BPM Best Practice

Buch BPM Best Practice

Wie führende Unternehmen ihre Geschäftsprozesse managen

Springer,


Rezension

Zufriedenere Kunden, geringere Kosten und motivierte Mitarbeiter – all das soll Busi­ness-Process-Man­age­ment, also die Mod­el­lierung und Im­ple­men­tierung möglichst effizienter Geschäftsprozesse, ermöglichen. Hört sich toll an, doch wie sieht das in der Realität aus? Als Professor und ehemaliger Un­ternehmens­ber­ater kennt Ayelt Komus beide Seiten, die Theorie und die Praxis. Zunächst stellt er – eher trocken – die Ergebnisse einer wis­senschaftlichen Studie zum Thema BPM vor, um dann deutsche Mittel- und Großunternehmen über ihre Erfahrungen berichten zu lassen. Die Qualität der einzelnen Artikel variiert. Lobenswert ist aber, dass viele ver­schiedene Aspekte des Geschäft­sprozess­man­age­ments, von der unterstützenden IT bis zur idealen Zusam­menset­zung des Pro­jek­t­teams, beleuchtet werden. BooksInShort empfiehlt die Lektüre allen Geschäft­sprozessver­ant­wortlichen, IT-Leitern und Managern, die sich fragen: „Ja, wie machen das die anderen eigentlich?“

Take-aways

  • Ein ein­heitliches IT-System für Busi­ness-Process-Man­age­ment (BPM) im gesamten Unternehmen ist noch Wun­schdenken.
  • Die An­fangskosten von BPM-Pro­jek­ten sind hoch; beginnen Sie daher mit Projekten, die rasche Erfolge versprechen.
  • Prozesser­folge müssen gemessen und dann – evtl. über soziale Plattformen – kom­mu­niziert werden.
  • Bei BPM-Pro­jek­ten unter Ein­beziehung mehrerer Tochterge­sellschaften sind ein­heitliche Begriffe und Prozess­rollen notwendig.
  • Konzen­tri­eren Sie die Anstren­gun­gen auf die für die Wertschöpfung relevanten Prozesse.
  • Zentrale BPM-Ve­r­ant­wortliche sollten die Kompetenz haben, auch über Teilkonz­ern­gren­zen hinweg Maßnahmen zur Prozes­sop­ti­mierung zu treffen.
  • Externe Berater zu engagieren, ist nicht immer notwendig.
  • Hören Sie sich die Wünsche der beteiligten Einheiten an – egal, wie weit deren Prozess­man­age­ment ausgereift ist.
  • Beziehen Sie zu Beginn viele Beteiligte in den Prozess mit ein und vereinbaren Sie Zwis­chen­ab­nah­men.
  • Die BPM-Strate­gie und die sie unterstützende IT müssen gut aufeinander abgestimmt werden.
 

Zusammenfassung

Was ist BPM?

Busi­ness-Process-Man­age­ment (BPM) hat das Ziel, Geschäftsprozesse zu doku­men­tieren, zu analysieren, zu verbessern und die – hoffentlich positiven – Auswirkun­gen zu messen. Man un­ter­schei­det zwischen Busi­ness-BPM und technischem BPM. Während bei Ersterem die Prozesse im Mittelpunkt stehen, liegt der Fokus bei Letzterem auf den IT-Systemen, die zur Unterstützung der Prozesse herange­zo­gen werden. Zu den Auslösern von BPM-Veränderung­spro­jek­ten zählen z. B. operative Probleme, die aus der schlechten Zusam­me­nar­beit diverser Un­ternehmens­bere­iche resultieren, rechtliche Compliance- oder Gov­er­nance-Vor­gaben oder der Wunsch, von weg­weisenden IT-Lösungen zu profitieren.

