Grundlagen der Budgetierung
Im öffentlichen Sektor ist das Budget eine Auflistung von geplanten Einnahmen bzw. Erträgen und Ausgaben bzw. Aufwendungen für öffentliche Aufgaben und Ziele, in der Regel für ein Jahr. Nach Beschluss durch die Legislative ist das Budget für die Exekutive verbindlich. Die Legislative steuert mit dem Budget den nutzenoptimalen und effizienten Einsatz knapper Ressourcen. Die ausführende Behörde ist befugt und verpflichtet, im Rahmen des Budgets Mittel auszugeben und Erträge zu generieren. Budgetierung vollzieht sich in einem Kreislauf mit vier Phasen: Budgeterstellung, -genehmigung, -vollzug und -kontrolle. Das Budget kann nach Organisationseinheiten, Aufgabengebieten oder Aufwandarten gegliedert werden.
„PEFA ist ein gutes Referenzwerk, das auf wesentliches Verbesserungspotenzial hinweisen kann.“
Der Budgetierungsprozess enthält einige Fallstricke. Er beinhaltet z. B. häufig Mechanismen, die zu jährlichen Budgetsteigerungen für die bestehenden Aufgaben führen. Neue notwendige Aufgaben sind dann mit einem deutlichen Ausgabenschub verbunden. Die Exekutive setzt ihre Interessen im Budgetprozess leichter durch als andere Beteiligte. Erheblich steigende Transferhaushalte legen den Schluss nahe, dass die Budgetierung öffentliche Ausgaben zugunsten einkommensschwacher Schichten umverteilt. Abgesichert durch übergeordnete staatliche Instanzen, gehen besonders die lokalen Gebietskörperschaften häufig recht locker mit ihren Ausgaben um. Auch die schlechte Planbarkeit der Einnahmen und Ausgaben ist ein nicht zu unterschätzendes Handicap für die Budgetierung.
„Anstelle von Detailbudgets und Stellenplänen, wie es im traditionellen Steuerungsmodell der Fall ist, werden unter NPM Globalbudgets vereinbart.“
Die Budgetierungspraxis sollte den Anforderungen an Good Governance gerecht werden. Dafür müssen fünf Kriterien erfüllt sein:
- Verantwortlichkeit (Rechenschaft ablegen),
- Transparenz (Informationen gewährleisten),
- Vorhersehbarkeit (rechtliche Vorgaben rechtzeitig beschließen),
- Partizipation (Betroffene beteiligen),
- Effektivität und Effizienz (Ressourcen wirksam und sparsam einsetzen).
„Die Budgethoheit der Legislative soll sicherstellen, dass der Staatshaushalt, seine Finanzierung und die Mittelverwendung im Sinne der Bevölkerung sind.“
In vielen Ländern hat der für das Finanzmanagement eingesetzte PEFA-Analyserahmen (Public Expenditure and Financial Accountability) die Good-Governance-Kriterien präzisiert, und zwar mittels Indikatoren und kritischer Zielwerte. Mit PEFA können die Verfahren des öffentlichen Finanzmanagements analysiert werden, u. a. die Vollständigkeit und Transparenz des Budgets, die Zweckmäßigkeit von Buchführung, Rechnungslegung und Berichtswesen und das System der externen Kontrollen.
Output- oder inputorientierte Budgetierung?
Die traditionelle Bewirtschaftung öffentlicher Budgets beschränkt sich auf die Festlegung des finanziellen Inputs, ohne den erwarteten Output zu definieren. Im Mittelpunkt steht gesetzeskonformes Handeln. Beim New Public Management (NPM) hingegen werden Leistungsgrößen und -mengen (Output) sowie Wirkungsziele festgelegt und ihnen wird ein Budget zugeteilt. Zusätzlich zu dieser Zielorientierung verlangt das NPM eine wirkungsvolle Bürgerorientierung. Wer mit Zielen steuern will und auf operative Kontrollen und Eingriffe verzichten kann, wird sich für das Steuerungsmodell des NPM entscheiden und der outputorientierten Budgetierung den Vorzug geben. Voraussetzung dafür ist eine gut ausgebildete Verwaltung, die mehr Verantwortung übernehmen und mehr Managemententscheidungen treffen muss als eine inputorientierte Organisation.
