Der Spielfaktor

Buch Der Spielfaktor

Warum wir besser arbeiten, wenn wir spielen

Heyne,


Rezension

So spielerisch der Titel daherkommt: Der Inhalt ist nichts, was man im Vorbeigehen konsumiert, jedenfalls nicht, wenn man den Zusam­men­hang zwischen Spielen und Arbeiten wirklich verstehen will. Der Ansatz des Autors basiert auf psy­chol­o­gis­chen und sozi­ol­o­gis­chen Erken­nt­nis­sen, und die wollen schon mit Ern­sthaftigkeit gehört werden. Die vielen Prax­is­beispiele zaubern Fleisch an das the­o­retis­che Knochengerüst und erinnern immer wieder daran, dass Spielen im Kontext der Arbeit auf die innere Haltung abzielt – nicht auf das Hantieren mit Förmchen im Sandkasten. So geht der Autor seine Spielthe­o­rie zunächst auch wis­senschaftlich an, ehe er anhand bestimmter Spielfak­toren genau definiert, wie man die spielerische Seite in die Arbeit integriert. Schön, dass alles leser­fre­undlich aufbereitet ist, mit kurzen Fazits und Marginalien im Text sowie einer stich­punk­tar­ti­gen Zusam­men­fas­sung am Ende jedes Kapitels. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die in ihren Unternehmen für Per­son­alen­twick­lung oder In­no­va­tio­nen ve­r­ant­wortlich sind.

Take-aways

  • Spielerisches Denken ist die neue Art, Fragen im Ar­beit­sall­tag zu beantworten.
  • Oft findet man durch das Spielen schneller zu einer Lösung als durch um­fan­gre­iche Analysen.
  • Beim Spielen kann man gefahrlos Erfahrungen sammeln, die sich dann in die Realität übertragen lassen.
  • Spielen ist so wichtig wie schlafen: Das Gehirn knüpft dabei neue Verbindun­gen, und das macht intelligent.
  • Spielen kann man nicht erzwingen. Aber wenn es spannend ist, wird jeder freiwillig mitmachen.
  • Spielen macht Spaß, Spaß macht kreativ und das fördert die Motivation.
  • Wenn Sie gemeinsam mit anderen in einer Tätigkeit völlig aufgehen, ist die Produktivität am höchsten.
  • Spielen beruht auf Imagination – was die Vo­raus­set­zung für Innovation ist.
  • Menschen brauchen Spielräume mit begrenzten Kon­se­quen­zen, um erlernte Fähigkeiten zu üben.
  • Wenn Sie spielerisch Dinge aus­pro­bieren und Regeln beugen, können Sie neue Wege einschlagen und kritische Situationen überwinden.
 

Zusammenfassung

Mit spielerischem Denken auf zu neuen Ufern

Die niederländische Eisenbahn war unpünktlich. Es gab zwei Optionen, das zu ändern: Die eine war der tra­di­tionelle Weg über Analyse, Steuerung und Kontrolle – nach einem halben Jahr war damit aber keine Verbesserung erzielt worden. Die andere war das Spiel „Keine Zeit verlieren“, an dem Schaffner und Lokomotivführer teilnahmen, um mit engagierten, kreativen und durchaus auch verrückten Ideen das Problem zu lösen. Nach wenigen Monaten hatten sie genau das erreicht. Einfach, weil sie aus ihrer Arbeit ein Spiel gemacht hatten. Spielen eröffnet neue Möglichkeiten, taucht schwierige Fragen in ein neues Licht und krempelt um, was als Glaubenssatz längst überholt ist. Egal, ob es um Fragen bezüglich Um­satzsteigerung, In­no­va­tio­nen, Ar­beit­szufrieden­heit oder Kun­de­nori­en­tierung geht, eines ist allen gemeinsam: Wenn Sie etwas verändern wollen, müssen Sie handeln – oder einen anderen dazu bringen, zu handeln und die Dinge anders zu machen. Das konnten Sie bisher mit Kontrolle erreichen oder mit Zuckerbrot und Peitsche. Künftig können Sie das Spiel nutzen. Spielerisches Denken setzt auf Verführung statt auf Kontrolle und auf Spaß an der Arbeit statt auf Boni. Spielen führt dazu, in einer part­ner­schaftlichen Art und Weise zu handeln.