Das sagt die Wis­senschaft

Im Rahmen der wis­senschaftlichen Studie „BPM Best Practice“ wurden Unternehmen zu ihren BPM-Pro­jek­ten befragt. Dies sind einige der Ergebnisse:

  • Die meisten Unternehmen berichten von Qualitätssteigerun­gen, von einer höheren Kun­den­zufrieden­heit und auch von Kosteneinsparun­gen. Außerdem zeigte sich, dass Unternehmen, die sys­tem­a­tisch BPM betreiben, rentabler sind als andere. Noch deutlicher ist dieser Effekt bei Firmen, die sowohl BPM als auch Six Sigma einsetzen.
  • Viele der un­ter­suchten Unternehmen erstellen Prozess­land­karten (94 %), bilden Kern­prozesse ab (100 %) und messen Kennzahlen (50 %). Zumeist fehlt es jedoch an einer sys­tem­a­tis­chen Vorgabe dazu, wie die BPM-Strate­gie entwickelt werden soll.
  • Die Mehrzahl entschied sich gegen die Hinzuziehung von Kunden und Lieferanten zum BPM-Prozess.
  • Ein ein­heitliches IT-System für BPM-Aktivitäten wird offenbar als wünschenswert eingestuft, dennoch wird Spezial­soft­ware gegenüber vollständig in­te­gri­erten, aber wenig maßgeschnei­derten Lösungen oft der Vorzug gegeben.
  • Beinahe alle Unternehmen haben eine auf BPM spezial­isierte Or­gan­i­sa­tion­sein­heit ein­gerichtet. Sie dient als zentrale An­lauf­stelle, wählt die BPM-Soft­ware aus und kümmert sich um die Handbücher. Diese Abteilung steht jedoch diszi­pli­nar­isch nie über den Prozessver­ant­wortlichen, die sich mit der kon­tinuier­lichen Verbesserung der jeweiligen Prozesse beschäftigen.
  • Wenngleich die Benennung eines Chief Process Officers sinnvoll wäre, ist er in der Praxis selten vorhanden.
  • Technisches und Busi­ness-BPM sollten einander stärker angenähert werden. Dies ist einfacher gesagt als getan, weil es einen hohen Ab­stim­mungs­be­darf mit sich bringt und weil persönliche Befind­lichkeiten diverser Mitarbeiter sowie alte Strukturen zu berücksichtigen sind. Es braucht daher nicht nur ein paar Veränderungen im Organigramm, sondern einen umfassenden Change-Prozess. Bei einer solchen kulturellen Umstellung im Unternehmen können So­cial-Me­dia-Tools wie Wikis oder Foren unterstützend eingesetzt werden.
  • BPM-Schu­lun­gen auch jener Mitarbeiter, die nicht hauptsächlich mit dem Thema betraut sind, erhöhen die Akzeptanz der Veränderungsmaßnahmen.
  • Die Ve­r­ant­wortlichkeiten der funk­tionalen Einheiten und der BPM-Spezial­is­ten müssen klar festgelegt werden.

Erfahrungen des En­ergiev­er­sorg­ers EnBW

Der deutsche En­ergiev­er­sorger EnBW ist als Holding mit Tochterge­sellschaften struk­turi­ert, in denen über die vergangenen Jahre dezentral ver­schieden­ste BPM-Systeme reiften. Diese Systeme sollten aufeinander abgestimmt und die Geschäftsprozesse nach dem Muster „beschreiben, messen, leben und ständig verbessern“ organisiert werden. Dazu wurde ein Gremium namens „Prozess­ge­spräch“ ein­gerichtet, bestehend aus Managern der höchsten Führungsebene der Konz­ernge­sellschaften. Sie beauf­tragten die ver­schiede­nen Prozess­man­age­mentver­ant­wortlichen – den BPM-Ko­or­di­na­torenkreis – mit der Skizzierung eines für den gesamten Konzern passenden BPM-Modells. Dies raten die BPM-Ex­perten von EnBW:

  • Beginnen Sie bei der Einführung von BPM mit einzelnen Projekten, die schneller Erfolge zeigen, denn die Kosten in der An­fangsphase sind meist sehr hoch.
  • Beschreiben Sie die vorhandenen Prozesse, deren Schnittstellen, die dazugehörigen IT-Systeme und die passenden Kennzahlen.
  • Definieren Sie für das gesamte Unternehmen ein­heitliche Prozess­rollen. Bei EnBW sind dies: Konz­ern­prozessko­or­di­na­tor, Prozes­seigner, Prozessver­ant­wortlicher sowie Prozess- und Meth­o­d­en­ex­perte.
  • Dem Vorstand sollten regelmäßig die für BPM relevanten Kennzahlen berichtet werden.

