Doppelte Buchführung in der Kommunalverwaltung

Buch Doppelte Buchführung in der Kommunalverwaltung

Basiswissen für das „Neue Kommunale Finanzmanagement“ (NKF)

Erich Schmidt Verlag,
Erstausgabe:2004


Rezension

Ein Lehrbuch nennen die Autoren ihr Werk im Klappentext und zeigen damit, welche Zielgruppe sie überwiegend ansprechen. Doch nicht nur den Studieren­den der Ver­wal­tungs­fach­hochschulen vermittelt das Buch einen guten Überblick, sondern auch Praktikern der Kam­er­al­is­tik, die Fort­bil­dun­gen zur kommunalen Doppik besuchen und weiterführenden Lese- und Übungsstoff benötigen. Das Buch führt zu jedem Kapitel Verständnisfragen sowie die wichtigsten Kernsätze und Übungs­beispiele zum Buchen und Rechnen auf. Leider bildet das Werk nur die Rechtslage des Landes Nor­drhein-West­falen ab. Den Autoren ist das allerdings nicht vorzuwerfen; vielmehr liegt es an der geset­zge­berischen Kle­in­staaterei, durch die das kommunale Haushalts- und Rech­nungswe­sen zu einem unübersichtlichen Para­grafend­schun­gel geworden ist. Kommunale Praktiker aus anderen Bundesländern können sich zwar immer noch an den gut verständlichen Texten und den prax­isori­en­tierten Beispielen erfreuen, meint BooksInShort, sie müssen allerdings aufpassen, wo die Rechtslage ihres Landes vom Buchinhalt abweicht.

Take-aways

  • Das „neue kommunale Fi­nanz­man­age­ment“ besteht aus zwei Reformen: der doppelten Buchführung und der out­puto­ri­en­tierten Steuerung.
  • Die kommunale doppelte Buchführung un­ter­schei­det sich von der kaufmännischen vor allem durch die Fi­nanzrech­nung und die Teil­rech­nun­gen.
  • In der Doppik werden auch interne Leis­tungs­beziehun­gen zwischen den Fach­bere­ichen verbucht. Das geht nur mit einer ergänzenden Kosten- und Leis­tungsrech­nung.
  • Eine Inventur liefert Klarheit über Menge und Wert des Vermögens und der Schulden.
  • Sortiert und gruppiert man die In­ven­tur­ergeb­nisse, erhält man ein Inventar.
  • Komprimiert man das Inventar und stellt es in Kontenform dar, entsteht die Bilanz.
  • Jeder Geschäftsvorfall verändert die Bilanz, und zwar an zwei ver­schiede­nen Stellen.
  • Kann man keinen passenden zweiten Bi­lanz­posten für eine Buchung finden, verändert sich das Eigenkap­i­tal – es wird „gegen das Eigenkap­i­tal“ gebucht.
  • Alle Geschäftsvorfälle in der Bilanz zu verbuchen, wäre unübersichtlich. Daher wird unterjährig auf Konten unterhalb der Bilanzebene gebucht.
  • Am Jahresende werden die Konten abgeschlossen und aus ihren Salden wird eine Schluss­bi­lanz erstellt.
 

Zusammenfassung

Das „neue kommunale Fi­nanz­man­age­ment“

Hinter dem „neuen kommunalen Fi­nanz­man­age­ment“ (NKF) verbergen sich zwei voneinander unabhängige Reformen:

  1. Im kommunalen Rech­nungswe­sen stellt man von der Kam­er­al­is­tik, die den Geld­ver­brauch einer Periode betrachtet, auf die Doppik um. Das ist eine doppelte Buchführung, die den Ressourcenver­brauch einer Periode doku­men­tiert und Auskunft über das Vermögen und die Schulden an einem Stichtag gibt.
  2. Die Kom­mu­nalver­wal­tung unterliegt künftig nicht mehr einer input-, sondern einer out­puto­ri­en­tierten Steuerung. Das bedeutet: Die Zielvor­gaben im kommunalen Haushalt bestehen nicht mehr nur aus Geldbeträgen. Zusätzlich werden Menge, Qualität und möglichst auch Wirkungen der kommunalen Di­en­stleis­tun­gen bzw. Produkte benannt.
„Nur mit der Doppik lässt sich ein kon­so­li­dierter Abschluss für den ,Konzern Kommune‘ erstellen, der weitere wichtige In­for­ma­tio­nen für eine wirtschaftliche Gesamt­s­teuerung liefern kann.“

Das kommunale Haushalt­srecht ist in Deutschland Ländersache. Inzwischen haben alle Bundesländer die Doppik verpflich­t­end oder als Wahlrecht eingeführt; den Beginn machte Nor­drhein-West­falen. Die Rechtslage un­ter­schei­det sich im Detail stark, aber in den Grundsätzen nur wenig, sodass sich die Regelungen aus NRW gut als Grundlage eignen.

