Das „neue kommunale Finanzmanagement“
Hinter dem „neuen kommunalen Finanzmanagement“ (NKF) verbergen sich zwei voneinander unabhängige Reformen:
- Im kommunalen Rechnungswesen stellt man von der Kameralistik, die den Geldverbrauch einer Periode betrachtet, auf die Doppik um. Das ist eine doppelte Buchführung, die den Ressourcenverbrauch einer Periode dokumentiert und Auskunft über das Vermögen und die Schulden an einem Stichtag gibt.
- Die Kommunalverwaltung unterliegt künftig nicht mehr einer input-, sondern einer outputorientierten Steuerung. Das bedeutet: Die Zielvorgaben im kommunalen Haushalt bestehen nicht mehr nur aus Geldbeträgen. Zusätzlich werden Menge, Qualität und möglichst auch Wirkungen der kommunalen Dienstleistungen bzw. Produkte benannt.
„Nur mit der Doppik lässt sich ein konsolidierter Abschluss für den ,Konzern Kommune‘ erstellen, der weitere wichtige Informationen für eine wirtschaftliche Gesamtsteuerung liefern kann.“
Das kommunale Haushaltsrecht ist in Deutschland Ländersache. Inzwischen haben alle Bundesländer die Doppik verpflichtend oder als Wahlrecht eingeführt; den Beginn machte Nordrhein-Westfalen. Die Rechtslage unterscheidet sich im Detail stark, aber in den Grundsätzen nur wenig, sodass sich die Regelungen aus NRW gut als Grundlage eignen.
„Besonderheiten der kommunalen Doppik gegenüber dem kaufmännischen Standardmodell stellen insbesondere die laufend geführte Finanzrechnung sowie die Teilrechnungen dar.“
Das Rechnungswesen soll Geschäftsvorgänge dokumentieren – das wird mit der Buchführung gemacht. Es soll Rechenschaft über eine Periode ablegen – das geschieht im Jahresabschluss und seinen Bestandteilen. Und es ist Teil der Selbstinformation, indem es den Entscheidungsträgern Daten für Planung, Steuerung und Kontrolle liefert – dazu dienen z. B. mehrjährige Kennzahlenvergleiche zwischen den Posten des Jahresabschlusses, Soll-Ist-Vergleiche oder die Plankostenrechnung.
Besonderheiten der kommunalen doppelten Buchführung
Die kaufmännische doppelte Buchführung kommt mit zwei Komponenten aus: der Gewinn-und-Verlust-Rechnung, die der kommunalen Ergebnisrechnung entspricht, und der Bilanz. Die Finanzströme einer Periode werden im Jahresabschluss dargestellt, allerdings nur in Form einer rückwirkend ermittelten Kapitalflussrechnung. Unterjährig liefert die Buchführung in einem Unternehmen daher keine Informationen über die Finanzmittel. Für den öffentlichen Sektor ist das aus verschiedenen Gründen nicht akzeptabel. Daher wurde die kommunale doppelte Buchführung um eine dritte Komponente erweitert: die Finanzrechnung. Parallel zu den Konten der Ergebnisrechnung werden dabei eigenständige Konten der Finanzrechnung aufgemacht.
„Das Inventar ist die Grundlage eines ordnungsmäßigen Jahresabschlusses.“
Im privaten Sektor ebenfalls weitgehend unbekannt sind Teilrechnungen – lediglich kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften sind zu einer Segmentberichterstattung verpflichtet. Benötigt ein Unternehmen Informationen zu den einzelnen Geschäftsbereichen oder Produkten, greift man auf die betriebsinterne Kosten- und Leistungsrechnung zurück. Der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit erwarten in Zusammenhang mit der outputorientierten Steuerung deutlich mehr Rechenschaft von den Kommunen. Deshalb sind produktbezogene Teilhaushalte für Planung und Teilrechnungen im Jahresabschluss erforderlich. Aufwendungen und Erträge werden in den Teilergebnisrechnungen verbucht, Ein- und Auszahlungen in den Teilfinanzrechnungen.
„Die Bilanz ist auch dann ausgeglichen, wenn die Schulden das Vermögen der Kommune übersteigen. In diesem Fall wird auf der Aktivseite ein ,Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag‘ (,negatives Eigenkapital‘) ausgewiesen.“
In den Teilergebnisrechnungen werden auch Erträge und Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen erfasst, wenn mehrere Teilbereiche an der Erstellung eines Produkts beteiligt sind. Für die interne Leistungsverrechnung (ILV) muss der Leistungsaustausch zwischen den Einheiten in Menge und Preis bekannt sein. Im privaten Sektor wird die ILV nicht in der Finanzbuchhaltung (also in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung) gebucht, sondern in der Betriebsbuchhaltung (also in der Kosten- und Leistungsrechnung).