Erfahrungen des En­ergie­un­ternehmens Eon

Das Strom- und Gasun­ternehmen Eon entstand im Jahr 2000 durch die Fusion zweier deutscher En­ergie­un­ternehmen. Damals war eine Vielzahl an BPM-Werkzeu­gen im Einsatz. Heute tauschen sich beinahe alle kon­so­li­dierten Tochterge­sellschaften auf frei­williger Basis im Rahmen einer BPM-Fach­gruppe aus. Dies raten die BPM-Ex­perten von Eon:

  • Bei konz­ern­weiten Prozessen muss eine ein­heitliche Methodik im Einsatz sein.
  • Tochterun­ternehmen dürfen aber nicht gezwungen werden, sich einem zentralen BPM-Net­zw­erk anzuschließen.
  • Lassen Sie alle Mitarbeiter über das Intranet ihre Prozesse einsehen, inkl. In­for­ma­tio­nen zu Ar­beit­san­weisun­gen, Richtlinien, Kennzahlen und IT.
  • Nicht alle Prozesse im Konzern müssen vere­in­heitlicht werden.
  • Konzen­tri­eren Sie BPM auf die wirklich wertschöpfungsrel­e­van­ten Prozesse.
  • Beginnen Sie das Verbesserung­spro­jekt nur dann, wenn ein Auftrag mit klarem Ziel und Zei­tho­r­i­zont besteht.
  • Lassen Sie stan­dar­d­isier­bare Massen­prozesse von zentralen Shared-Ser­vice-Cen­tern durchführen.
  • Unterschätzen Sie die Konzep­tions- und Strate­giephase sowie das Prozess­de­sign nicht. Sie ver­schlin­gen einen großen Teil der Zeit und des Budgets.
  • Mindestens einmal jährlich sollten wichtige Prozesse überprüft werden. Ergreifen Sie bei Soll-Ist-Ab­we­ichun­gen rasch Maßnahmen.
  • Es müssen nicht immer externe Berater mit an Bord sein.

Erfahrungen des Glash­er­stellers Interpane

Beim Glash­er­steller Interpane gibt es die folgenden BPM-Prozessphasen: Auf­nah­mephase (Vi­su­al­isierung und Mod­el­lierung), Analy­sephase (Analyse und Gestaltung) und Op­ti­mierungsphase (Au­toma­tisierung und Case-Man­age­ment). Dies raten die BPM-Ex­perten von Interpane:

  • Das Prozessteam muss aus dem fachlichen Prozess­be­treuer und dem Hauptnutzer des Prozesses bestehen; zusätzlich können auch der Prozes­seigner und die Hauptnutzer der nachge­lagerten Prozesse mit an Bord sein. So vermeiden Sie langwierige Freiga­be­proze­duren.
  • Beziehen Sie besonders zu Beginn des BPM-Pro­jekts viele Mitarbeiter mit ein.
  • Der Prozess kann entweder mit Mod­el­lierungssoft­ware oder offline mit Flipcharts o. Ä. aufgenommen werden.
  • Beschreiben Sie den Prozess­ablauf und unterteilen Sie ihn in höchstens zwölf Aufgaben.
  • Befreien Sie den Prozess von allen nicht wertschöpfenden Teilen.
  • Bewerten Sie den Prozess mit mindestens einer Kennzahl für seine Wirksamkeit und einer für seine Effizienz.

