Führungsstark im Wandel

Buch Führungsstark im Wandel

Change Leadership für das mittlere Management

Campus,


Rezension

„Das einzig Beständige ist der Wandel“ – bei dieser Plattitüde bleibt Autor Alexander Groth zum Glück nicht stehen. Stattdessen gibt er konkrete Hand­lungsempfehlun­gen, wie man den Wandel am besten managt. Anhand vieler Beispiele ve­r­an­schaulicht er die „emotionale Achterbahn“, die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter in Veränderung­sprozessen durchlaufen. Während eines Wandels reicht es nicht aus, nur auf sachlicher Ebene zu kom­mu­nizieren – Emotionen müssen ange­sprochen werden, damit man zu Lösungen kommt, so eine wichtige These des Autors. Wenn man als Führungskraft schon einiges über Kom­mu­nika­tion und Beziehungs­man­age­ment weiß, wird man in diesem Buch nicht viel Neues erfahren. BooksInShort empfiehlt es darum in erster Linie Nachwuchsführungskräften, die mit Veränderungen im Unternehmen kon­fron­tiert sind, sowie rou­tinierten Mid­dle-Man­agern zur Auf­frischung.

Take-aways

  • Der Wandel wird in unserem Leben immer mehr zur Regel. Change-Lead­er­ship kommt daher eine wachsende Bedeutung zu.
  • In Veränderung­sprozessen durchlaufen Individuen und Gruppen eine emotionale Achter­bah­n­fahrt in sechs Phasen.
  • Jede Phase ist von einer bestimmten Emotion geprägt, auf die Sie angemessen reagieren müssen.
  • Die Akzeptanz des Wandels ist generell von Gefühlen gesteuert. Der Verstand spielt eine un­ter­ge­ord­nete Rolle.
  • Der äußeren Veränderung muss eine innere Trans­for­ma­tion folgen; erst sie bewirkt die Akzeptanz des Neuen.
  • Weil Mitarbeiter den Wandel oft ablehnen, sind Einfühlungsvermögen und Un­vor­ein­genom­men­heit der Führungskraft gefragt.
  • Widerstand ist legitim: Er zeigt, dass etwas in Bewegung kommt.
  • Eine Chaosphase ist unumgänglich. Eine offene In­no­va­tions- und Fehlerkul­tur ist während dieser Zeit förderlich.
  • Alte Gewohn­heiten abzulegen ist schwierig. So genannte Quick Wins können helfen.
  • Sie müssen Veränderungen aktiv und frühzeitig kom­mu­nizieren, um Gerüchten vorzubeugen.
 

Zusammenfassung

Die Flutwelle des Wandels

Heutzutage sehen sich Führungskräfte und ihre Mitarbeiter mit einem immer schnelleren Wandel kon­fron­tiert. Da man diesem allerdings ständig ausgesetzt ist, nimmt man ihn nur bedingt wahr. Die Megatrends Con­nec­tiv­ity und Glob­al­isierung führen dazu, dass die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben immer mehr ver­schwim­men. Höhere Leis­tungsan­forderun­gen, Er­re­ich­barkeit rund um die Uhr und steigende Komplexität sind die negativen Folgen. Positive Aspekte dieser Trends sind flachere Hierarchien, breitere Ve­r­ant­wor­tung und kultureller Austausch aufgrund stärkerer in­ter­na­tionaler Vernetzung. Von einer Fortsetzung und In­ten­sivierung des Wandels ist auszugehen. Deshalb kommt dem Change-Lead­er­ship eine Schlüsselrolle zu. Denn Mitarbeiter verhalten sich bei Veränderungen oft sehr emotional und agieren irrational. Diesem Umstand müssen Sie als Führungskraft mit Einfühlungsvermögen begegnen können.

