möglichst große Auswahl an Sichtweisen zu bekommen. Damit sind sie dem Ziel, eine gute Führungskraft zu sein, schon sehr nah. Von Bedeutung für ihren Erfolg als Managerinnen ist außerdem, Verantwortung zu übernehmen und sich auf das zu konzentrieren, was möglich ist. Die Gefahren in den Vordergrund zu stellen, würde auf einen falschen Weg führen. Ganz wichtig: Gerät das Unternehmen in eine schwierige Situation, müssen Frauen umschwenken. Ihr partizipativer Führungsstil kann die Firma sonst noch mehr in eine Schieflage bringen. Je problematischer die Lage, desto hierarchischer muss geführt werden.
„Wer als Mutter Karriere machen will, hat idealerweise einen Partner, der seine Vaterpflichten ernst nimmt und bereit ist, dies auch in seinem Beruf zu leben.“
Außerdem ist es wichtig, möglichst viel Wissen auf den einzelnen Positionen, aber auch im ganzen Unternehmen anzuhäufen und dieses auch intelligent zu nutzen. So gilt es beispielsweise, seine Kunden, die Konkurrenz und die Geschäftspartner zu kennen, aber auch die rechtliche Seite darf nicht außer Acht gelassen werden. Je mehr Wissen in einem Unternehmen steckt, desto weniger macht es sich von externen Kräften abhängig. Gute Chancen auf eine erfolgreiche Karriere haben Sie, wenn Sie Wissensmanagement mit Kommunikation koppeln. Wenn Sie unsicher sind, ob Sie Ihren Job richtig machen, werfen Sie einen Blick auf Ihre Mitarbeiter. Denn ob Chefinnen dort gut ankommen, zeigt sich schnell an deren Verhalten: Je mehr Leute häufig krank sind oder abwandern, desto eher gibt es mit der Vorgesetzten ein Problem. Anonyme Befragungen der Belegschaft führen zu verwertbaren Ergebnissen, was die Managementkultur im Unternehmen anbelangt.
Frauen und Familie
Ein Problem, das viele Frauen belastet, ist die Vereinbarkeit von Kind und Beruf. Nach Erkenntnissen der Bertelsmann-Stiftung hält die Doppelbelastung viele Frauen davon ab, den Karriereweg einzuschlagen. Denn selbst wenn die Betreuung der Kleinen geregelt ist, heißt das nicht, dass sich der Rest von allein ergibt. In der Kindergartenzeit beispielsweise werden Kinder häufig krank, sodass spontan eine Betreuung gefunden werden muss. Im Schulalter ist es wichtig, dass die Schule nach Unterrichtsschluss eine Betreuung anbietet. Gibt es keinen Platz an einer solchen Schule, geht die Problemlösungssuche wieder von vorne los. Ist alles so organisiert, dass es passt, haben viele Frauen trotzdem mit ihren Emotionen und Schuldgefühlen zu kämpfen. Allerdings ergänzen sich Mutterschaft und Management insofern ganz gut, als ganz ähnliche Probleme immer wieder auftauchen – das eine Mal eben im Konzern, das andere Mal in der Familie.
„Wer kontinuierlich seine Grenzen überschreitet, sich auspowert und jedes Maß dafür verloren hat, dass das Leben außer Konferenzen, Laptop und Smartphones auch Familie, Freunde, Sport und Kulturelles zu bieten hat, riskiert seine Gesundheit und wird nicht auf lange Sicht erfolgreich sein.“
Frauen, die studiert haben, wollen häufig mit Anfang 30 erstmal Karriere machen. Wenn dann der Kinderwunsch in den Vordergrund rückt, ist man möglicherweise schon nahe an der 40. Das ist biologisch betrachtet nicht die beste Zeit, um Mutter zu werden, für viele ist es tatsächlich schon zu spät. Auch die Partnerwahl wird in diesem Alter schwieriger, denn Männer heiraten im Schnitt bereits mit Anfang 30. Hinzu kommt, dass bei der Partnersuche andere Faktoren zählen als bei der Karriere: Während intelligente Frauen, die sich durchsetzen können, gute Chancen im Beruf haben, haben sie weniger Erfolg bei Männern.
„Während Männer für ihre Entschlossenheit und Durchsetzungsstärke bewundert werden, werden dieselben Eigenschaften bei Frauen kritisch gesehen.“
Heute zeichnet sich geschlechterübergreifend die Tendenz ab, dass immer weniger Angestellte und Manager ihr Privatleben für den Job komplett aufgeben wollen. Das ist eine gesunde Entwicklung, denn es ist wichtig, die Balance zu halten. Dafür gibt es einen Trick: Je vielseitiger ein Mensch lebt, desto eher kann er sich gegen eine alles vereinnahmende Firma durchsetzen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Arbeit besser zu organisieren. Dazu gehört beispielsweise, Konferenzen straffer zu planen. Das würde vielen Managern helfen, bei der Arbeit Zeit zu sparen, die sie stattdessen mit ihrer Familie verbringen können. Wie wichtig das ist, zeigen Beispiele von Angestellten, die körperlich oder seelisch erkranken, weil die Arbeit ihr Leben ist. Damit Ihnen das nicht passiert, sollten Sie sich erreichbare Ziele setzen und immer wieder einmal innehalten, um über Ihre aktuelle Lebenssituation nachdenken.