Das Auf und Ab an der Börse – ein Blick in die Geschichte
Ein Blick in die Geschichte der Finanzmärkte zeigt Widersprüche. Einerseits ist es eine Illusion, zu glauben, dass man das komplexe Marktgeschehen ganz durchschauen könnte. Andererseits trägt eine historische Analyse der Finanzmärkte – als Spiegel der Realwirtschaft – dazu bei, langfristige Entwicklungen besser zu verstehen. Die westlichen Nationen waren in den 1970er Jahren von wirtschaftlichen Schocks, Rezessionen und Inflation gekennzeichnet. Erst die neoliberale Wirtschaftspolitik, unterstützt durch die Globalisierung, führte bis in die 90er-Jahre zu einem stabilen Wirtschaftsaufschwung. Tiefe Inflationsraten und hohe Unternehmensgewinne waren an der Tagesordnung. Dennoch erschienen zweistellige Renditen in den 90er Jahren manchem kritischen Beobachter als ganz und gar nicht nachhaltig. Und tatsächlich: Wer im neuen Jahrhundert auf eine Fortsetzung dieser Entwicklung hoffte, musste mit einer Nullrendite eine Enttäuschung hinnehmen.
„Das wichtigste Aktivum einer Zentralbank ist und bleibt ihre Glaubwürdigkeit.“
Obwohl einige Ereignisse wie die Asienkrise 1997 das System kurzfristig erschütterten, waren die „Roaring Nineties“ von viel Optimismus geprägt. Die Aktienmärkte begeisterten die Anleger mit Steigerungsraten zwischen 300 und 400 %. Dies war längst ein Signal für eine fundamentale Überbewertung. Eine Mischung aus verschiedenen Ereignissen führte an der Jahrtausendwende schließlich zum Konjunktureinbruch. Die New-Economy-Fantasie verblasste, und die Internetblase platzte. Aktien – mittlerweile zum Sparinstrument für Otto Normalinvestor avanciert – korrigierten global kräftig nach unten. Wenige Jahre später ging es wieder aufwärts: Nachdem sich Europa noch Ende 2002 in einer Rezession befand, schlug die Stimmung im Frühjahr 2003 um. Die Aktienmärkte legten dank explodierender Unternehmensgewinne bis 2006 wieder um rund 100 % gegenüber den Tiefständen von 2003 zu. In den ersten zehn Jahren des neuen Jahrhunderts sahen Anleger Phasen mit tiefen Zinsen, die die Aktienmärkte wieder zu den alten Höchstmarken katapultierten. Dann jedoch sorgten steigende Zinsen wieder für fallende Märkte; diesmal traf es den überschuldeten Privatsektor sowie den überbewerteten Immobilienmarkt.
Langfristige Rendite und kurzfristiges Risiko
Während Aktien langfristig eine durchschnittliche jährliche Rendite zwischen 6 und 8 Prozent erzielen, erhalten Sie bei Obligationen zwischen 4,5 und 6,5 Prozent. Dieses Resultat hat sich in den letzten Jahren, trotz seltener Ereignisse mit dramatischen Konsequenzen („schwarze Schwäne“), nicht wesentlich verändert. Finanzmärkte neigen nun mal zu Unter- und Übertreibungen. Krisen sind dort quasi Alltag. Die Renditegenerierung an den Börsen hängt überwiegend von der Wirtschafts- und Unternehmensentwicklung, der Innovationskraft und der Triebfeder Gewinnentwicklung ab. Produkte und Prozesse in den neuen Technologien lassen die Unternehmensgewinne weiterhin ansteigen. Ebenso lohnt sich ein Blick in Richtung der aufstrebenden Länder (z. B. Asien oder Mittel- und Osteuropa). Anleger fürchten sich zwar oft vor der Schwankungsbreite (Volatilität) einer Anlage. Höhere Renditen können Sie jedoch nur erreichen, wenn Sie auch höhere Risiken in Kauf nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Jahr Verluste zu verbuchen, liegt mit Aktien bei 30 Prozent, mit Obligationen bei 10 Prozent. Nimmt man eine längerfristige Perspektive ein, sieht es schon besser aus: Mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren ist Ihr Risiko, mit Aktien im negativen Bereich zu liegen, äußerst begrenzt. In der kurzen Frist sorgen zwei Elemente dafür, dass heftige Kursausschläge die Märkte als chaotisch, unsicher und zufällig erscheinen lassen:
- Der durchschnittliche Finanzmarktakteur ist ebenso schlau wie Sie selbst, und alle relevanten Informationen und Erwartungsveränderungen werden ohne Verzögerungen im Preis verarbeitet (Effizienzmarkthypothese). So kommt es, dass neue Informationen und Überraschungen (die gibt es ständig) die Preisbildung antreiben und für heftige Ausschläge in die eine oder andere Richtung sorgen.