Die emotionale Achterbahn

Betrachtet man die men­schlichen Reaktionen auf unangenehme Neuigkeiten, lässt sich ein ein­heitliches Ver­hal­tens­muster erkennen: die „emotionale Achterbahn“, die sich in sechs Phasen gliedert:

  1. Verneinung (Angst, Nicht­wahrhaben­wollen),
  2. Zorn (Wandel wird als unauswe­ich­lich erkannt, Suche nach einem Schuldigen),
  3. Depression (Niedergeschla­gen­heit),
  4. Akzeptanz (Gleichmut),
  5. Integration (Friede, neuer Zustand wird zum Alltag),
  6. Selbstgefälligkeit (Signale für einen neuen Wandel werden ignoriert, anschließend folgt u. U. wieder Phase 1).
„Im in­ter­na­tionalen Wettbewerb werden vor allem die Unternehmen und Manager Vorteile haben, die sich dem Wandel nicht nur schneller als andere anpassen können, sondern ihn sogar initiieren.“

Die Ausprägung der jeweiligen Emotionen ist von der Hi­er­ar­chiepo­si­tion und den Mit­gestal­tungsrechten eines Mi­tar­beit­ers abhängig. In den Phasen „Selbstgefälligkeit“ und „Verneinung“ hilft eine offene Kultur der Wandel¬bere­itschaft, in der kon­tinuier­liche Verbesserung angestrebt und anerkannt wird. Dominiert trotzdem die Angst, brauchen die Mitarbeiter Zeit, um sich auf neue An­forderun­gen einzustellen. Sie sollten den Betroffenen allerdings nicht zu viel Zeit lassen, sondern die Notwendigkeit des Wandels unmissverständlich klarmachen und ihnen mit spez­i­fis­chen, kurzfristi­gen Aufgaben die Angst vor dem Neuen nehmen. Die Phase „Zorn“ kann durch aufmerk­sames Zuhören und die Gewährung von Mit­spracherechten überwunden werden. In der Phase „Depression“ trauern die Mitarbeiter Vergangenem nach (getreu dem Motto: „Früher war alles besser“). Dabei lernen sie loszulassen und beginnen, neue Wege zu gehen. Nach erfolgter Trauer­ar­beit tritt bei den Mi­tar­beit­ern die Phase „Akzeptanz“ ein: Sie wollen das Beste aus der Situation machen. Nachdem sich die Wogen geglättet haben, braucht es die aktive Unterstützung des Vorge­set­zten zur Aneignung neuer Fähigkeiten. In dieser chaotischen Phase erweisen sich Trainings und eine offene Fehlerkul­tur als hilfreich – denn das Alte funk­tion­iert nicht mehr und das Neue noch nicht. Die abschließende Phase „Integration“ dient der Rückkehr zum Alltag.

„Im Wandel ist die Wahrnehmung der Mitarbeiter sehr einseitig auf die negativen Aspekte fixiert. Die gute alte Zeit wird übertrieben glo­ri­fiziert.“

Es gibt also für jede Phase geeignete Maßnahmen, die die Bere­itschaft zum Wandel fördern. Dem stehen aber folgende Schwierigkeiten gegenüber, die Sie berücksichtigen müssen:

  • Die Mitarbeiter durchlaufen den Wandel ungleich schnell.
  • Die Mitarbeiter durchlaufen den Wandel nicht linear – sie können in eine frühere Phase zurückfallen oder in einer Phase stecken bleiben.
  • Mitarbeiter ver­schiedener Hi­er­ar­chieebe­nen durchlaufen den Wandel un­ter­schiedlich.

Wenn keiner mitmacht

Viele Erfahrungen zeigen, dass der Verstand kaum an der Akzeptanz des Wandels beteiligt ist. Er trifft keine Entschei­dung, sondern liefert lediglich im Nachhinein eine rationale Begründung. Die eigentliche Steuerung­sein­heit für unser Verhalten ist das so genannte mittlere limbische System, das unbewusst arbeitet. Es steuert die Bewertung, die emotionale Kon­di­tion­ierung und die Motivation. Von den Sin­nesor­ga­nen wird es mit In­for­ma­tio­nen versorgt, die – indem auf Erfahrungen zurückgegriffen wird – als „angenehm“ oder „unangenehm“ bewertet werden. Es ist also ve­r­ant­wortlich dafür, ob wir motiviert sind, etwas zu tun oder zu lassen. Dem Manager muss es daher gelingen, ein Problem bzw. die Notwendigkeit des Wandels emotional erlebbar zu machen. Seine persönliche Einstellung spielt dabei eine entschei­dende Rolle: Sie ist es, die bei den Mi­tar­beit­ern eine positive Haltung hervorruft und Energien zur Umsetzung neuer Maßnahmen weckt. Die Führungskraft muss