„Beson­der­heiten der kommunalen Doppik gegenüber dem kaufmännischen Stan­dard­mod­ell stellen ins­beson­dere die laufend geführte Fi­nanzrech­nung sowie die Teil­rech­nun­gen dar.“

Das Rech­nungswe­sen soll Geschäftsvorgänge doku­men­tieren – das wird mit der Buchführung gemacht. Es soll Rechen­schaft über eine Periode ablegen – das geschieht im Jahresab­schluss und seinen Be­standteilen. Und es ist Teil der Selb­stin­for­ma­tion, indem es den Entschei­dungsträgern Daten für Planung, Steuerung und Kontrolle liefert – dazu dienen z. B. mehrjährige Kenn­zahlen­ver­gle­iche zwischen den Posten des Jahresab­schlusses, Soll-Ist-Ver­gle­iche oder die Plankosten­rech­nung.

Beson­der­heiten der kommunalen doppelten Buchführung

Die kaufmännische doppelte Buchführung kommt mit zwei Komponenten aus: der Gewinn-und-Ver­lust-Rech­nung, die der kommunalen Ergeb­nis­rech­nung entspricht, und der Bilanz. Die Finanzströme einer Periode werden im Jahresab­schluss dargestellt, allerdings nur in Form einer rückwirkend ermittelten Kap­i­talflussrech­nung. Unterjährig liefert die Buchführung in einem Unternehmen daher keine In­for­ma­tio­nen über die Fi­nanzmit­tel. Für den öffentlichen Sektor ist das aus ver­schiede­nen Gründen nicht akzeptabel. Daher wurde die kommunale doppelte Buchführung um eine dritte Komponente erweitert: die Fi­nanzrech­nung. Parallel zu den Konten der Ergeb­nis­rech­nung werden dabei eigenständige Konten der Fi­nanzrech­nung aufgemacht.

„Das Inventar ist die Grundlage eines ordnungsmäßigen Jahresab­schlusses.“

Im privaten Sektor ebenfalls weitgehend unbekannt sind Teil­rech­nun­gen – lediglich kap­i­tal­mark­to­ri­en­tierte Kap­i­talge­sellschaften sind zu einer Seg­ment­berichter­stat­tung verpflichtet. Benötigt ein Unternehmen In­for­ma­tio­nen zu den einzelnen Geschäfts­bere­ichen oder Produkten, greift man auf die be­trieb­sin­terne Kosten- und Leis­tungsrech­nung zurück. Der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit erwarten in Zusam­men­hang mit der out­puto­ri­en­tierten Steuerung deutlich mehr Rechen­schaft von den Kommunen. Deshalb sind pro­duk­t­be­zo­gene Teil­haushalte für Planung und Teil­rech­nun­gen im Jahresab­schluss er­forder­lich. Aufwen­dun­gen und Erträge werden in den Tei­l­ergeb­nis­rech­nun­gen verbucht, Ein- und Auszahlun­gen in den Teil­fi­nanzrech­nun­gen.

„Die Bilanz ist auch dann aus­geglichen, wenn die Schulden das Vermögen der Kommune übersteigen. In diesem Fall wird auf der Aktivseite ein ,Nicht durch Eigenkap­i­tal gedeckter Fehlbetrag‘ (,negatives Eigenkap­i­tal‘) ausgewiesen.“

In den Tei­l­ergeb­nis­rech­nun­gen werden auch Erträge und Aufwen­dun­gen aus internen Leis­tungs­beziehun­gen erfasst, wenn mehrere Teil­bere­iche an der Erstellung eines Produkts beteiligt sind. Für die interne Leis­tungsver­rech­nung (ILV) muss der Leis­tungsaus­tausch zwischen den Einheiten in Menge und Preis bekannt sein. Im privaten Sektor wird die ILV nicht in der Fi­nanzbuch­hal­tung (also in der Gewinn-und-Ver­lust-Rech­nung) gebucht, sondern in der Be­trieb­s­buch­hal­tung (also in der Kosten- und Leis­tungsrech­nung).

Von der Inventur zur Bilanz

Beim Umstieg von der Kam­er­al­is­tik auf die Doppik muss die Kommune alle Vermögensgegenstände und Schulden mengen- und wertmäßig erfassen. Dieser Vorgang heißt Inventur; theoretisch muss er zu jedem neuen Haushalt­s­jahr wiederholt werden. Da das nicht wirtschaftlich wäre, kann man die jährliche körperliche Inventur (Zählen, Messen, Wiegen, Schätzen von Gegenständen) durch eine Fortschrei­bung der Be­standsverze­ich­nisse ersetzen. Eine solche Buch­in­ven­tur ist allerdings nur zulässig, wenn bestimmte In­for­ma­tio­nen zu den Vermögensgegenständen und Schulden wirklich in den entsprechen­den Verze­ich­nis­sen geführt werden. Wer auf eine An­la­genkartei verzichten will, muss also tatsächlich jährlich eine körperliche Inventur durchführen.

