Das Geheimnis der BrakeBreakers

Buch Das Geheimnis der BrakeBreakers

Fünf Werbestrategien für grenzenloses Markenwachstum

Wiley-VCH,


Rezension

Ein Baby und sein Vater liefern sich einen Wettkampf um die Küsse der Mama: Wer hat die weichste Haut im ganzen Land? Der lustige Rasierklin­gen-Spot avancierte in kürzester Zeit zum viralen YouTube-Block­buster – aber die Mark­tan­teile des Klin­gen­her­stellers blieben gänzlich unverändert. Die Autoren bringen mit diesem Beispiel das Dilemma der kreativen Im­agewer­bung auf den Punkt: Ist lustig, verkauft aber nicht. Das Gegenrezept der Autoren besteht aus zwei Zutaten. Erstens: mit Missverständnissen aufräumen. Zweitens: Kon­sum­brem­sen lösen. Dann, so verheißen sie, winkt un­be­gren­ztes Markenwach­s­tum. Egal ob Süßigkeiten als Milchersatz für Kinder, Viagra für jedermann oder Coca-Cola zu jeder Mahlzeit – die fünf „Hämmer“ sollen Men­tal­brem­sen auch der kri­tis­chsten Kunden lösen und sie tief ins Porte­mon­naie greifen lassen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Jedenfalls verlieh die Ver­brauch­er­schut­zor­gan­i­sa­tion Foodwatch mehreren der im Buch hochgelobten Kampagnen den „Goldenen Windbeutel“ für die dreistesten Werbelügen. Die Autoren finden das großartig: Für sie ist es der Beweis, den Nerv des Kunden getroffen zu haben. Zynisch? Immerhin ehrlich, findet BooksInShort und empfiehlt das Buch allen Mar­ket­ingver­ant­wortlichen, denen Um­satz­zahlen nicht gleichgültig sind.

Take-aways

  • Kreative, un­ter­hal­tende Im­agewer­bung ist alles, nur nicht verkaufsfördernd.
  • 95 % aller Kampagnen haben keinerlei Auswirkung auf die Umsätze.
  • Werbung wirkt, wenn sie neue Kun­den­grup­pen anspricht und Kon­sum­brem­sen löst.
  • Sie muss Neg­a­tivwahrnehmungen umkehren sowie In­dif­feren­zen und Glaubwürdigkeitsmängel beheben.
  • Nutzen Sie die Kraft der Gege­nar­gu­mente für Ihre Marke und stellen Sie diese in ein positives Licht.
  • Sprechen Sie zuvor ignorierte Probleme an und prog­nos­tizieren Sie dramatische Folgen für den Fall des Nichtkon­sums.
  • Besetzen Sie neue Kon­sumkat­e­gorien und -momente, statt überkommene Markenkriege auszufechten.
  • Nutzen Sie die Kraft von Pro­duk­t­demos: Wenn Schuhsohlen sichtbar atmen, entsteht Magie.
  • Verpflichten Sie als i-Tüpfelchen einen Prominenten zu einem glaubwürdigen „Endorsement“.
  • Jedes Produkt hat Marken­poten­zial. Lösen Sie die Bremsen im eigenen Kopf, um es auszuschöpfen.
 

Zusammenfassung

Wunderbar wirkungslose Werbung

Kon­ven­tionelle Werbung verschlingt Jahr für Jahr gigantische Summen – fast 1 Billion Euro weltweit. Aber hat sie auch den gewünschten Effekt? Kreative und witzige Kampagnen unterhalten die Kunden, CEOs lassen sich auf dem Golfplatz feiern, und Werber gewinnen Preise in Cannes. Allein: Bei den Umsätzen bewegt sich nichts, und am Ende sollen Han­del­spro­mo­tio­nen und Preisnachlässe retten, was nicht mehr zu retten ist. Wenn die Werbung nicht funk­tion­iere, stimme halt etwas mit dem Produkt nicht, so eine häufige Ausrede der Kreativen. Doch welchen Spielraum haben Hersteller noch, wenn sie für die Kunden attraktiver werden wollen? Rabatte lösen fast immer eine Preis­spi­rale nach unten aus. Pro­duk­tin­no­va­tio­nen sind riskant – neun von zehn Neueinführungen floppen. Bleiben die neuen Medien: Seit einigen Jahren machen viral über YouTube verbreitete Spots Furore. Mar­ket­ingchefs freuen sich, dass sie so Millionen erreichen können, ohne einen Cent für die Verbreitung zu bezahlen. Und das Ergebnis? Keine nen­nenswerten Um­satzsteigerun­gen in Sicht. Studien zufolge verpuffen gar 95 % aller Wer­bekam­pag­nen wirkungslos.