  • im Wandel zum Vorbild werden und In­for­ma­tio­nen emotional vermitteln,
  • Be­trof­fen­heit, aber keine Furcht auslösen,
  • die Notwendigkeit für den Veränderungs­be­darf sichtbar machen,
  • die Mitarbeiter konkrete Probleme erleben lassen, die die Notwendigkeit des Wandels un­ter­stre­ichen, und
  • sich auf die Problemlösung konzen­tri­eren, statt nach Ursachen oder Schuldigen zu suchen.

Wenn keiner aufhört

Zur Aneignung einer neuen Ver­hal­tensweise muss die alte aufgegeben werden. Wie aber bringt man Mitarbeiter dazu, sich von ihren Gewohn­heiten zu lösen? Generell ist es leichter, etwas völlig Neues zu lernen, als ein altes Denkmuster zu verlernen. Zu beachten ist, dass der Wandel zwar außerhalb der Person stattfindet, dass er jedoch eine innere, psychische Trans­for­ma­tion erfordert. Diese Trans­for­ma­tion hat mit Logik nicht viel zu tun, sondern basiert hauptsächlich auf Gefühlen. Angst, Zorn und Trauer sind die stärksten Emotionen der vom Wandel betroffenen Mitarbeiter; mit diesen Gefühlen müssen Sie angemessen umgehen. Es gilt die Formel:

„Kom­mu­nizieren Sie in schwierigen Situationen direkt und persönlich. Auch unangenehme Gespräche sind Ihr Job, hier erweist sich Ihr Charakter.“

Leistung = Wollen x Können x Dürfen

Geht einer der Faktoren gegen null, ist das Ergebnis ebenfalls null. Während sich das Können (Leis­tungsvermögen) und das Dürfen (Ve­r­ant­wor­tung) relativ einfach korrigieren lassen, scheitert der Wandel sehr oft am Wollen. Die Sichtweise des Mi­tar­beit­ers wahrzunehmen, erfordert Interesse, Geduld und Unvoreinge¬nommenheit.

Wenn alle auf die Barrikaden gehen

Wie reagiert man auf aktiven Widerstand? Konkrete Anzeichen von Widerstand sind bei Mi­tar­beit­ern oft Konfusion, Schweigen oder sogar Sabotage. Die üblichen Reaktionen bei Managern reichen von erhöhtem Machtein­satz und Ma­nip­u­la­tion bis hin zum stillschweigen­den Nachgeben. Beachten Sie: Widerstand ist legitim. Er drückt aus, dass etwas in Bewegung kommt. Als Führungskraft müssen Sie hinter die Fassade der rationalen Argumente schauen, die der Mitarbeiter als Gründe für seine Ablehnung nennt. Versuchen Sie, übertrieben negative Sichtweisen zu rel­a­tivieren und den Wahrnehmungs­fil­ter für positive Aspekte zu öffnen. Bleiben Sie gelassen und fördern Sie den Dialog, beziehen Sie Stellung und agieren Sie souverän und wertschätzend. Vergessen Sie nicht: Ein reinigendes Gewitter kann Druck wegnehmen. Lassen Sie die Mitarbeiter darum ruhig ihre Kritik und Wut äußern und nehmen Sie es nicht persönlich – danach ist eine kon­struk­tive Zusam­me­nar­beit oft wieder möglich.

Wenn alles zusam­men­bricht

Egal, ob der Wandel in Raten oder zu einem bestimmten Stichtag erfolgt: Eine Chaosphase wird sich kaum vermeiden lassen. Der Wandel ist erst abgeschlossen, wenn alle Mitarbeiter sich emotional darauf eingelassen und ihr Verhalten angepasst haben. In der Chaosphase kann es von Vorteil sein, ein Projektteam aus Befürwortern und neutral eingestell­ten Mi­tar­beit­ern zusam­men­zustellen, das die Einführung des Neuen aktiv beeinflusst und für kurzfristig sichtbare Erfolge sorgt. Das Team sollte über Macht und Handlungsfähigkeit verfügen, gut vernetzt sein und wertschätzend mit Emotionen umgehen. Von Vorteil ist außerdem eine In­no­va­tions- und Fehlerkul­tur, die neue Denkweisen fördert. Wenn Sie schon dabei sind, Veränderungen durchzuset­zen, können Sie allenfalls weitere Wan­delvorhaben auf den Weg bringen, die unter normalen Bedingungen nicht möglich wären. Allerdings müssen die Mitarbeiter auch vor zu viel Wandel geschützt werden. Hier müssen Sie sorgfältig abwägen, was sinnvoll ist.