Erfahrungen der Krankenkasse AOK

Mehrere AOK-Krankenkassen aus Deutschland arbeiteten an einer gemeinsamen Soft­ware-Plat­tform. Dies sind die Ratschläge der AOK-Ex­perten:

  • Verwenden Sie ein ein­heitliches Glossar von Begriffen. Dieses sollte zentral verwaltet werden.
  • Bevor schließlich die Fach­abteilun­gen eingebunden werden, sollten sich die Or­gan­i­sa­tion­sen­twick­ler der un­ter­schiedlichen Firmen zunächst einmal über mögliche und relevante Hand­lungs­felder verständigen.
  • Prozess­land­karten sollten nicht Or­gan­i­sa­tion­sstruk­turen nachbilden, sondern die davon unabhängigen Prozesse.
  • Jedes Unternehmen sollte ein gleich starkes Mit­spracherecht haben – egal, wie ausgereift sein Prozess­man­age­ment bisher war.

Erfahrungen von Bayer HealthCare

Bayer HealthCare ist als Ma­trixor­gan­i­sa­tion struk­turi­ert, innerhalb derer Prozessver­ant­wortliche weltweit über die Teilkonz­erne Prozesse optimieren und har­mon­isieren sollen. Diese Personen führen funktionale Gremien, die operative BPM-Entschei­dun­gen treffen. Funktionsübergreifend ist ein Process Council ein­gerichtet, das die Prozess­land­karte pflegt und die Zusam­me­nar­beit zwischen den Gremien unterstützt. Dies raten die BPM-Ex­perten von Bayer HealthCare:

  • BPM sollte stark zen­tral­isiert werden. Das bedeutet, dass weltweit verbindliche Strategien für die ver­schiede­nen operativen Funktionen vorgegeben werden, die dann unter Berück­sich­ti­gung lokaler Beson­der­heiten umgesetzt werden.
  • Prozessver­ant­wortliche müssen die Kompetenz haben, auch über Abteilungen und Fir­men­gren­zen hinweg Prozesse verbessern zu können.
  • Messen Sie die Erfolge der Prozesshar­mon­isierung und kom­mu­nizieren Sie sie im Unternehmen. Noch sinnvoller als eine Veröffentlichung im Intranet ist die Nutzung sozialer Plattformen.

Erfahrungen von Miles & More

Das Vielfliegerpro­gramm Miles & More von Lufthansa war früher mit viel Papierkram verbunden: Bis Kunden Antworten auf ihre Anfragen per Brief erhielten, konnten einige Tage vergehen, da die Post zwischen den Bear­beitungs­stan­dorten in Neu-Delhi, Los Angeles oder Wil­helmshaven hin- und her versandt wurde. 2003 entschied man sich daher, den Prozess zu dig­i­tal­isieren. Auf Basis dieser Erfahrung raten die BPM-Ex­perten von Miles & More:

  • Zerteilen Sie Projekte in kleinere Einheiten und verringern Sie dadurch die Komplexität.
  • Achten Sie darauf, dass die BPM-Systeme in den ver­schiede­nen Konz­ern­sprachen zur Verfügung stehen.
  • Definieren Sie vorab verbindliche Ziele. So erkennen Sie Zielkon­flikte rechtzeitig.
  • Sorgen Sie dafür, dass auch Sonderfälle im neuen Prozess bearbeitet werden können.
  • Vergessen Sie bei Veränderung­spro­jek­ten den Betriebsrat nicht.
  • Regelmäßige Sta­tus­berichte und Zwis­chen­ab­nah­men verhindern, dass die Nutzer am Ende des Projekts ihr Veto einlegen.
  • Wenn Sie das Projektteam zusam­men­stellen, denken Sie nicht nur an die Spezial­is­ten, sondern auch an andere Personen, die das Projekt vo­ran­brin­gen und fördern.
  • Verärgern Sie nicht die Nutzer, indem Sie ein leis­tungss­chwaches IT-System im­ple­men­tieren.
  • Kunden sind un­berechen­bar. Bedenken Sie, dass Sie deren Verhalten leider nicht har­mon­isieren können.

Über den Autor

Ayelt Komus war zehn Jahre lang Un­ternehmens­ber­ater, bevor er an die Fach­hochschule Koblenz berufen wurde. Seither lehrt er dort als Professor für Or­gan­i­sa­tion und Wirtschaftsin­for­matik.