Was ist BPM?
Business-Process-Management (BPM) hat das Ziel, Geschäftsprozesse zu dokumentieren, zu analysieren, zu verbessern und die – hoffentlich positiven – Auswirkungen zu messen. Man unterscheidet zwischen Business-BPM und technischem BPM. Während bei Ersterem die Prozesse im Mittelpunkt stehen, liegt der Fokus bei Letzterem auf den IT-Systemen, die zur Unterstützung der Prozesse herangezogen werden. Zu den Auslösern von BPM-Veränderungsprojekten zählen z. B. operative Probleme, die aus der schlechten Zusammenarbeit diverser Unternehmensbereiche resultieren, rechtliche Compliance- oder Governance-Vorgaben oder der Wunsch, von wegweisenden IT-Lösungen zu profitieren.
Das sagt die Wissenschaft
Im Rahmen der wissenschaftlichen Studie „BPM Best Practice“ wurden Unternehmen zu ihren BPM-Projekten befragt. Dies sind einige der Ergebnisse:
- Die meisten Unternehmen berichten von Qualitätssteigerungen, von einer höheren Kundenzufriedenheit und auch von Kosteneinsparungen. Außerdem zeigte sich, dass Unternehmen, die systematisch BPM betreiben, rentabler sind als andere. Noch deutlicher ist dieser Effekt bei Firmen, die sowohl BPM als auch Six Sigma einsetzen.
- Viele der untersuchten Unternehmen erstellen Prozesslandkarten (94 %), bilden Kernprozesse ab (100 %) und messen Kennzahlen (50 %). Zumeist fehlt es jedoch an einer systematischen Vorgabe dazu, wie die BPM-Strategie entwickelt werden soll.
- Die Mehrzahl entschied sich gegen die Hinzuziehung von Kunden und Lieferanten zum BPM-Prozess.
- Ein einheitliches IT-System für BPM-Aktivitäten wird offenbar als wünschenswert eingestuft, dennoch wird Spezialsoftware gegenüber vollständig integrierten, aber wenig maßgeschneiderten Lösungen oft der Vorzug gegeben.
- Beinahe alle Unternehmen haben eine auf BPM spezialisierte Organisationseinheit eingerichtet. Sie dient als zentrale Anlaufstelle, wählt die BPM-Software aus und kümmert sich um die Handbücher. Diese Abteilung steht jedoch disziplinarisch nie über den Prozessverantwortlichen, die sich mit der kontinuierlichen Verbesserung der jeweiligen Prozesse beschäftigen.
- Wenngleich die Benennung eines Chief Process Officers sinnvoll wäre, ist er in der Praxis selten vorhanden.
- Technisches und Business-BPM sollten einander stärker angenähert werden. Dies ist einfacher gesagt als getan, weil es einen hohen Abstimmungsbedarf mit sich bringt und weil persönliche Befindlichkeiten diverser Mitarbeiter sowie alte Strukturen zu berücksichtigen sind. Es braucht daher nicht nur ein paar Veränderungen im Organigramm, sondern einen umfassenden Change-Prozess. Bei einer solchen kulturellen Umstellung im Unternehmen können Social-Media-Tools wie Wikis oder Foren unterstützend eingesetzt werden.
- BPM-Schulungen auch jener Mitarbeiter, die nicht hauptsächlich mit dem Thema betraut sind, erhöhen die Akzeptanz der Veränderungsmaßnahmen.
- Die Verantwortlichkeiten der funktionalen Einheiten und der BPM-Spezialisten müssen klar festgelegt werden.
