Public Corporate Governance

Buch Public Corporate Governance

Handbuch für die Praxis

Haupt,


Rezension

Wer dieses Buch zur Hand nimmt und eine glasklare Definition dessen erwartet, was Public Corporate Governance ist, der wird enttäuscht sein. Mit diesem Problem ist das Werk allerdings nicht allein – denn ein verbindlicher Katalog davon, was CG umfasst, ist auch für das pri­vatwirtschaftliche Pendant noch nicht gelungen. In diesem Buch erfährt der Leser viel über die Auslagerung öffentlicher Aufgaben in andere Rechts­for­men, die Zusam­menset­zung und die Ve­r­ant­wortlichkeiten der strate­gis­chen Führungsebene sowie die Notwendigkeit von Risiko­man­age­ment – alles in Bezug auf die Gegeben­heiten in der Schweiz. Lauter sinnvolle In­for­ma­tio­nen, die praxisnah dargeboten und in Form von Checklisten zusam­menge­fasst werden. Die Klammer um diesen In­stru­mentenkas­ten, Public Corporate Governance genannt, wird allerdings nur aufs Knappste erläutert und bleibt eher nebulös. BooksInShort meint: ein Buch in erster Linie für alle Ver­wal­tungsstrate­gen und für Politiker, die sich für das Thema Auslagerung staatlicher Aufgaben in öffentliche Unternehmen in­ter­essieren.

Take-aways

  • Der Leis­tungsstaat wird immer mehr zum Gewährleis­tungsstaat, der nicht mehr selbst tätig wird, sondern Leistungen von Dritten erstellen lässt.
  • Zu diesen Dritten gehören u. a. staatliche oder gemeindliche Unternehmen, die in privater oder öffentlich-rechtlicher Rechtsform geführt werden.
  • Für die Auslagerung eignen sich selbst hoheitliche Aufgaben, solange damit Effizienz- und Effektivitätsvorteile verbunden sind.
  • Aus­lagerun­gen sollen die Autonomie bei der Leis­tungser­stel­lung vergrößern.
  • Gle­ichzeitig müssen Steuerungs- und Kon­trol­lver­luste vermieden werden. Dabei hilft eine passende Eign­er­strate­gie mit Zielen, Leistungs- und Fi­nanzvor­gaben.
  • Neben der Ober­auf­sicht durch das Parlament gehört pro­fes­sionelles Controlling zur angemesse­nen Steuerung eines öffentlichen Un­ternehmens.
  • Die Wahl des Fi­nanzierungsmod­ells muss von Un­ternehmen­sziel und Kontext abhängig gemacht werden. Alle Modelle haben Vor- und Nachteile.
  • Die strate­gis­che Führungsebene, ver­gle­ich­bar mit dem Auf­sicht­srat in der Pri­vatwirtschaft, sollte nicht nur mit Politikern besetzt sein, sondern auch mit Fachleuten.
  • Sie ist ve­r­ant­wortlich für die Un­ternehmensstrate­gie, das Or­gan­i­sa­tion­sre­gle­ment und das Fi­nanz­man­age­ment.
  • Auch für den Aufbau und die Anwendung eines sys­tem­a­tis­chen Risiko­man­age­ments muss die strate­gis­che Führungsebene sorgen.
 

Zusammenfassung

Public Corporate Governance im Gewährleis­tungsstaat

In den letzten Jahren hat der Staat immer mehr Aufgaben ausgelagert oder ganze Or­gan­i­sa­tion­sein­heiten aus­gegliedert. So ist aus einem Leis­tungsstaat, der alles selber macht, inzwischen ein Gewährleis­tungsstaat geworden, der die Leis­tungser­bringung überwacht und dem Bürger garantiert. Die Ve­r­ant­wor­tung für eine legale, effiziente und effektive Aufgabenerfüllung liegt dabei weiterhin beim Staat. Mit der Leis­tungser­bringung können nicht nur private Dritte, sondern auch öffentliche Unternehmen beauftragt werden. Ziel ist, ihnen mehr Autonomie zu ermöglichen als der öffentlichen Kern­ver­wal­tung, aber gle­ichzeitig die Steuerung nicht aus der Hand zu geben und wirksame Aufsicht auszuüben. Dabei hilft Public Corporate Governance. Das ist die Anwendung der für die Pri­vatwirtschaft en­twick­el­ten Corporate Governance auf öffentliche Unternehmen. Die Kern­ver­wal­tung wird hier ausdrücklich nicht einbezogen, denn das wäre dann Public Governance.

Welche Aufgaben können ausgelagert werden?

