Ein neuer, vielversprechender Markt
Bis vor Kurzem war Asien für deutsche Unternehmen nur in zweierlei Hinsicht interessant: zum Einkauf von Billigwaren oder zur Auslagerung der Produktion. Das anhaltende Wirtschaftswachstum in vielen Regionen des Kontinents hat aber für steigenden Wohlstand gesorgt, der wiederum neue Märkte hervorbrachte – und einen Heißhunger auf westliche Luxusprodukte. „Made in Germany“ ist in Asien immer noch ein Begriff. Nachholbedarf haben aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Industrie. Bei der Herstellung neuer Produkte, deren Handhabung und Vertrieb sind Anpassungen an die Bedürfnisse vor Ort, egal ob technischer oder kultureller Art, entscheidend.
Einen Fuß in die Tür bekommen
Um Zugang zu asiatischen Unternehmen zu bekommen, sollten Sie nicht nur mit Fingerspitzengefühl und Grundkenntnissen der jeweiligen Kultur und Mentalität ausgestattet sein. Sie müssen überhaupt erst einmal die Gelegenheit bekommen, in den Kontaktnetzwerken Beachtung zu finden. Diese Art der Vetternwirtschaft nennt sich in China „Guanxi“. Das „Know-who“ ist vielerorts wichtiger als das „Know-how“. Wer als Europäer großspurig erklärt, wie alles zu laufen hat, der mag zwar auf Interesse stoßen, aber er animiert damit vielleicht eher zum Abkupfern von Produkten als zu der erhofften Zusammenarbeit. Ein mittelständisches deutsches Unternehmen ist in Asien eher Außenseiter als Platzhirsch.
„Die aufstrebenden Länder Asiens sind die einzigen Konsummärkte mit nachhaltigen Wachstumsaussichten.“
Eine große Hilfe bei der Etablierung Ihres Unternehmens sind Berater vor Ort, die mit den wichtigen Kontaktnetzwerken ebenso vertraut sind wie mit den jeweiligen Sprachen, Gebräuchen und Behörden. Außerdem sollte ein guter Berater nicht nur den Marktüberblick in einem Land haben, sondern ganz Asien kennen, um den optimalen Standort zu finden. Auch Verbände wie die German Asia-Pacific Business Association können bei der Planung Ihres Asienauftritts hilfreich sein. Außerdem sind fast alle asiatischen Länder mit Büros zur Wirtschaftsförderung in Mitteleuropa vertreten.
Kontinentalverbindung per Internet
Als gute Alternative zu teuren und zeitaufwändigen Geschäftsreisen hat sich die Telekommunikation und speziell die Nutzung von Videokonferenzsystemen erwiesen. Sie macht zwar nicht jeden Auslandsaufenthalt überflüssig, liefert aber wertvolle Eindrücke von der Körpersprache und Mimik des Gesprächspartners, was besonders für Asiaten wichtig ist. Als reine Informationsquelle ist das Internet trotz seiner Möglichkeiten nur bedingt geeignet, da die Barrieren von Sprache und Schrift fundierte Recherchen über Vorgänge in Asien erschweren. Ein weiteres Argument mehr für gute Berater und Mitarbeiter vor Ort. Statistisch gesehen sitzt jeder zweite Internetnutzer der Welt im asiatisch-pazifischen Raum. Trotzdem: Selbst größere Unternehmen sind nicht oder nur bescheiden mit eigenen Webseiten im Internet vertreten. Auch Google als Suchmaschine ist längst nicht so weit verbreitet wie in Europa oder Nordamerika. Facebook dagegen ist in Asien sehr erfolgreich.
Das chinesische Wunder
Eine Studie der Asian Development Bank (ADB) besagt, dass China im Jahr 2020 gut ein Viertel des weltweiten Konsums bestreiten wird. Die Volksrepublik China hat mittlerweile Japan von Platz zwei der größten Wirtschaftsnationen verdrängt und könnte in absehbarer Zeit sogar die USA überholen. Die Kluft zwischen Arm und Reich, fehlende soziale Absicherungen und die Gängelung durch den Überwachungsstaat bergen aber auch Gefahren für das wirtschaftliche Wachstum. Man sollte also nicht allen Wirtschaftsprognosen vertrauen. Das Steuersystem der Volksrepublik China ist kompliziert. Außerdem sind manche Geschäftsfelder für ausländische Investoren gesperrt. Dazu kommt: In China sind Politiker oft auch Wirtschaftsvertreter. Bei einer Zusammenarbeit mit Ausländern kommen deshalb nicht nur wirtschaftliche Interessen zum Tragen, was starke Nerven von westlichen Firmenvertretern erfordert. Ein Schwachpunkt des chinesischen Marktes ist immer noch die Infrastruktur. Da die Regierung in Peking dies erkannt hat, wurden und werden Hunderte Milliarden US-Dollar in den Straßen-, Schiffs-, Schienen- und Flugverkehr investiert.