Neue Mar­ket­ingkonzepte braucht das Land

Marken­profis stehen oft vor einem Dilemma: Sollen sie sklavisch an ein und derselben Po­si­tion­ierung festhalten und dafür geringeres Wachstum in Kauf nehmen, oder sollen sie die Marke neu erfinden? Die richtige Antwort lautet: weder noch. Betrachten Sie stattdessen Ihre Po­si­tion­ierung aus der Sicht ver­schiedener, noch nicht er­schlossener Zielgruppen. Ein gutes Beispiel für diese Strategie ist Volvo. Die Firma hat immer am Sicher­heitsver­sprechen als Grund­po­si­tion­ierung fest­ge­hal­ten. Aber sie brachte auch die eher maskuline Marke bei den Frauen ins Gespräch, indem sie ar­gu­men­tierte, dass kleine Autos viel gefährlicher seien als größere. Wenn Sie nach neuen Kunden und Kon­sum­mo­menten Ausschau halten, verwässern Sie Ihre Marke nicht, sondern laden Sie sie ständig neu auf. Zunächst müssen Sie her­aus­finden, was diese poten­ziellen Kunden vom Kaufen abhält. Es gibt drei Arten von Kon­sum­brem­sen:

  1. Negative Wahrnehmung: Beispiele dafür sind zuck­er­haltige Süßigkeiten für Kinder oder fettige Burger. So paradox es klingen mag: Die negative Wahrnehmung ist ein Juwel, denn der Konsument drückt glasklar aus, was ihn an der Marke stört.
  2. Indifferenz: Die meisten amerikanis­chen Verbraucher waren gegenüber So­japro­duk­ten gleichgültig eingestellt. Erst als einer Firma erlaubt wurde, das Wörtchen „Milch“ zu benutzen, konnte sie die entschei­den­den Kon­sum­mo­mente besetzen (zum Frühstück, als Snack usw.).
  3. Glaubwürdigkeits­man­gel: Kunden fragen sich, warum sie einem Pro­duk­tver­sprechen glauben sollen. Diese Frage müssen Sie glaubwürdig beantworten.
„Werbung re­fi­nanziert sich ausschließlich, wenn Konsumenten das beworbene Produkt oder die beworbene Di­en­stleis­tung häufiger kaufen als ohne Werbung. Ganz einfach.“

Kon­sum­brem­sen sind fest in der Wahrnehmung verankert. Um sie zu lösen, benötigen Sie einen oder mehrere der folgenden fünf Hämmer aus dem Brake­Break­ers-Werkzeugkas­ten.

Erster Hammer: Bar­rier-Ip­pon

Ein Judoka, der die Ip­pon-Tech­nik anwendet, nutzt die Kraft seines Gegners, um ihn damit zu Fall zu bringen. Für Ihren Bar­rier-Ip­pon-Ham­mer gilt: Sie wandeln negative Wahrnehmungen in positive um, indem Sie sie in ein besseres Licht rücken oder indem Sie mit falschen Vorstel­lun­gen aufräumen. Zunächst müssen Sie mithilfe einer scharf fokussierten Kon­sumenten­forschung her­aus­finden, was potenzielle Kunden an Ihrer Marke auszusetzen haben bzw. was sie sich wünschen. Letzteres bieten Sie ihnen dann an. Ferrero etwa schaffte es, mit seiner fettreichen Milch­schnitte sogar gesund­heits­be­wusste Mütter von der überragenden Wichtigkeit des Milchanteils im Produkt zu überzeugen. Das ist die erste Ip­pon-Tech­nik. Die zweite besteht darin, Un­ge­nauigkeiten in den negativen Argumenten aufzuspüren und zu widerlegen. Einem Lutscher­her­steller gelang dieser Ge­niestre­ich: Lollis hätten insgesamt weniger Kalorien als ein Apfel, so sein Argument, absolut gesehen seien sie also keine Dickmacher. Ein paar Tipps zur Technik:

  • Machen Sie lautstark auf Irrtümer aufmerksam. Menschen sind sehr resistent gegenüber Wahrnehmungsveränderungen; mit einem leisen Auftreten kommen Sie nicht weiter.
  • Neu­tral­isieren genügt nicht. Sie müssen wahrgenommene Nachteile in echte Vorteile ummünzen.
  • Notfalls passen Sie das Produkt an – etwa indem Sie den Fett- oder Zuck­erge­halt verringern –, um Ihr Konzept zu stützen.
  • Überraschen Sie mit Paradoxen: ein Bonbon, das gut für die Zähne ist, Alkohol, der gut fürs Herz ist, oder ein Pick-up, der für den Stadtverkehr taugt.
  • Nutzen Sie die Technik für eine ganze Kategorie, nicht nur für Ihre Marke: Aida Cruises etwa gelang es, das Image der Kreuz­fahrt­branche um Jahrzehnte zu verjüngen.

