Beruflich in Rumänien

Buch Beruflich in Rumänien

Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte

Vandenhoeck & Ruprecht,


Rezension

Auch wenn sich das Rumänienbild der Deutschen oft auf kriminelle Banden und Graf Dracula beschränkt: Heute sind bereits viele deutsche Firmen in dem Land am Schwarzen Meer engagiert. Wenn die Unternehmer aber hin­sichtlich Ar­beitsmoral und Pflichterfüllung die gleichen Erwartungen haben wie an heimische Arbeitskräfte, kann es sehr schnell zu Missverständnissen kommen. Anhand zahlreicher typischer Situationen des beruflichen Alltags erklären die Autoren, wie die Rumänen ticken, und sorgen damit für mehr Verständnis bei den irritierten deutschen Kollegen. Allerdings ist das Ganze etwas langatmig geschrieben; eine Prise Humor hätte hier sicher nicht geschadet. Dennoch empfiehlt BooksInShort das Buch allen, die in Rumänien oder mit Rumänen arbeiten.

Take-aways

  • Deutschland ist einer der wichtigsten Wirtschaftspart­ner Rumäniens.
  • Viele Rumänen haben ein sehr positives Deutsch­land­bild und sprechen gut Deutsch.
  • Trotz der großen Nähe gibt es auch kulturelle Un­ter­schiede, die Deutsche kennen sollten, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Rumänen sind erheblich per­so­nenori­en­tierter als Deutsche: Zuerst kommt der Mensch, dann die Sache.
  • Rumänen ziehen indirekte Kom­mu­nika­tion einer offenen Kon­flik­taus­tra­gung vor.
  • Rumänen reagieren im Positiven wie im Negativen erheblich emotionaler als die oft sehr be­herrschten Deutschen.
  • Rumänen mögen keine festen Regeln, sie bevorzugen prag­ma­tis­che Lösungen.
  • Klare Hierarchien und eine starke, autoritäre Führung sind für viele Rumänen das bevorzugte Führungsmod­ell.
  • Das Selb­st­wert­gefühl vieler Rumänen ist sehr wechselhaft und kann in kürzester Zeit von Selbstüberschätzung in Min­der­w­er­tigkeit­skom­plexe umschlagen.
  • Rumänen lieben Sta­tussym­bole, die ihre gesellschaftliche Position sichtbar nach außen sig­nal­isieren.
 

Zusammenfassung

Missverständnisse sind vor­pro­gram­miert

Seit 1989 steht Rumänien im Fokus ausländischer Investoren, nicht zuletzt wegen der bis heute sehr günstigen Lohnkosten. Deutschland ist ein besonders wichtiger Partner für das Land und steht bei den Aus­landsin­vest­ments auf Platz drei. Das liegt auch an den tra­di­tionell engen deutsch-rumänischen Beziehungen. Rumänen haben oft ein sehr positives Bild von Deutschland und sprechen nicht selten sehr gut Deutsch.

„Tra­di­tionell haben die Rumänen ein sehr positives Bild von den Deutschen, die als Motor für Fortschritt, Qualität und West­o­ri­en­tierung gesehen werden.“

Trotz dieser Nähe kann es immer wieder zu Missverständnissen in der beruflichen Zusam­me­nar­beit kommen: Die oft tiefgläubigen oder abergläubischen Rumänen gelten als chaotisch, aber auch übereifrig, als emotional, aber auch pragmatisch, als respektlos, aber zugleich obrigkeitshörig. Deshalb sind die Deutschen, die oft sehr direkt, sa­chori­en­tiert, effizient organisiert und an flache Hierarchien gewöhnt sind, nicht selten irritiert. Um in Rumänien klarzukom­men, muss ein Deutscher erst das nötige Verständnis entwickeln und sich der Kultur anpassen. Allerdings ist es auch nicht zielführend, es mit der Anpassung zu übertreiben und rumänischer als ein Rumäne werden zu wollen. Wichtig sind in erster Linie Respekt und Toleranz.

Per­so­nenori­en­tierung

Rumänen sind erheblich per­so­nenori­en­tierter als Deutsche. Für sie steht die menschliche Beziehung im Vordergrund. Zuerst geht es immer um den persönlichen Kontakt, dann um die Sache. Für Rumänen zählt vor allem die eigene Familie. Dabei geht es zum einen um enge emotionale Bindungen, Zuneigung und Anerkennung, zum anderen aber auch um Materielles: Familie steht für den Zusam­men­halt in der Not und dient der Al­terssicherung sowie der Betreuung des Nachwuchses. Wer nicht zu dieser „Ingroup“ gehört, wird ignoriert oder mit Misstrauen betrachtet. Deshalb sind die rumänischen In­sti­tu­tio­nen schwach. Oft wird auch dem Arbeitgeber wenig bis keine Loyalität ent­ge­genge­bracht.

