Zusammenhalt der Unternehmerfamilie

Buch Zusammenhalt der Unternehmerfamilie

Verträge, Vermögensmanagement, Kommunikation

Springer,


Rezension

Im Unterschied zu den bekannten börsen­notierten Unternehmen, die dauernd im Fokus der Medien stehen, machen Fam­i­lienun­ternehmen viel weniger von sich reden; zugleich sind sie aber viel ver­bre­it­eter: Sie umfassen Firmen vom kleinen Handw­erks­be­trieb oder Start-up bis zum Han­del­skonz­ern oder Phar­mariesen in der x-ten Generation, mit Hunderten von Fam­i­lien­angehörigen als Gesellschafter. Wie man den Zusam­men­halt solcher Gesellschafter­grup­pen als Basis einer Firma über lange Zeiträume gewährleistet, ist das Thema dieses Buches. In seinen sehr ausführlichen Med­i­ta­tio­nen leuchtet Be­trieb­swirtschaft­spro­fes­sor Hermut Kormann die Fragestel­lung in akademisch-sys­tem­a­tis­cher Art gründlich aus. Man gewinnt den Eindruck, das Buch enthalte alles, was es zu dem Thema zu sagen gibt – wenn auch in trockener Form. BooksInShort empfiehlt es allen, die größere Fam­i­lienun­ternehmen leiten oder beraten. Die manchmal anstren­gende Lektüre wird mit profundem Ken­nt­nis­gewinn belohnt.

Take-aways

  • Da sich Gesellschafter von Fam­i­lienun­ternehmen nicht ohne Weiteres austauschen lassen, ist der Zusam­men­halt besonders wichtig.
  • An­teil­seigner an Fam­i­lien­fir­men haben die hohe Ve­r­ant­wor­tung, für eine kompetente Führung zu sorgen.
  • Die Ve­r­ant­wor­tung dem Unternehmen gegenüber beginnt oft schon bei der Erziehung.
  • In­di­vidu­elle Gesellschaf­ter­in­ter­essen und Fir­menin­ter­essen müssen the­ma­tisiert werden, bevor sie sich zu Konflikten auswachsen.
  • Der materielle Nutzen ist ein wichtiger Bindungs­fak­tor und muss klar ersichtlich sein.
  • Der persönliche Bezug der Gesellschafter zur Firma muss gefördert werden.
  • Dazu dienen etwa gemeinsame Ve­r­anstal­tun­gen oder Reisen.
  • Zur Kon­flik­tver­mei­dung sollten Sie Un­ternehmens- und Fam­i­lien­fi­nanzen trennen.
  • Trans­par­ente Kom­mu­nika­tion seitens der Geschäftsführung wie der Familienführung gegenüber den Gesellschaftern verhindert Misstrauen.
  • Beheben Sie Fam­i­lien­stre­it­igkeiten, bevor sie auf das Unternehmen übergreifen.
 

Zusammenfassung

Das Phänomen Fam­i­lienun­ternehmen

Fam­i­lienun­ternehmen bestehen aus Gesellschaftern, die miteinander verwandt sind; manchmal auch aus mehreren Familien, wobei die Un­ternehmensgründer in der Regel sehr part­ner­schaftlich zusam­mengear­beitet haben. Die Gesellschafter von Fam­i­lienun­ternehmen lassen sich nicht ohne Weiteres austauschen, und gewöhnlich profitieren die Unternehmen von deren überdurch­schnit­tlichem Engagement. Das gilt für einen von Geschwis­tern geführten Handw­erks­be­trieb genauso wie etwa für ein Start-up dreier Partner, das sich zu einem Großunternehmen entwickelt hat und im Besitz der Gründer­fam­i­lien bleibt.

„Das Fam­i­lienun­ternehmen ist eine Ve­r­anstal­tung wider den Zeitgeist.“

Ein Fam­i­lienun­ternehmen bedeutet für seine Gesellschafter oft eine erhebliche Risikokonzen­tra­tion: Un­ternehmenss­chick­sal und Fam­i­lien­schick­sal sind auf Gedeih und Verderb miteinander verknüpft, was spätestens in den Gen­er­a­tio­nen, die den Gründern nachfolgen, den wirtschaftlich vernünftigen Wunsch nach Herauslösung eines Gesellschafter­an­teils wecken mag. Ein Fam­i­lienun­ternehmen kann aber nur Bestand haben, wenn die Zerfallskräfte nicht stärker sind als die Bindungskräfte. Es ist sozusagen eine un­ternehmerische Aufgabe, die vielfältigen Bindungskräfte in einer Fam­i­lien­firma zu pflegen.

