Brand Sense

Buch Brand Sense

Warum wir starke Marken fühlen, riechen, schmecken, hören und sehen können

Campus,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Wir sind umgeben von Marken. Manche sehen wir, manche hören wir, manche erkennen wir an Geschmack, Geruch oder Form. Die wenigsten Marken schaffen es, an allen fünf Fronten gle­ichzeitig Zeichen zu setzen. Das wird aber immer wichtiger, sagt Martin Lindstrom, denn auf dem kon­ven­tionellen Marken­schlacht­feld, der visuellen Arena, tobt bereits ein aus­sicht­sloser Kampf, der den Konsumenten dazu bringt, sich abzuwenden. Marken sensorisch aufzurüsten ist also ein Gebot der Zeit, schlussfol­gert der Autor und belegt dies mit überzeu­gen­den Fall­beispie­len. Das Buch amüsiert mit witzigen Analogien und flotten Sprüchen. Dass Brand Sense ein Ratgeber der un­ter­halt­sameren Art ist, verdeut­licht ein spezielles Kapitel, das dazu einlädt, die sen­sorischen Qualitäten der eigenen Marke zu testen. Aber auch wer selbst keine Marke managt, kann mit diesem innovativen Werk bestimmt etwas anfangen, glaubt BooksInShort und empfiehlt es neben Mar­keting­ex­perten, Un­ternehmern und Werbern allen, die sich für die Werbung und fürs Marketing in­ter­essieren.

Take-aways

  • Die Aufmerk­samkeit des Publikums für herkömmliche Werbung sinkt. Sen­sorisches Branding ist der Ausweg.
  • Sen­sorisches Branding ist der Aufbau einer Marke für alle fünf Sinne: sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen.
  • Werbung konzen­tri­ert sich heute zwei­di­men­sional aufs Sehen und Hören.
  • Die Sinne wirken in Kombination potenziert – wenn Ihre Marke alle fünf erreicht, ist sie unschlagbar.
  • Werbebriefe bringen mehr Aufmerk­samkeit als Newsletter: Sie lassen sich anfassen.
  • Geruch und Geschmack sind unglaublich assoziativ: An manche Düfte erinnern wir uns noch nach Jahrzehnten.
  • Muster­beispiele sen­sorischen Brandings sind die Wel­tre­li­gio­nen: Ihre Marken­ze­ichen haben sich ins kollektive Bewusstsein eingebrannt.
  • Nach dem Prinzip Religion funk­tion­ieren auch Topmarken: Man kann an sie glauben und findet in ihrem Schoß eine Gemein­schaft.
  • Eine starke Marke kann sich der Kontrolle ihres Schöpfers entziehen, wenn die Fangemeinde eine Eigen­dy­namik entwickelt.
  • Ihre Marke muss „de­mon­tier­bar“, also in zahlreiche Be­standteile aufteilbar sein, die alle für sich un­ver­wech­sel­bare Markensignale sind.
 

Zusammenfassung

Brand Sense

Der Werbedruck nimmt immer mehr zu, die Zahl der Marken auch. Und die Aufmerk­samkeit der Konsumenten nimmt zwangsläufig immer mehr ab. Während sich Konsumenten 1965 an 34 % der TV-Reklame erinnerten, waren es 1990 nur noch 14,5 %. Wer soll da noch durch­drin­gen? Ein Grund zur Resignation ist das trotzdem nicht, denn auch heute schaffen es Marken, sich durch un­ver­wech­sel­bare Eigen­schaften im Gedächtnis der Zielgruppe festzukrallen. Untersucht wurden sie im Rahmen von „Brand Sense“ – einer Studie, an der seit 1999 mehr als 600 Wis­senschaftler weltweit teilhaben.

„Wir leben in einer Welt, in der die Konsumenten etwas brauchen, an das sie glauben können.“

Was haben Kellogg’s Cornflakes und Coca-Cola gemeinsam? Eine starke Marke – und zwar deshalb, weil man sie nicht nur sehen, sondern auch schmecken, riechen, fühlen und sogar hören kann. Denken Sie z. B. an das Knuspern beim Kauen der frischen Frühstücksflocken – Kellogg’s hat viel Energie in die Erzeugung dieses speziellen Geräuschs gesteckt. Ähnlich ist es bei Coca-Cola: Bereits die Flasche ist einzigartig – sie wurde tatsächlich mit der Absicht gestaltet, etwas Un­ver­wech­sel­bares in Händen zu halten. Eine Coca-Cola-Flasche erkennt man im Dunkeln durch Berühren; selbst ihren Scherben ist die einzi­gar­tige Form noch anzusehen. Welche Marke kann das von sich behaupten? Den Entwicklern dieser Topmarken ist es gelungen, auf mehreren ver­schiede­nen Sin­nesebe­nen bleibende Eindrücke zu hin­ter­lassen. Damit erklärt sich auch, warum viele gute Produkte trotz aufwändiger Werbung erfolglos bleiben: Ihre Väter konzen­tri­eren sich beim Marketing auf das Sehen und Hören, nicht aber aufs Riechen, Schmecken und Fühlen.

