Budgetierung im öffentlichen Sektor

Buch Budgetierung im öffentlichen Sektor

Ein Handbuch für Studium und Praxis aus finanzwissenschaftlicher Sicht

Haupt,


Rezension

Auf den nur etwa 180 Seiten dieses Kompendiums zur Bud­getierung wird ein Bogen von den Grundlagen über Empfehlun­gen für die Praxis bis hin zu den Er­fol­gs­fak­toren gespannt. Berücksichtigt wird auch Method­is­ches zu Prognose- und Schätzverfahren oder zur Aus­gaben­pri­or­isierung. Ein besonderer Gewinn für den Leser sind die praktischen Empfehlun­gen zum PEFA-Analy­ser­ah­men (Public Expenditure and Financial Ac­count­abil­ity), der die An­forderun­gen von Good Governance quan­tifiziert. Einfach und verständlich geschrieben, ist das Buch auch für Leser geeignet, die mit der Thematik wenig vertraut sind. Ein knapp und präzise for­muliertes, dennoch inhaltlich umfassendes Buch, das sich mit seinen zahlreichen Beispielen an Praktiker aller Hi­er­ar­chieebe­nen, vor allem in der Schweiz, und Studierende gleichermaßen richtet, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Das Budget ist ein zentrales Steuerungsin­stru­ment der Legislative, um die Effizienz und den Nutzen knapper Ressourcen zu optimieren.
  • Bud­getierung soll den An­forderun­gen an Good Governance genügen.
  • Der PEFA-Analy­ser­ah­men (Public Expenditure and Financial Ac­count­abil­ity) quan­tifiziert diese An­forderun­gen.
  • Bud­getierung vollzieht sich in einem Kreislauf mit vier Phasen: Bud­geter­stel­lung, -genehmi­gung, -vollzug und -kontrolle.
  • Die Kopplung der Sachplanung mit der Fi­nanz­pla­nung ist unerlässlich.
  • Periodische Zwis­chenkon­trollen und -berichte zum Bud­getvol­lzug sind notwendig, um bei Bedarf kurzfristig gegen­s­teuern zu können.
  • Die Chancen der Bürg­er­beteili­gung für eine Optimierung der Bud­getvorhaben sind bisher noch weitgehend ungenutzt.
  • Zur Ermittlung von Einnahmen- und Aus­gaben­trends und zur Aus­gaben­pri­or­isierung gibt es diverse Methoden.
  • Die herkömmliche Bud­getierung ist in­puto­ri­en­tiert; im New Public Management ist sie dagegen out­puto­ri­en­tiert.
  • Budget und Rech­nungsle­gung müssen nach übere­in­stim­menden Rech­nungsle­gungs­stan­dards aufgestellt werden.
 

Zusammenfassung

Grundlagen der Bud­getierung

Im öffentlichen Sektor ist das Budget eine Auflistung von geplanten Einnahmen bzw. Erträgen und Ausgaben bzw. Aufwen­dun­gen für öffentliche Aufgaben und Ziele, in der Regel für ein Jahr. Nach Beschluss durch die Legislative ist das Budget für die Exekutive verbindlich. Die Legislative steuert mit dem Budget den nutzenop­ti­malen und effizienten Einsatz knapper Ressourcen. Die ausführende Behörde ist befugt und verpflichtet, im Rahmen des Budgets Mittel auszugeben und Erträge zu generieren. Bud­getierung vollzieht sich in einem Kreislauf mit vier Phasen: Bud­geter­stel­lung, -genehmi­gung, -vollzug und -kontrolle. Das Budget kann nach Or­gan­i­sa­tion­sein­heiten, Auf­gabenge­bi­eten oder Aufwan­darten gegliedert werden.

„PEFA ist ein gutes Ref­eren­zw­erk, das auf wesentliches Verbesserungspoten­zial hinweisen kann.“

Der Bud­getierung­sprozess enthält einige Fallstricke. Er beinhaltet z. B. häufig Mechanismen, die zu jährlichen Bud­get­steigerun­gen für die bestehenden Aufgaben führen. Neue notwendige Aufgaben sind dann mit einem deutlichen Aus­gaben­schub verbunden. Die Exekutive setzt ihre Interessen im Bud­get­prozess leichter durch als andere Beteiligte. Erheblich steigende Trans­fer­haushalte legen den Schluss nahe, dass die Bud­getierung öffentliche Ausgaben zugunsten einkom­menss­chwacher Schichten umverteilt. Abgesichert durch überge­ord­nete staatliche Instanzen, gehen besonders die lokalen Gebietskörper­schaften häufig recht locker mit ihren Ausgaben um. Auch die schlechte Planbarkeit der Einnahmen und Ausgaben ist ein nicht zu unterschätzendes Handicap für die Bud­getierung.

