Sozialkompetenz – ein Manager-Märchen?

Buch Sozialkompetenz – ein Manager-Märchen?

Wahrheiten über wirksames Management und den Umgang mit Menschen in Organisationen

Campus,


Rezension

Der Ruf nach Sozialkom­pe­tenz ist heute so laut und so allgegenwärtig, dass man leicht ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man glaubt, ihm nicht gerecht werden zu können. Diese Angst ist unbegründet, sagt Katja Unkel. Im Hype um die Sozialkom­pe­tenz sieht die Autorin ein überschätztes Phänomen. Sie ortet darin die Flucht in ein Schein­prob­lem, das vom tatsächlichen Thema nur ablenkt: dem Mangel an pro­fes­sionellem Management. Ihrer Ansicht nach ist es die zunehmende Komplexität unserer Wirtschaft, die offenbart, dass Manager manchmal ihr eigenes Handwerk nicht beherrschen. Das Buch steckt voller kluger Gedanken, erschöpft sich jedoch streck­en­weise in der Wiedergabe von Theorien Peter F. Druckers und Fredmund Maliks. Die Kritik, dass Manager sich zuerst das nötige Fachwissen aneignen sollten, bevor sie sich um ihre Sozialkom­pe­tenz kümmern, hat einiges für sich. Zumindest muss auch diese Seite des Man­ager­berufs mal wieder betont werden, und das tut das Buch auf sehr kompetente Weise. BooksInShort empfiehlt es darum Managern ebenso wie Per­son­alen­twick­lern, die der Forderung nach mehr Sozialkom­pe­tenz kritisch gegenüberstehen, aber auch denjenigen, die diese Forderung gerne erheben.

Take-aways

  • Die Forderung nach mehr Sozialkom­pe­tenz bei Managern ist omnipräsent.
  • Sozialkom­pe­tenz ist bis heute nicht klar definiert; entsprechend beliebig sind Ab­gren­zun­gen zu verwandten Themen.
  • Tatsächlich fehlt es nicht an Sozialkom­pe­tenz, sondern an pro­fes­sionellem Management.
  • Fachkom­pe­tenz ist nicht kom­pen­sier­bar und ist daher die eigentliche Schlüsselkom­pe­tenz.
  • Die steigende Komplexität in Unternehmen offenbart den Mangel an pro­fes­sionellem Management.
  • Wirksam managen bedeutet Resultate erzielen und Ressourcen in Nutzen umwandeln.
  • Das ky­ber­netis­che Prinzip der Natur ist Selb­streg­u­la­tion. Davon können Unternehmen lernen.
  • Integrität ist die wichtigste Grund­vo­raus­set­zung für einen Manager. Sie garantiert Vertrauen und Verlässlichkeit in der Führung.
  • Jeder Mensch ist anders. Gerade deswegen braucht es allgemeingültige Ver­hal­tensregeln zur Führung und Zusam­me­nar­beit in Unternehmen.
  • Diese Regeln bilden die Grundlage für wirksames Management – dazu braucht es weder Uni­ver­sal­ge­nies noch sozial kompetente Überflieger als Manager.
 

Zusammenfassung

Der Hype um die Sozialkom­pe­tenz

Der Ruf nach mehr Sozialkom­pe­tenz bei Managern ist allgegenwärtig. Was auf den ersten Blick nach einer klaren Forderung aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung oft als ein Sam­mel­surium höchst un­ter­schiedlicher Erwartungen. Einigkeit scheint lediglich darin zu bestehen, dass Manager nur beruflich erfolgreich sein können, wenn sie ausreichend sozial kompetent sind. Methoden- und Fachwissen allein scheinen nicht mehr zu genügen; die Schlüsselkom­pe­tenz der Zukunft ist offenbar die Sozialkom­pe­tenz, sie findet sich in jeder Stel­lenanzeige, egal welcher Branche.

„Alle Welt redet von Sozialkom­pe­tenz, obwohl keiner genau weiß, was es ist.“

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhun­derts wurde soziale Intelligenz, der Vorläufer der heutigen Sozialkom­pe­tenz, the­ma­tisiert. Einen echten Aufschwung hat diese seit den 70er Jahren erlebt: Die soziale Motivation des Menschen, seine Abhängigkeit von anderen und die Neigung, im Sinne sozialer Normen zu handeln, wurden erforscht. Der Mensch und sein Menschsein rückten in den Mittelpunkt und wurden zur Grundlage der er­fol­gre­ichen Mi­tar­beit­erführung. Vorrangiges Ziel war, die Menschen zu verstehen und adäquat mit ihnen umzugehen.

