Verhaltens- und Kommunikationsstile

Buch Verhaltens- und Kommunikationsstile

Erkennen und optimieren

Hogrefe,


Rezension

Im beruflichen Alltag, wo wir oft über Dinge stolpern, die wir eigentlich schon kennen und die uns doch immer wieder zum Verhängnis werden, braucht es mehr Sach­lichkeit. Dabei hilft das Buch von Eberhardt Hofmann. Sein Ansatz lautet: Sach­lichkeit lässt sich erreichen, indem man seine Ver­hal­tensautoma­tis­men abstellt oder sie verändert. Hofmann zeigt detailliert, wie man sein eigenes Verhalten erst mal analysieren und dann weit­er­en­twick­eln kann. Die In­for­ma­tions­dichte des Buches und der etwas trockene Schreibstil machen die Beschäftigung mit dem ohnehin komplexen Thema allerdings nicht gerade einfach. Sehr praktisch sind hingegen die zahlreichen Übungen, die Hofmann vorschlägt. Sie lassen das Werk zu einem echten Arbeitsbuch werden. Mit dessen Hilfe und mit ein wenig Konzen­tra­tion lässt sich das eigene Verhalten durchaus verändern. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die das Gefühl haben, dass sie ihrem Erfolg manchmal selbst im Weg stehen.

Take-aways

  • Schon als Kind eignet sich der Mensch die ersten Ver­hal­tens­muster oder Not­fall­regeln an.
  • Ein solches Muster besteht aus einer zentralen Angst, einem zentralen Bedürfnis und dem daraus en­twick­el­ten Ver­hal­tensstil.
  • Gerade in Stress­si­t­u­a­tio­nen reagieren wir stark au­toma­tisiert nach diesen Mustern.
  • Wenn Sie sich davon lösen wollen, formulieren Sie in einem Satz Ihre Not­fall­regel und überlegen Sie, in welche En­twick­lungsregel Sie sie verwandeln wollen.
  • Verbinden Sie die Not­fall­regel mit negativen und die En­twick­lungsregel mit positiven Vorstel­lun­gen.
  • Stellen Sie sich die negativen Kon­se­quen­zen Ihres aktuellen Verhaltens vor, ebenso die positiven einer Veränderung.
  • Finden Sie Argumente gegen Ihre Not­fall­regel: the­o­retis­che, persönliche und solche von wichtigen Personen.
  • Verfremden Sie die von Ihrer inneren Stimme gesprochene Not­fall­regel, indem Sie die innere Stimme verändern, z. B. bezüglich Dialekt oder Lautstärke.
  • Verändern Sie Ihr Verhalten im Alltag. Testen Sie es in ungefährlichen Situationen.
  • Die Veränderung passiert nicht schnell, Sie werden viel Zeit und Übung brauchen.
 

Zusammenfassung

Persönlichkeit ist die Ansammlung von Not­fall­regeln

Als kleine Kinder fangen wir an, Hand­lungsrou­ti­nen einzuüben und so genannte Not­fall­regeln aufzustellen. Wir erleben das Handeln anderer Menschen und ziehen Schlüsse aus zwis­chen­men­schlichen Situationen. Immer wenn wir später in ähnliche Situationen kommen, verfallen wir in Hand­lungsrou­ti­nen, die wir im Lauf der Zeit eingeübt haben. Wir haben gelernt, mit einem gewissen Repertoire an Routinen auf alle möglichen Situationen zu reagieren. Auch die Reak­tion­s­geschwindigkeit wird dabei immer schneller. Je stressiger eine Situation ist, desto au­toma­tis­cher reagieren wir. Das bedeutet, dass wir viele unserer Ver­hal­tensweisen im Alltag und unter Stress nicht mehr wirklich bewusst steuern; sie sind erlernt. Unser Bild der zwis­chen­men­schlichen Realität ist konstruiert. Deshalb scheitern wir z. B. so oft, wenn „die Chemie nicht stimmt“. Oder wir stolpern über immer wieder ähnliche Schwierigkeiten. Wenn Sie das ändern wollen und vorhaben, Ihr Verhalten sachlicher und bewusster zu gestalten, müssen Sie die erlernten Muster korrigieren.