„Die Bilanz als Stich­tagsrech­nung enthält die Resultate der beiden Strom­rech­nun­gen Finanz- und Ergeb­nis­rech­nung.“

Die In­ven­tur­ergeb­nisse werden im Inventar zusam­menge­fasst. Darin sind Vermögensgegenstände und Schulden einzeln bzw. in Gruppen zu bezeichnen, ihre Stückzahl und ihr Wert in Euro müssen angegeben werden. Alle Positionen stehen un­tere­inan­der, beginnend mit den Vermögensgegenständen, gefolgt von den Schulden. Ganz unten wird eine weitere Position aufgeführt: das Nettovermögen als Differenz von Vermögensgegenständen minus Schulden, auch Eigenkap­i­tal genannt. Diese Darstellung wird als Staffelform bezeichnet. Das Eigenkap­i­tal kann man nicht durch eine Inventur ermitteln. Es entsteht als Residualgröße und gibt den Unterschied zwischen Vermögen und Schulden an.

„Ein Kon­tenrah­men ist eine Or­gan­i­sa­tion­san­weisung für die Buchführung.“

Komprimiert man die In­for­ma­tio­nen des Inventars und verdichtet sie zu einigen wenigen Posten, erhält man die Bilanz. Sie wird nicht in Staffelform dargestellt, sondern nebeneinan­der in der so genannten Kontenform. Diese Systematik folgt einer einfachen math­e­ma­tis­chen Gleichung. Im Inventar heißt es:

„Während die Er­fol­gskon­ten der Ergeb­nis­rech­nung als Unterkonten des Eigenkap­italkon­tos aufgefasst werden können, handelt es sich bei den Fi­nanzrech­nungskon­ten um Unterkonten des Bi­lanz­postens ‚liquide Mittel‘.“

Vermögen – Schulden = Eigenkap­i­tal

In der Bilanz dagegen bringt man die Schulden auf die andere Seite der Gleichung und erhält so:

Vermögen = Eigenkap­i­tal + Schulden

Von der Bilanz zur Ergebnis- und zur Fi­nanzrech­nung

Theoretisch könnten alle Geschäftsvorfälle durch Buchungen in der Bilanz dargestellt werden. Stets wären zwei Positionen betroffen – sonst würde die Gleichung „Vermögen = Eigenkap­i­tal + Schulden“ nicht mehr stimmen. Und nach jedem Buchungsvor­gang würde man eine neue Bilanz erhalten. Sehr viele Geschäftsvorfälle verändern die Bi­lanz­po­si­tion „Bankguthaben“, weil man etwas bezahlen muss. In einigen Fällen steigt dadurch die Bi­lanz­po­si­tion „Anlagevermögen“, etwa weil man ein Anlagegut gekauft hat. In den meisten Fällen werden Zahlungen allerdings fällig, ohne dass sie sich eindeutig einer anderen Bi­lanz­po­si­tion zuordnen lassen. Beispiele sind die Auszahlung von Gehältern, Zinsen für einen Bankkredit oder der Kauf von Benzin für die Di­en­st­fahrzeuge. Diese Geschäftsvorfälle verringern das Eigenkap­i­tal und müssen gegen diese Position gebucht werden. Umgekehrt werden Erlöse als Eigenkap­i­talzuwachs gebucht.

„Jahresab­schluss und Lagebericht sollen unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen­des Bild der Vermögens-, Schulden, Finanz- und Ertragslage der Kommune vermitteln.“

Sämtliche Buchungen in der Bilanz vorzunehmen, wäre unübersichtlich, vor allem wegen der zahlreichen Geschäftsvorfälle, die das Eigenkap­i­tal und das Bankguthaben betreffen. Daher wird zum Jahre­san­fang eine Bilanz erstellt, deren Anfangsbestände anschließend auf Konten umgebucht werden. Während des Geschäftsjahrs werden sämtliche Geschäftsvorfälle auf den Konten verbucht. Der Schluss­be­stand aller Konten am Jahresende wird wieder in die Bilanz übertragen, die jetzt Schluss­bi­lanz heißt. Um die vielen Buchungen im Eigenkap­italkonto und im Bankkonto übersichtlicher zu gestalten, werden diese beiden Bi­lanz­po­si­tio­nen unterjährig nicht in einem einzigen Konto geführt, sondern – wie eine Ziehhar­monika – zu ganzen Kon­tenklassen aufgezogen. Beim Eigenkap­i­tal heißt diese Ziehhar­monika Ergeb­nis­rech­nung (in der Pri­vatwirtschaft Gewinn-und-Ver­lus­trech­nung), beim Bankkonto spricht man von der Fi­nanzrech­nung. Beide Komponenten der doppelten Buchführung sind also quasi Ergänzungen der Bilanz, die damit im Zentrum der doppelten Buchführung steht.