Wer gehört zur Familie?

Als Familie werden in diesem Zusam­men­hang in der Regel die Abkömmlinge des Gründers oder der Gründer angesehen, heutzutage auch Hal­bgeschwis­ter oder nichte­he­liche Kinder. Ehe- oder Lebenspart­ner dagegen sind gewöhnlich aus­geschlossen. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie im Fall von Tod und Wiederver­heiratung in nicht vo­rausse­hbarer Weise fam­i­lien­fremde Elemente in den Verband einbringen würden; bei Personen, die nicht von vornherein vom Fam­i­lienun­ternehmen geprägt sind, ist das Risiko hoch, dass sie den Familien- und Gesellschafter­ver­band sprengen. Besteht ein Interesse, Ehepartner in leitender Funktion an das Unternehmen zu binden, wird dies eher durch entsprechende Verträge gestaltet als durch In­hab­er­schaft.

Fam­i­lienun­ternehmen als Projekt

Die In­hab­er­fam­i­lie ist Träger des Un­ternehmens, aber mit diesem natürlich nicht identisch. Nach zwei, drei oder gar mehr Gen­er­a­tio­nen, bei Dutzenden, manchmal Hunderten von Abkömmlingen, ist es ganz normal, wenn Leitungs­funk­tio­nen nicht mehr mit Fam­i­lien­mit­gliedern besetzt sind, sondern mit geschäftsführenden Managern. Gleichwohl bleibt die Firma ein Fam­i­lienun­ternehmen. Die Familie lässt sich in diesem Fall am ehesten mit einem Verein vergleichen, dessen Zweck die Fortführung der Or­gan­i­sa­tion ist. Wichtigster Unterschied zum Verein ist, dass die Mit­glied­schaft nicht freiwillig entsteht und meistens auch nicht ohne Weiteres niedergelegt werden kann.

Ve­r­ant­wor­tungs­gefühl – eine wichtige Er­fol­gsvo­raus­set­zung

Als Fir­menin­haber nehmen die Gesellschafter Eigen­tum­srechte wahr. Diese gehen mit einer gewissen Ve­r­ant­wor­tung einher. Über die üblichen mit Eigentum verbundenen for­maljuris­tis­chen Verpflich­tun­gen hinaus besteht in der Regel ein Interesse daran, das Unternehmen langfristig für künftige Gen­er­a­tio­nen zu erhalten. Als Fam­i­lien­mit­glieder wachsen die künftigen Gesellschafter in die Ve­r­ant­wor­tung hinein und ergreifen dadurch schon früh psychisch Besitz von diesem Erbe. Wenn die Gesellschafter in der Firma nicht aktiv mitarbeiten können, sollen oder wollen, tragen sie die primäre Ve­r­ant­wor­tung, eine kompetente Un­ternehmensleitung zu bestellen.

„Die Gesellschafter müssen nicht selbst ihr Unternehmen führen, aber sie haben eine Ve­r­ant­wor­tung sicherzustellen, dass die Aufgabe der Un­ternehmensführung gut erfüllt wird.“

Das Ve­r­ant­wor­tungs­gefühl für das Fam­i­lienun­ternehmen entsteht durch Erziehung, Erfahrung, bewusst machendes Erzählen der Un­ternehmensgeschichte, Mit­teilun­gen und Zuwendungen der Gesellschafter un­tere­inan­der sowie der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern. Die Gesellschafter müssen nicht operativ führen können, aber sie sollen in der Lage sein, die Vo­raus­set­zun­gen und Notwendigkeiten von Führungs- und wirtschaftlichem Handeln zu verstehen und zu beurteilen. In diesem Kreis müssen gele­gentlich Entschei­dun­gen gefällt werden, bei denen im Zweifel die „Firma vor die Familie“ gestellt wird. Dieses oft gehörte Diktum bleibt aber inhaltsleer, denn wenn nicht gle­ichzeitig die in­di­vidu­ellen Interessen der Gesellschafter berücksichtigt werden, ist einer Firma als Fam­i­lienun­ternehmen keine lange Dauer beschieden.

