Syndikus
Egal ob bei unbeabsichtigten Rechtsvergehen oder bei ungünstigen Verträgen – Rechtsberatung ist ein Muss für Unternehmen. In Deutschland wird der unternehmerische Rechtsberater Syndikus genannt. Dabei handelt es sich um einen als Rechtsanwalt zugelassenen Volljuristen, der im Rahmen eines ständigen Dienstverhältnisses oder einer ähnlichen Beschäftigung mit fester Vergütung ein Unternehmen in rechtlichen Belangen berät. Mit gewissen Einschränkungen darf er in Deutschland auch als Anwalt selbstständig tätig werden.
Tätigkeitsfelder der Unternehmensjuristen
Die Tätigkeitsfelder eines Syndikus bzw. Unternehmensjuristen variieren zwar je nach Unternehmen und Branche, doch mit den klassischen Rechtsbereichen muss sich jeder beschäftigen. Dazu gehören etwa:
- Arbeitsrecht: Dieser Bereich umfasst alles, was mit der Tätigkeit zu tun hat, die im Rahmen des Abhängigkeitsverhältnisses von Arbeitnehmer und Arbeitgeber geleistet wird.
- Kartellrecht: Wenn Unternehmen gegen das Kartellrecht verstoßen, drohen ihnen neben dem Imageschaden erhebliche Bußgelder. Insofern muss der Unternehmensjurist das Kartellrecht wenigstens in seinen Grundzügen kennen.
- Vertragsgestaltung: Der Jurist sorgt dafür, dass die Verträge nicht dem nationalen oder internationalen Vertragsrecht widersprechen und dass sie für das Unternehmen nicht nachteilig sind. Auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen sollten immer auf dem aktuellen Stand sein.
- Prozessführung: Da für die Prozessführung spezielles Know-how nötig ist, beschäftigen viele Unternehmen Prozessanwälte, die eng mit den anderen Rechtsexperten zusammenarbeiten.
Vom Einzelkämpfer zur größeren Rechtsabteilung
Je größer ein Unternehmen ist, desto eher rechnet sich die Einrichtung einer eigenen Rechtsabteilung oder wenigstens die Beschäftigung eines Syndikus. Folgende Formen sind denkbar:
- Unternehmensjurist: Ist der Bedarf an juristischer Unterstützung noch überschaubar, wird zunächst meist nur ein Syndikus bzw. Unternehmensjurist angestellt, der neben der Rechtsberatung auch operativ und administrativ tätig ist.
- Kleine Rechtsabteilung: Übersteigen die juristischen Aufgaben die Fähigkeiten einer Person, wird eine kleine Rechtsabteilung gegründet, die in der Regel aus einem Leiter und wenigen Juristen besteht. Wenn das Budget reicht, lohnt sich die Beschäftigung einer Sekretärin. Während sich diese Abteilung früher vorwiegend mit Vertrags- und Gesellschaftsrecht befasst hat, rückt heute die Corporate Governance immer stärker in den Vordergrund.
- Größere Rechtsabteilung: Größere Unternehmen benötigen eine größere Rechtsabteilung. Neben einer ausreichenden Anzahl von Anwälten sind hier auch Sekretariatsmitarbeiter, Praktikanten, Referendare und juristisch ausgebildete Bürokräfte, so genannte Paralegals, beschäftigt. Je nach Größe der Abteilung müssen zusätzliche Führungsebenen geschaffen werden, da der Leiter, der General Counsel, mit der alleinigen Führung überfordert wäre. Idealerweise gehört der Leiter als Chief Legal Officer (CLO) zur Geschäftsleitung. Nur so kann er frühzeitig wichtige Entscheidungen auf einen rechtssicheren Weg bringen.
„Rechtsabteilungen sind in ihrer Organisation ebenso vielfältig, wie es die Unternehmen sind, die eine Rechtsabteilung beschäftigen.“
Weil die Rechtsabteilung nicht automatisch von jedem juristisch relevanten Sachverhalt erfährt und sich Mitarbeiter nicht immer rechtzeitig juristisch beraten lassen, sollten Sie die juristische Durchdringung Ihres Unternehmens durch entsprechende Regelungen sichern. Meist handelt es sich dabei um eine so genannte Richtlinie Recht. Daneben sollten Ablaufdiagramme veranschaulichen, wie und wann die Rechtsabteilung in Entscheidungen einbezogen wird.