- Faustregeln, die der Investor nutzt, um die Informationsflut zu verarbeiten, können dabei helfen, die kurzfristige Dynamik auf den Finanzmärkten zu erklären. Es gibt z. B. das Herdenverhalten der Anleger oder den Glücksspieleffekt, der zur Blasenbildung am Aktienmarkt beitragen kann.
Geldpolitische Instrumente der Zentralbanken
Ab Mitte der 80er Jahre betrieben die Zentralbanken eine restriktive Geldpolitik mit dem Ziel der Inflationsbekämpfung bzw. der Sicherung der Kaufkraft. Speerspitze dieser Bewegung war Alan Greenspan, der langjährige Präsident der amerikanischen Notenbank FED, aber auch sein Vorgänger Paul Volcker war bereits diesem Muster gefolgt. Eine Notenbank wirkt mit der Geldpolitik auf die Zinsstruktur und damit indirekt auf die Konjunktur ein. Immer wenn die FED die kurzfristigen Geldmarktzinsen über den Langfristrenditen amerikanischer Staatsanleihen ansetzte, würgte das die Möglichkeit der Banken, weitere Kredite zu vergeben, quasi ab. Dies führte in den letzten 30 Jahren wiederholt zu einem Rückgang der Wirtschaftsaktivität und der Aktienmärkte. Bei einer Rezession drehte die Notenbank das Steuer dann rasch in die Gegenrichtung und führte mit der Zinsbremse eine Senkung der Geldmarktzinsen herbei. Die Zinsen normalisierten sich und der Konjunkturzug nahm wieder Fahrt auf.
„Das Erreichen der Indexrenditen ist für einen durchschnittlichen Investor insofern nicht ganz einfach, als der Index auf der einen Seite ein vollständig diversifiziertes Aktienportfolio abbildet und auf der anderen Seite eine permanente Reinvestition der Dividenden vorsieht.“
Die Tiefzinspolitik hat den US-Hypotheken- und Immobilienmarkt bekanntlich überhitzt. Mitten in der Finanzkrise mit ihren Rettungsübungen versuchte Greenspans Nachfolger Ben Bernanke erstmals, die langfristigen Zinssätze zu beeinflussen, indem er am Markt für langfristige US-Schuldpapiere intervenierte und die Gelddruckmaschinen anwarf, um das US-Budgetdefizit zu finanzieren. Das System konnte zwar vor dem Kollaps bewahrt werden, doch ist auf diese Weise eine Liquiditätsschwemme entstanden, die die Inflation anheizt.
Finanzmärkte sind effizient
Wer ist schuld an den immer wieder auftretenden Talfahrten der Märkte? Um diese Frage zu beantworten, muss man nicht nur das Eigeninteresse der Analysten und Anlageberater in Betracht ziehen, sondern auch die überzogenen Erwartungen der Anleger an ebendiese Analysten und Berater. Finanzmärkte sind effizient. Anlageberatung ist ein Langfristgeschäft und dient nie dem kurzfristigen Heraustüfteln des richtigen Einzeltitels. Ein titelspezifisches Risiko einzugehen, ist nicht lohnenswert. Der erste und wichtigste Grundsatz der Geldanlage führt bekanntlich immer zu einem breit gestreuten Gesamtportfolio (Diversifikation).
Der Ausbruch der Finanzkrise
Anfang 2007 brach am US-Hypotheken- und Immobilienmarkt die Subprimekrise aus. In Wertpapieren gebündelte Kredite entpuppten sich als gefährliche Anlagen. Das Jahr 2008 war weltweit von wirtschaftlichen und finanziellen Notständen geprägt – von Bankeninsolvenzen bis hin zu weitreichenden staatlichen Maßnahmen in Milliardenhöhe. Es entbrannte eine Diskussion über die Größe systemrelevanter Banken („too big to fail“). Als Ausgangspunkt für die Krise kann ein Versagen auf drei Ebenen ausgemacht werden:
- Staatsversagen: Mit wachsender Größe erreichten einzelne Firmen schleichend eine enorme Macht, die es ihnen erlaubte, ganze Volkswirtschaften bzw. das Gemeinwesen zu erpressen. Denn die Unternehmensführung hat stets im Hinterkopf, dass sie sich im Notfall auf die finanzielle Hilfe des Staates verlassen kann. Die Finanzierung des auf diese Weise anwachsenden Schuldenbergs des Staates belastet jedoch künftige Generationen. Damit wurde der Grundstein für die nächste größere Krise gelegt, die mit staatlichen Maßnahmen nicht mehr zu lösen ist.