„Sozialkom­pe­tenz wird häufig überschätzt; sie leistet keinen relevanten Beitrag zu Problemlösungen.“

Der Hype um die Sozialkom­pe­tenz in Führungse­ta­gen hält bis heute un­ver­min­dert an. Es scheint, als würde ohne „social skills“ nichts mehr gehen. Das gesteigerte Interesse hat den Glauben her­vorgerufen, in der Sozialkom­pe­tenz ein All­heilmit­tel gegen vielfältige Probleme gefunden zu haben. Was aber viele falsch verstehen: Sozialkom­pe­tenz heißt nicht, immer nur lieb und nett zu sein, um von allen geschätzt zu werden.

Sozialkom­pe­tenz als Schein­prob­lem

Als sozial kompetent geltende Äußerungen haben auf die Problemlösung tendenziell eher negative Auswirkun­gen: Sie erzeugen eine Kaffeekränzchen-Men­talität oder wirken als In­no­va­tion­skiller. Jüngere Un­ter­suchun­gen haben gezeigt, dass die Wirkung von Sozialkom­pe­tenz oft überschätzt wird. So kam man bei der Entwicklung des Kas­seler-Kom­pe­tenz-Rasters aufgrund um­fan­gre­icher Work­shop-Beobach­tun­gen zum Schluss, dass soziale Kompetenz nicht explizit dazu befähigt, gute Lösungen zu erarbeiten. Dafür sind vielmehr andere Kompetenzen er­forder­lich:

  • Fachkom­pe­tenz ist nicht kom­pen­sier­bar und ist daher die eigentliche Schlüsselkom­pe­tenz.
  • Meth­o­d­enkom­pe­tenz ist für den struk­turi­erten Problemlösung­sprozess von Nutzen.
  • Positive Selb­stkom­pe­tenz ist ergebnisfördernd und erhöht die Teil­nehmerzufrieden­heit.
„Fachkom­pe­tenz ist nicht kom­pen­sier­bar.“

Ist die omnipräsente Forderung nach mehr Sozialkom­pe­tenz dann nicht mehr als ein Ablenkungs­manöver? Fehlt es nicht vielmehr an pro­fes­sionellem Management, was erst mit dem zunehmend komplexen Beruf­sall­tag transparent wurde?

Wirksames Management

Management gilt als amerikanis­che Erfindung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in Wahrheit existiert diese Tätigkeit jedoch schon viel länger. Zweifellos hat es die soziale und wirtschaftliche Struktur in den Industrieländern verändert. Management lässt sich verstehen als die Umwandlung von Ressourcen in Nutzen. Und es ist ein Beruf der Re­sul­taterzielung.

„Soziale Fähigkeiten sind darauf aus­gerichtet, ein optimales Funk­tion­ieren des ‚Wir‘ in der Gruppe sicherzustellen.“

Peter F. Drucker wird oft als geistiger Vater des Managements bezeichnet. Er prägte die Aussage: „Als Manager muss man das produktiv machen, was man zur Verfügung hat.“ In seinen Büchern untersuchte Drucker immer wieder die Grundsätze eines wirksamen Managements und die Her­aus­forderun­gen künftigen Wirtschaftens. Von höherer Sozialkom­pe­tenz bei Managern ist bei ihm jedoch nie die Rede.

„Die richtige Busi­ness­mis­sion ist ein Katalysator für Sozialkom­pe­tenz.“

Drucker sah den Manager als Komponist, der eine Melodie kreiert, und als Dirigent, der dann die Spieler und ihre Instrumente harmonisch zusammenführt, um die Musik hörbar zu machen. Diese Aufgabe erfordert vom Manager zwar höchstes Können, aber er muss kein Uni­ver­sal­ge­nie sein. Eine der wenigen nicht erlernbaren Grund­vo­raus­set­zun­gen ist laut Drucker die Integrität. Sie bestimmt die Aufrichtigkeit und Seriosität des Managers und fördert damit das Vertrauen ins Management.

