Die Rechtsabteilung

Buch Die Rechtsabteilung

Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen

Springer Gabler,


Rezension

Die „praktische Vertiefung the­o­retis­cher Erken­nt­nisse“ verspricht Herausgeber Tobias Lenz im Vorwort zu seinem Buch. Ohne Frage hält er sein Versprechen. Er lässt zahlreiche Un­ternehmen­sjuris­ten zu Wort kommen, die zu großen Teilen in überraschend er­frischen­dem Stil von ihren Aufgaben und Her­aus­forderun­gen schreiben. Eine Ausnahme bildet allerdings das erste Kapitel, das sich so mühsam liest wie ein Gesetzbuch. Wegen der fachlichen Tiefe, die es bietet, lohnt sich die Lektüre hier aber ebenso wie bei allen anderen Kapiteln. In überwältigendem De­tail­re­ich­tum zeigen die Autoren, welche Aufgaben ein Syndikus zu erledigen hat, wie eine Rechtsabteilung aufgebaut wird und welche Erwartungen in einen General Counsel gesetzt werden. Interessant sind auch die Exkurse in ver­schiedene Branchen. Dabei stößt der Leser immer wieder auf hilfreiche Tipps aus dem Ar­beit­sall­tag, die nur Insider geben können. Einen beachtlichen Teil des Buches machen die Tätigkeits­ge­bi­ete von Un­ternehmen­sjuris­ten aus. Die entsprechen­den Kapitel gehen so ausführlich auf Paragrafen ein, dass sie fast als Gesetzbücher dienen könnten. Der perfekte Leitfaden also für gestandene Juristen und die ideale Ori­en­tierung für Beruf­se­in­steiger, findet BooksInShort.

Take-aways

  • In Deutschland heißt der un­ternehmensin­terne Rechts­ber­ater Syndikus. Im Rahmen eines Dienstverhältnisses berät er das Unternehmen in rechtlichen Belangen.
  • Ar­beit­srecht, Ver­trags­gestal­tung. Kartell­recht und Prozessführung gehören zu den klassischen Tätigkeits­feldern des Un­ternehmen­sjuris­ten.
  • Ab einer bestimmten Größe der Rechtsabteilung sollten mehrere Führungsebe­nen geschaffen werden.
  • Der Leiter der Rechtsabteilung gehört ide­al­er­weise zur Geschäftsleitung.
  • Die juristische Durch­dringung des Un­ternehmens braucht Regelungen.
  • Eine zentrale Einbindung der Rechtsabteilung ins Unternehmen erleichtert die Führung.
  • Eine dezentrale Einbindung erlaubt mehr Nähe zu den Fach­abteilun­gen.
  • Der Leiter der Rechtsabteilung muss nicht nur Jurist, sondern auch Manager sein.
  • Un­ternehmen­sjuris­ten befassen sich zunehmend mit Compliance und deren Umsetzung.
  • Eine aus­ge­lagerte Rechtsabteilung kann u. U. genauso viel Nähe und Loyalität zum Unternehmen entwickeln wie eine In­house-Abteilung.
 

Zusammenfassung

Syndikus

Egal ob bei un­be­ab­sichtigten Rechtsverge­hen oder bei ungünstigen Verträgen – Rechts­ber­atung ist ein Muss für Unternehmen. In Deutschland wird der un­ternehmerische Rechts­ber­ater Syndikus genannt. Dabei handelt es sich um einen als Recht­san­walt zuge­lasse­nen Volljuris­ten, der im Rahmen eines ständigen Dienstverhältnisses oder einer ähnlichen Beschäftigung mit fester Vergütung ein Unternehmen in rechtlichen Belangen berät. Mit gewissen Einschränkungen darf er in Deutschland auch als Anwalt selbstständig tätig werden.

Tätigkeits­felder der Un­ternehmen­sjuris­ten

Die Tätigkeits­felder eines Syndikus bzw. Un­ternehmen­sjuris­ten variieren zwar je nach Unternehmen und Branche, doch mit den klassischen Rechts­bere­ichen muss sich jeder beschäftigen. Dazu gehören etwa:

  • Ar­beit­srecht: Dieser Bereich umfasst alles, was mit der Tätigkeit zu tun hat, die im Rahmen des Abhängigkeitsverhältnisses von Ar­beit­nehmer und Arbeitgeber geleistet wird.
  • Kartell­recht: Wenn Unternehmen gegen das Kartell­recht verstoßen, drohen ihnen neben dem Im­ageschaden erhebliche Bußgelder. Insofern muss der Un­ternehmen­sjurist das Kartell­recht wenigstens in seinen Grundzügen kennen.
  • Ver­trags­gestal­tung: Der Jurist sorgt dafür, dass die Verträge nicht dem nationalen oder in­ter­na­tionalen Ver­tragsrecht wider­sprechen und dass sie für das Unternehmen nicht nachteilig sind. Auch die allgemeinen Geschäfts­be­din­gun­gen sollten immer auf dem aktuellen Stand sein.
  • Prozessführung: Da für die Prozessführung spezielles Know-how nötig ist, beschäftigen viele Unternehmen Prozessanwälte, die eng mit den anderen Recht­sex­perten zusam­me­nar­beiten.