Spielerisch das Handeln bee­in­flussen

Vermutlich runzeln Sie wie die meisten erst mal die Stirn, wenn jemand Arbeit und Spielen in einem Atemzug nennt. Spielen ist etwas für Kinder, unter Erwachsenen gilt es als un­ver­ant­wortlich oder sogar als Sucht, aber sicher nicht als Element der Arbeitswelt, so die weit verbreitete Meinung. Doch es geht darum, das Handeln von Menschen zu bee­in­flussen, und dafür ist eine neue Sichtweise nötig. Zunächst muss man wissen, warum Menschen so oder so handeln. Vereinfacht dargestellt beruht Handeln auf Wollen und auf Können. In der Interaktion mit anderen nehmen wir dann eine bestimmte Rolle ein. Welche das ist und wie gut wir diese ausfüllen, haben wir in unserer Kindheit gelernt – durch Spielen.

„Spielen ist eine Perspektive, mit der sich alles ändern kann.“

Dabei haben wir eine Menge Erfahrungen gemacht, die unser Handeln bee­in­flussen. Diese Erfahrungen sind es, die unseren Willen steuern. Wer beispiel­sweise einmal indisch gegessen hat und das sehr lecker fand, der möchte es wieder tun. Erfahrungen wecken die Sehnsucht; man ist bereit, sein Tun entsprechend zu ändern. Wenn Sie also möchten, dass Ihre Ver­trieb­steams besser zusam­me­nar­beiten, dann halten Sie ihnen darüber keinen Vortrag, sondern lassen Sie die Leute selbst erleben, wie lohnend es sein kann. Im Spiel kann man Neues aus­pro­bieren, ohne dass es brenzlig wird – eben weil es nur ein Spiel ist.

„Es kann sich nur dann etwas ändern, wenn irgendwo irgendwann ir­gend­je­mand etwas anders macht als vorher.“

Spielen eröffnet ganz neue Welten. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, was Sie tun, sondern wie Sie es tun: Die Ungezwun­gen­heit, der Spaß, das Miteinander, das macht das Spiel aus. Führen Sie die gleiche Handlung mit Druck, Frust und im Gegeneinan­der aus, dann ist der Unterschied offenkundig. Es ist also die innere Haltung und Einstellung, die eine Aktivität zum Spiel macht. In solch spielerischer Haltung gehen Ihnen die Arbeit und das Lernen viel leichter von der Hand.

„Eine Vorstellung von etwas bekommt man am ehesten dann, wenn man es selbst erfahren und erleben darf.“

Spielen fördert übrigens das Sozialver­hal­ten, die Entschei­dungsfähigkeit, die emotionale und soziale Kompetenz sowie die Intelligenz – das ist wis­senschaftlich bewiesen. Spielen ist so wichtig wie schlafen, denn es schafft neue Verbindun­gen im Gehirn und lässt uns außergewöhnliche Gedanken spinnen. Wer nicht spielt, riskiert, dass sein Gehirn verkalkt.

Ohne Zwang und Plan, einfach loslegen

Sie haben zwei Möglichkeiten, mit Ihren Mi­tar­beit­ern umzugehen: Sie geben Anweisungen und erwarten, dass die Leute Ärger und Mühen ertragen, weil sie schließlich dafür bezahlt werden. Oder Sie sorgen dafür, dass den Leuten die Aufgaben Spaß machen. Spielen macht Spaß, spricht das ästhetische Empfinden an, ist spannend und kom­mu­nika­tiv. Wenn Sie die Aufgaben in Ihrem Team spielerisch angehen, werden Sie schnellere, bessere und auch ganz neue Ergebnisse erzielen. Einfach weil Menschen außergewöhnliche Leistungen bringen, wenn sie Spaß an ihrem Tun haben, weil Spaß inspiriert und dazu verführt, Dinge auch mal anders zu erledigen, kreativ zu sein. Zwang und Kontrolle sind Spaßbremsen und führen bestenfalls zu einem kurzfristi­gen, aber sicher nicht zu einem dauerhaften Erfolg.

„Es gibt nur wenige andere Situationen, die so einladend sind, neue Dinge gefahrlos und ohne Kon­se­quen­zen auszupro­bieren, wie das Spiel.“

Sie können allerdings niemanden zum Spielen verdonnern, das klappt nur freiwillig. Sie können aber andere dazu verführen, dass sie freiwillig spielen. Schönheit und Spannung sind hier Ihre Verbündeten. Statt Ihre Manager in eine Klausurta­gung zu sperren, um ihnen beispiel­sweise eine stärkere Kun­de­nori­en­tierung ans Herz zu legen, können Sie ihnen auch einen iPod auf den Schreibtisch legen, der wöchentlich mit neuen Inhalten gefüllt wird und die Manager mit Aufgaben versorgt. Schön, spannend – und Erfolg ver­sprechend.