Marketing über die fünf Sinne

Viele Mar­ket­ingkam­pag­nen setzen heutzutage allein auf Äußerlichkeit: Sehen ist alles, allenfalls wird noch das Hören durch charak­ter­is­tis­che Tonfolgen ange­sprochen. Die Werber tun so, als wäre die Verpackung wichtiger als der Inhalt. Doch das ist niemals der Fall – ein Produkt ohne einzi­gar­tige Eigen­schaften, die sich sinnlich erleben lassen, ist öde und seelenlos, und auch eine grandiose Kampagne wird ihm kein künstliches Leben einhauchen.

„Wie wir es auch drehen und wenden, im Alltag des Ver­brauch­ers bleibt die Werbung ein kurzes Aufblitzen, das er sofort wieder vergisst.“

Fünf Sinne hat der Mensch – spricht ein Produkt zwei davon an, hebt es sich schon aus der Masse heraus, doch erst die Kombination aller fünf schafft echte Präsenz. Die Einprägsamkeit potenziert sich mit jedem weiteren Sinn, der ange­sprochen wird. Ins­beson­dere Greif­barkeit prägt sich dem men­schlichen Gehirn auf magische Weise ein. Das beweist eine Studie: Reale Brief­sendun­gen sind greifbarer; deshalb werden sie besser wahrgenom­men und sind überdies noch leichter zu verarbeiten, weil sie stärkere Gefühle auslösen als Werbe-E-Mails. Darum gilt: Wer schreibt, der bleibt – und bitte nicht elek­tro­n­isch, denn im Zeitalter sinkender Aufmerk­samkeit muss man sich um fast jeden Preis herausheben.

„Wenn aber in der Werbung flächendeckend dieselben Töne, Kommentare und Musikstücke verwendet werden, wo bleibt dann die Marken­botschaft? Beim Teufel.“

Ist eine Marke bereits populär und hat sie gar das Zeug zum Kultobjekt, scharen sich Jünger um sie. Apple ist das beste Beispiel: Obwohl normale PCs oder Laptops qualitativ kaum weniger können, halten die Fans dem überteuerten Ap­ple-De­sign unerschütterlich die Treue. Ein Stamm von Jüngern ist natürlich ein weiteres sinnliches Marken-Charak­ter­is­tikum, das ausdauernd und noch dazu kostenlos Werbung macht.

Es gibt nicht ein Gedächtnis, sondern fünf

Wieso sind Marken, die die fünf Sinne ansprechen, so un­wider­stehlich? Das menschliche Gehirn legt Erin­nerun­gen sortiert nach Sin­nesor­ga­nen ab – somit gibt es nicht einen Speicher, sondern fünf. In diesen legen wir zudem weit mehr Erin­nerun­gen ab, als uns bewusst ist. Das Kernproblem von Wer­bekam­pag­nen ist quadratisch und steht in jedem Haus: das TV-Gerät. Indem sich alle Mar­ket­ing­man­ager darauf stürzen, steigen die Preise für Werbeblöcke in as­tronomis­che Höhen, zugleich überschwemmt immer mehr TV-Reklame das Bewusstsein des Kunden – der dazu noch weniger Zeit als früher vor Radio und Glotze verbringt. In dieser Werbeflut gehen Sie unter, Sie können noch so originell sein. Gehen Sie lieber unbekannte und neue Wege.

„Ob es Ihnen gefällt oder nicht, unsere Sinne sind darauf konzipiert, uns zu verführen. Dennoch tun viele Marken­man­ager so, als sei sensorische Stimulation von gestern.“

Rein visuelle Werbung ist steril. Mit dem Einkauf­ser­leb­nis im Supermarkt, wo wir Ware befühlen, daran schnüffeln, sie vielleicht sogar aus­pro­bieren, hat ein Flim­mer-Film­chen nichts gemein. Appellieren Sie also an alle fünf Sinne – befreien Sie durch Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen von quälender Langeweile. Beispiel Mitsubishi: In den USA schaltete der japanische Au­to­her­steller in Tageszeitun­gen ganzseitige Anzeigen für den Lancer Evo X, die mit einem speziell en­twick­el­ten Wohlgeruch präpariert waren – der Wagen soll innerhalb kürzester Zeit ausverkauft gewesen sein.