Vom Einzelkämpfer zur größeren Rechtsabteilung

Je größer ein Unternehmen ist, desto eher rechnet sich die Einrichtung einer eigenen Rechtsabteilung oder wenigstens die Beschäftigung eines Syndikus. Folgende Formen sind denkbar:

  • Un­ternehmen­sjurist: Ist der Bedarf an ju­ris­tis­cher Unterstützung noch überschaubar, wird zunächst meist nur ein Syndikus bzw. Un­ternehmen­sjurist angestellt, der neben der Rechts­ber­atung auch operativ und ad­min­is­tra­tiv tätig ist.
  • Kleine Rechtsabteilung: Übersteigen die ju­ris­tis­chen Aufgaben die Fähigkeiten einer Person, wird eine kleine Rechtsabteilung gegründet, die in der Regel aus einem Leiter und wenigen Juristen besteht. Wenn das Budget reicht, lohnt sich die Beschäftigung einer Sekretärin. Während sich diese Abteilung früher vorwiegend mit Vertrags- und Gesellschaft­srecht befasst hat, rückt heute die Corporate Governance immer stärker in den Vordergrund.
  • Größere Rechtsabteilung: Größere Unternehmen benötigen eine größere Rechtsabteilung. Neben einer aus­re­ichen­den Anzahl von Anwälten sind hier auch Sekre­tari­atsmi­tar­beiter, Prak­tikan­ten, Referendare und juristisch aus­ge­bildete Bürokräfte, so genannte Paralegals, beschäftigt. Je nach Größe der Abteilung müssen zusätzliche Führungsebe­nen geschaffen werden, da der Leiter, der General Counsel, mit der alleinigen Führung überfordert wäre. Ide­al­er­weise gehört der Leiter als Chief Legal Officer (CLO) zur Geschäftsleitung. Nur so kann er frühzeitig wichtige Entschei­dun­gen auf einen rechtssicheren Weg bringen.
„Rechtsabteilun­gen sind in ihrer Or­gan­i­sa­tion ebenso vielfältig, wie es die Unternehmen sind, die eine Rechtsabteilung beschäftigen.“

Weil die Rechtsabteilung nicht automatisch von jedem juristisch relevanten Sachverhalt erfährt und sich Mitarbeiter nicht immer rechtzeitig juristisch beraten lassen, sollten Sie die juristische Durch­dringung Ihres Un­ternehmens durch entsprechende Regelungen sichern. Meist handelt es sich dabei um eine so genannte Richtlinie Recht. Daneben sollten Ablauf­di­a­gramme ve­r­an­schaulichen, wie und wann die Rechtsabteilung in Entschei­dun­gen einbezogen wird.

Zentral oder dezentral

Rechtsabteilun­gen können entweder zentral oder dezentral ins Unternehmen eingebunden werden. Die zentrale Einbindung erleichtert die Führung und sorgt dafür, dass auch alle Tochterun­ternehmen einem ein­heitlichen ju­ris­tis­chen Leitbild folgen und mit ein­heitlichen Verträgen arbeiten. In einigen Fällen lohnt es sich aber, juristische Mitarbeiter auf ver­schiedene Un­ternehmen­sein­heiten aufzuteilen. Das ist beispiel­sweise dann der Fall, wenn kurze Wege zum Rechts­bei­s­tand und Nähe zu den Mandanten nötig sind. Oft bleiben trotz solch einer dezentralen Or­gan­i­sa­tion konzernnahe Rechts­bere­iche in der zentralen Abteilung.