Von der Inventur zur Bilanz
Beim Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik muss die Kommune alle Vermögensgegenstände und Schulden mengen- und wertmäßig erfassen. Dieser Vorgang heißt Inventur; theoretisch muss er zu jedem neuen Haushaltsjahr wiederholt werden. Da das nicht wirtschaftlich wäre, kann man die jährliche körperliche Inventur (Zählen, Messen, Wiegen, Schätzen von Gegenständen) durch eine Fortschreibung der Bestandsverzeichnisse ersetzen. Eine solche Buchinventur ist allerdings nur zulässig, wenn bestimmte Informationen zu den Vermögensgegenständen und Schulden wirklich in den entsprechenden Verzeichnissen geführt werden. Wer auf eine Anlagenkartei verzichten will, muss also tatsächlich jährlich eine körperliche Inventur durchführen.
„Die Bilanz als Stichtagsrechnung enthält die Resultate der beiden Stromrechnungen Finanz- und Ergebnisrechnung.“
Die Inventurergebnisse werden im Inventar zusammengefasst. Darin sind Vermögensgegenstände und Schulden einzeln bzw. in Gruppen zu bezeichnen, ihre Stückzahl und ihr Wert in Euro müssen angegeben werden. Alle Positionen stehen untereinander, beginnend mit den Vermögensgegenständen, gefolgt von den Schulden. Ganz unten wird eine weitere Position aufgeführt: das Nettovermögen als Differenz von Vermögensgegenständen minus Schulden, auch Eigenkapital genannt. Diese Darstellung wird als Staffelform bezeichnet. Das Eigenkapital kann man nicht durch eine Inventur ermitteln. Es entsteht als Residualgröße und gibt den Unterschied zwischen Vermögen und Schulden an.
„Ein Kontenrahmen ist eine Organisationsanweisung für die Buchführung.“
Komprimiert man die Informationen des Inventars und verdichtet sie zu einigen wenigen Posten, erhält man die Bilanz. Sie wird nicht in Staffelform dargestellt, sondern nebeneinander in der so genannten Kontenform. Diese Systematik folgt einer einfachen mathematischen Gleichung. Im Inventar heißt es:
„Während die Erfolgskonten der Ergebnisrechnung als Unterkonten des Eigenkapitalkontos aufgefasst werden können, handelt es sich bei den Finanzrechnungskonten um Unterkonten des Bilanzpostens ‚liquide Mittel‘.“
Vermögen – Schulden = Eigenkapital
In der Bilanz dagegen bringt man die Schulden auf die andere Seite der Gleichung und erhält so:
Vermögen = Eigenkapital + Schulden
Von der Bilanz zur Ergebnis- und zur Finanzrechnung
Theoretisch könnten alle Geschäftsvorfälle durch Buchungen in der Bilanz dargestellt werden. Stets wären zwei Positionen betroffen – sonst würde die Gleichung „Vermögen = Eigenkapital + Schulden“ nicht mehr stimmen. Und nach jedem Buchungsvorgang würde man eine neue Bilanz erhalten. Sehr viele Geschäftsvorfälle verändern die Bilanzposition „Bankguthaben“, weil man etwas bezahlen muss. In einigen Fällen steigt dadurch die Bilanzposition „Anlagevermögen“, etwa weil man ein Anlagegut gekauft hat. In den meisten Fällen werden Zahlungen allerdings fällig, ohne dass sie sich eindeutig einer anderen Bilanzposition zuordnen lassen. Beispiele sind die Auszahlung von Gehältern, Zinsen für einen Bankkredit oder der Kauf von Benzin für die Dienstfahrzeuge. Diese Geschäftsvorfälle verringern das Eigenkapital und müssen gegen diese Position gebucht werden. Umgekehrt werden Erlöse als Eigenkapitalzuwachs gebucht.