Wenn alle zurück­marschieren

Viele Menschen ändern Gewohn­heiten nur unter bestimmten Bedingungen. Am Beispiel zahlreicher Erkrankter lässt sich zeigen, dass wir eher dazu neigen, die Ge¬sundheit aufs Spiel zu setzen, als alte Gewohn­heiten abzulegen. Es braucht also Hil­festel­lung, um den Wandel bei den Mi­tar­beit­ern zu verankern:

  • Sie müssen Vertrauen in die Wandlungsfähigkeit der Mitarbeiter haben. Damit bee­in­flussen Sie deren Überzeugung, „es schaffen zu können“, entschei­dend.
  • Sie müssen ein bestimmtes Verhalten so oft wiederholen lassen, bis es zur Gewohnheit wird. Fühlbar schneller Erfolg („Quick Win“) vergrößert die Motivation der Mitarbeiter.
  • Sie müssen ein Umfeld schaffen, das neue Denkmuster fördert.

Die Psychologie der Gerüchte

Obwohl der „Flurfunk“ äußerst schnell und effizient funk­tion­iert, entspricht er meist nicht den Wünschen der Führungskraft. Gerüchte unterliegen oft einer Steigerung ins Negative. Tun Sie Folgendes, um dem Gerede vorzubeugen:

  • Kom­mu­nizieren Sie den Wandel zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, auch wenn noch nicht alle Details vorhanden sind. Zu späte Information wird als Ver­trauens­bruch wahrgenom­men.
  • Richten Sie sich an die Mehrheit der Mitarbeiter. Neben den Befürwortern und Gegnern gibt es eine große, sich relativ neutral verhaltende Mehrheit. Diese gilt es zu gewinnen. Vergeuden Sie nicht unnötig Energie, indem Sie sich zu lange mit Gegnern aufhalten.
  • Pri­or­isieren Sie Botschaften und wiederholen Sie die wichtigsten immer wieder. Bleiben Sie dabei authentisch und kom­mu­nizieren Sie mit Taten.
  • Reden Sie negative Dinge nicht schön. Bleiben Sie konkret und ehrlich. Nutzen Sie die Kraft von Bildern und Metaphern.

Krisengespräche

Der korrekte Umgang mit den Verlierern des Wandels – den Mi­tar­beit­ern, die gegen ihren Willen versetzt, her­abgestuft oder entlassen werden – gehört zu den anspruchsvoll­sten Man­age­men­tauf­gaben. Sie müssen sich in die Rolle des Mi­tar­beit­ers hinein­ver­set­zen. Einfühlsame und wertschätzende Gespräche sind er­forder­lich. Das Erstgespräch sollten Sie kurzhalten, da der Mitarbeiter aufgrund des Schocks er­fahrungs­gemäß nur eingeschränkt aufnahmefähig ist. Die Nach­fol­gege­spräche sollten von Fairness und Transparenz geprägt sein. Darüber hinaus ist nicht zu vergessen, dass auch bei indirekt Betroffenen, z. B. im Kol­le­genkreis, Ängste und Schuldgefühle entstehen können. Letztlich muss auch der Vorgesetzte selbst persönlichen Ausgleich suchen; Kündi­gungs­ge­spräche stellen eine enorme Belastung dar.

Über den Autor

Alexander Groth ist Experte für Führungs­fra­gen. Der Autor des Buches Führungsstark in alle Richtungen ist Leiter des Mas­ter­moduls Leadership an der Universität Stuttgart sowie Lehrbeauf­tragter für Change-Man­age­ment an der Universität Mannheim.