„Soziale Nähe, Ver­trautheit und Sympathie sind für Rumänen sehr wichtige und hoch geschätzte Werte.“

Die Begriffe „Leistung“ und „Wettbewerb“ sind vielen Rumänen bis heute fremd geblieben – kein Wunder, denn in der rumänischen Ver­gan­gen­heit hat sich Leistung kaum je ausgezahlt: Armut und Ausbeutung sind prägend für die Geschichte des Landes. Wer arbeitete, wurde meist bestraft, indem er hohe Abgaben zahlen musste oder gar ganz um die Früchte seiner Arbeit gebracht wurde. Zu arbeiten, gilt in Rumänien deshalb eher als dumm. Ziel vieler ist schnelles Geld ohne Anstrengung. Allerdings gibt es inzwischen auch das gegen­teilige Phänomen: junge Rumänen, die sich in übertriebener Leis­tungs­bere­itschaft aufopfern. Wenn also eine motivierte Ar­beit­skraft auf einer Be­trieb­s­feier plötzlich dem Vorge­set­zten erzählt, dass sie die Firma sowieso bald wieder verlassen werde, ist dies eher ein positives Zeichen: Sie fühlt sich wohl, vertraut dem Chef und macht sich kaum Gedanken darüber, wie eine solche Äußerung auf wirken könnte. Der deutsche Vorgesetzte sollte an dieser Stelle keine Belehrungen über Loyalität von sich geben, sondern lieber vorsichtig nachfragen und andeuten, dass man sehr traurig wäre, so einen guten Mitarbeiter zu verlieren.

„Die Frage, ob sich Leistung lohnt, bleibt für viele Rumänen verständlicher­weise offen.“

Wenn die Zusam­me­nar­beit im Team nicht so recht klappt, kann ein gelungener Be­trieb­saus­flug wahre Wunder wirken: Kommt man sich dabei menschlich näher, schalten die Rumänen von Fremdeln auf Fre­und­schema um, und plötzlich läuft’s. Nicht wundern sollten sich Deutsche, wenn Rumänen plötzlich – beispiel­sweise bei einem Umzug – unangemeldet vor der Tür stehen: Dies zeigt, dass man gemocht wird, und unter Freunden ist spontane Hilfe in Rumänien selbstverständlich. Das Gleiche gilt, wenn nach dem Urlaub erst einmal die Fe­riener­leb­nisse abgefragt werden. Alles andere wäre sehr unhöflich.

Vermeidung von Kon­fronta­tio­nen

Offene Kritik und sachliche Au­seinan­der­set­zung: Ein solcher Kon­fronta­tion­skurs ist bei Rumänen ziemlich unbeliebt. Auch das ist historisch bedingt: Wenn man in der Gruppe auf engem Raum zusam­men­leben muss oder wenn man bei Konflikten mit den Oberen sowieso kaum die Möglichkeit hat, an der Situation etwas zu ändern, kann man sich Stre­it­ereien oder den Abbruch des Kontakts schlicht nicht leisten. Außerdem wird Kritik meist sehr persönlich genommen und als verletzend aufgefasst. Das kann man schon aus Angst vor Rache nicht riskieren. Bei offener Kritik – etwa in Feed­back­run­den – schrillen deshalb alle Alar­m­glocken. Typisch rumänische Konfliktbewältigung heißt eher: weghören, ignorieren, ausweichen, aufschieben, aus dem Weg gehen. Bestenfalls ist eine Andeutung zwischen den Zeilen erlaubt. Die Wiederannäherung nach einem Konflikt läuft ebenfalls indirekt, etwa über kleine Net­tigkeiten; das eigentliche Thema wird unter den Teppich gekehrt. Nicht selten werden Probleme allerdings ausgiebig mit Dritten diskutiert, sodass sich auch kleine Un­stim­migkeiten nach dem Stille-Post-Prinzip zu Riesen­prob­le­men auswachsen können.