Erfahrungen des Energieversorgers EnBW
Der deutsche Energieversorger EnBW ist als Holding mit Tochtergesellschaften strukturiert, in denen über die vergangenen Jahre dezentral verschiedenste BPM-Systeme reiften. Diese Systeme sollten aufeinander abgestimmt und die Geschäftsprozesse nach dem Muster „beschreiben, messen, leben und ständig verbessern“ organisiert werden. Dazu wurde ein Gremium namens „Prozessgespräch“ eingerichtet, bestehend aus Managern der höchsten Führungsebene der Konzerngesellschaften. Sie beauftragten die verschiedenen Prozessmanagementverantwortlichen – den BPM-Koordinatorenkreis – mit der Skizzierung eines für den gesamten Konzern passenden BPM-Modells. Dies raten die BPM-Experten von EnBW:
- Beginnen Sie bei der Einführung von BPM mit einzelnen Projekten, die schneller Erfolge zeigen, denn die Kosten in der Anfangsphase sind meist sehr hoch.
- Beschreiben Sie die vorhandenen Prozesse, deren Schnittstellen, die dazugehörigen IT-Systeme und die passenden Kennzahlen.
- Definieren Sie für das gesamte Unternehmen einheitliche Prozessrollen. Bei EnBW sind dies: Konzernprozesskoordinator, Prozesseigner, Prozessverantwortlicher sowie Prozess- und Methodenexperte.
- Dem Vorstand sollten regelmäßig die für BPM relevanten Kennzahlen berichtet werden.
Erfahrungen des Energieunternehmens Eon
Das Strom- und Gasunternehmen Eon entstand im Jahr 2000 durch die Fusion zweier deutscher Energieunternehmen. Damals war eine Vielzahl an BPM-Werkzeugen im Einsatz. Heute tauschen sich beinahe alle konsolidierten Tochtergesellschaften auf freiwilliger Basis im Rahmen einer BPM-Fachgruppe aus. Dies raten die BPM-Experten von Eon:
- Bei konzernweiten Prozessen muss eine einheitliche Methodik im Einsatz sein.
- Tochterunternehmen dürfen aber nicht gezwungen werden, sich einem zentralen BPM-Netzwerk anzuschließen.
- Lassen Sie alle Mitarbeiter über das Intranet ihre Prozesse einsehen, inkl. Informationen zu Arbeitsanweisungen, Richtlinien, Kennzahlen und IT.
- Nicht alle Prozesse im Konzern müssen vereinheitlicht werden.
- Konzentrieren Sie BPM auf die wirklich wertschöpfungsrelevanten Prozesse.
- Beginnen Sie das Verbesserungsprojekt nur dann, wenn ein Auftrag mit klarem Ziel und Zeithorizont besteht.
- Lassen Sie standardisierbare Massenprozesse von zentralen Shared-Service-Centern durchführen.
- Unterschätzen Sie die Konzeptions- und Strategiephase sowie das Prozessdesign nicht. Sie verschlingen einen großen Teil der Zeit und des Budgets.
- Mindestens einmal jährlich sollten wichtige Prozesse überprüft werden. Ergreifen Sie bei Soll-Ist-Abweichungen rasch Maßnahmen.
- Es müssen nicht immer externe Berater mit an Bord sein.
Erfahrungen des Glasherstellers Interpane
Beim Glashersteller Interpane gibt es die folgenden BPM-Prozessphasen: Aufnahmephase (Visualisierung und Modellierung), Analysephase (Analyse und Gestaltung) und Optimierungsphase (Automatisierung und Case-Management). Dies raten die BPM-Experten von Interpane:
- Das Prozessteam muss aus dem fachlichen Prozessbetreuer und dem Hauptnutzer des Prozesses bestehen; zusätzlich können auch der Prozesseigner und die Hauptnutzer der nachgelagerten Prozesse mit an Bord sein. So vermeiden Sie langwierige Freigabeprozeduren.
- Beziehen Sie besonders zu Beginn des BPM-Projekts viele Mitarbeiter mit ein.
- Der Prozess kann entweder mit Modellierungssoftware oder offline mit Flipcharts o. Ä. aufgenommen werden.
- Beschreiben Sie den Prozessablauf und unterteilen Sie ihn in höchstens zwölf Aufgaben.