Not­fall­regeln erfassen

Der erste Schritt zu einer Bearbeitung Ihrer au­toma­tis­chen Hand­lungsmuster besteht darin, Ihre Not­fall­regeln zu erkennen. Achten Sie darauf, ob sich Ihre Regeln im Privaten und Beruflichen un­ter­schei­den. Machen Sie sich jede dieser Regeln bewusst. Grundlegend für jede Routine sind eine zentrale Angst, ein zentrales Bedürfnis sowie – um beides in Einklang zu bringen – ein bevorzugter Ver­hal­tensstil. Ihr zentrales Bedürfnis erkennen Sie, wenn Sie sich daran erinnern, welche Wünsche Sie als Kind zu selten oder nur mit großer Anstrengung befriedigen konnten. Dabei kann es sich z. B. um den Wunsch nach Lob, Bewunderung, Aufmerk­samkeit, Nähe, Schutz oder Autonomie handeln. Als Erwachsener werden Sie ständig irrationale Entschei­dun­gen treffen, die dafür sorgen, dass exakt die Bedürfnisse von damals befriedigt werden. Die zentrale Angst sagt Ihnen, was Sie unbedingt vermeiden müssen, wenn Sie mit Menschen in­ter­agieren. Das kann z. B. die Angst davor sein, Anerkennung oder die Kontrolle zu verlieren. Der bevorzugte Ver­hal­tensstil ist die Reaktion auf die ersten beiden Teile, auf die Angst und das Bedürfnis: Sie versuchen, beiden gerecht zu werden. Formulieren Sie in einem Satz, was Ihre Angst, Ihr Bedürfnis und Ihr Ver­hal­tensstil ausmacht; dann haben Sie Ihre Not­fall­regel. Diese könnte etwa so lauten: „Wenn ich in wichtigen Beziehungen eher zu x bin, bewahre ich mir y und verhindere z.“ Dabei steht x für den bevorzugten Ver­hal­tensstil, y für das zentrale Bedürfnis und z für die zentrale Angst.

Verhaltens- und Kom­mu­nika­tion­sstile

Man un­ter­schei­det sieben Verhaltens- und Kom­mu­nika­tion­sstile, die im Alltag häufig auftreten und die alle auf einer bestimmten Not­fall­regel beruhen:

  1. selb­st­be­zo­gen,
  2. gewis­senhaft,
  3. drama­tisierend,
  4. kritisch,
  5. ra­tio­nal-dis­tanziert,
  6. kooperativ,
  7. sen­si­bel-ver­mei­dend.
„Die au­toma­tisierten Ver­hal­tensweisen sind zeitlich sehr konstant und laufen relativ stan­dar­d­isiert ab. Je stress­re­icher eine Situation ist, in der man sich befindet, desto rigider wird das au­toma­tisierte Verhalten sein.“

Es ist hilfreich, diese Stile zu kennen – zum einen, damit Sie mit anderen Menschen angemessen in­ter­agieren können, zum anderen, damit Sie Ihre Not­fall­regel so formulieren, dass sie mit Ihrem persönlichen Stil übere­in­stimmt.

Von der Not­fall­regel zur En­twick­lungsregel

Wenn Sie Ihre Not­fall­regel haben, bestimmen Sie, wie Sie diese verändern möchten. Sicher hat sie manchmal gut funk­tion­iert. Sie bringt aber auch Nachteile mit sich: Was sind die Kosten Ihrer Not­fall­regel? Finden Sie so viele konkrete Beispiele dazu wie möglich. Daraus können Sie ableiten, wie Ihr verändertes Verhalten aussehen muss. Formulieren Sie dieses Verhalten in einem Satz: Damit haben Sie Ihre En­twick­lungsregel. Im Alltag sollten Sie Ihr Verhalten in kleinen Schritten ändern. Wählen Sie zunächst entspannte, unkritische Situationen und verhalten Sie sich bewusst anders als sonst, nämlich so, wie es der veränderten Not­fall­regel, der En­twick­lungsregel, entspricht. Wenn Sie das immer wieder tun, werden Sie darin sicherer und Ihre Au­toma­tis­men werden sich verändern. Versuchen Sie auch, sich rein gedanklich zu verändern. Dies kann die Übung im Alltag nicht ersetzen, es hilft aber dem Prozess als Ganzem.