Partizipation im Budgetierungsprozess
Entscheidungen über den Mitteleinsatz für bestimmte öffentliche Aufgaben und Investitionen – und damit auch gegen andere mögliche Zwecke – sind Sache der Legislative. Ob ein Budget aber tatsächlich den Vorstellungen und Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger entspricht, ist nicht unbedingt sicher. Daher gilt es, den Bürgern mehr Einfluss im Budgetierungsprozess zu ermöglichen. Von der langfristigen Strategie über die Mittelfristplanung bis zur kurzfristigen Budgetfestlegung sollte die Bürgerbeteiligung institutionalisiert werden. Eine solche partizipative Budgetierung darf nicht als Konkurrenz zu institutionalisierten demokratischen Entscheidungsprozessen verstanden werden. Sie dient als zusätzlicher Input im Planungsprozess und wirkt konflikthemmend. In der Privatwirtschaft wird seit einigen Jahren das Konzept „Beyond Budgeting“ propagiert. Dabei treten flexible Aktionspläne an die Stelle des herkömmlichen Budgets. Für die öffentliche Hand behält das Budget jedoch weiterhin seine zentrale Funktion bei der Mittelzuteilung und als gesetzliche Grundlage des Regierungshandelns.
Budgetierungspraxis in der Schweiz
Auf Bundesebene stellt die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) den Budgetvorschlag auf, der Bundesrat macht finanzpolitische Vorgaben, die Finanzkommissionen der Parlamentskammern werden frühzeitig informiert, die Detailplanung erfolgt in den Ministerien (Departementen) und abschließend entscheidet das Parlament. Durch einen klar gegliederten Budgetkalender verläuft der Prozess in geordneten Bahnen. Er beginnt im Januar oder Februar, wenn die EFV ihre Budgetrichtlinien erarbeitet, und endet im Dezember mit dem Budgetbeschluss des Parlaments für das Folgejahr. Drohen Ausgabenüberschreitungen im Budgetvollzug, muss die Regierung dem Parlament Budgetnachträge zur Beschlussfassung vorlegen. Da das Parlament Ausgaben als Nachtrag leichter akzeptiert als im regulären Budgetaufstellungsverfahren, kommt es durchaus vor, dass sich die Exekutive auf diesem Weg Mittel für neue Projekte und Programme bewilligen lässt.
„Für gewöhnlich machen Budgets von einem Jahr zum anderen keine großen Sprünge.“
Auch in den Gemeinden folgt die Budgeterstellung einem verbindlichen Zeitplan. Der Prozess beginnt mit Prognosen und finanzpolitischen Zielvorgaben. Zu den Prognosegrößen zählen Inflationsrate, Zinsniveau und Arbeitslosenquote. Sie werden durch lokale Annahmen bezüglich Steuerkraft, Bevölkerungsentwicklung, Schülerzahlen und Sozialhilfeentwicklung ergänzt. Finanzpolitische Zielvorgaben betreffen den Selbstfinanzierungsgrad, den Verschuldungsgrad und sachpolitische Prioritäten. Annahmen und Zielvorgaben bleiben jedoch eher unverbindlich; der finanzpolitische Spielraum als Konsequenz der Annahmen und Zielvorgaben wird nicht ausgelotet. Nicht selten formuliert der Gemeinderat die Vorgaben für den Budgetierungsprozess nur verbal. Anders die Investitionen und Investitionsschwerpunkte: Hierfür beschließt der Gemeinderat klare finanzpolitische Vorgaben.
„Sowohl für die mittelfristige Aufgaben- und Finanzplanung als auch für die Erstellung des Jahresbudgets ist die realistische Planung der Ausgabenentwicklung von ganz elementarer Bedeutung.“
In den Gemeinden wird das Gesamtbudget zentral und die Detailplanung in den dezentralen Verwaltungseinheiten erstellt. Laufende Ausgaben, Investitionen und Spezialfinanzierungen werden meist getrennt budgetiert, sodass der Aufwand für öffentliche Aufgaben nicht ganzheitlich betrachtet werden kann. Ungenutzt bleiben auch die Chancen von Bürgerbeteiligung für eine Optimierung der Budgets. Obwohl Budgetanhörungen vor der Verabschiedung eines Budgets möglich wären, wird davon kaum Gebrauch gemacht. Um die Berücksichtigung der Bevölkerungswünsche ist es nicht gut bestellt, hingegen sind die Verwaltungen durchweg zufrieden mit dem Ergebnis des Budgetprozesses. Bei Budgetüberschreitungen müssen auch in den Gemeinden Nachträge angefordert werden. Teuerungsbedingter Mehraufwand ist davon in der Regel ausgenommen. Die meisten Gemeinden überwachen die Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen in den Budgets halbjährlich oder quartalsweise. Es gibt eine rechnerische und eine sachliche Prüfung. Für die rechnerische ist die Rechnungskommission der Gemeinde zuständig. Die sachliche Prüfung kann auch eine Controllingkommission übernehmen. Wenn eine solche besteht, prüft sie auch die politische Planung, die Geschäftstätigkeit und die Erfüllung der Leistungsaufträge.