- Befreien Sie den Prozess von allen nicht wertschöpfenden Teilen.
- Bewerten Sie den Prozess mit mindestens einer Kennzahl für seine Wirksamkeit und einer für seine Effizienz.
Erfahrungen der Krankenkasse AOK
Mehrere AOK-Krankenkassen aus Deutschland arbeiteten an einer gemeinsamen Software-Plattform. Dies sind die Ratschläge der AOK-Experten:
- Verwenden Sie ein einheitliches Glossar von Begriffen. Dieses sollte zentral verwaltet werden.
- Bevor schließlich die Fachabteilungen eingebunden werden, sollten sich die Organisationsentwickler der unterschiedlichen Firmen zunächst einmal über mögliche und relevante Handlungsfelder verständigen.
- Prozesslandkarten sollten nicht Organisationsstrukturen nachbilden, sondern die davon unabhängigen Prozesse.
- Jedes Unternehmen sollte ein gleich starkes Mitspracherecht haben – egal, wie ausgereift sein Prozessmanagement bisher war.
Erfahrungen von Bayer HealthCare
Bayer HealthCare ist als Matrixorganisation strukturiert, innerhalb derer Prozessverantwortliche weltweit über die Teilkonzerne Prozesse optimieren und harmonisieren sollen. Diese Personen führen funktionale Gremien, die operative BPM-Entscheidungen treffen. Funktionsübergreifend ist ein Process Council eingerichtet, das die Prozesslandkarte pflegt und die Zusammenarbeit zwischen den Gremien unterstützt. Dies raten die BPM-Experten von Bayer HealthCare:
- BPM sollte stark zentralisiert werden. Das bedeutet, dass weltweit verbindliche Strategien für die verschiedenen operativen Funktionen vorgegeben werden, die dann unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten umgesetzt werden.
- Prozessverantwortliche müssen die Kompetenz haben, auch über Abteilungen und Firmengrenzen hinweg Prozesse verbessern zu können.
- Messen Sie die Erfolge der Prozessharmonisierung und kommunizieren Sie sie im Unternehmen. Noch sinnvoller als eine Veröffentlichung im Intranet ist die Nutzung sozialer Plattformen.
Erfahrungen von Miles & More
Das Vielfliegerprogramm Miles & More von Lufthansa war früher mit viel Papierkram verbunden: Bis Kunden Antworten auf ihre Anfragen per Brief erhielten, konnten einige Tage vergehen, da die Post zwischen den Bearbeitungsstandorten in Neu-Delhi, Los Angeles oder Wilhelmshaven hin- und her versandt wurde. 2003 entschied man sich daher, den Prozess zu digitalisieren. Auf Basis dieser Erfahrung raten die BPM-Experten von Miles & More:
- Zerteilen Sie Projekte in kleinere Einheiten und verringern Sie dadurch die Komplexität.
- Achten Sie darauf, dass die BPM-Systeme in den verschiedenen Konzernsprachen zur Verfügung stehen.
- Definieren Sie vorab verbindliche Ziele. So erkennen Sie Zielkonflikte rechtzeitig.
- Sorgen Sie dafür, dass auch Sonderfälle im neuen Prozess bearbeitet werden können.
- Vergessen Sie bei Veränderungsprojekten den Betriebsrat nicht.
- Regelmäßige Statusberichte und Zwischenabnahmen verhindern, dass die Nutzer am Ende des Projekts ihr Veto einlegen.
- Wenn Sie das Projektteam zusammenstellen, denken Sie nicht nur an die Spezialisten, sondern auch an andere Personen, die das Projekt voranbringen und fördern.
- Verärgern Sie nicht die Nutzer, indem Sie ein leistungsschwaches IT-System implementieren.
- Kunden sind unberechenbar. Bedenken Sie, dass Sie deren Verhalten leider nicht harmonisieren können.