Legal Management

General Counsel bzw. Leiter von Rechtsabteilun­gen müssen juristisch brillieren, aber auch managen können. Sie müssen folgenden Aufgaben pro­fes­sionell nachkommen:

  • Design der Rechts­di­en­stleis­tun­gen: Nach einer Be­darf­ser­mit­tlung beginnt die Gestaltung der Rechts­ber­atung. Dazu gehören Or­gan­i­sa­tion, Ar­beit­sprozesse sowie die Zusam­me­nar­beit mit externen Kanzleien. Je besser das Design ist, desto effizienter kann die Rechtsabteilung arbeiten. Wenn z. B. Rou­tineauf­gaben fälschlicher­weise an Kanzleien vergeben werden, kann das zu erheblichen Mehrkosten führen.
  • Qualitäts­man­age­ment: Sind die ju­ris­tis­chen Leistungen von hoher Qualität, wird das Un­ternehmensergeb­nis entsprechend beeinflusst. Die richtige Anwendung gültiger Gesetze und logisch ein­wand­freie Empfehlun­gen sind hier genauso wichtig wie kurze Reak­tion­szeiten und Transparenz. Insofern gehört zum Legal Management unbedingt ein Qualitäts­man­age­mentsys­tem, wie DIN 9001 oder Six Sigma, das Art und Umfang von Be­ratungsan­fra­gen darstellt und messbar macht.
  • Kosten­man­age­ment: Neben einer guten Leistung der Rechtsabteilung spielen bei deren Bewertung auch die Kosten eine Rolle. Darum muss der General Counsel auch als Kosten­man­ager fungieren. Eine interne Rechts­ber­atung verursacht Personal- und Tech­nikkosten, spart aber Honorare für externe Anwälte. Außerdem bereichert sie das Unternehmen um eine rechtliche Expertise und verringert juristische Risiken, die teuer werden können. Diese Faktoren müssen in die Bewertung der Rechtsabteilung mit einfließen. Ein Kosten­fak­tor sind natürlich auch die eingekauften ju­ris­tis­chen Leistungen von Wirtschaft­skan­zleien. Hier bewegt sich der Trend stark weg von der stun­den­basierten hin zu einer wert­basierten Abrechnung. Bei dieser richtet sich das Honorar nach dem Wert der für das beratene Unternehmen gelieferten Leistung.
  • Management von Lieferanten: Lieferanten sind in diesem Fall externe Kanzleien. Auch die Zusam­me­nar­beit mit ihnen muss der General Counsel managen. Er wählt die passenden Partner aus und sorgt dafür, dass sie die er­forder­liche Qualität liefern. Die meisten In­house-Ju­ris­ten vertrauen bei der Auswahl des richtigen Partners eher auf Empfehlun­gen als auf An­waltsverze­ich­nisse und Bewertungen. Diese Vorge­hensweise hat sich als besonders zuverlässig erwiesen. Rankings spiegeln er­fahrungs­gemäß oft nicht die wirkliche Qualität der Kanzlei oder des Anwalts wider. Ist die Auswahl guter und passender Kanzleien sehr groß, empfehlen sich Pitches (Auss­chrei­bun­gen), bei denen sich die einzelnen Anbieter detailliert vorstellen. Haben Sie eine Kanzlei engagiert, sollten Sie dafür sorgen, dass deren Leistung regelmäßig bewertet wird und dass diese Bewertungen später auch neue Man­dat­sentschei­dun­gen bee­in­flussen.

Rechtsabteilung in der Ver­sicherungswirtschaft

In Ver­sicherungskonz­er­nen ist ein Kernthema der Juristen natürlich das Ver­sicherungsver­tragsrecht. Der Jurist verfolgt die aktuelle Recht­sprechung und sorgt dafür, dass gesetzliche Änderungen umgesetzt werden. Außerdem unterstützt er Fach­abteilun­gen bei der Pro­duk­ten­twick­lung.

„Je nachdem, wie realistisch die Einschätzung der nichtjuris­tis­chen Mitarbeiter zu ihren eigenen ju­ris­tis­chen Fähigkeiten ist, sind Unternehmen z. B. mehr oder weniger ‚compliant‘, Verträge mehr oder weniger einträglich oder Gewährleis­tungsaufwen­dun­gen höher oder niedriger.“

Ein weiteres Kernthema ist das Vertriebs- und Wet­tbe­werb­srecht. Hier hilft der Jurist u. a. den Fach­abteilun­gen bei der Gestaltung von Verträgen, unterstützt die Ver­sicherungsvertreter rechtlich und berät die Vorstände in strate­gis­chen Fragen. Eng mit dem Ver­trieb­srecht ist das Wet­tbe­werb­srecht verbunden. Hier geht es u. a. darum, die Werbe­ma­te­ri­alien aus wet­tbe­werb­srechtlicher Sicht zu prüfen. Diese dürfen beispiel­sweise weder irreführend sein noch Sondervergünstigungen versprechen. Weitere Themen sind das Gesellschafts- und Auf­sicht­srecht, das Kartell­recht, der Datenschutz und Compliance.