Komplexität meistern

Zukun­fts­forscher prog­nos­tizieren immer neue Tech­nolo­gien, zunehmend instabile Märkte und schnellere Wet­tbe­werb­sveränderungen. Was hingegen unverändert bleibt, ist der Mensch mit seinen jeweiligen Stärken und Schwächen. Daran hat sich im Vergleich zu vo­r­ange­gan­genen Man­ager­gen­er­a­tio­nen nichts geändert. Unabhängig von spez­i­fis­chen Trends und En­twick­lun­gen wird die Komplexität und Dynamik unseres Wirtschaftens zunehmen. Komplexität ist die Vielfalt, die sich aus den möglichen Varianten ergibt. Manager müssen lernen, mit dieser Komplexität umzugehen. Der Slogan „Keep it simple“ hat nur dort seine Berech­ti­gung, wo es überhaupt gelingen kann, die Dinge einfach zu halten. Das Verständnis komplexer Sachver­halte erfordert ein Denken in Zusammenhängen. Leider wird in der Schule nur lineares Denken gelehrt. Häufige Fehler im Umgang mit komplexen Systemen sind:

  • falsche Zielbeschrei­bun­gen,
  • unvernetzte Sit­u­a­tion­s­analy­sen,
  • voreilige Schw­er­punk­t­bil­dun­gen,
  • nicht beachtete Neben­wirkun­gen und
  • die Tendenz zur Übers­teuerung und zu autoritärem Verhalten.
„Führungskräfte müssen ihren Mi­tar­beit­ern möglichst vorurteils­frei und wertfrei begegnen, wenn sie fair eine Leistung und nicht eine Person beurteilen wollen.“

Kybernetik ist die Lehre von der Struktur und dem Verhalten komplexer Systeme. Das ky­ber­netis­che Prinzip der Natur ist die selbsttätige Regelung in­einan­der­greifender, vernetzter Abläufe bei minimalem En­ergieaufwand. Beherzigt man das Beispiel der Natur, so müssten Manager einfach dafür sorgen, dass sich ihr System von selbst organisiert. Wem das gelingt, der kommt mit einer normalen Portion Sozialkom­pe­tenz aus: Unnötige Reibung und unangenehme Missverständnisse fallen ebenso weg wie zeitraubende Abklärungss­chleifen. Wir müssen uns allerdings von der landläufigen Meinung verab¬schieden, der Mensch könne komplexe Systeme jeder Art beherrschen und in seinem Interesse steuern. Wie schlecht das manchmal tatsächlich gelingt, zeigt die Sub­primekrise – mit mangelnder Sozialkom­pe­tenz hatte die nichts zu tun.

Ein Modell für wirksame Führung

Gemäß dem Modell für effektives Management und wirksame Führung, entwickelt auf Basis des St. Galler Man­age­ment-Mod­ells, beinhaltet der Beruf des Managers vier Elemente:

  1. die Aufgaben, die es zu erfüllen gilt,
  2. die Werkzeuge, die bei der Erfüllung der Aufgaben eingesetzt werden,
  3. die Grundsätze, die bei der Aufgabenerfüllung und dem Einsatz der Werkzeuge hand­lungsweisend sind und damit die Qualität und Wirksamkeit bestimmen, sowie
  4. die Ve­r­ant­wor­tung für die Kon­se­quen­zen der beruflichen Tätigkeit.
„Integrität ist entschei­dend für jeden Manager: Man muss meinen, was man sagt – und so handeln.“

Deutlich wird: Führung ist ein Handwerk, das Manager beherrschen müssen. Die Führungskraft muss sich zunächst das er­forder­liche Man­age­ment­fach­wis­sen aneignen und dessen Anwendung trainieren, um dann pro­fes­sionell agieren zu können. Die Erfüllung der Man­age­men­tauf­gaben hat oberste Priorität: Die Führungskraft muss Ziele definieren, richtig entscheiden und Leistung fair beurteilen – denn die Aufgaben werden letztlich von den Mi­tar­beit­ern, im Alleingang oder im Team, umgesetzt.