„Spielen ist immer freiwillig. Es geschieht nie unter Zwang oder durch Druck oder weil man ein bestimmtes Ziel verfolgt.“

Wenn es Probleme gibt, stellt man in Unternehmen für gewöhnlich erst mal Analysen an – und wartet dann ab. Vergessen Sie doch mal die ganze Planerei, fangen Sie einfach an. Das erfordert zweifellos Mut, auch Mut zu Fehlern. Aber Vorsicht: Spontanes Herumpro­bieren muss nicht immer das Beste sein; ein bisschen Planung kann helfen, teure Fehler oder gefährliche Folgen zu vermeiden. Nur ist es eben in den wenigsten Fällen das Problem, dass zu viel herumpro­biert wird. Vielmehr wird allzu gern der Zeitaufwand für Analysen unterschätzt, während die Kosten für Fehler überschätzt werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die Motivation viel größer ist, wenn man selbst her­aus­findet, was zu tun ist.

„Wer Gefallen daran findet, Spaß zu haben, wo er eigentlich nicht zu sein scheint, bekommt auf einmal unmögliche Dinge geschafft.“

Es gibt aber ein paar Hürden, die es zu überwinden gilt, wenn man aktiv werden und nicht in der Theorie stecken bleiben will. Meist sind es bestimmte Glaubenssätze, die Sie daran hindern, vom Planen zum Handeln zu gelangen. Wer etwas aus­pro­bieren möchte, darf sich davon jedoch nicht blockieren lassen und sollte lernen,

  • sich davon zu ve­r­ab­schieden, ganz sicher sein zu wollen,
  • Probleme nicht immer vollständig lösen zu wollen,
  • die Forderung nach gemeinsamem Handeln, klaren Strategien und ein­heitlichen Regeln aufzugeben,
  • sich von dem Glauben, Vorgesetzte müssten für und über andere entscheiden, frei zu machen, und
  • aufzuhören, sich am Status quo festzuk­lam­mern.

Gemeinsam kommt man vorwärts

Der Psychologe Mihaly Csik­szent­mi­ha­lyi nennt ihn Flow, den Zustand des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit. Die meisten Menschen haben solche Glücksmomente, wenn sie allein sind, etwa bei der Garte­nar­beit, beim Basteln an der Mod­elleisen­bahn oder beim Ausreiten. Wer den Flow allerdings in Gemein­schaft mit anderen erlebt, ist in diesem Augenblick in höchstem Maß kreativ und produktiv. Ob eine Zusam­me­nar­beit klappt, liegt in Ihrer Hand. Solange Ihr innerer Kritiker nämlich ständig mit „Ja, aber ...“ statt dem verbinden­den „Ja, und ...“ regiert, wird es schwierig.

„Die Fähigkeit zur Imagination ist jene Zutat, die vor allem im Ar­beit­skon­text am schnellsten Dinge in Bewegung bringen kann.“

Auch andere innere Stimmen, z. B. die des Per­fek­tion­is­ten oder des Skeptikers, sind aus­ge­sprochen kon­trapro­duk­tiv, weil man sich durch sie zu sehr auf das Veto beschränkt und sich mit un­in­ter­es­san­ten Teilaspek­ten herumschlägt. Die Haltung „Ja, und ...“ dagegen baut auf den Vorschlägen der anderen auf, schafft Gemein­samkeit und schätzt die guten Ideen. Nur müssen Sie jetzt auch die Ve­r­ant­wor­tung für die Problemlösung mittragen.

Die Vorstel­lungskraft prägt unser Handeln

Spielende Kinder werden innerhalb weniger Momente vom Cowboy zum Indianer und vom Indianer zum Außerirdischen. In der Vorstellung ist alles möglich, und das lässt sich durchaus auf die Arbeitswelt übertragen. Ihr Denken prägt Ihr Handeln. Ein Gespräch wird ganz un­ter­schiedlich ablaufen, je nachdem ob Sie Ihr Gegenüber vorher als nett und offen einstufen oder als abweisend. Auch wenn Sie in jedem Fall freundlich bleiben: Ihr Gesprächspartner spürt, was Sie von ihm halten, und das beeinflusst das Ergebnis der jeweiligen Situation.

„Sich etwas vorzustellen und seine eigenen Gedanken zu bee­in­flussen ist kein verrückter Luxus für abgedrehte Spinner, sondern der Schlüssel, um fest­ge­fahrene Muster hinter sich zu lassen und sich für wirklich neue Ideen zu öffnen.“

Das Gute ist: Sie können Ihre Gedanken durchaus bee­in­flussen und sich ganz bewusst dazu entscheiden, etwas anderes zu denken. Wenn Sie Ihren Mi­tar­beit­ern jede Menge positives Feedback geben, aber insgeheim negativ über sie denken, wird es nichts mit der er­fol­gre­ichen Personalführung. Der Tonfall, der Gesicht­saus­ruck, die Gesten, all das ist nur dann natürlich und echt, wenn man auch denkt, was man sagt. Die Mitarbeiter merken das. Sie brauchen sich beim nächsten Gespräch nur vorzustellen, dass ein besonders guter Mitarbeiter vor Ihnen sitzt, und das Ergebnis fällt garantiert positiv aus.