Wachstumsführer Indien
Indien wächst, sowohl was die Wirtschaft als auch was die Bevölkerung betrifft. Mehr als eine Milliarde Menschen werden mit zunehmendem Wohlstand auch zu Verbrauchern, die westliche Produkte begehren. Die größte Demokratie der Welt bietet recht stabile politische Verhältnisse und gilt geostrategisch als Sprungbrett, da Indien auf halber Strecke zwischen Europa und Südostasien liegt. Weniger attraktiv für Investoren sind Indiens marode Infrastruktur und die mangelhafte Energieversorgung mit häufigen Stromausfällen. Für die Regierung haben Verbesserungen in diesem Bereich höchste Priorität; von 2012 bis 2017 soll eine Billion Dollar investiert werden.
„Investitionen in Asien sichern Arbeitsplätze in Deutschland! Diese Erkenntnis muss sich endlich auch in den Parteizentralen und Ministerbüros durchsetzen.“
Potenzielle Arbeitskräfte gibt es in Indien reichlich, oft mit guter Bildung und fast immer mit guten Englischkenntnissen. Allerdings stehen Traditionsbewusstsein und Hierarchiedenken der Entwicklung von Eigeninitiative oft im Wege. Die Loyalität indischer Arbeitnehmer gilt weniger einer Firma als den einzelnen Personen, die dort arbeiten. Die indische Wirtschaft lebt u. a. von Serviceindustrien. Für ausländische Investoren gibt es in Indien Sonderwirtschaftszonen, ähnlich wie in China. Chancen bieten sich insbesondere bei der Lieferung von Ausrüstung und Technik für die Textilindustrie oder Pharmaunternehmen. Einige Branchen sind für Ausländer tabu, für andere benötigt man Sondergenehmigungen. Ein Vorteil gegenüber China: Plagiate findet man in Indien selten.
Die Greater Mekong Subregion und Thailand
Der Mekong ist einer der längsten Flüsse der Welt und verbindet einige Staaten Südostasiens, die sich zum Entwicklungsprojekt Greater Mekong Subregion (GMS) zusammengeschlossen haben: Kambodscha, Laos, Myanmar, Vietnam, Chinas Südprovinz Yunnan und Thailand.
„Es bedarf einer langen Zusammenarbeit und großen Vertrauens, um in Asien Lieferungen gegen offene Rechnungen zu erhalten.“
Ausländische Unternehmer finden sich in Thailand meist sehr schnell zurecht. Das Land wäre heute vermutlich die wirtschaftliche Führungsmacht Südostasiens, wenn es nicht 2006 einen Staatsstreich gegeben hätte. Der Aufschwung Thailands wurde dadurch zwar gebremst, hielt insgesamt aber an. Auch das Marktvolumen des Königreichs vergrößert sich, obwohl es wegen der deutlich geringeren Bevölkerungszahl weder mit China noch mit Indien mithalten kann. Die wirtschaftliche Integration in der GMS und im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) ist vorteilhaft für den Handel. Thailand kann nicht als Billiglohnland bezeichnet werden, dafür sind die Arbeitskräfte im Vergleich mit anderen asiatischen Ländern besser ausgebildet.
„Ohne Verstehen von Markt, Menschen und Bedürfnissen ist jede Investition am Ende ein Lotteriespiel.“
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind wirtschaftsfreundlich. Wichtigste Behörde für ausländische Investoren ist das Board of Investment. In einem Vergleich der Weltbank zum Thema Marktzugangs- und Geschäftsmöglichkeiten von 2009 belegte Thailand Platz 12, Deutschland hingegen nur Platz 25. In Thailand leben bereits mehr als 60 000 Deutsche. Es gibt genügend deutsch- und englischsprachige Schulen. Die medizinische Versorgung ist so gut, dass es einen eigentlichen Medizintourismus Richtung Thailand gibt.
Vietnam und Kambodscha
Die deutsche Regierung will zukünftig verstärkt Bundesmittel zum Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Vietnam freigeben. 90 Millionen Vietnamesen bieten einen interessanten Inlandsmarkt. Die junge Elite der Kommunistischen Partei ist ausreichend marktwirtschaftlich orientiert und das Land bietet politische Stabilität. Den günstigen Arbeitskosten und dem kurzen Weg zum Nachbarland China stehen eine schlechte Infrastruktur, komplizierte Verwaltungswege und Korruption gegenüber. Vietnam ist nur für Unternehmen empfehlenswert, die bereits Erfahrung im Asiengeschäft haben. Besonders attraktiv ist das Land für die Zulieferindustrie. Dem Mittelstand kommt entgegen, dass auch kleinere Investitionen gerne gesehen werden.