„Anstelle von De­tail­bud­gets und Stellenplänen, wie es im tra­di­tionellen Steuerungsmod­ell der Fall ist, werden unter NPM Glob­al­bud­gets vereinbart.“

Die Bud­getierung­spraxis sollte den An­forderun­gen an Good Governance gerecht werden. Dafür müssen fünf Kriterien erfüllt sein:

  1. Ve­r­ant­wortlichkeit (Rechen­schaft ablegen),
  2. Transparenz (In­for­ma­tio­nen gewährleisten),
  3. Vorherse­hbarkeit (rechtliche Vorgaben rechtzeitig beschließen),
  4. Par­tizipa­tion (Betroffene beteiligen),
  5. Effektivität und Effizienz (Ressourcen wirksam und sparsam einsetzen).
„Die Bud­geth­o­heit der Legislative soll sich­er­stellen, dass der Staat­shaushalt, seine Fi­nanzierung und die Mit­telver­wen­dung im Sinne der Bevölkerung sind.“

In vielen Ländern hat der für das Fi­nanz­man­age­ment eingesetzte PEFA-Analy­ser­ah­men (Public Expenditure and Financial Ac­count­abil­ity) die Good-Gov­er­nance-Kri­te­rien präzisiert, und zwar mittels Indikatoren und kritischer Zielwerte. Mit PEFA können die Verfahren des öffentlichen Fi­nanz­man­age­ments analysiert werden, u. a. die Vollständigkeit und Transparenz des Budgets, die Zweckmäßigkeit von Buchführung, Rech­nungsle­gung und Berichtswe­sen und das System der externen Kontrollen.

Output- oder in­puto­ri­en­tierte Bud­getierung?

Die tra­di­tionelle Be­wirtschaf­tung öffentlicher Budgets beschränkt sich auf die Festlegung des fi­nanziellen Inputs, ohne den erwarteten Output zu definieren. Im Mittelpunkt steht geset­zeskon­formes Handeln. Beim New Public Management (NPM) hingegen werden Leistungsgrößen und -mengen (Output) sowie Wirkungsziele festgelegt und ihnen wird ein Budget zugeteilt. Zusätzlich zu dieser Zielo­ri­en­tierung verlangt das NPM eine wirkungsvolle Bürg­eror­i­en­tierung. Wer mit Zielen steuern will und auf operative Kontrollen und Eingriffe verzichten kann, wird sich für das Steuerungsmod­ell des NPM entscheiden und der out­puto­ri­en­tierten Bud­getierung den Vorzug geben. Vo­raus­set­zung dafür ist eine gut aus­ge­bildete Verwaltung, die mehr Ve­r­ant­wor­tung übernehmen und mehr Man­age­mententschei­dun­gen treffen muss als eine in­puto­ri­en­tierte Or­gan­i­sa­tion.

Par­tizipa­tion im Bud­getierung­sprozess

Entschei­dun­gen über den Mit­telein­satz für bestimmte öffentliche Aufgaben und In­vesti­tio­nen – und damit auch gegen andere mögliche Zwecke – sind Sache der Legislative. Ob ein Budget aber tatsächlich den Vorstel­lun­gen und Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger entspricht, ist nicht unbedingt sicher. Daher gilt es, den Bürgern mehr Einfluss im Bud­getierung­sprozess zu ermöglichen. Von der langfristi­gen Strategie über die Mit­tel­frist­pla­nung bis zur kurzfristi­gen Bud­get­festle­gung sollte die Bürg­er­beteili­gung in­sti­tu­tion­al­isiert werden. Eine solche par­tizipa­tive Bud­getierung darf nicht als Konkurrenz zu in­sti­tu­tion­al­isierten demokratis­chen Entschei­dung­sprozessen verstanden werden. Sie dient als zusätzlicher Input im Pla­nung­sprozess und wirkt kon­flik­them­mend. In der Pri­vatwirtschaft wird seit einigen Jahren das Konzept „Beyond Budgeting“ propagiert. Dabei treten flexible Aktionspläne an die Stelle des herkömmlichen Budgets. Für die öffentliche Hand behält das Budget jedoch weiterhin seine zentrale Funktion bei der Mit­telzuteilung und als gesetzliche Grundlage des Regierung­shan­delns.

