Kon-Fusionen

Buch Kon-Fusionen

Über den Umgang mit interkulturellen Business-Situationen

Carl-Auer,


Rezension

Mit Menschen un­ter­schiedlicher Kulturen zusam­men­zuar­beiten, gehört heute in vielen Konzernen, vor allem in globalen, zum Ar­beit­sall­tag. Die kulturellen Un­ter­schiede können Konflikte auslösen, aber auch Arbeit und Leben bereichern. Vo­raus­set­zung ist ein offener und gekonnter Umgang damit. Ute Clement schafft es in ihrem Buch, Hin­ter­grund­wis­sen und Hand­lungsempfehlun­gen äußerst un­ter­halt­sam zu verbinden. Dabei bezieht sie sich nicht nur auf ihre eigenen Erfahrungen aus der Be­ratung­spraxis, sondern wertet auch wis­senschaftliche Ansätze aus, beispiel­sweise von Trompenaars oder Hofstede. Anders als viele Ratgeber verfällt ihr Buch nicht in Stereotype, sondern erläutert die kulturellen Un­ter­schiede anhand der un­ter­schiedlichen Dimensionen, etwa Kom­mu­nika­tion oder Macht­dis­tanz, und bleibt damit auf einer eher allgemeinen Ebene. Das heißt aber auch, dass man hier vergeblich nach den sonst üblichen Dos and Don’ts sucht, deren Sinn die Autorin gleich am Anfang des Buches infrage stellt. BooksInShort empfiehlt den Ratgeber jedem, der mit Menschen aus fremden Kulturen zu tun hat.

Take-aways

  • In­terkul­turelle Kompetenz verlangt eine offene Einstellung, Aufmerk­samkeit, Wissen über andere Kulturen und Methoden für schwierige Situationen.
  • Die Kultur bildet einen Be­deu­tungsrah­men, in dem sich ihre Mitglieder wie selbstverständlich bewegen können.
  • Kultur hat ver­schiedene Dimensionen. Dazu gehören u. a. der Umgang mit Regeln, die Macht­dis­tanz, das Zeitverständnis und die Kom­mu­nika­tion.
  • Während Regeln und Gesetze in Deutschland allgemeingültig sind, stellen sie anderswo nur eine Empfehlung dar.
  • Die westliche Welt ist vom In­di­vid­u­al­is­mus geprägt. Kollek­tivis­tis­che Kulturen kennen oft nicht einmal das Wort „ich“.
  • Angehörige westlicher Nationen brauchen Sicherheit. Menschen aus Indien oder Saudi-Ara­bien etwa können auch unter Un­sicher­heit gut arbeiten.
  • Small Talk ist hierzulande verpönt, vielerorts aber immens wichtig.
  • Zeit ist Geld – im Westen. In anderen Kulturen wird Zeit als etwas Wiederkehren­des betrachtet, weshalb auch Warten kein Problem darstellt.
  • Alles unter Kontrolle möchten vor allem die Westler haben. Im arabischen Raum legt man das Gelingen eines Projekts gern in die Hände Allahs.
  • Wer durch kulturelle Un­ter­schiede irritiert ist, sollte kurz innehalten und überlegen, was genau ihn irritiert.
 

Zusammenfassung

In­terkul­turelle Teams sind der Normalfall

Heute ist es nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel, dass Menschen un­ter­schiedlicher Kulturen zusam­me­nar­beiten. Das birgt eine Menge Sprengstoff: Alles Fremde kann leicht missver­standen werden, und die Kom­mu­nika­tion gestaltet sich oft schwierig. Als Lösung werden gerne Listen mit Dingen zusam­mengestellt, die in einem Land üblich sind oder nicht. Da sich die meisten Kulturen aber heute sehr schnell entwickeln, sind diese Listen ebenso schnell veraltet. Außerdem werden sie den regionalen und auch un­ternehmens­be­zo­ge­nen Un­ter­schieden nicht gerecht. Eine Alternative bietet die so genannte „cultural awareness“, die eine Offenheit gegenüber den Un­ter­schieden anderer Kulturen verlangt. Hier fehlen jedoch die konkreten Hand­lungsempfehlun­gen. Ideal ist ein Ansatz, der allgemeine kulturelle Offenheit und Hand­lungsempfehlun­gen miteinander verbindet.