- Analyseversagen: Durch ausgeklügelte Risikomodelle und quantitativ angelegte Analysen mit Standardkennzahlen ging eine wichtige Tatsache vergessen: Finanzmärkte sind komplexe interaktive Systeme und kein mechanisch-physikalisches Konstrukt. Die Kenntnis der Grenzen der Analyseverfahren und Methodenvielfalt sind darum wichtige Aspekte des Risikomanagements.
- Corporate-Governance-Versagen: Über Gehälter und Boni wird in der Wirtschaft versucht, Interessen von Managern und Investoren einander anzugleichen. Erfahrungsgemäß kommt es dabei zu falsch gesetzten Anreizen, und es entstehen Strukturen, die es einzelnen oder mehreren Akteuren erlaubten, sich Kontrollen zu entziehen.
„Die Leute halten Verliererpositionen in ihrem Aktienportfolio zu lange und verkaufen Gewinnerpositionen zu früh.“
Zur Jahreswende 2009/10 hatten die Aktienmärkte weltweit wieder ungefähr 50 % zugelegt. Banken erzielten erneut Milliardengewinne. Trotzdem wurden aus den Strukturschwächen, die die Finanzkrise schonungslos aufgedeckt hat, keine nennenswerten Lehren gezogen.
Moderne Anlagestrategien
Wenn Affen oder kleine Mädchen eine bessere Marktperformance bieten als Anlageprofis, wie in Experimenten geschehen, wirft das kein gutes Licht auf die Finanzdienstleistungsbranche. Dabei sind gerade in diesem Berufsstand Vertrauen und Glaubwürdigkeit entscheidend. Weil viele Mittel in die Kurzfristanalyse bzw. in den Verkauf kommissionsgetriebener Produkten fließen, erhöht die Schar von Analysten die Informationsqualität erheblich; ja, durch sie wird die Markteffizienz erst hervorgebracht. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Anstrengungen in der Forschung nicht vielmehr in bislang vernachlässigten Bereichen vorangetrieben werden sollten, z. B. hinsichtlich Risikomanagement oder Financial Engineering.
„Fehler sind viele gemacht worden; bei der Produktentwicklung, bei der Anlageberatung, aber auch bei den Anlegern selbst, die eben auch Verantwortung tragen für das, was sie tun.“
Gesetzliche Vorschriften können zwar die Transparenz erhöhen, aber auch die Unternehmensführung nach wirtschaftlich vernünftigen Grundsätzen verhindern. Die gängige Rechnungslegung etwa gerät mit dem Management der Langzeitrisiken in Konflikt und macht z. B. den Versicherungen einen Strich durch die Rechnung. Auch manche Händler und Medien forcieren die Kurzfristorientierung.
„Wichtig ist, dass man nie den Unterschied zwischen Strategie und kurzfristigem Aktivismus vergisst und nicht plötzlich wegen einzelner glücklicher Wetten alles auf eine Karte setzt.“
Die Erkenntnis der Notwendigkeit von Diversifikation rückt Anlagefonds zunehmend in den Fokus. Die Flut von fantasievollen, neuen und intransparenten Investitionsmöglichkeiten, z. B. Hedgefonds, schreit heute förmlich nach Orientierung. Seit Mitte 2006 ist es den traditionellen Anlagefonds in der Schweiz erlaubt, Derivate oder strukturierte Produkte einzusetzen. Die Transparenz der herkömmlichen Anlagefonds wurde geopfert; sie verkommen so zu undurchsichtigen Hedgefonds. Die Transparenz der Produkte, insbesondere der Kosten, spielt aber die Hauptrolle für den Anlageentscheid. Teilweise geht es in der Produkteküche der Anbieter nicht primär darum, Anlegerbedürfnisse abzudecken, sondern saftige Kommissionen einzustreichen.
Thesen und Fazit
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman behauptet, ähnlich wie der Börsenguru André Kostolany, die Anleger hätten aus der Finanzmarktgeschichte noch nie etwas gelernt. Kahneman wirft den Investoren vor, immer wieder dieselben Fehler zu begehen. Doch mit Disziplin und der Berücksichtigung der folgenden fünf Prinzipien können Sie als Anleger trotzdem erfolgreich sein:
- Ersparnisse systematisch aufbauen: mit einer langfristigen Anlagestrategie und risikogerechter Aufteilung (Aktien, Obligationen, Immobilien usw.).
- Geduld: Eine lange Anlagedauer sorgt für eine vernünftige Rendite.
- „No such thing as a free lunch“: Hören Sie nie und nimmer auf heiße Tipps.
- Disziplin und Skepsis: Längerfristig verdienen Sie mit Aktien 6–8 %; wer mehr will, muss auch höhere Risiken bis hin zum Totalverlust eingehen.
- Diversifikation: Diversifikationseffekte von breit gestreuten Portfolios haben langfristig nach wie vor ihre Gültigkeit.