Es gibt ver­schiedene Arten der Auslagerung. Sie reichen von der kompletten Pri­vatisierung ganzer Aufgaben, sodass die öffentliche Hand höchstens noch eine Reg­ulierungsver­ant­wor­tung hat, über eine Teil­pri­vatisierung bei der Aufgabenerfüllung bis zur Auslagerung in eine andere öffentlich-rechtliche Or­gan­i­sa­tions­form. In der Regel behält der Staat die Gewährleis­tungsver­ant­wor­tung. In jedem Einzelfall muss geprüft werden, ob eine Auslagerung sinnvoll ist – und wenn ja, in welchem Umfang. Grundsätzlich lassen sich alle Aufgaben auslagern, auch so genannte hoheitliche. Ungeeignet sind allerdings politiknahe Min­is­te­ri­alauf­gaben und die Recht­sprechung. Nur teilweise geeignet sind Aufgaben mit starkem in­di­vidu­ellem Ein­griff­scharak­ter (Polizei, Grund­buchamt usw.). Hier müssen mögliche Vorteile einer Auslagerung besonders gut begründet werden. Bei allen Aufgaben sollte geprüft werden, ob:

  • eine eigene Rechtsper­son vorteilhaft wäre,
  • ein Markt vorhanden ist, auf dem die Kunden zwischen ver­schiede­nen Anbietern wählen können,
  • eine Auslagerung Vorteile bei der Ziel­er­re­ichung (Effektivität) bringt,
  • die Leistung effizienter erstellt werden kann und
  • die politische Steuerung auch bei einer Auslagerung gewährleistet werden kann.
„Die Auslagerung von Aufgaben soll nur dann erfolgen, wenn neben einer effektiven Aufgabenerfüllung ins­beson­dere auch eine Ef­fizien­zsteigerung erreicht werden kann.“

Führt dieser Schnelltest zu einem negativen Ergebnis, heißt das aber noch lange nicht, dass eine Aufgabe unverändert weitergeführt werden sollte. Vor allem auf der Gemein­deebene würde eine in­terkom­mu­nale Zusam­me­nar­beit in vielen Fällen die Effizienz verbessern.

Was ist die geeignete Rechtsform?

Grundsätzlich können Aus­lagerun­gen in pri­va­trechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form organisiert werden. Der schweiz­erische Bundesrat hält grundsätzlich nur zwei Rechts­for­men für geeignet:

  • Die selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt sollte immer dann gewählt werden, wenn es sich um hoheitliche Aufgaben handelt, die über Gebühren oder Steuergelder re­fi­nanziert werden.
  • Bei marktgängigen, nicht ho­heitlichen Leistungen empfiehlt sich eine Ak­tienge­sellschaft (AG), bei der das Unternehmen wirtschaftlich selbstständig zu führen ist und bei der sich auch Dritte beteiligen können oder sollen.
„Zu beachten ist, dass die Ve­r­ant­wor­tung des Staates für aus­ge­lagerte Auf­gaben­bere­iche nicht aufgehoben wird.“

Wird eine andere Rechtsform angestrebt, verlangt der Bundesrat eine besondere Begründung. Mit der Beschränkung auf diese zwei Rechts­for­men will der Bund die öffentlichen Aus­lagerun­gen har­mon­isieren und übersichtlicher machen. Sie entspricht im Übrigen einer Ori­en­tierung­shilfe der Or­gan­i­sa­tion für wirtschaftliche Zusam­me­nar­beit und Entwicklung (OECD) für öffentliche Unternehmen: Auch die OECD empfiehlt ihren Mit­gliedsstaaten, Rechts­for­men und Steuerung­spraxis bei aus­ge­lagerten Aufgaben zu vere­in­fachen. Ist die geeignete Rechtsform gefunden, muss entschieden werden, ob eine Auslagerung durch ein Spezialge­setz geregelt wird. Das kommt regelmäßig nur bei Bundes- und kantonalen Aufgaben in Betracht. Wollen die Gemeinden eine Aufgabe in eine andere Rechtsform auslagern, werden sie die Einzel­heiten in den Statuten der neuen Gesellschaft oder im Or­gan­i­sa­tion­sre­gle­ment festlegen.

Wie kann die öffentliche Hand ihre Eignerrolle gestalten?

Der öffentliche Eigner muss in einer Eign­er­strate­gie festlegen, welche Absichten er mit dem Unternehmen verfolgt. Das umfasst ggf. auch eine Aussage darüber, was ausdrücklich nicht be­ab­sichtigt ist. Mit einer Eign­er­strate­gie soll erstens der Öffentlichkeit der Zweck des öffentlichen Un­ternehmens und zweitens sollen dem Führungsper­sonal die Absichten des Eigners vermittelt werden. Eine Eign­er­strate­gie ist ide­al­er­weise das Produkt gemeinsamer Überlegungen – keinesfalls eine Vorgabe von oben. Hier hat sich ein Workshop bewährt, an dem die Exekutive und die strate­gis­che Führung des Un­ternehmens teilnehmen und ein neutraler, externer Moderator zwischen den Interessen und Vorstel­lun­gen beider Gruppen vermittelt. Die Eign­er­strate­gie sollte detailliert aus­for­muliert und langfristig angelegt sein. Für allfällige Anpassungen an veränderte Rah­menbe­din­gun­gen empfehlen sich zudem Eignerziele auf der Ebene unterhalb der Strategie. Sie sollten mit­tel­fristig überprüft und weit­er­en­twick­elt werden.