Kon­tenrah­men und Kontenplan

Theoretisch könnte jede buchführungspflichtige Or­gan­i­sa­tion ihre eigenen Konten erfinden. In der Praxis wäre eine Buchführung dann allerdings nicht überbe­trieblich ver­gle­ich­bar. Und auch innerhalb einer Or­gan­i­sa­tion muss sichergestellt werden, dass alle Un­tere­in­heiten übere­in­stim­mende Konten einrichten und verwenden.

„Im Rahmen der Jahresab­schlus­sanalyse lassen sich aus der Bilanz ziel­gerichtet weitere In­for­ma­tio­nen und Kennzahlen ermitteln.“

Die in­terkom­mu­nale Ver­gle­ich­barkeit stellt ein Kon­tenrah­men sicher, der jeweils vom Lan­des­ge­set­zge­ber erlassen wird. Der landesweit anzuwen­dende Kon­tenrah­men gibt zehn Kon­tenklassen vor, die in Kon­tengrup­pen unterteilt sind. Welche Konten und Unterkonten unterhalb der Kon­tengrup­pen konkret ein­gerichtet werden, entscheidet jede Kommune selbst. Damit die Ämter und Ein­rich­tun­gen einheitlich buchen, ist ein verbindlicher, zentral gepflegter Kontenplan er­forder­lich. Kon­tenrah­men und Kontenplan der Doppik sind an die Stelle der kameralen Haushalts­grup­pierung getreten.

Jahresab­schluss mit neuen In­for­ma­tio­nen

Ist das Haushalt­s­jahr vorüber und wurden alle Geschäftsvorfälle in der Buchführung fest­ge­hal­ten, werden die Konten am Jahresende geschlossen. Die Schlussbestände der Bi­lanzkon­ten werden in die ko­r­re­spondieren­den Posten der Schluss­bi­lanz gebucht. Der Saldo zwischen Erträgen und Aufwen­dun­gen in der Ergeb­nis­rech­nung verändert das Eigenkap­i­tal. Und der Saldo zwischen Ein­zahlun­gen und Auszahlun­gen in der Fi­nanzrech­nung erscheint im Bi­lanz­posten „liquide Mittel“.

„Im Lagebericht wird der Jahresab­schluss erläutert, indem ein Überblick über wichtige Posten und Ereignisse des abge­laufe­nen Haushalt­s­jahres gegeben wird.“

Die Bilanz gibt Auskunft über die Vermögens-, Schulden,- Finanz- und Ertragslage einer Kommune. Das reine Zahlenwerk wird um einen Lagebericht ergänzt. Darin müssen die Kommunen nicht nur wichtige Bi­lanz­posten und andere Sachver­halte erläutern, sondern auch die Risiken der künftigen Entwicklung schlüssig darlegen. Zum Jahresab­schluss einer Kommune gehören neben der Bilanz und dem Lagebericht auch die Ergeb­nis­rech­nung, die Fi­nanzrech­nung und ein Anhang mit weiteren Erläuterungen und Übersichten.

„Die Pflicht zum Ansatz von Rück­stel­lun­gen in der Bilanz trägt wesentlich dazu bei, dass der Einblick in die Schulden­lage der Gemeinde gegenüber der kameralen Jahres­rech­nung verbessert wird.“

Der doppische Jahresab­schluss enthält einen komplett anderen Rech­nungsstoff als die kamerale Jahres­rech­nung und liefert damit andere In­for­ma­tio­nen. Während in der Kam­er­al­is­tik allein die Geldströme fest­ge­hal­ten wurden, geht es in der Doppik um die wirtschaftliche Verur­sachung des Ressourcenver­brauchs, unabhängig vom Zeitpunkt einer konkreten Zahlung. Damit besteht jederzeit Klarheit auch über zukünftige finanzielle Lasten, z. B. Pensionen.

Über die Autoren

Mark Fudalla, Manfred zur Mühlen und Christian Wöste haben als Mitarbeiter einer großen Wirtschaft­sprüfungs- und Be­ratungs­ge­sellschaft mehrere Kommunen in Deutschland bei der Umstellung auf die doppelte kommunale Buchführung beraten.