Rechtsabteilung im Maschi­nen­bau

Auch von Rechtsabteilun­gen in Maschi­nen­bau­un­ternehmen wird heute weit mehr erwartet als Vertragsprüfungen. Es gilt auch hier, die Recht­sprechung zu beobachten und präventiv zu agieren. Ein Kernthema ist die Pro­duk­thaf­tung. Der Jurist muss sich bestens mit der europäischen Pro­duk­thaf­tungsrichtlinie, mit Maschi­nen­bau­richtlin­ien, dem Geräte- und Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz und sonstigen relevanten Richtlinien und Vorschriften auskennen – wenn das Unternehmen ins Ausland liefert oder dort produziert, auch auf in­ter­na­tionaler Ebene. Dafür arbeitet er mehr oder weniger eng mit Ingenieuren und sonstigen Technikern zusammen.

„Die kurz bemessene Arbeitszeit hindert nicht selten die Durch­dringung des ver­traglichen Dickichts.“

Ein mindestens genauso wichtiges Thema ist das Ver­trags­man­age­ment. Beschaf­fungsverträge, En­twick­lungsverträge oder Qualitätssicherungsvere­in­barun­gen werden erstellt und geprüft. Und nicht zuletzt wird auch im Maschi­nen­bau das Thema Compliance immer bedeutsamer. Der Syndikus muss die entsprechen­den Rechtsvorschriften kennen und sie so vi­su­al­isieren, dass sie im Unternehmen umgesetzt werden können. Ebenso kann er or­gan­isatorische Maßnahmen ergreifen, beispiel­sweise einen Com­pli­ance-Beauf­tragten ernennen oder ein Schu­lungskonzept entwickeln.

Auslagern?

Nicht in jedem Fall lohnt sich eine eigene Rechtsabteilung. Die kurzen Wege zum eigenen Juristen sowie dessen Nähe zum Unternehmen, seine Loyalität und sein un­ternehmensspez­i­fis­ches Wissen sprechen zwar dafür, doch einige Nachteile sind nicht von der Hand zu weisen: Es fallen auch dann Kosten an, wenn es wenig zu tun gibt, die Kapazität ist zeitlich und fachlich oft begrenzt, bei einem Mi­tar­beit­er­wech­sel entsteht Know-how-Ver­lust und vor Gericht fehlt die Vertre­tungs­befug­nis. Die Frage ist, ob sich durch eine Auslagerung die Nachteile ausschalten und die Vorteile erhalten lassen. Die Nähe zum Unternehmen und das fir­men­spez­i­fis­che Wissen können auch externe Kanzleien erlangen, wenn sie in regelmäßigem Kontakt zu den Fach­abteilun­gen stehen. Bedenkt man, dass interne Anwälte heutzutage oft überwiegend über E-Mail oder Intranet mit den Fach­abteilun­gen kom­mu­nizieren, hebt sich der Nähevorteil schon allein deswegen auf. Externe Kanzleien können das schließlich auch. Was die Loyalität und das Interesse am Erfolg des Un­ternehmens betrifft, so hilft eine erfolgsabhängige Vergütung.

„Ein gutes In­house-Team kann, eben weil es inhouse und damit näher an den Un­ternehmen­sprozessen arbeitet, operativ und strategisch anders beraten als externe Anwälte.“

Ein weiterer Vorteil der externen Rechtsabteilung liegt darin, dass sie das Unternehmen vor Gericht vertreten darf, im Gegensatz zum Syndikus, der dazu nicht befugt ist. Zudem sind aus­ge­lagerte Rechtsabteilun­gen zeitlich und fachlich flexibler. Schließlich arbeiten diese für mehrere Mandanten und befassen sich daher auch mit ver­schiede­nen Themen. Zudem betreiben Kanzleien in der Regel ein besseres Wis­sens­man­age­ment, als es Unternehmen tun. Was die Kostenfrage anbelangt, lässt sich nicht klar sagen, ob eine interne oder eine aus­ge­lagerte Rechts­ber­atung günstiger ist. Das muss ganz individuell bewertet werden.

Über den Autor

Herausgeber Tobias Lenz ist Recht­san­walt und Partner in der Kanzlei Graf von Westphalen. Außerdem lehrt er als Professor für nationales und in­ter­na­tionales Wirtschaft­srecht an der Rheinischen Fach­hochschule in Köln. Zahlreiche Praktiker aus Kanzleien und Wirtschaft­sun­ternehmen haben die einzelnen Kapitel bearbeitet.