„Das Ausmaß der Delegation an Dritte hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, sodass von einem Übergang vom Leis­tungsstaat zum ,Gewährleis­tungsstaat‘ gesprochen wird.“

Damit der öffentliche Eigner die Vermögens- und Ertragslage seines Un­ternehmens sowie die Risiken kennt, benötigt er regelmäßig Kennzahlen aus dem Rech­nungswe­sen und eine Rech­nungsle­gung, die zuverlässig Auskunft gibt. Hier müssen sich die öffentlichen Eigner an die schweiz­erische Geset­zge­bung halten, die sich – zumindest auf Bundesebene – an den In­ter­na­tional Public Sector Accounting Standards (IPSAS) orientiert. Diese wiederum beruhen auf den pri­vatwirtschaftlichen In­ter­na­tional Financial Reporting Standards (IFRS) und folgen damit in Bewertung und Bi­lanzierung dem Prinzip „true and fair view“. Sowohl die IPSAS als auch das jüngst reformierte öffentliche Rech­nungswe­sen der Schweiz (Har­mon­isiertes Rech­nungsmod­ell 2, kurz HRM2) verlangen eine kon­so­li­dierte Rech­nungsle­gung von öffentlicher Mutter und un­ternehmerischen Töchtern. Ausnahmen vom Kon­so­li­dierungs­ge­bot sind nur zulässig, wenn die Prinzipien der Rech­nungsle­gung nicht übere­in­stim­men. Das ist vor allem bei Gemeinden der Fall, die HRM2 nicht anwenden. Hier gilt: Fehlen die Vo­raus­set­zun­gen für eine Kon­so­li­dierung, muss mit einem Beteili­gungsspiegel Transparenz über die Vermögens- und Schulden­lage geschaffen werden. In der Regel soll ein Unternehmen, das vollständig in öffentlichem Eigentum verbleibt, mehr Autonomie erhalten als eine klassische Or­gan­i­sa­tion­sein­heit in der Verwaltung. Dem Einfluss des Parlaments wird das Unternehmen allerdings im gleichen Maß entzogen. Das wird in Kauf genommen, um ökonomische Vorteile zu erreichen.

Wie werden Leistungs- und Fi­nanzierungsvere­in­barun­gen gestaltet?

Bei der Steuerung öffentlicher Unternehmen spielen Leistungs- und Fi­nanzierungsvere­in­barun­gen eine wichtige Rolle. Sie regeln die zu er­brin­gen­den Leistungen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Beides muss so definiert sein, dass die öffentlichen Eigner die Ziel­er­re­ichung kon­trol­lieren können. Leis­tungsvere­in­barun­gen können abgeschlossen werden als abschließende Liste, durch gesetzliche Vorgaben oder durch Verweis auf die Nachfrage am Markt. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, das Unternehmen seine Aufgaben autonom gestalten zu lassen. Für alle Leis­tungsvere­in­barun­gen gilt gleich wie für die Strate­giefestle­gung, dass sie nicht von Eignerseite vorgegeben, sondern in Workshops und unter Beteiligung der strate­gis­chen Führungsebene des Un­ternehmens entwickelt werden sollten. In letzter Konsequenz beschließt dann das Parlament oder der Gemeinderat.

„Öffentliche Unternehmen sind – dies die grundsätzliche Prämisse – im Grundsatz nicht anders zu führen als pri­vatwirtschaftliche Unternehmen.“

Unter den ver­schiede­nen Fi­nanzierungsmod­ellen öffentlicher Unternehmen zeichnet sich keines durch eindeutige Vorteile aus. Es kommt auf die jeweilige Situation an:

  • Das Kos­ten­deck­ungsmod­ell, bei dem die öffentliche Hand dem Unternehmen alle Kosten des Leis­tungser­stel­lung­sprozesses erstattet, fördert das Kosten­be­wusst­sein im Unternehmen nicht und belässt das volle Risiko beim Eigner.
  • Bei einem Glob­al­bud­get kann das Management autonom wirtschaften und ist gezwungen, bei Kosten­steigerun­gen zusätzliche Einnahmen zu generieren oder an anderer Stelle die Kosten zu senken. Doch auch ein Glob­al­bud­get ist nicht ohne Nachteile: Der Mit­telbe­darf kann häufig nur geschätzt werden, und wird das Budget gesprengt, springt der Eigner doch wieder ein.
  • In den letzten Jahren wurde vor allem im Gesund­heitssek­tor weitgehend auf Fall­pauschalen umgestellt. Hier begrenzt der Eigner sein Risiko, und das Management verspürt starken Ef­fizien­z­druck. Die Fall­pauschalen berücksichtigen nicht die reale Koste­nen­twick­lung, vor allem nicht die sprungfixen Kosten.
  • Ein guter Kompromiss ist ggf. das Tax­am­e­ter­mod­ell. Dabei enthält das Unternehmen einen Sock­el­be­trag zur teilweisen Deckung der fixen Kosten und eine Fall­pauschale pro Leitung­sein­heit. Das Risiko wird zwischen Unternehmen und Eigner aufgeteilt.

Was leistet die strate­gis­che Führungsebene?

Die strate­gis­che Führungsebene (SFE) ist mit dem Ver­wal­tungsrat bzw. Auf­sicht­srat einer Ak­tienge­sellschaft ver­gle­ich­bar und für Erfolg oder Misserfolg des Un­ternehmens von entschei­den­der Bedeutung. Sie sollte fünf bis neun Personen umfassen und nicht nur mit Vertretern aus Politik und Verwaltung besetzt sein, sondern auch mit aus­gewiese­nen Fachleuten. In der Schweiz verpflichtet sich der Bund außerdem, auf eine ausgewogene Beteiligung der Sprachre­gio­nen und der Geschlechter zu achten. Die Mitglieder der SFE sollen in trans­par­enten Verfahren nach zuvor benannten An­forderungskri­te­rien ausgesucht und in der politischen Vertretung zur Wahl gestellt werden. Der SFE obliegt es, ein Or­gan­i­sa­tion­sre­gle­ment und ein Funk­tio­nen­di­a­gramm zu erstellen und die Ze­ich­nungs­berech­ti­gun­gen festzulegen. Sie ist ve­r­ant­wortlich für Fi­nanz­pla­nung, Fi­nanzkon­trolle und die Gestaltung von Rech­nungswe­sen und Rech­nungsle­gung. Aufgaben der SFE sind:

  • die Eignerziele umzusetzen,
  • die Un­ternehmensstrate­gie festzulegen,
  • ein Risiko­man­age­ment zu im­ple­men­tieren und seine Anwendung zu sichern sowie
  • die Umsetzung der eigenen Beschlüsse im Unternehmen zu überwachen.
„Risk-Man­age­ment ist ein wichtiger Bestandteil der Corporate Governance und hat deshalb direkten Einfluss auf das Rating eines Un­ternehmens. Je besser das Risk-Man­age­ment, umso besser das Rating und umso günstiger die Kredit- und Zin­skon­di­tio­nen.“

Noch recht neu im öffentlichen Un­ternehmens­bere­ich ist das Risiko­man­age­ment. Sobald ein öffentliches Unternehmen in privater Rechtsform geführt wird, müssen die einschlägigen Vorschriften zum Risiko­man­age­ment beachtet werden. Vor allem das Aktienrecht verlangt die Einrichtung und Anwendung eines Risiko­man­age­ments. Sinnvoll wäre es, dies auch für alle anderen Rechts­for­men öffentlicher Unternehmen verbindlich vorzuschreiben – schließlich liegen die Risiken nicht in der Rechtsform, sondern in den Prozessen der Leis­tungser­stel­lung. Risiken werden oft zu spät erkannt, was eine angemessene Reaktion des Un­ternehmens erschwert. Im Rahmen von Risiko­man­age­ment werden daher alle möglichen Risiken sys­tem­a­tisch erfasst und nach Schadenhöhe und Ein­trittswahrschein­lichkeit bewertet sowie angemessene Reaktionen festgelegt. Neben der Risikover­mei­dung gehören dazu auch die Risikoüberwälzung (z. B. durch Abschluss einer Ver­sicherung), die Risikobe­gren­zung durch geeignete Maßnahmen – oder die bewusste Risikoakzep­tanz.

Über die Autoren

Kuno Schedler ist Professor für Public Management an der Hochschule St. Gallen sowie Ver­wal­tungsrat­spräsident der Schweizer Para­plegiker-Forschung. Roland Müller ist Recht­san­walt sowie Professor für Privat- und Wirtschaft­srecht und hat das Land Liecht­en­stein bei seiner Geset­zge­bung zur Public Corporate Governance beraten. Roger W. Sonderegger begleitet als Un­ternehmens­ber­ater strate­gis­che Prozesse in öffentlichen Unternehmen und Körper­schaften.