„Ebenso wie in Glaubens­din­gen gilt auch für Unternehmen, dass sich Loyalität nicht messen, prog­nos­tizieren oder kaufen lässt.“

Düfte sind ein riesiges Einfallstor in unsere Erinnerung; noch nach Jahrzehnten wühlt uns ein vertrauter Geruch auf, bringt Vergessenes ins Bewusstsein. Warum? Unser Geruchssinn ist um ein Vielfaches sensibler als der Geschmackssinn. Viele machen sich das inzwischen zunutze: Um Bademode wird Kokosduft versprüht, Au­to­her­steller kreieren Neuwagendüfte, Supermärkte platzieren die Bäckerei stets so, dass die Ven­ti­la­toren den frischen Back­stubengeruch in den Ein­gangs­bere­ich pusten, Nivea inszenierte einen Kinospot mit Stran­durlaub und ließ dazu Sonnenölduft in den Zuschauer­raum fluten. Umgekehrt funk­tion­iert das auch: Ein Reiniger roch so stechend chemisch, dass er mit Rosenduft parfümiert wurde – prompt fiel der Absatz um 27 %, weil die Kunden nun an der Reini­gungskraft zweifelten.

Die Sinne sind miteinander vernetzt

Das Schöne am sen­sorischen Branding: eins plus eins plus eins plus eins plus eins macht nicht fünf, sondern viel mehr – denn die fünf Sin­nesor­gane sind miteinander vernetzt, sodass sich die Wirkung von starken Marken bei einer Kombination der Sinne erheblich steigern kann. Vor allem Töne versetzen Menschen unbewusst in Stimmungen, die einer Marke helfen oder schaden können. So assoziieren viele den Nokia-Ton inzwischen mit Stress und Termindruck; die ursprünglich positive Prägung könnte kippen. Man hat auch fest­gestellt, dass die Rhythmik von Musik die Ver­weil­dauer von Barbe­such­ern beeinflusst: Je langsamer die Hin­ter­grund­musik, desto länger bleibt das Publikum. Traurige Musik, so fand eine weitere Studie heraus, verstärkt unsere Kauflust.

Alle großen Religionen sind starke Marken

Der Glaube an Autoritäten und höhere Mächte hat heutzutage Risse bekommen – wenn Sie eine starke Marke schaffen, können Sie diese Lücke ausfüllen und Ihren Kunden etwas geben, was ihrem Leben Stabilität verleiht. Drei Viertel der Ju­gendlichen in den USA wünschen sich etwas, woran sie glauben können. Bücher zu Glaubens- und Es­o­terik­the­men steigerten ihren Absatz zwischen 2002 und 2007 um 7 %. Das sind Zahlen, an die Sie glauben können.

„Marken werden her­vortreten und sich auf die Brust schlagen müssen, sie werden ihre Einzi­gar­tigkeit hervorheben und ihre Identität demon­stri­eren müssen wie nie zuvor.“

Die Liebe der Fans ähnelt der von religiösen Eiferern zu ihrer Gottheit: Sie vernehmen und verbreiten die Heils­botschaft, und sie verbinden tra­di­tionelle Werte damit – Vertrauen, Glaube, Zugehörigkeitsgefühl und Gemeinsinn. Umgekehrt zeichnet große Religionen etwas aus, was viele Marken nur ungenügend kopieren: Sinnlichkeit. Die christliche Kirche hat sich durch un­ver­wech­sel­bare Marken­ze­ichen auf allen fünf Sinneskanälen ins kollektive Gedächtnis gebrannt: Glockengeläut, Weihrauch­duft, bunte Blei­glas­fen­ster, Messwein, Ikonen und Liturgie sind nur einige Beispiele. Eine gute Portion Mystik gehört ebenfalls dazu – Weltk­lasse­marken schaffen es, auch diese zu im­ple­men­tieren. Sinnliches Branding ist also zutiefst menschlich und wird seit Jahrtausenden bewusst und unbewusst genutzt.

Wenn starke Marken außer Kontrolle geraten

Auch Formen sind unglaublich einprägsam: Die Meiler von Atom­kraftwerken rufen un­weiger­lich negative As­sozi­a­tio­nen hervor, die Silhouette der Frei­heitsstatue hingegen wirkt positiv. Wahrzeichen in aller Welt zeigen, wie aus simplen Gebäuden starke Marken werden. Mitunter wächst einer Marke die Kraft ihrer Ausstrahlung auch über den Kopf: So geschah es Coca-Cola, als 1985 die Geschmack­szusam­menset­zung geändert werden sollte. Innerhalb kurzer Zeit bildeten sich Bürg­erini­tia­tiven mit sechsstel­li­gen Mit­gliederzahlen. Nach einigen Wochen Krieg der Fans gegen den verräterischen Hersteller gab dieser klein bei und braute wieder nach dem alten Rezept. Die Konsumenten hatten die „reine Lehre“ gegen eine ir­regeleit­ete Priesterkaste verteidigt, die Marke war zur Religion geworden.