In­terkul­turelle Kompetenz

Kultur bedeutet nach heutigem Verständnis die Art und Weise, wie eine bestimmte soziale Gruppe denkt und handelt. Die Kultur bildet einen Be­deu­tungsrah­men, in dem sich die Mitglieder der Gruppe wie selbstverständlich bewegen können. Jeder versteht den anderen, ohne dass die Gründe für bestimmte Handlungen immer wieder erläutert werden müssen. Für Franzosen ist es selbstverständlich, sich mit einem Luftkuss in Wangennähe, aber ohne körperliche Berührung zu begrüßen. Deutsche geben sich stattdessen die Hand. Für beide Seiten ist klar, dass es sich hierbei um eine ganz normale Begrüßung handelt. Für den Deutschen ist es darum irritierend, wenn sich die französische Geschäftspart­nerin zur Begrüßung seiner Wange nähert. Er kann diese Geste zunächst nicht einordnen und wird schlimm­sten­falls mit einer Umarmung oder einem richtigen Kuss auf die Wange reagieren. Das wiederum wird in Frankreich als Eindringen in die Privatsphäre gedeutet. Es gibt unzählige Stolper­steine zwischen den Kulturen, die sich mit der richtigen Herange­hensweise umgehen lassen. In­terkul­turelle Kompetenz verlangt eine offene Einstellung, Aufmerk­samkeit sich selbst und den anderen gegenüber, Hin­ter­grund­wis­sen über die andere Kultur sowie Werkzeuge und Techniken für brenzlige Situationen.

Regeln, In­di­vid­u­al­is­mus und Kollek­tivis­mus

Kultur zeigt sich in un­ter­schiedlichen Dimensionen. Wer sich rechtzeitig damit au­seinan­der­setzt, ist auf Überraschun­gen besser vorbreitet und weiß, wo Hindernisse lauern könnten. Bei diesen Dimensionen handelt es sich zwar nicht um Stereotype, allerdings um Ve­r­all­ge­meinerun­gen. Seien Sie daher in Ihrer Wahrnehmung weiterhin offen. Die erste Dimension ist der Umgang einer Kultur mit Regeln. Während Deutschland beispiel­sweise eher vom Uni­ver­sal­is­mus geprägt ist, dominiert in Frankreich und in Italien der Par­tiku­lar­is­mus. Uni­ver­sal­is­mus heißt, dass Gesetze und Regeln allgemeingültig sind. Beim Par­tiku­lar­is­mus hängt die Einhaltung von Gesetzen und Regeln von besonderen Umständen ab. In Deutschland bleibt der Autofahrer an einer roten Ampel stehen, selbst nachts, wenn kein anderer Verkehrsteil­nehmer weit und breit zu sehen ist. In Italien wird eine rote Ampel eher als Vorschlag, stehen zu bleiben, gewertet.

„Kultur ist wie eine Brille, durch die wir das Geschehen um uns herum in­ter­pretieren.“

Eine weitere Dimension bilden die Begriffe In­di­vid­u­al­is­mus und Kollek­tivis­mus. In einer kollek­tivis­tis­chen Kultur, etwa in Indien, ordnet sich der Einzelne den Interessen der Gruppe unter. In Deutschland dagegen dominiert der In­di­vid­u­al­is­mus. Entsprechend oft hört man hier das Wort „ich“, während es in einigen asiatischen Sprachen gar keinen Begriff dafür gibt. Diese Dimension wirkt sich u. a. auf die Entlohnung der Mitarbeiter aus. Während in in­di­vid­u­al­is­tis­chen Ländern die Leistungen des Einzelnen her­aus­gestellt und besonders honoriert werden, wäre dies in einer kollek­tivis­tis­chen Kultur undenkbar und für den Belohnten sogar unangenehm. Darum wird dort immer die Gruppe als Ganzes honoriert.

Macht­dis­tanz und Sicherheit

Die Dimension der Macht­dis­tanz wirkt sich auf die hi­er­ar­chis­chen Beziehungen aus. In Deutschland ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Mitarbeiter Vorschläge und Entschei­dun­gen ihrer Vorge­set­zten diskutieren. Niemand folgt einfach so einem Befehl. In anderen Ländern herrscht dagegen eine größere Macht­dis­tanz. Amerikaner oder Franzosen beispiel­sweise erwarten von ihren Vorgesetzen klare Auf­gaben­stel­lun­gen und Regeln, denen sie folgen können. Dies hat jedoch nichts mit mangelnder Kompetenz zu tun, wie sich le­icht­fer­tig un­ter­stellen ließe, sondern mit Respekt. Als Führungskraft in Ländern mit großer Macht­dis­tanz sollten Sie nicht zu kumpelhaft mit Ihren Mi­tar­beit­ern umgehen, denn Sie könnten dadurch leicht Ihren Status verlieren. Nachdem ein deutscher Manager in Indien seinen Fahrer samt Familie zu sich nach Hause zum Essen eingeladen hatte, fühlte sich dieser sozial aufgewertet und sah keinen Grund mehr, niedere Arbeiten auszuführen.