Sozial kompetentes Führungsver­hal­ten mit Master Controls

Menschen sind verschieden, und diese Ver­schieden­heit nützt den Unternehmen. Keine Or­gan­i­sa­tion erlaubt es sich heute noch, Menschen auf eine Rolle als bloßer Pro­duk­tions­fak­tor zu reduzieren. Es braucht die schöpferische Kraft vieler, damit ein Unternehmen sich am Markt behaupten kann. Das bedeutet aber nicht, dass bei der Führung auf jeden Einzelnen Rücksicht genommen werden kann. Es gilt, allgemeine Regeln oder Master Controls festzulegen, die für alle verbindlich sind und eine Selb­streg­u­la­tion – analog dem ky­ber­netis­chen Gedankengut – ermöglichen. Ein Beispiel für eine Master Control wäre die Regel „Keine Überraschun­gen“: Sie besagt, dass der Chef frühzeitig von bedeutenden Veränderungen un­ter­richtet werden will, damit er im Notfall rechtzeitig eingreifen kann. Damit solche allgemeinen Regeln einen offiziellen Charakter bekommen, empfiehlt sich ihre Verankerung im Leitbild oder in den Führungsrichtlin­ien. Zur wirksameren Im­ple­men­tierung können sie auch mit den jährlichen Zielvere­in­barun­gen verknüpft werden.

„Management ist ein Massenberuf, den viele gewöhnliche Menschen zum Wohle der Gesellschaft ausüben.“

Das Modell der Master Controls lässt sich am besten grafisch, in Form einer kreisübergreifenden Vernetzung, ve­r­an­schaulichen. Den innersten Kreis bilden die elementaren Manieren, die grundlegend sind für die Zusam­me­nar­beit in Or­gan­i­sa­tio­nen. Die Manieren werden in einem überge­ord­neten Kreis umgeben von Toleranz und Offenheit sowie einem Minimum an Empathie. Darauf aufbauend soll sich das Verhalten im nächsten Kreis an Beitrags- und Stärkenori­en­tierung ausrichten und von positivem Denken geprägt sein. Integrität, Vertrauen und Respekt sind die es­sen­ziellen Be­standteile eines weiteren Kreises, der in die alles umschließende Ve­r­ant­wor­tung des äußersten Kreises mündet. Die Ve­r­ant­wor­tung ist gle­ichzeitig Kern und Aus­gangspunkt für gutes Management: Wer keine Ve­r­ant­wor­tung übernehmen will, ist keine Führungskraft und darf auch keine sein.

„Leader werden nicht fix und fertig geboren. In der Regel sind es spezielle Situationen, die aus Personen Leader machen.“

Generell gilt, dass den Elementen der äußeren Kreise mehr Bedeutung zukommt als jenen der inneren. Ein vergessenes „Danke“ wird eher entschuldigt als ein durch Fehlver­hal­ten verspieltes Vertrauen: Einen Ver­trauens­bruch verzeihen Mitarbeiter nur schwer, und er kann noch lange nachwirken, während sie das fehlende „Danke“ schon bald vergessen, sofern das Ver­trauensverhältnis intakt ist. Master Controls regeln die uni­versellen Prinzipien des Verhaltens von Führungskräften. Die Prinzipien müssen verständlich sowie lern- und anwendbar sein, unabhängig davon, welche sozialen Vo­raus­set­zun­gen ein Manager mit seiner Persönlichkeit mitbringt. Schw­er­wiegende Fehler im zwis­chen­men­schlichen Bereich und im richtigen Umgang mit Mi­tar­beit­ern können so vermieden werden.

Gutes Management in Krisen­zeiten

Ein wirtschaftlich schwieriges Umfeld erfordert, dass Mitarbeiter nicht nur Spitzen­leis­tun­gen erbringen, sondern auch den notwendigen Kampfgeist haben, um allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Aufgaben erfolgreich zu meistern. Ins­beson­dere in Krisen­si­t­u­a­tio­nen schätzen Mitarbeiter pro­fes­sionelles Management, während Feinheiten im zwis­chen­men­schlichen Bereich in den Hintergrund treten. Der Manager muss sich also primär auf das Handwerk des guten und richtigen Managements konzen­tri­eren. Dies tut er auf sozial kompetente Weise, indem er sich seiner Ve­r­ant­wor­tung bewusst ist und integer, respekt- und ver­trauensvoll agiert.

Über die Autorin

Katja Unkel ist promovierte Wirtschaft­spsy­cholo­gin und arbeitet als Trainerin, Beraterin und Coach. Sie war im Malik Management Zentrum St. Gallen tätig und leitete die europaweite Per­son­alen­twick­lung eines amerikanis­chen Konzerns.