Lässt sich Ihre Marke demontieren?

Prüfen Sie, inwieweit Ihre Marke sich an sämtliche Sinne richtet und geeignet ist, sich ins Gedächtnis einzugraben. Sie muss „de­mon­tier­bar“, also im positiven Sinn in zahlreiche Be­standteile aufteilbar sein, die alle für sich un­ver­wech­sel­bare Markensignale sind. Den Nokia-Klin­gel­ton beispiel­sweise, eine eigentlich recht ein­fall­slose Melodie, iden­ti­fiziert heute ein Großteil der Konsumenten weltweit mit dem Unternehmen. Demontieren Sie also Folgendes:

  • Service: Air France begrüßt jeden Fluggast mit einem Glas Champagner – das ist ein de­mon­tier­barer Ser­vicebe­standteil, mit dem sich die Airline heraushebt.
  • Form: Eine besondere Form ist auch schemenhaft sofort wieder­erkennbar. Den typischen Mercedes-Kühler erkennen Sie auch im Tunnel bei Stau im Rückspiegel.
  • Namen: Ein Name kann so un­ver­wech­sel­bar sein, dass er ein Genre schafft – z. B. Tempo, das heute für alle Pa­pier­taschentücher steht, oder die „i“-Produkte von Apple.
  • Sprache: Die Sprache mancher Marken hat es über die Jahre geschafft, ganz und gar als zu ihr gehörig akzeptiert zu werden, etwa das „Mc“ in den diversen Produkten des Burger-Braters und sogar im „McJob“, ebenso bestimmte Schlüsselwörter im Marketing von Disney („Welcome to our kingdom of dreams“).
  • Symbol: Ein Marken­ze­ichen kann so einprägsam sein, dass es auch auf anderen Medien, unter Wasser oder in völlig fremdem Umfeld sofort erkannt wird.
  • Akustik: Ein Produkt wird mitunter von Geräuschen oder Tönen begleitet, die kein anderer macht, und die einer Marke auch ohne Nennung derselben sofort zugeordnet werden können.
  • Navigation: Nokia hat es geschafft, durch die Benutzerführung im Telefonmenü Millionen von Kunden an sich zu binden – sie haben keine Lust, umzulernen.
  • Verhalten: Eine Marke kann man auch am Verhalten erkennen – das kann ein spezieller Sprachge­brauch oder ein besonderer Umgang mit den Kunden sein.
  • Tradition: Eine lange Geschichte zu haben, wird stets positiv wahrgenom­men – Markenwerte wie Kompetenz, Stabilität und Zuverlässigkeit werden damit vermittelt.
  • Rituale: Versierte Marken entwickeln Rituale noch vor den Fans – das Aufbrechen der praktischen Rit­ter-Sport-Schoko­ladetafel ist ein de­mon­tier­bares Marken­ritual.

Die Zukunft des Marke­nauf­baus

Schon heute ist es ohne erheblichen fi­nanziellen Aufwand kaum noch möglich, eine Marke aufzubauen. Zukünftig wird auch purer Werbedruck nichts mehr nützen: Ohne sen­sorisches Branding in fünf Dimensionen kann keine große Marke mehr überleben. Als Erstes werden die Pharma- und die Fahrzeug­in­dus­trie auf den Zug aufspringen. Der Wettlauf darum, unser Leben zu branden und echte Sinneswahrnehmungen durch Marke­nas­sozi­a­tio­nen zu ersetzen, hat bereits begonnen. Dazu gehört, dass viele Konsumenten inzwischen die Designdüfte für die echten halten und die originalen verschmähen. Probleme mit sen­sorischem Branding haben bis auf Weiteres reine In­ter­net­marken: Online wird weder der Geschmacks- noch der Geruchs- oder der Tastsinn ange­sprochen. Dieser Nachteil bleibt vorläufig unüberwindbar, was der Ausbreitung von On­line-Brands eine natürliche Grenze setzt.

Über den Autor

Martin Lindstrom gründete mit zwölf Jahren seine eigene Wer­beagen­tur; heute ist er einer der promi­nen­testen Brand­ing-Ex­perten weltweit und berät namhafte Marken wie Mars, Pepsi, Nestlé, Lego, American Express, Mer­cedes-Benz, McDonald’s und Microsoft. Er ist auch Autor des Buches Buyology.