„In Thailand lässt sich eine Company Limited, die rechtlich in etwa einer deutschen GmbH entspricht, innerhalb von drei Werktagen registrieren.“
Kambodscha gilt als eines der kapitalistischsten Länder der Welt. Ein Jahresvisum und eine Arbeitsgenehmigung für Ausländer stellen hier zwar kein Problem dar. Abschreckend wirken dagegen vor allem die Korruption sowie „offizielle“ und „nichtoffizielle“ Steuern und Zölle. Alles ist in Kambodscha Verhandlungssache. Die Infrastruktur hat sich seit dem Pol-Pot-Regime nicht wesentlich verbessert, so gibt es bis heute keinen einzigen Tiefseehafen in Kambodscha. Trotzdem gilt das kleine Land als der nächste Tigerstaat. Neu entdeckte Erdöl- und Erdgasvorkommen im Golf von Thailand machen zusätzlich Hoffnung. Niedrige Löhne und ausreichend Arbeitskräfte bieten sich vor allem für die Leichtindustrie und für Zulieferer an. Die Zugehörigkeit zur ASEAN, zur GMS und der WTO-Beitritt verschaffen Kambodscha weitere Vorteile.
Laos und Malaysia
Laos kam gut durch die globalen Finanzkrisen der letzten Jahre. Die kommunistische Regierung verfolgt konsequent das Ziel der wirtschaftlichen Öffnung und bietet politische Stabilität. Das hohe Wirtschaftswachstum, niedrige Löhne und eine gute Energieversorgung zählen zu den Pluspunkten des Landes am Mekong. Laos’ kleiner Binnenmarkt, wenig qualifiziertes Personal, unzureichende Infrastruktur und Korruption schrecken Investoren dagegen ab. Ohne die einflussreichen Familienclans läuft in Laos nichts, es wird über so gut wie alles verhandelt. Die wichtigste Branche in Laos ist die Textilindustrie; die meisten ihrer Erzeugnisse gehen nach Thailand. Geschäftliche Chancen bieten die Weiterverarbeitung der vielen Rohstoffe des Landes und die Landwirtschaft.
„Neben den Unterschieden gibt es jedoch auch jede Menge Gemeinsamkeiten, gerade im thailändisch-deutschen Verhältnis, gewachsen aus gegenseitigem Respekt und Vertrauen.“
Malaysia eignet sich gut für Einsteiger im Asiengeschäft. Sie profitieren von guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, geostrategischen Vorteilen, wenig Korruption und von der weiten Verbreitung der englischen Sprache. Das Land bietet eine gute Lebensqualität und ist deshalb für Ausländer attraktiv. Eine Präsenz in Malaysia erfordert jedoch große Sensibilität im Umgang mit anderen Kulturen, Religionen und Hierarchien. Ausländischen Geschäftspartnern stehen mehrere gute Anlaufstellen zur Verfügung, darunter die Malaysian Investment Development Authority (MIDA). Deutschland gehört bei Maschinen, Werkzeugen, Elektronik und Medizintechnik zu den wichtigsten Lieferanten Malaysias.
Indonesien und die Philippinen
Indonesien ist das Schwergewicht der ASEAN-Freihandelszone. Die 240 Millionen Verbraucher des Inselstaates bilden einen riesigen Markt, der obendrein dank wirtschaftlicher Reformprozesse und politischer Stabilität boomt. Korruption, Bürokratie sowie eine verbesserungsbedürftige Infrastruktur trüben den guten Eindruck. Die jüngste Weltwirtschaftskrise bestand Indonesien dank mutiger Entscheidungen, die das Vertrauen seitens der internationalen Wirtschaftsvertreter nachhaltig gestärkt haben. Die Ratingagentur Moody’s hob 2009 die Krediteinstufung Indonesiens von „stabil“ auf „positiv“ an. Gute Erfolgschancen bieten in Indonesien der Maschinen- und Anlagenbau, die Textil-, Pharma- und Chemieindustrie. Die wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zu Indien und China führten zur Schöpfung des Kunstwortes „Chindonesia“. Allen drei Staaten gemeinsam sind große Binnenmärkte mit Wirtschaftswachstum und wirtschaftsfreundlicher Politik.
„Die in Deutschland hitzig geführte Diskussion über die Einführung von Mindestlöhnen ist in Indonesien ein alter Hut.“
Der Inselstaat der Philippinen fällt in Südostasien aus dem Rahmen, da er sich mit seiner christlichen Kultur und starken spanischen und amerikanischen Einflüssen von den Nachbarländern deutlich unterscheidet. Es gibt viele junge und gut ausgebildete, Englisch sprechende Arbeitskräfte. Die Bedingungen für Outsourcing, Serviceleistungen, Elektrotechnik und handwerkliche Produkte sind gut. Schwierigkeiten können sich aus der Macht von Familienclans, gewerkschaftlichem Einfluss und Korruption ergeben.