Zentral oder dezentral
Rechtsabteilungen können entweder zentral oder dezentral ins Unternehmen eingebunden werden. Die zentrale Einbindung erleichtert die Führung und sorgt dafür, dass auch alle Tochterunternehmen einem einheitlichen juristischen Leitbild folgen und mit einheitlichen Verträgen arbeiten. In einigen Fällen lohnt es sich aber, juristische Mitarbeiter auf verschiedene Unternehmenseinheiten aufzuteilen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn kurze Wege zum Rechtsbeistand und Nähe zu den Mandanten nötig sind. Oft bleiben trotz solch einer dezentralen Organisation konzernnahe Rechtsbereiche in der zentralen Abteilung.
Legal Management
General Counsel bzw. Leiter von Rechtsabteilungen müssen juristisch brillieren, aber auch managen können. Sie müssen folgenden Aufgaben professionell nachkommen:
- Design der Rechtsdienstleistungen: Nach einer Bedarfsermittlung beginnt die Gestaltung der Rechtsberatung. Dazu gehören Organisation, Arbeitsprozesse sowie die Zusammenarbeit mit externen Kanzleien. Je besser das Design ist, desto effizienter kann die Rechtsabteilung arbeiten. Wenn z. B. Routineaufgaben fälschlicherweise an Kanzleien vergeben werden, kann das zu erheblichen Mehrkosten führen.
- Qualitätsmanagement: Sind die juristischen Leistungen von hoher Qualität, wird das Unternehmensergebnis entsprechend beeinflusst. Die richtige Anwendung gültiger Gesetze und logisch einwandfreie Empfehlungen sind hier genauso wichtig wie kurze Reaktionszeiten und Transparenz. Insofern gehört zum Legal Management unbedingt ein Qualitätsmanagementsystem, wie DIN 9001 oder Six Sigma, das Art und Umfang von Beratungsanfragen darstellt und messbar macht.
- Kostenmanagement: Neben einer guten Leistung der Rechtsabteilung spielen bei deren Bewertung auch die Kosten eine Rolle. Darum muss der General Counsel auch als Kostenmanager fungieren. Eine interne Rechtsberatung verursacht Personal- und Technikkosten, spart aber Honorare für externe Anwälte. Außerdem bereichert sie das Unternehmen um eine rechtliche Expertise und verringert juristische Risiken, die teuer werden können. Diese Faktoren müssen in die Bewertung der Rechtsabteilung mit einfließen. Ein Kostenfaktor sind natürlich auch die eingekauften juristischen Leistungen von Wirtschaftskanzleien. Hier bewegt sich der Trend stark weg von der stundenbasierten hin zu einer wertbasierten Abrechnung. Bei dieser richtet sich das Honorar nach dem Wert der für das beratene Unternehmen gelieferten Leistung.
- Management von Lieferanten: Lieferanten sind in diesem Fall externe Kanzleien. Auch die Zusammenarbeit mit ihnen muss der General Counsel managen. Er wählt die passenden Partner aus und sorgt dafür, dass sie die erforderliche Qualität liefern. Die meisten Inhouse-Juristen vertrauen bei der Auswahl des richtigen Partners eher auf Empfehlungen als auf Anwaltsverzeichnisse und Bewertungen. Diese Vorgehensweise hat sich als besonders zuverlässig erwiesen. Rankings spiegeln erfahrungsgemäß oft nicht die wirkliche Qualität der Kanzlei oder des Anwalts wider. Ist die Auswahl guter und passender Kanzleien sehr groß, empfehlen sich Pitches (Ausschreibungen), bei denen sich die einzelnen Anbieter detailliert vorstellen. Haben Sie eine Kanzlei engagiert, sollten Sie dafür sorgen, dass deren Leistung regelmäßig bewertet wird und dass diese Bewertungen später auch neue Mandatsentscheidungen beeinflussen.
Rechtsabteilung in der Versicherungswirtschaft
In Versicherungskonzernen ist ein Kernthema der Juristen natürlich das Versicherungsvertragsrecht. Der Jurist verfolgt die aktuelle Rechtsprechung und sorgt dafür, dass gesetzliche Änderungen umgesetzt werden. Außerdem unterstützt er Fachabteilungen bei der Produktentwicklung.