„Dass Erwachsene sich keine Blöße geben wollen, dass ihnen der eigene Ruf so wichtig ist, ist als Symptom der Tatsache anzusehen, dass die Kon­se­quen­zen des Aus­pro­bierens aus subjektiver Perspektive nicht begrenzt sind.“

Ebenso können Sie sich Szenarien vorstellen, um Ihre Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wer Angst davor hat, dass das kindisch wirken könnte, verrät es eben niemandem. Innovation beginnt mit der Fähigkeit zur Imagination. Stellen Sie sich einfach die Frage: „Was wäre wenn ...“ So eine fiktive Vorstellung funk­tion­iert auch im großen Kreis von Mi­tar­beit­ern oder Kollegen und kann zu sehr realen Kon­se­quen­zen führen.

Dem Spiel Raum geben – und Regeln

Etwas auszupro­bieren, neues Handeln zu erfahren und zu lernen, setzt Freiräume voraus. Die meisten Mitarbeiter wünschen sich sowieso mehr Spielraum. Sorgen Sie dafür, dass sie ihn bekommen. Spielräume sind auch dann entschei­dend, wenn Weit­er­bil­dungsmaßnahmen greifen sollen. Wie sonst sollen die Mitarbeiter üben, bis sie die erlernten Fähigkeiten beherrschen? In Spielräumen sind die Kon­se­quen­zen begrenzt, man muss nicht Angst haben, sich in Grund und Boden zu blamieren oder physischen Schaden zu nehmen. Solche Ängste können Sie minimieren, beispiel­sweise indem Sie versuchen, mögliche Stolper­steine vorherzuse­hen oder indem Sie Ihre Angstvorstel­lun­gen („Was könnte nicht alles passieren, wenn ich etwas Neues ausprobiere ...?“) kritisch überprüfen.

„Das Kom­plizierte besteht darin, beim Spielen und Erneuern aus den fest­ge­fahre­nen Regeln auszubrechen.“

Jedes Spiel braucht neben dem Freiraum aber auch Grenzen, schon allein deshalb, weil gren­zen­loser Spielraum unbehaglich wirkt und man unwillkürlich nach Ori­en­tierung sucht. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen an Ihrem ersten Arbeitstag in der neuen Firma den Auftrag, einfach irgendwas zu machen. Einen derart großen Spielraum wollen Sie gar nicht! Einerseits suchen Sie also Eingrenzung. Wenn aber bei Ihrem Tun etwas Neues her­auskom­men soll, sind an­der­er­seits ein paar gezielte Regelbrüche notwendig. Gut möglich, dass das nicht jedem gefällt, doch ohne den Mut, Regeln zu brechen, sind In­no­va­tio­nen nicht denkbar.

„Das Denken in kritischen Situationen ist eines der pro­duk­tivsten Instrumente, um sich selbst, Teams oder Or­gan­i­sa­tio­nen in Bewegung zu bringen und damit nachhaltige Veränderungen zu bewirken.“

Versuchen Sie, möglichst häufig in konkreten Situationen zu denken, in so genannten „critical incidents“ (kritischen Momenten). Denn das sind die Augenblicke, in denen Sie sich entscheiden müssen, ob Sie den aus­ge­trete­nen Pfad weitergehen oder einen neuen Weg einschlagen. Wann genau z. B. werden Sie Ihrem Vorsatz untreu, ein paar Pfunde zu verlieren? Das ist der Augenblick, geltende Regeln infrage zu stellen und gle­ichzeitig spielerisch an die kritische Situation her­anzuge­hen. Dieses Denken in kritischen Momenten funk­tion­iert nicht nur im privaten Bereich, sondern ebenso im beruflichen Alltag. Machen Sie sich bewusst, was Ihnen wirklich wichtig ist, um dann bestehende Regeln zu beugen. Sie müssen es nur wollen, Sie müssen Lust haben zu spielen, Dinge auszupro­bieren – gerade während der Arbeit.

Über den Autor

Arne Gillert hat nach seinem Studium der Psychologie und Soziologie zuerst bei der Anne-Frank-Stiftung gearbeitet und ist seither als Berater bei der Un­ternehmens­ber­atung Kessels & Smit, The Learning Company, tätig.