„Jede Form von Ve­r­ant­wor­tungs­be­wusst­sein wird zuerst im Rahmen des elterlichen Erziehung­sprozesses geweckt. Das gilt natürlich auch für die In­hab­erver­ant­wor­tung.“

Nicht alle Fam­i­lien­mit­glieder können in der Firma mitarbeiten. Meist ist das auch gar nicht erwünscht oder sogar regelrecht aus­geschlossen. Wenn Fam­i­lien­mit­glieder mitarbeiten, sind es gewöhnlich aus­gewiesene Führungskräfte, die auf der obersten Entschei­dungsebene tätig sind. Alles andere führt zu In­ter­essenkon­flik­ten oder Nepotismus. In der Regel üben die Gesellschafter einen eigenen Beruf aus, der von der Fam­i­lien­firma unabhängig ist.

Bindungs­fak­toren bewusst managen

Wenn die Mehrzahl der Gesellschafter nicht am operativen Geschäft der Firma beteiligt ist, treten die Bindungs­fak­toren der Familie im Hinblick auf das Unternehmen umso mehr in den Vordergrund. Außer durch die bereits genannten erzieherischen Maßnahmen während der Jugend lässt sich Bindung mit folgenden Faktoren verstärken:

  • Aktivitäten, die die Reputation der Firma stärken (Wohltätigkeit): Dies führt auch zu einer Steigerung des Selb­st­wert­gefühls der Gesellschafter.
  • Materieller Nutzen: Neben der Gewin­nausschüttung und eventuellen Son­der­ausschüttungen können dies Aus­bil­dungs­bei­hil­fen, Be­rater­hono­rare oder Beschäftigungsmöglichkeiten in firmen- oder fam­i­li­en­na­hen Or­gan­i­sa­tio­nen (z. B. Stiftungen) sein.
  • Vermögenssicherung durch von der Familie verwaltete Kap­i­ta­lan­la­gen außerhalb der Firma.
  • Vermögenssicherung durch weitere un­ternehmerische Aktivitäten außerhalb der Fam­i­lien­firma: Derartige Aktivitäten sind oft einem Fam­ily-Of­fice zugeordnet.
  • Eine faire Verfassung oder Charta, die sich der Gesellschafter­ver­band selbst gibt: Sie kann durchaus dem Muster einer Staatsver­fas­sung entsprechen. Hierin werden Ziele, Strategien und Grundsätze formuliert. In der Charta kann und soll zudem ein Min­der­heit­en­schutz bestimmter Gesellschafter­grup­pen vorgesehen werden.
  • Repräsentative oder sonstige Ämter im Umkreis des Un­ternehmens.
  • Eine besonders intensive, u. U. wis­senschaftlich betriebene Au­far­beitung der Fir­mengeschichte: Dies kann bei den Gesellschaftern die Iden­ti­fizierung mit der Firma über die mündlich tradierte Firmen- und Fam­i­liengeschichte hinaus stärken.
  • Weithin wirksame ar­chitek­tonis­che Projekte wie Museen oder museale Räume, z. B. eine Gründer­w­erk­statt.
  • Pub­lizis­tis­che Projekte wie Biografien oder Au­to­bi­ografien des Gründers bzw. der Gründer oder her­aus­ra­gen­der Un­ternehmer­persönlichkeiten aus dem Gesellschafterkreis.

Bindungs­fak­tor Kom­mu­nika­tion

Umfassende und ver­trauensvolle Kom­mu­nika­tion auf allen Ebenen spielt als Bindungs­fak­tor für den Zusam­men­halt in der Un­ternehmer­fam­i­lie eine überragende Rolle. Dieses Gebot gilt nicht nur im Familienrat, auf Jahresver­samm­lun­gen und in Infobroschüren. Die ständige Kom­mu­nika­tion mit allen Fam­i­lien­mit­gliedern ist nicht nur Aufgabe der Un­ternehmensleitung, sondern bei größeren Fam­i­lien­verbänden auch der Führung des Gesellschafterkreises. Sie kann der Großfamilie mit Ve­r­anstal­tun­gen außerhalb des Sitzungsz­im­mers zwanglosere Kom­mu­nika­tions­for­men bieten. Das können gemeinsame Besich­ti­gun­gen der eigenen Betriebsstätten sein, aber auch solche bei Kunden und Lieferanten; ferner gemeinsame Ve­r­anstal­tun­gen mit Pro­jek­t­the­men, Be­trieb­sausflüge, Jubiläen oder gar gemeinsame Fe­rien­aufen­thalte. Nicht zu vergessen sind natürlich private Fam­i­lien­feiern, auch wenn sie selbstverständlich nicht zur Fir­men­ver­anstal­tung um­funk­tion­iert werden sollen und meist eher vom Kern der Familie besucht werden.