„Jahresabschluss und Lagebericht sollen unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Schulden, Finanz- und Ertragslage der Kommune vermitteln.“
Sämtliche Buchungen in der Bilanz vorzunehmen, wäre unübersichtlich, vor allem wegen der zahlreichen Geschäftsvorfälle, die das Eigenkapital und das Bankguthaben betreffen. Daher wird zum Jahresanfang eine Bilanz erstellt, deren Anfangsbestände anschließend auf Konten umgebucht werden. Während des Geschäftsjahrs werden sämtliche Geschäftsvorfälle auf den Konten verbucht. Der Schlussbestand aller Konten am Jahresende wird wieder in die Bilanz übertragen, die jetzt Schlussbilanz heißt. Um die vielen Buchungen im Eigenkapitalkonto und im Bankkonto übersichtlicher zu gestalten, werden diese beiden Bilanzpositionen unterjährig nicht in einem einzigen Konto geführt, sondern – wie eine Ziehharmonika – zu ganzen Kontenklassen aufgezogen. Beim Eigenkapital heißt diese Ziehharmonika Ergebnisrechnung (in der Privatwirtschaft Gewinn-und-Verlustrechnung), beim Bankkonto spricht man von der Finanzrechnung. Beide Komponenten der doppelten Buchführung sind also quasi Ergänzungen der Bilanz, die damit im Zentrum der doppelten Buchführung steht.
Kontenrahmen und Kontenplan
Theoretisch könnte jede buchführungspflichtige Organisation ihre eigenen Konten erfinden. In der Praxis wäre eine Buchführung dann allerdings nicht überbetrieblich vergleichbar. Und auch innerhalb einer Organisation muss sichergestellt werden, dass alle Untereinheiten übereinstimmende Konten einrichten und verwenden.
„Im Rahmen der Jahresabschlussanalyse lassen sich aus der Bilanz zielgerichtet weitere Informationen und Kennzahlen ermitteln.“
Die interkommunale Vergleichbarkeit stellt ein Kontenrahmen sicher, der jeweils vom Landesgesetzgeber erlassen wird. Der landesweit anzuwendende Kontenrahmen gibt zehn Kontenklassen vor, die in Kontengruppen unterteilt sind. Welche Konten und Unterkonten unterhalb der Kontengruppen konkret eingerichtet werden, entscheidet jede Kommune selbst. Damit die Ämter und Einrichtungen einheitlich buchen, ist ein verbindlicher, zentral gepflegter Kontenplan erforderlich. Kontenrahmen und Kontenplan der Doppik sind an die Stelle der kameralen Haushaltsgruppierung getreten.
Jahresabschluss mit neuen Informationen
Ist das Haushaltsjahr vorüber und wurden alle Geschäftsvorfälle in der Buchführung festgehalten, werden die Konten am Jahresende geschlossen. Die Schlussbestände der Bilanzkonten werden in die korrespondierenden Posten der Schlussbilanz gebucht. Der Saldo zwischen Erträgen und Aufwendungen in der Ergebnisrechnung verändert das Eigenkapital. Und der Saldo zwischen Einzahlungen und Auszahlungen in der Finanzrechnung erscheint im Bilanzposten „liquide Mittel“.
„Im Lagebericht wird der Jahresabschluss erläutert, indem ein Überblick über wichtige Posten und Ereignisse des abgelaufenen Haushaltsjahres gegeben wird.“
Die Bilanz gibt Auskunft über die Vermögens-, Schulden,- Finanz- und Ertragslage einer Kommune. Das reine Zahlenwerk wird um einen Lagebericht ergänzt. Darin müssen die Kommunen nicht nur wichtige Bilanzposten und andere Sachverhalte erläutern, sondern auch die Risiken der künftigen Entwicklung schlüssig darlegen. Zum Jahresabschluss einer Kommune gehören neben der Bilanz und dem Lagebericht auch die Ergebnisrechnung, die Finanzrechnung und ein Anhang mit weiteren Erläuterungen und Übersichten.
„Die Pflicht zum Ansatz von Rückstellungen in der Bilanz trägt wesentlich dazu bei, dass der Einblick in die Schuldenlage der Gemeinde gegenüber der kameralen Jahresrechnung verbessert wird.“
Der doppische Jahresabschluss enthält einen komplett anderen Rechnungsstoff als die kamerale Jahresrechnung und liefert damit andere Informationen. Während in der Kameralistik allein die Geldströme festgehalten wurden, geht es in der Doppik um die wirtschaftliche Verursachung des Ressourcenverbrauchs, unabhängig vom Zeitpunkt einer konkreten Zahlung. Damit besteht jederzeit Klarheit auch über zukünftige finanzielle Lasten, z. B. Pensionen.