Veränderung durch Kon­se­quen­zen

Wenn zwei Dinge oft gle­ichzeitig auftreten, verknüpft Sie unser Gehirn miteinander. Wir assoziieren dann das eine mit dem anderen. Deshalb wird bei der ersten gedanklichen Veränderungsmeth­ode, der Veränderung durch Kon­se­quen­zen, ein Trick angewandt: Sie verknüpfen die Not­fall­regel mit ihren negativen Kon­se­quen­zen und die En­twick­lungsregel mit den positiven Folgen. Gehen Sie in vier Schritten vor:

  1. Notieren Sie die negativen Folgen der Not­fall­regel. Etwa: „Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, arbeite deshalb mehr, als ich muss, und habe weniger Freizeit.“
  2. Notieren Sie die positiven Kon­se­quen­zen der En­twick­lungsregel. Etwa: „Ich hätte mehr Zeit für meine Familie.“
  3. Lernen Sie Ihre Not­fall­regel, Ihre En­twick­lungsregel, die negativen Folgen der Not­fall­regel sowie die positiven Folgen der En­twick­lungsregel auswendig.
  4. Denken Sie möglichst oft an die Not­fall­regel, an deren negative Kon­se­quen­zen, an die En­twick­lungsregel und an deren positive Kon­se­quen­zen – und zwar exakt in dieser Reihenfolge.
„Um das zentrale Bedürfnis zu erfassen, sollten Sie sich zunächst eine schwierige Situation im Umgang mit einem anderen Menschen vorstellen.“

Auf diese Weise werden Sie später die En­twick­lungsregel mit positiven Dingen assoziieren und die Not­fall­regel mit negativen.

Veränderung durch positive und negative Vorstel­lun­gen

Machen Sie sich Ihre zu verändernde Not­fall­regel madig und Ihre En­twick­lungsregel sexy. Dazu verknüpfen Sie die Not­fall­regel mit einer negativen Vorstellung und die En­twick­lungsregel mit einer positiven. Wichtig ist, dass diese Vorstel­lun­gen oder Bilder in keinem direkten Verhältnis zur Notfall- oder En­twick­lungsregel stehen. Suchen Sie sich also eine Vorstellung aus einem ganz anderen Lebens­bere­ich aus und am besten etwas, worauf Sie sehr emotional reagieren. Gehen Sie in drei Schritten vor:

  1. Suchen Sie sich eine positive Vorstellung, die nicht mit der Notfall- und En­twick­lungsregel zu tun hat. Das kann z. B. die Erinnerung an einen Urlaub sein.
  2. Suchen Sie sich eine für Sie persönlich negative Vorstellung, z. B. Ihren letzten Zah­narztbe­such.
  3. Stellen Sie sich Folgendes genau in dieser Reihenfolge vor: die Not­fall­regel, die möglichst genaue und intensive negative Vorstellung, die En­twick­lungsregel, die möglichst genaue und intensive positive Vorstellung.

Veränderung durch Gege­nar­gu­mente

In fünf Schritten unterstützen Sie die Veränderung der Not­fall­regel durch Gege­nar­gu­mente:

  1. Im ersten Schritt halten Sie ganz allgemein fest, welche Argumente gegen Ihre Not­fall­regel sprechen, z. B.: „Kein Mensch ist perfekt.“
  2. Im zweiten Schritt halten Sie fest, was wichtige Personen in Ihrem Umfeld als Argumente gegen Ihre Not­fall­regel nennen. Fragen Sie diese Personen oder rufen Sie die Antworten dann in Gedanken ab.
  3. Notieren Sie als Drittes, welche Argumente aus Ihrer persönlichen Sicht dagegen sprechen, dass Ihre Not­fall­regel richtig ist. Denken Sie z. B. an konkrete Situationen, in denen sich die Regel als falsch erwiesen hat.
  4. Lernen Sie als Nächstes alle Gege­nar­gu­mente auswendig.
  5. Wiederholen Sie die Gege­nar­gu­mente in der folgenden Reihenfolge: Not­fall­regel, the­o­retis­che Gege­nar­gu­mente, Argumente wichtiger Personen, Ihre eigenen Argumente.
„Ähnlich wie es in der Physik eine ,Trägheit‘ gibt, scheint es auch eine Trägheit, ein Be­har­rungsvermögen im Verhalten zu geben.“

Am Anfang werden Sie die Gege­nar­gu­mente vielleicht als sehr abstrakt erleben. Aber mit der Zeit werden Sie persönlicher und konkreter. Der positive Effekt: Ihre alte Not­fall­regel wird dabei zunehmend unglaubwürdig.