Zweiter Hammer: Prob­lem-Rein­ven­tion

Inszenieren Sie das durch Ihr Produkt gelöste Problem so, dass es auch dem zuvor gleichgültigen Kunden relevant erscheinen muss. Viagra hat sich von einem Nischen- zum Massen­pro­dukt entwickelt, indem Erek­tion­ss­chwierigkeiten als normales, alltägliches Problem dargestellt wurden, das jeden gesunden Mann treffen kann. Viele Kreative meinen, Probleme seien etwas Negatives und hätten in der Werbung nichts zu suchen. Das ist Unsinn, denn Produkte haben ja keine andere Funktion, als Probleme zu lösen. Ohne alternde Haut bräuchte es schließlich keine Anti-Ag­ing-Creme. Carglass, der Marktführer im Austausch von Wind­schutzscheiben, warb mit dem Argument, dass ein winziger Riss die Scheibe bei voller Fahrt zerbrechen lassen kann. Ein Hor­rorszenario, fanden viele Verbraucher und ließen ihre Wind­schutzscheiben schleunigst auswechseln. Stellen Sie zuvor ignorierte Probleme als relevant dar. Drama­tisieren Sie, indem Sie na­h­este­hende Personen, relevante Orte und schwere Folgen in das Szenario einbeziehen. Wie im Fall eines an­tibak­teriellen Reini­gungsmit­tels geschehen: Ist sauber etwa nicht gleich sauber? Nein, nicht wenn auf dem zwar glänzenden, aber nicht auch desin­fizierten Fußboden plötzlich Kakerlaken auftauchen, die sich einem süßen Baby nähern!

Dritter Hammer: Cat­e­gory-Steal­ing

Spüren Sie neue Kategorien auf und übertragen Sie deren Kon­sumver­sprechen auf Ihre Marke. Spanien gelang es z. B., nicht nur als beliebtes Urlaubsziel wahrgenom­men zu werden, sondern sich auch als geeigneter Ort für einen Zweit­wohn­sitz zu po­si­tion­ieren. Die Folge: Ganze 800 000 neue Wohnungen wurden allein im Jahr 2006 gebaut. Markenkriege innerhalb einer Kategorie, wie sie Pepsi und Coca-Cola jahrzehn­te­lang ausfochten, haben sich längst überlebt. Heute gibt es je einen wichtigen Energydrink (Red Bull), einen Fit­ness­drink (Gatorade) und einen Biodrink (Bionade). Es sind neue Kategorien entstanden, für den Kampf innerhalb einer Kategorie ist im Kon­sumenten­hirn kein Platz mehr. In diesem Wet­tbe­werb­sum­feld müssen Sie neue Spielplätze erobern. L’Oréal schwang diesen Hammer virtuos, als es in einem Slogan für seine An­tifal­tencreme forderte: „Die Schönheitschirurgie kann warten.“ Die Marke war so der dicht besetzten Creme-Kat­e­gorie entkommen und elegant in höhere Sphären aufgestiegen.

Vierter Hammer: Pro­duk­t­demos

„Das kann ich nicht glauben!“ ist eine wunderbare Reaktion, denn sie sig­nal­isiert Interesse. Jetzt müssen Sie nur noch die Ungläubigen mit glaubwürdigen Argumenten überzeugen: Nennen Sie Be­standteile, Zutaten und Charak­ter­is­tika und demon­stri­eren Sie, wie Ihr Produkt funk­tion­iert. Ein geniales Beispiel hierfür ist der Spot von Geox, der zeigt, wie ein Schuh einem Dampfbügeleisen gleich durch die Sohle „ausatmet“, ohne Feuchtigkeit von außen nach innen gelangen zu lassen. Sie werden damit in Cannes keinen Blumentopf gewinnen, denn Pro­duk­t­demos gelten als extrem unkreativ. Aber sie funk­tion­ieren! Am besten in Kombination: Suchen Sie nach überzeu­gen­den Pro­duk­tar­gu­menten, lassen Sie das Produkt von einem Experten empfehlen und ihn das Gutachten einer Institution zitieren. So steigen Sie auf der Glaubwürdigkeit­streppe Stufe für Stufe nach oben. Eine gelungene Produktdemo besteht aus drei Elementen: dem exklusiven Bestandteil (z. B. die fünf Klingen eines neuen Rasierers), der Beschrei­bung der Funk­tion­sweise und einer einprägsamen visuellen Stütze (maximal vier Sekunden in einem Werbespot bzw. ein Bild in einer Print­kam­pagne). Mit einer klaren, unmissverständlichen Demo entfesseln Sie magische Momente, denen sich niemand entziehen kann.