„Diversität und der Umgang mit dem Fremden können einen Gewinn darstellen, eine Erweiterung des eigenen Horizonts.“

Auch Un­ter­schiede in der Dimension der Sicherheit können zu Konfusionen führen. Während Deutsche gerne alles absichern und kon­trol­lieren, wird in anderen Ländern eher im­pro­visiert. Das betrifft etwa die Ter­min­pla­nung. Deutsche erleben beispiel­sweise im Mittleren Osten ihr blaues Wunder, wenn sie Wochen im Voraus Gesprächstermine festlegen möchten. Während hierzulande ein Termin bindend ist, sehen andere Kulturen darin lediglich eine Ori­en­tierung. Gehen Sie also lieber davon aus, dass der eine oder andere Termin kurzfristig platzen kann. In einigen Ländern, etwa in Italien, ist es auch üblich, in immer kürzeren Abständen vor dem Termin noch einmal nachzufra­gen, ob es denn dabei bleibt.

Kom­mu­nika­tion

Eine der häufigsten Quellen für Missverständnisse ist die Kom­mu­nika­tion bzw. un­ter­schiedliche Auf­fas­sun­gen davon. Es gibt Kulturen mit hoher und solche mit niedriger Kon­textbe­zo­gen­heit. Je höher die Kon­textbe­zo­gen­heit, desto mehr Bedeutung haben Ton, Mimik und Körpersprache. Im Small Talk werden viele wichtige In­for­ma­tio­nen über den Gesprächspartner gewonnen. Deutschland hat eine Kultur mit niedriger Kon­textbe­zo­gen­heit. Daten und Fakten stehen im Vordergrund, und man kommt am liebsten ohne Umschweife auf den Punkt. In Frankreich oder in Indien wäre ein entsprechend direkter Gesprächseinstieg undenkbar. Franzosen zeigen zunächst durch Themen aus Kultur und Gesellschaft, dass sie kultivierte Menschen sind und sich auf dem öffentlichen Parkett problemlos bewegen können. Kommt ein anderer Gesprächspartner dem nicht nach, fühlen sie sich ihm überlegen und zeigen das auch. Kritik wird je nach Kultur ebenfalls un­ter­schiedlich geübt. Während Deutsche ihrem Gegenüber direkt sagen, was ihnen missfällt, verpacken Mitglieder anderer Kulturen ihren Unmut durchaus auch in ein Lob, dem dann die Kritik folgt. So kann es in Großbritannien heißen: „I very much appreciated your pre­sen­ta­tion, but ...“

Status, Zeit, Kontrolle

Status ist eine weitere Dimension, die von Kultur zu Kultur auf anderen Vo­raus­set­zun­gen aufbaut. Während in Deutschland vor allem die Leistung zählt, spielen in den USA die Herkunft, der Fam­i­li­en­name und damit verbundene Netzwerke eine große Rolle. In Frankreich ist es wichtig, welche Universität man besucht hat. Sie können davon ausgehen, dass jemand, der auf der HEC (École des Hautes Études Com­mer­ciales) in Paris studiert hat, eine ein­flussre­iche Persönlichkeit ist. In asiatischen Ländern begründet sich Status auch aus dem Alter und den damit erworbenen Erfahrungen. Wenn Sie eine Filiale in China planen, sollten ältere Mitarbeiter Leitungs­funk­tio­nen übernehmen. Ein 30- bis 40-Jähriger wird hier nicht ernst genommen.

„In asiatischen Ländern ist Seniorität eine De­ter­mi­nante von Status.“

Auch der Umgang mit Zeit un­ter­schei­det Kulturen voneinander. Es gibt Kulturen, die Zeit als etwas Lineares verstehen, wie Deutschland oder die USA. Hier wird Zeit in Abschnitte unterteilt, in denen eine Aufgabe nach der anderen abgear­beitet wird. Warten wird als Vergeudung angesehen und erzeugt Ärger. In anderen Kulturen, wie in Indien oder in arabischen Ländern, gilt Zeit als etwas Wiederkehren­des. Kann eine Aufgabe heute nicht erledigt werden, wird das eben morgen nachgeholt. Diese Kulturen werden auch Multi-Fo­cus-Kul­turen genannt, im Unterschied zu den westlichen Sin­gle-Fo­cus-Kul­turen. Warten ist dort nichts Negatives. Weil ohnehin meist drei Aufgaben auf einmal geplant werden, bleibt, wenn ein Termin auf sich warten lässt, mehr Zeit für die Arbeit. Werten Sie es also nicht als Re­spek­t­losigkeit, wenn ein Gesprächspartner Sie in so einer Kultur mehrere Stunden sitzen lässt. Planen Sie immer einen aus­re­ichen­den Zeitpuffer ein.