Formale Veränderung

Eine zentrale Rolle bei dieser Methode spielt Ihre innere Stimme und speziell deren Submodalitäten: Geschlecht, Höhe, Richtung, Lautstärke, Geschwindigkeit, Dialekt, Sprache und Melodie. Wenn Sie diese Submodalitäten ändern, verfremden Sie den Inhalt, und Sie bekommen Distanz zur Not­fall­regel. Ziehen Sie sich an einen ruhigen Ort zurück und nehmen Sie sich mindestens 15 Minuten Zeit. Wenn es Ihnen hilft, schließen Sie die Augen. Sagen Sie sich die Not­fall­regel immer wieder vor und achten Sie darauf, welches Geschlecht, welche Lautstärke, Tonhöhe usw. sie hat. Als Nächstes verändern Sie nacheinan­der die ver­schiede­nen Submodalitäten. Sagen Sie sich den Satz immer wieder mit einer anderen Veränderung vor. Wiederholen Sie die Übung häufig. Denn hier wie für die anderen Methoden gilt: Die Veränderung einer Not­fall­regel braucht viele Wieder­hol­un­gen.

Schwierigkeiten bei der Veränderung

Unser Gehirn ist in Stress­si­t­u­a­tio­nen nicht besonders kreativ, sondern verlässt sich auf Au­toma­tis­men. Lassen Sie sich darum Zeit und verändern Sie Ihr Verhalten nicht für aktuelle Stress­si­t­u­a­tio­nen, sondern für die Zukunft. Lassen Sie sich also nicht von Ihren Übungen abhalten, wenn diese nicht sofort Früchte tragen, aber nehmen Sie es auch nicht als Entschuldigung, dass Sie die Ver­hal­tensweisen als Kind gelernt haben. Machen Sie sich vielmehr klar, dass Kinder erstens leichter lernen und zweitens weniger kritisch Ihrer Umwelt gegenüber sind. Es ist normal, wenn Sie neue Muster und Denkweisen als fremd, unnatürlich oder aufgesetzt empfinden. Das ist sogar ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass Sie etwas verändern, dass Sie nicht stehen bleiben. Mit jeder Übung müssen Sie weniger Energie aufwenden, und das Be­har­rungsvermögen Ihres alten Verhaltens schwindet.

Rückfälle wegstecken

Rückfälle sind normal, machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Auch nicht, wenn die Veränderung nicht sprunghaft ist. Eine Verhaltensänderung durchläuft nor­maler­weise mehrere Phasen: Erst mal scheint sie unmöglich zu sein, weil Ihnen anderes wichtiger ist oder es Ihnen einfach nicht bekannt ist, dass Sie Ihr Verhalten ändern sollten. Später denken Sie über die Änderung nach und suchen In­for­ma­tio­nen; Aufwand und Nutzen sind Ihnen noch nicht ganz klar. In der nächsten Phase sind Sie für die Veränderung bereit und planen sie vielleicht sogar schon. Sie probieren etwas Neues aus und schauen, welche Schwierigkeiten auftreten können. Die neue Ver­hal­tensweise wird nun auch für andere Personen sichtbar. Schließlich festigt sich Ihr neues Verhalten und wird immer au­toma­tis­cher. Aber Achtung: Sie werden diese Phasen nicht nacheinan­der durchlaufen, sondern vor- und rückwärts hüpfen, besonders, wenn Sie Angst und Ärger empfinden, in kon­flik­tre­ichen Beziehungen stecken oder in einer Situation sind, in der Sie starken sozialen Druck erleben. Sie werden vielleicht auch in einer Phase stecken bleiben. Entschei­dend ist, dass Ihnen das bewusst wird: Dann können Sie weit­er­ma­chen und üben, bis Sie sich Ihrer En­twick­lungsregel gemäß verhalten.

Über den Autor

Eberhardt Hofmann ist Dipl.-Psychologe und arbeitete als Per­son­alen­twick­ler in ver­schiede­nen Großor­gan­i­sa­tio­nen und an Hochschulen. Er ist Autor der Bücher Per­son­alen­twick­lung: Wie es in der Praxis wirklich läuft und Ein­stel­lungs­ge­spräche erfolgreich führen.