„Je nachdem, wie realistisch die Einschätzung der nichtjuristischen Mitarbeiter zu ihren eigenen juristischen Fähigkeiten ist, sind Unternehmen z. B. mehr oder weniger ‚compliant‘, Verträge mehr oder weniger einträglich oder Gewährleistungsaufwendungen höher oder niedriger.“
Ein weiteres Kernthema ist das Vertriebs- und Wettbewerbsrecht. Hier hilft der Jurist u. a. den Fachabteilungen bei der Gestaltung von Verträgen, unterstützt die Versicherungsvertreter rechtlich und berät die Vorstände in strategischen Fragen. Eng mit dem Vertriebsrecht ist das Wettbewerbsrecht verbunden. Hier geht es u. a. darum, die Werbematerialien aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu prüfen. Diese dürfen beispielsweise weder irreführend sein noch Sondervergünstigungen versprechen. Weitere Themen sind das Gesellschafts- und Aufsichtsrecht, das Kartellrecht, der Datenschutz und Compliance.
Rechtsabteilung im Maschinenbau
Auch von Rechtsabteilungen in Maschinenbauunternehmen wird heute weit mehr erwartet als Vertragsprüfungen. Es gilt auch hier, die Rechtsprechung zu beobachten und präventiv zu agieren. Ein Kernthema ist die Produkthaftung. Der Jurist muss sich bestens mit der europäischen Produkthaftungsrichtlinie, mit Maschinenbaurichtlinien, dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz und sonstigen relevanten Richtlinien und Vorschriften auskennen – wenn das Unternehmen ins Ausland liefert oder dort produziert, auch auf internationaler Ebene. Dafür arbeitet er mehr oder weniger eng mit Ingenieuren und sonstigen Technikern zusammen.
„Die kurz bemessene Arbeitszeit hindert nicht selten die Durchdringung des vertraglichen Dickichts.“
Ein mindestens genauso wichtiges Thema ist das Vertragsmanagement. Beschaffungsverträge, Entwicklungsverträge oder Qualitätssicherungsvereinbarungen werden erstellt und geprüft. Und nicht zuletzt wird auch im Maschinenbau das Thema Compliance immer bedeutsamer. Der Syndikus muss die entsprechenden Rechtsvorschriften kennen und sie so visualisieren, dass sie im Unternehmen umgesetzt werden können. Ebenso kann er organisatorische Maßnahmen ergreifen, beispielsweise einen Compliance-Beauftragten ernennen oder ein Schulungskonzept entwickeln.
Auslagern?
Nicht in jedem Fall lohnt sich eine eigene Rechtsabteilung. Die kurzen Wege zum eigenen Juristen sowie dessen Nähe zum Unternehmen, seine Loyalität und sein unternehmensspezifisches Wissen sprechen zwar dafür, doch einige Nachteile sind nicht von der Hand zu weisen: Es fallen auch dann Kosten an, wenn es wenig zu tun gibt, die Kapazität ist zeitlich und fachlich oft begrenzt, bei einem Mitarbeiterwechsel entsteht Know-how-Verlust und vor Gericht fehlt die Vertretungsbefugnis. Die Frage ist, ob sich durch eine Auslagerung die Nachteile ausschalten und die Vorteile erhalten lassen. Die Nähe zum Unternehmen und das firmenspezifische Wissen können auch externe Kanzleien erlangen, wenn sie in regelmäßigem Kontakt zu den Fachabteilungen stehen. Bedenkt man, dass interne Anwälte heutzutage oft überwiegend über E-Mail oder Intranet mit den Fachabteilungen kommunizieren, hebt sich der Nähevorteil schon allein deswegen auf. Externe Kanzleien können das schließlich auch. Was die Loyalität und das Interesse am Erfolg des Unternehmens betrifft, so hilft eine erfolgsabhängige Vergütung.
„Ein gutes Inhouse-Team kann, eben weil es inhouse und damit näher an den Unternehmensprozessen arbeitet, operativ und strategisch anders beraten als externe Anwälte.“
Ein weiterer Vorteil der externen Rechtsabteilung liegt darin, dass sie das Unternehmen vor Gericht vertreten darf, im Gegensatz zum Syndikus, der dazu nicht befugt ist. Zudem sind ausgelagerte Rechtsabteilungen zeitlich und fachlich flexibler. Schließlich arbeiten diese für mehrere Mandanten und befassen sich daher auch mit verschiedenen Themen. Zudem betreiben Kanzleien in der Regel ein besseres Wissensmanagement, als es Unternehmen tun. Was die Kostenfrage anbelangt, lässt sich nicht klar sagen, ob eine interne oder eine ausgelagerte Rechtsberatung günstiger ist. Das muss ganz individuell bewertet werden.