„Mittels Per­spek­tiven­wech­sel- und Verhaltensübungen werden fremde kulturelle Muster erlebbar.“

Auch in Sachen Kontrolle un­ter­schei­den sich die Kulturen. In der westlichen Welt glaubt der Mensch die Kontrolle über Gelingen oder Nicht­gelin­gen eines Projekts zu haben. In islamischen Ländern dagegen haben die Menschen das Gefühl, vieles liege nicht in ihrer Macht. Allah entscheidet letztlich, ob etwas erfolgreich ist oder nicht. Die Arbeit orientiert sich darum oft weniger an der Un­ternehmensstrate­gie als an den Rah­menbe­din­gun­gen. Insofern kann ein Plan auch schnell vernachlässigt und die Arbeit den veränderten Bedingungen angepasst werden. Es lohnt sich, in solchen Kulturen einen engen Kontakt zu den Ve­r­ant­wortlichen zu pflegen, um stets über den Lauf der Dinge informiert zu sein.

Werkzeuge der in­terkul­turellen Kompetenz

Trotz aller Vor­bere­itung kann es dazu kommen, dass Sie wegen kultureller Un­ter­schiede nicht mehr weit­er­wis­sen und dass die Kon­ver­sa­tion oder Zusam­me­nar­beit stockt. Für solche Situationen sollten Sie sich eine Art Werkzeugkof­fer mit Strategien und Techniken zulegen:

  • Ver­hal­tens­muster wechseln: Das Erkennen von eigenen und fremden Ver­hal­tens­mustern ermöglicht Ihnen, zwischen diesen zu wechseln und so auch die andere Seite zu verstehen. Wird ein in­terkul­turelles Team zusam­mengestellt, empfiehlt sich beispiel­sweise ein Workshop, bei dem die Angehörigen jeder Kultur sich selbst und die anderen einschätzen und alle eine gemeinsame Sprache finden, mit der die Un­ter­schiede überbrückt werden können.
  • Den Unterschied finden: Gerät ein Projekt ins Stocken, sollten Sie zunächst her­aus­finden, ob die Gründe wirklich in kulturellen Un­ter­schieden liegen. Erst wenn Sie das geklärt haben, können Sie den Differenzen auf den Grund gehen. So lag das Problem, das ein deutsches Projektteam mit seinem spanischen Pro­jek­tleiter hatte, nicht in den nationalen Un­ter­schieden, sondern in seiner ländlichen Herkunft im Gegensatz zur urbanen Herkunft der Kollegen. Während er keine langen Erklärungen gewohnt war, vermissten die urbanen Kollegen Ab­stim­mungen.
  • Gemeinsame Identität schaffen: Bevor eine kulturelle Trennlinie iden­ti­fiziert wird, sollten Sie lieber eine gemeinsame Pro­jek­ti­den­tität schaffen. Das gelingt durch eine Auf­tak­tver­anstal­tung und auch durch gemeinsame Erlebnisse wie den Besuch eines Konzertes mit den Team­mit­gliedern. Außerdem sollten Sie gemeinsame Elemente der ver­schiede­nen beteiligten Kulturen iden­ti­fizieren.
  • Innehalten und lernen: Statt bei in­terkul­turellen Ir­ri­ta­tio­nen gleich das Gegenüber abzuwerten, was langfristig Stereotype noch verstärkt und das Kon­flik­t­poten­zial erhöht, sollten Sie in solchen Momenten lieber kurz innehalten und überlegen, warum Sie irritiert sind. Fragen Sie dann nach, was Sie falsch gemacht haben und was der richtige Weg wäre.



Über die Autorin

Ute Clement ist Psychologin und begleitet mit ihrem Be­ratung­sun­ternehmen Veränderung­sprozesse in in­ter­na­tionalen Unternehmen. Im Jahr 2010 wurde sie in das „European Network of Female En­tre­pre­neur­ship Ambassadors“ berufen. Sie ist außerdem Su­per­vi­sorin und systemische Therapeutin.