„Zur Einschätzung des Realitätsgehalts von strategischen Entwicklungsvorhaben gilt es auch, die Entwicklung der Verschuldung im Auge zu behalten.“
Die gängige Budgetierungspraxis hat neben einigen Stärken auch eine Vielzahl von Schwächen. Auf der Bundesebene bescheinigte der Internationale Währungsfonds (IWF) der Schweiz, höchsten internationalen Ansprüchen an den transparenten Umgang mit öffentlichen Finanzen zu genügen. Angemahnt wurden allerdings auch zahlreiche Punkte, darunter fehlende Transparenz zur Strategie bei Schuldenmanagement und Steueraufwand. In den Gemeinden ist die immer noch überwiegend inputorientierte Budgetpraxis zu kritisieren.
Praktische Empfehlungen
Während der Budgeterstellung sollten
- Budgets und Mittelfristplanung zu einem integrierten Aufgaben- und Finanzplan verknüpft werden,
- Sach- und Finanzplanungen verzahnt werden,
- der finanzielle Spielraum als Differenz von Einnahmen und bereits verplanten Ausgaben ausgelotet werden und
- frühzeitig verbindliche Budgeteckwerte bekannt gegeben werden.
„Neben Tradition spielen Präferenzen der politischen Führung oder der Verwaltung bei der Priorisierung eine wichtige Rolle, dazu Einflüsse von internen und externen Anspruchsgruppen.“
Im Budgetvollzug ist wichtig, dass:
- die dezentralen Einheiten Flexibilität erhalten, im Gegenzug aber mehr Verantwortung tragen und stärker kontrolliert werden,
- die Beschaffungsprozesse transparent und wettbewerbsgerecht ablaufen,
- die Produktkosten aus dem Rechnungswesen ermittelt werden können (dazu gehören auch Deckungsbeiträge und Opportunitätskosten),
- der Budgetvollzug unterjährig kontrolliert wird und zum Gegensteuern darüber kurzfristig Bericht erstattet wird und
- Zahlungsausstände ständig überwacht werden.
„Auch für Reformen im Bereich der Budgetierung gilt, dass diese ihr Erfolgspotenzial nur dann voll ausschöpfen können, wenn die Reform nicht bloße Änderungen bei den Oberflächenstrukturen bewirkt.“
Bei der externen Kontrolle von Buchführung und Jahresrechnung gilt:
- Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Verbindlichkeiten müssen anhand anerkannter Standards jährlich geprüft werden. In ausgewählten Bereichen der Verwaltung gehört auch die Leistungserstellung zum Prüfungsumfang.
- Die Prüfungsberichte müssen innerhalb von drei Monaten von der Legislative beraten werden, damit die Ergebnisse wieder in die Verwaltung zurückgespielt werden.
- Lernprozesse, Korrekturmaßnahmen und Verbesserung des Budgetierungsprozesses müssen ausgelöst werden. Dafür brauchenLegislative und Exekutive eine Teamkultur.
Methodische Aspekte
Budget und Rechnungslegung müssen denselben Rechnungsstoff enthalten und deshalb nach übereinstimmenden Rechnungslegungsstandards aufgestellt werden. In der Schweiz werden zwei Modelle eingesetzt: auf Bundesebene die IPSAS (International Public Sector Accounting Standards) und bei Kantonen und Gemeinden das Harmonisierte Rechnungslegungsmodell. Wer Budgets verlässlich planen will, braucht methodisch richtige Prognosen für Einnahmen und Ausgaben. Bei den Einnahmen liegt der Schwerpunkt auf der Steuerschätzung. Bei den Ausgaben hilft die Regressionsanalyse. Zur Ausgabenschätzung müssen vor allem Menge und Kosten je Leistungseinheit korrekt benannt werden. Bei knappen Ressourcen ist mit jeder ausgabenträchtigen Entscheidung eine Priorisierung verbunden – bei gleichzeitiger Herabstufung anderer Ziele und Aufgaben. Eine solche Allokationsentscheidung muss rational und nachvollziehbar abgestützt werden. Methoden wie die Kosten-Nutzen-Analyse, die Nutzwertanalyse oder die Portfoliotechnik erlauben die Bewertung verschiedener Investitionsalternativen. Ob eine Investition oder ein Projekt den strategischen Zielen entspricht, muss in einem gesonderten Schritt ermittelt werden.