„Es ist entschei­dend für das Gefühl der Zusammengehörigkeit, dass Gele­gen­heiten geschaffen werden, bei denen sich die Gesellschafter im persönlichen Kreis austauschen und so ein Verständnis füreinander und das Gefühl von Nähe zueinander entwickeln können.“

Auf offizieller Ebene ist es wichtig, dass jegliche Kom­mu­nika­tion, die Sachfragen betrifft, offen und transparent unter den Gesellschaftern stattfindet. Ist dies nicht der Fall, entsteht schnell Misstrauen und dieses wiederum ist die Basis für Konflikte.

Fam­i­lien­stre­it­igkeiten

Konflikte innerhalb der Familie können die Existenz des Un­ternehmens bedrohen. Dieses Problem kennen börsen­notierte Unternehmen in dieser Art nicht. Bei ihnen führt fast ausschließlich verfehlte Geschäftspolitik zu Problemen, aber kein In­hab­er­streit. In Fam­i­lienun­ternehmen verlangt die Lösung von Konflikten deshalb besondere Aufmerk­samkeit. Dies umso mehr, als oftmals gerade aus anfänglichem familiären Harmoniebedürfnis heraus eine Tendenz besteht, Probleme unter den Teppich zu kehren.

„Die ver­meintliche Reduzierung von Kon­flik­t­ge­fahren dadurch, dass man sich ‚aus dem Weg geht‘ und die direkte Kom­mu­nika­tion verweigert, führt letztlich zu einer erhöhten Kon­flik­t­ge­fahr.“

Unberücksichtigt bleiben in diesem Zusam­men­hang Machtkämpfe. Sie haben eine andere Dimension und Dynamik und müssen aus­ge­fochten werden. Man muss aber auch darauf achtgeben, dass man nicht in jeder Frotzelei oder Mei­n­ungsver­schieden­heit gleich einen Fun­da­men­tal­streit sieht. Die kritische Grenze ist in der Regel dann überschrit­ten, wenn die Diskussion über Sachthemen durch persönliche Angriffe oder gegen­seit­iges Schlecht­machen behindert wird. Die häufigsten Kon­flik­tur­sachen sind:

  • un­ter­schiedliche Beurteilun­gen von Entschei­dun­gen, Strategien und Personen,
  • un­ter­schiedliche Bewertungen von Zielen,
  • Verteilungskon­flikte, wozu auch die Besetzung von Positionen zählt,
  • Un­gle­ich­heit, Un­sicher­heit und Misstrauen sowie Missverständnisse – wobei sich Letztere am leichtesten ausräumen lassen, evtl. mithilfe eines Moderators –,
  • Rivalitäten (z. B. unter Geschwis­tern) und
  • Nach­fol­geprob­leme (etwa das Problem des übergangenen Aspiranten oder der berühmte Vater-Sohn-Kon­flikt bezüglich der Zukunft des Un­ternehmens).

Wie man Konflikte löst

Ein Konflikt löst sich nicht auf, indem man ihn ignoriert. Leider wird diese klare und einfache Einsicht in der Realität oft ignoriert. Das hat zur Folge, dass Konflikte früher oder später eskalieren. Neben allgemeinen Regeln der Kon­flik­t­deeskala­tion kommen für Fam­i­lienun­ternehmen folgende Methoden zur Kon­flik­tver­mei­dung oder zum Kon­flik­tab­bau in Betracht:

  • grundsätzliche Trennung der Un­ternehmens­fi­nanzen von den Fam­i­lien­fi­nanzen,
  • Ver­hand­lun­gen und Schlich­tun­gen, evtl. mithilfe von Dritten, sei es einer anerkannten Autoritätsperson aus der Familie oder einer außenstehenden Person, und
  • Vermeidung von Publizität.
„Mit der Androhung rechtlicher Schritte, der Ein­schal­tung eines Anwalts oder gar der endgültigen Einleitung eines Gerichtsver­fahrens wird die familiäre Beziehung aufgelöst.“

Ungeeignet wäre ein gerichtlicher Beschluss: Durch ihn wird zwar eine Entschei­dung herbeigeführt, der Konflikt löst sich aber nicht auf. Ein Gang zum Gericht beendet er­fahrungs­gemäß die familiäre Beziehung – analog zur Eheschei­dung.

Über den Autor

Hermut Kormann ist Professor für Be­trieb­swirtschaft­slehre in Leipzig und Friedrichshafen. Zuvor war er als Nicht-Fam­i­lien­mit­glied in der Führung eines großen Fam­i­lienun­ternehmens tätig.