Bud­getierung­spraxis in der Schweiz

Auf Bundesebene stellt die Eidgenössische Fi­nanzver­wal­tung (EFV) den Bud­getvorschlag auf, der Bundesrat macht fi­nanzpoli­tis­che Vorgaben, die Fi­nanzkom­mis­sio­nen der Par­la­mentskam­mern werden frühzeitig informiert, die De­tailpla­nung erfolgt in den Ministerien (De­parte­menten) und abschließend entscheidet das Parlament. Durch einen klar gegliederten Bud­getkalen­der verläuft der Prozess in geordneten Bahnen. Er beginnt im Januar oder Februar, wenn die EFV ihre Bud­get­richtlin­ien erarbeitet, und endet im Dezember mit dem Bud­getbeschluss des Parlaments für das Folgejahr. Drohen Ausgabenüberschre­itun­gen im Bud­getvol­lzug, muss die Regierung dem Parlament Bud­get­nachträge zur Beschlussfas­sung vorlegen. Da das Parlament Ausgaben als Nachtrag leichter akzeptiert als im regulären Bud­getauf­stel­lungsver­fahren, kommt es durchaus vor, dass sich die Exekutive auf diesem Weg Mittel für neue Projekte und Programme bewilligen lässt.

„Für gewöhnlich machen Budgets von einem Jahr zum anderen keine großen Sprünge.“

Auch in den Gemeinden folgt die Bud­geter­stel­lung einem verbindlichen Zeitplan. Der Prozess beginnt mit Prognosen und fi­nanzpoli­tis­chen Zielvor­gaben. Zu den Prognosegrößen zählen In­fla­tion­srate, Zinsniveau und Ar­beit­slosen­quote. Sie werden durch lokale Annahmen bezüglich Steuerkraft, Bevölkerungsen­twick­lung, Schülerzahlen und Sozial­hil­feen­twick­lung ergänzt. Fi­nanzpoli­tis­che Zielvor­gaben betreffen den Selb­st­fi­nanzierungs­grad, den Ver­schul­dungs­grad und sach­poli­tis­che Prioritäten. Annahmen und Zielvor­gaben bleiben jedoch eher un­verbindlich; der fi­nanzpoli­tis­che Spielraum als Konsequenz der Annahmen und Zielvor­gaben wird nicht ausgelotet. Nicht selten formuliert der Gemeinderat die Vorgaben für den Bud­getierung­sprozess nur verbal. Anders die In­vesti­tio­nen und In­vesti­tion­ss­chw­er­punkte: Hierfür beschließt der Gemeinderat klare fi­nanzpoli­tis­che Vorgaben.

„Sowohl für die mit­tel­fristige Aufgaben- und Fi­nanz­pla­nung als auch für die Erstellung des Jahres­bud­gets ist die re­al­is­tis­che Planung der Aus­gabenen­twick­lung von ganz elementarer Bedeutung.“

In den Gemeinden wird das Gesamt­bud­get zentral und die De­tailpla­nung in den dezentralen Ver­wal­tung­sein­heiten erstellt. Laufende Ausgaben, In­vesti­tio­nen und Spezial­fi­nanzierun­gen werden meist getrennt budgetiert, sodass der Aufwand für öffentliche Aufgaben nicht ganzheitlich betrachtet werden kann. Ungenutzt bleiben auch die Chancen von Bürg­er­beteili­gung für eine Optimierung der Budgets. Obwohl Budgetanhörungen vor der Ve­r­ab­schiedung eines Budgets möglich wären, wird davon kaum Gebrauch gemacht. Um die Berück­sich­ti­gung der Bevölkerungswünsche ist es nicht gut bestellt, hingegen sind die Ver­wal­tun­gen durchweg zufrieden mit dem Ergebnis des Bud­get­prozesses. Bei Budgetüberschre­itun­gen müssen auch in den Gemeinden Nachträge angefordert werden. Teuerungs­be­d­ingter Mehraufwand ist davon in der Regel ausgenommen. Die meisten Gemeinden überwachen die Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen in den Budgets halbjährlich oder quar­tal­sweise. Es gibt eine rech­ner­ische und eine sachliche Prüfung. Für die rech­ner­ische ist die Rech­nungskom­mis­sion der Gemeinde zuständig. Die sachliche Prüfung kann auch eine Con­trol­lingkom­mis­sion übernehmen. Wenn eine solche besteht, prüft sie auch die politische Planung, die Geschäftstätigkeit und die Erfüllung der Leis­tungsaufträge.

„Zur Einschätzung des Realitätsgehalts von strate­gis­chen En­twick­lungsvorhaben gilt es auch, die Entwicklung der Ver­schul­dung im Auge zu behalten.“

Die gängige Bud­getierung­spraxis hat neben einigen Stärken auch eine Vielzahl von Schwächen. Auf der Bundesebene bescheinigte der In­ter­na­tionale Währungsfonds (IWF) der Schweiz, höchsten in­ter­na­tionalen Ansprüchen an den trans­par­enten Umgang mit öffentlichen Finanzen zu genügen. Angemahnt wurden allerdings auch zahlreiche Punkte, darunter fehlende Transparenz zur Strategie bei Schulden­man­age­ment und Steuer­aufwand. In den Gemeinden ist die immer noch überwiegend in­puto­ri­en­tierte Bud­get­praxis zu kritisieren.