„Insgesamt träumen die meisten heute von dem schnellen Geld.“

Wegen dieses von klein auf eingeübten Umgangs mit Konflikten ist es schwierig, Rumänen auf sachliche Probleme, etwa Fehler bei der Auf­tragsab­wick­lung, anzus­prechen, ohne dass sie sich massiv angegriffen fühlen. Selbst freundlich gemeinte Hinweise, etwa zum richtigen Melden am Telefon, sind schon heikel. Die deutsche Offenheit ist hier oft hinderlich, weil sie den anderen bloßstellt und damit die Lösung des Problems verzögert. Umso wichtiger ist es, die persönliche Beziehung zu festigen. Auch in öffentlichen Diskus­sion­srun­den, vor allem mit höhergestell­ten Persönlichkeiten oder Politikern, reden Rumänen nur selten offen; selbst wenn sie über einen Missstand stark verärgert sind.

Emotionalität

Die in Deutschland übliche Selb­st­be­herrschung im Job ist in Rumänien eher eine Ausnahme. Rumänen reagieren sehr emotional. Gefühle wie Freude, Trauer und Wut kommen weitgehend ungebremst zum Ausdruck, sind aber auch schnell wieder vorbei. Tränenausbrüche sind auch bei geringen Anlässen keine Seltenheit. Sach­lichkeit gilt schnell als emotionale Kälte. Auch im dekorativen Bereich mag man es bunt und üppig. Frauen sind oft sehr feminin gekleidet und stark geschminkt. Gele­gentlich werden die Rumänen schwermütig und wirken dann etwas abwesend. Man sollte sich nicht wundern, wenn beispiel­sweise bei einem Gesprächstermin der Bürgermeister erst einmal Dampf ablässt über sein vorheriges Telefonat, bevor er zum eigentlichen Thema kommt; oder wenn Rumänen nach getaner Arbeit nicht einfach zufrieden sind, sondern vor lauter Freude über das gelungene Werk in Tränen ausbrechen; oder wenn die fast unbekannte Sprach­lehrerin ihrem deutschen Schüler vor lauter Begeis­terung über kleinste Fortschritte herzend und küssend um den Hals fällt.

Prag­ma­tismus

Rumänen in­ter­essieren sich wenig für Regeln und Prinzipien; struk­turi­ertes Vorgehen ist ihnen fremd. Regeln und Vorschriften werden gerne ignoriert oder umgangen, was auch darin begründet ist, dass der Staat oft ungerecht agiert hat. Deutsche haben hier schlicht andere Erfahrungen und akzeptieren Regeln deshalb viel eher. Rumänen gehen lieber pragmatisch vor und beseitigen ein Problem mit un­ortho­doxen Mitteln. Positiv daran sind die oft uner­warteten, kreativen Lösungen und das Querdenken. Weniger hilfreich ist es, wenn man langfristige Großprojekte Schritt für Schritt abwickeln will. Der Grund für diese Haltung ist einfach: Not macht bekanntlich erfind­erisch und das gilt auch für die tra­di­tionell eher armen Rumänen. Und angesichts einer völlig unsicheren Zukunft und schwacher In­sti­tu­tio­nen lohnt sich langfristiges Planen und Denken schlicht nicht.

„Man will einen starken Führer, misstraut ihm aber.“

Im beruflichen Alltag zeigt sich dieser Prag­ma­tismus beispiel­sweise, wenn die rumänischen Kollegen bei der Einführung eines neuen weltweiten IT-Systems nicht auf das Okay der deutschen Pro­jek­tleitung warten. Vielmehr stürzen sie sich begeistert auf die frisch an­geliefer­ten Rechner und bringen sie umgehend zum Laufen. Kritik an diesem nicht abges­timmten Vorgehen verstehen sie überhaupt nicht, schließlich läuft doch alles. Auch deutsche Auditoren, die monieren, dass eine Schraube mit der rechten statt mit der von der Qualitätssicherung vorgeschriebe­nen linken Hand angezogen wird, stoßen bei rumänischen Mi­tar­beit­ern auf Unverständnis. Für sie ist es schlicht egal, welche Hand man nimmt.

Hi­er­ar­chieori­en­tierung

Mitdenken, Par­tizipa­tion, Feed­backsys­teme – was für deutsche Chefs selbstverständlich ist, ist für Rumänen oft ungewohnt. Der ideale Chef ist für viele Rumänen nach wie vor der autoritäre Patriarch, der sagt, was zu tun ist, und sich ganz wie ein Vater um sie kümmert. Auch im Kommunismus war dieses Prinzip stark verankert, u. a. durch umfassende staatliche Sozialleis­tun­gen. Für Rumänen ist es undenkbar, dass der Chef kein besseres Büro hat als der einfache Angestellte. Selbst junge Rumänen, die sich als Untergebene über ihre autoritären Vorge­set­zten beklagen, fallen meist in die gleichen Ver­hal­tensweisen, wenn sie selbst in Führungspo­si­tio­nen aufsteigen.