Fünfter Hammer: En­dorse­ments

Wem würden Sie eher vertrauen, wenn Sie eine Putzfrau suchen: dem Rat Ihrer Freundin oder der Imagebroschüre einer Zeitar­beits­firma, die Reini­gungskräfte vermittelt? Keine Frage. Die Freundin hat in Ihren Augen Prestige, und sie ist unabhängig. Genau das sollten auch die externen „Endorser“ (Verstärker) Ihrer Marke bieten. Natürlich weiß jeder Kunde, dass für eine Empfehlung in der Werbung Geld fließt und sie deshalb nicht mit dem Rat der Freundin gle­ichzuset­zen ist. Dennoch kann sie glaubwürdig wirken, wenn sie gut zu Ihrer Marke passt. L’Oréal etwa engagierte für seine An­tifal­tencreme die 69-jährige, blendend aussehende Jane Fonda, die zudem noch für ihre Abneigung gegenüber Schönheit­sop­er­a­tio­nen bekannt war. Meiden Sie Berühmtheiten, die sich inflationär häufig für ver­schiedene Produkte engagieren: Das zehnte Endorsement von ein und derselben Person nimmt Ihnen keiner ab! Lokale Berühmtheiten, die noch keinen Su­per­starsta­tus erreicht haben, bieten oft ein gutes Preis-Leis­tungs-Verhältnis.

„Unser Buch ist voller Bremsen und Hämmer, voller Werbe- und Marken­beispiele, aber vor allem ist es ein kleiner Aufruf zur Rebellion.“

Aber nicht immer sind Berühmtheiten die erste Wahl. Die Kos­metik­marke Dove etwa hat ihre gesamte Kom­mu­nika­tion­sstrate­gie um anonyme Tes­ti­mo­ni­als herum aufgebaut, um „Menschen wie du und ich“. Das spricht viele Kun­den­grup­pen stärker an als Fiktion, und es ist eine Werbeform mit hohem Zukun­ftspoten­zial. Große Wirksamkeit entfalten auch Experten: Ärzte, Landwirte, Ernährungswis­senschaftler, Klempner usw. Deren Aussagen werden zusätzlich unterstützt durch die Nennung von In­sti­tu­tio­nen, die sich z. B. der Lebens­mit­tel­sicher­heit ver­schrieben haben. En­dorse­ments vonseiten lokaler In­sti­tu­tio­nen sind ein her­vor­ra­gen­des Mittel, um die Kampagnen multi­na­tionaler Unternehmen in ver­schiede­nen Ländern gut zu promoten. Ein Beispiel: In Deutschland würde eine positive Kritik der Zeit für einen Film ein besseres Endorsement darstellen als eine aus der New York Times. Neben den externen Empfehlun­gen gibt es noch die internen, also direkt vom Unternehmen geleisteten: Das können Stu­di­energeb­nisse sein oder auch Geld-zurück-Garantien. Sie drücken damit Ihre 100%ige Überzeugung aus, dass das Produkt sein Versprechen an den Kunden halten wird. Tatsächlich lösen im Durch­schnitt weniger als 0,5 % aller Käufer diese Garantie auch ein. Die 14-Tage-Geld-zurück-Garantie für den Ac­tivia-Joghurt von Danone etwa führte innerhalb kürzester Zeit zu einer Um­satzver­dop­pelung.

Die Bremse im Kopf

Vielleicht denken Sie nun, dass die Methode nur mit innovativen, einzi­gar­ti­gen Produkten funk­tion­iert. Weit gefehlt! Betrachten Sie Ihre Marke wie Eltern ihre ver­hal­tensauffälligen Kinder: Egal, was Ihnen Lehrer und Verwandte sagen mögen, Sie werden immer etwas an ihnen finden, das sich zu lieben und zu fördern lohnt. Auf das Marketing übertragen bedeutet das: Jedes Produkt hat Begeis­terungspoten­zial, von der schnöden Tomatensoße bis hin zum Potenzmit­tel. Lösen Sie zuerst die eigenen Poten­zial­brem­sen, bevor Sie sich um die Ihrer Kunden kümmern. Fassen Sie Mut: Wagen Sie den Aufstand gegen selb­stver­liebte Image-, Impact- und En­ter­tain­men­twer­bung, und Ihre Umsätze werden nicht mehr zu bremsen sein.

Über die Autoren

Juanjo Pérez Cuesta war als Mar­ket­ingdi­rek­tor und CEO für zahlreiche Marken­her­steller tätig und gründete zuletzt Brake­Break­ers Partners in Barcelona. Rafael Esteve ist CEO von Young & Rubicam in Spanien und globaler Managing Partner für Danone. Gerd Beilke war als Mar­ket­ingdi­rek­tor für Danone tätig und hat Brake­Break­ers mit gegründet.