Praktische Empfehlun­gen

Während der Bud­geter­stel­lung sollten

  1. Budgets und Mit­tel­frist­pla­nung zu einem in­te­gri­erten Aufgaben- und Finanzplan verknüpft werden,
  2. Sach- und Fi­nanz­pla­nun­gen verzahnt werden,
  3. der finanzielle Spielraum als Differenz von Einnahmen und bereits verplanten Ausgaben ausgelotet werden und
  4. frühzeitig verbindliche Bud­geteck­w­erte bekannt gegeben werden.
„Neben Tradition spielen Präferenzen der politischen Führung oder der Verwaltung bei der Pri­or­isierung eine wichtige Rolle, dazu Einflüsse von internen und externen Anspruchs­grup­pen.“

Im Bud­getvol­lzug ist wichtig, dass:

  1. die dezentralen Einheiten Flexibilität erhalten, im Gegenzug aber mehr Ve­r­ant­wor­tung tragen und stärker kon­trol­liert werden,
  2. die Beschaf­fung­sprozesse transparent und wet­tbe­werb­s­gerecht ablaufen,
  3. die Pro­duk­tkosten aus dem Rech­nungswe­sen ermittelt werden können (dazu gehören auch Deck­ungs­beiträge und Opportunitätskosten),
  4. der Bud­getvol­lzug unterjährig kon­trol­liert wird und zum Gegen­s­teuern darüber kurzfristig Bericht erstattet wird und
  5. Zahlungsausstände ständig überwacht werden.
„Auch für Reformen im Bereich der Bud­getierung gilt, dass diese ihr Er­fol­gspoten­zial nur dann voll ausschöpfen können, wenn die Reform nicht bloße Änderungen bei den Oberflächen­struk­turen bewirkt.“

Bei der externen Kontrolle von Buchführung und Jahres­rech­nung gilt:

  1. Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Verbindlichkeiten müssen anhand anerkannter Standards jährlich geprüft werden. In ausgewählten Bereichen der Verwaltung gehört auch die Leis­tungser­stel­lung zum Prüfungsumfang.
  2. Die Prüfungs­berichte müssen innerhalb von drei Monaten von der Legislative beraten werden, damit die Ergebnisse wieder in die Verwaltung zurückgespielt werden.
  3. Lern­prozesse, Korrekturmaßnahmen und Verbesserung des Bud­getierung­sprozesses müssen ausgelöst werden. Dafür brauchen­Leg­isla­tive und Exekutive eine Teamkultur.

Methodische Aspekte

Budget und Rech­nungsle­gung müssen denselben Rech­nungsstoff enthalten und deshalb nach übere­in­stim­menden Rech­nungsle­gungs­stan­dards aufgestellt werden. In der Schweiz werden zwei Modelle eingesetzt: auf Bundesebene die IPSAS (In­ter­na­tional Public Sector Accounting Standards) und bei Kantonen und Gemeinden das Har­mon­isierte Rech­nungsle­gungsmod­ell. Wer Budgets verlässlich planen will, braucht methodisch richtige Prognosen für Einnahmen und Ausgaben. Bei den Einnahmen liegt der Schwerpunkt auf der Steuerschätzung. Bei den Ausgaben hilft die Re­gres­sion­s­analyse. Zur Ausgabenschätzung müssen vor allem Menge und Kosten je Leis­tung­sein­heit korrekt benannt werden. Bei knappen Ressourcen ist mit jeder ausgabenträchtigen Entschei­dung eine Pri­or­isierung verbunden – bei gle­ichzeit­iger Her­ab­stu­fung anderer Ziele und Aufgaben. Eine solche Al­loka­tion­sentschei­dung muss rational und nachvol­lziehbar abgestützt werden. Methoden wie die Kosten-Nutzen-Analyse, die Nutzw­er­t­analyse oder die Port­fo­liotech­nik erlauben die Bewertung ver­schiedener In­vesti­tion­salter­na­tiven. Ob eine Investition oder ein Projekt den strate­gis­chen Zielen entspricht, muss in einem gesonderten Schritt ermittelt werden.

Über den Autor

Stefan Pfäffli lehrt Volk­swirtschaft und Öffentliche Finanzen an der Hochschule Luzern. Praxis­er­fahrung sammelte er beim Verband Luzerner Gemeinden und als Berater für die öffentliche Hand.