„Statt eine stabile Selb­st­sicher­heit zu haben schwanken die Rumänen zwischen zwei Polen.“

Rumänen suchen zwar den starken Führer, haben aber gle­ichzeitig ein tief ver­wurzeltes Misstrauen gegenüber Regeln und In­sti­tu­tio­nen. Deutsche Vorgesetzte sollten sich deshalb nicht wundern, wenn z. B. angeordnete Überstunden nur höchst widerwillig geleistet werden. Sobald Rumänen aber das Gefühl haben, von ihrem Vorge­set­zten beschützt zu werden – etwa wenn er Neuerungen der Sys­temzen­trale abwehrt –, wendet sich das Blatt: Nun dominiert die positive Beziehung und die Rumänen arbeiten mit viel Engagement.

Schwankende Selb­st­sicher­heit

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – nicht ungewöhnlich für das rumänische Selb­st­be­wusst­sein. Oft schlägt maßlose Selbstüberschätzung blitzschnell in Min­der­w­er­tigkeit­skom­plexe um. Eine re­al­is­tis­che Einschätzung des eigenen Könnens fällt vielen Rumänen eher schwer. Die Ursachen liegen wiederum in der Geschichte Rumäniens, und zwar besonders in deren Unbes­timmtheit: Man weiß nicht viel darüber, was in den 1300 Jahren zwischen römischer Herrschaft und erster Staatsgründung im 14. Jahrhundert genau geschah. Heute haben viele Rumänen einerseits wegen des schlechten Rufs ihres Landes Min­der­w­er­tigkeits­gefühle, an­der­er­seits sind sie aber wegen ihrer einzi­gar­ti­gen Kombination aus romanischer Sprache und orthodoxer Religion stolz darauf, sich von den umliegenden Ländern und dem Westen abzuheben.

„In Rumänien liegt es auf der Hand, dass die Sta­tu­sori­en­tierung hauptsächlich von einem großen Nach­holbe­darf genährt wird.“

Auch sonst sehr selb­st­sichere Rumänen können bei unbekannten Aufgaben in ungewohnter Umgebung plötzlich zu grauen Mäusen ohne Selb­stver­trauen werden. Deutsche dürfen sich außerdem nicht wundern, wenn diskus­sions­freudige Ver­trieb­smi­tar­beiter verstummen, sobald ihre Vorschläge umstandslos als unbrauchbar zurückgewiesen werden. Wenn es um relevante Neuerungen geht – etwa Änderungen der Gehaltsabrech­nung –, ist der persönliche Kontakt un­verzicht­bar. Eine schlichte Rundmail löst Angst aus, die Gerüchteküche brodelt, schnell kommt der Verdacht auf, man werde betrogen.

Sta­tu­sori­en­tierung

Sta­tussym­bole sind in Rumänien wesentlich wichtiger als in Deutschland. Dabei geht es nicht nur um Materielles, sondern auch um Titel und Positionen. Kein Wunder, denn in Rumänien ist die Schere zwischen Arm und Reich immer noch sehr groß, viele haben einen enormen Nach­holbe­darf an Konsumgütern. Verständlich, dass Rumänen beispiel­sweise viel Wert darauf legen, dass auf Türschildern und Vis­itenkarten wohlk­lin­gende Po­si­tions­beze­ich­nun­gen sind oder dass sie in Ein­stel­lungs­ge­sprächen oft zahllose Zusat­zleis­tun­gen fordern, vom Blackberry bis zum Dienstwagen einer bestimmten Marke. In eine ähnliche Richtung geht es, wenn nach dem Besuch deutscher Investoren überschwängliche Berichte in der Lokalzeitung erscheinen: Schließlich schmückt man sich gerne mit den tollen Ergebnissen wichtiger Ver­hand­lun­gen – und übertreibt dabei auch mal.

Über die Autoren

Adrienne Rubatos ist Un­ternehmens­ber­a­terin, Trainerin und Coach. Sie ist spezial­isiert auf in­terkul­turelle Themen. Alexander Thomas ist emer­i­tierter Professor für Sozialpsy­cholo­gie und Or­gan­i­sa­tion­spsy­cholo­gie. Er hat auch bei den Büchern Beruflich in Spanien, Beruflich in Thailand und Beruflich in den arabischen Golfstaaten mitgewirkt.