Die Trends der Zukunft
Die aktuellen großen Wirtschaftstrends waren schon vor der Krise vorhanden, wurden durch diese aber noch verstärkt. Einige dieser Trends konnten sich bereits etablieren. Andere stecken zwar noch in den Kinderschuhen, sind aber dennoch nicht mehr aufzuhalten. Führungskräfte sind darum gut beraten, sich mit diesen Trends auseinanderzusetzen und ihre Unternehmen darauf auszurichten.
Trend 1: schnellere Globalisierung
Der Prozess der Globalisierung lässt sich nicht mehr umkehren. Der Versuch, dies durch Protektionismus zu erreichen, würde die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Seit dem Jahr 2000 hat sich der weltweite Export verdoppelt. Allein zwischen 2005 und 2008 stieg das Volumen um mehr als 5 Billionen Dollar. Eine herausragende Rolle spielen dabei Deutschland und China. Die USA und Japan hingegen sind stark zurückgefallen.
„Die geostrategisch einzigartige Mittellage ist ein Faktor dafür, dass es im deutschsprachigen Raum so auffallend viele Weltmarktführer gibt.“
Deutschland ist keineswegs so unbeweglich und langsam, wie es in den Medien gerne dargestellt wird. Tatsächlich sind heute einige der 150–200 deutschen Firmen, die 2008 mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz erzielt haben, vier- bis zehnmal so groß wie Mitte der 90er Jahre. Im Schnitt lag die jährliche Wachstumsrate bei 15 %. So beschäftigt beispielsweise der Windanlagenhersteller Enercon, 1984 gegründet, heute mehr als 13 000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 4 Milliarden Euro. Das Unternehmen besitzt ca. 40 % aller weltweit existierenden Patente auf dem Gebiet der Windenergie.
„Die Zuwanderer sollten aus Gesellschaften rekrutiert werden, die erstens der Bildung Wert zumessen und zweitens eine hohe Integrationsfähigkeit aufweisen.“
Deutschland profitiert von einer sehr vorteilhaften Lage: Es liegt quasi im Zentrum der Welt. Anders als von den USA oder von Asien aus lassen sich alle wichtigen globalen Wirtschaftszentren in einer moderaten Zeit erreichen. Der Zeitunterschied zu Amerika und Asien hält sich im Rahmen und ermöglicht einen direkten Kontakt zwischen Geschäftspartnern und Mitarbeitern. Weitet ein in Deutschland ansässiges Unternehmen seine Bürozeiten auf neun Stunden aus, lässt sich mit beiden Kontinenten kommunizieren. Anders ist es beispielsweise bei New York und Tokyo, wo ein Zeitunterschied von 14 Stunden besteht.
„Ich neige dazu, chinesische Unternehmen als die schärfsten und gefährlichsten Konkurrenten für deutsche Hersteller anzusehen.“
Auch die deutsche Bürokratie ist besser und unkomplizierter als ihr Ruf. So lässt sich hierzulande beispielsweise schnell und sicher eine GmbH gründen. Soll Deutschland auch langfristig ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Land bleiben, muss die Zuwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften gefördert werden. Deutsche Universitäten machen in Ländern mit gut ausgebildeten Leuten noch zu wenig Werbung für sich. In Asien sind sie weitgehend unbekannt. Die Harvard University beispielsweise schickt viermal im Jahr Vertreter nach Jakarta, um Studenten nach Amerika zu locken. Künftig werden Unternehmen um die Märkte in China und Indien nicht mehr herumkommen. Doch Asien bietet nicht nur große Märkte: Besonders chinesische Unternehmen sind längst über die Billigschiene hinweggekommen und mischen im internationalen Wettbewerb mit qualitativ hochwertigen Produkten mit. Ein gutes Beispiel ist der Baumaschinenhersteller Sany, der inzwischen auch schon in Deutschland einen Produktionsstandort errichtet hat.
Trend 2: starker Staat
Eine Folge der jüngsten Krise ist der Trend zur stärkeren Regulierung der Wirtschaft durch die Politik. Er zeigt sich beispielsweise in der Protokollierungspflicht für Bankberatungsgespräche, in langen und für Laien kaum verständlichen Beschreibungen bestimmter Kapitalanlagen oder auch in Vorschriften zur Datenspeicherung. Viele dieser Regulierungen verlangen dem Verbraucher enorme Anstrengungen ab. Zusätzlich sind sie für den Staat ein enormer Kostenfaktor, denn die Einhaltung von Gesetzen und Bestimmungen muss kontrolliert werden, wofür wiederum Personal eingestellt werden muss. Steuergesetze, wie etwa das Erbschaftssteuergesetz, haben eine enorme Komplexität erreicht, die noch mehr Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare als früher auf den Plan ruft. Nicht grundlos gibt es hierzulande heute dreimal so viele Steuerberater wie 1970. Dass die immer höheren steuerlichen Belastungen zu einer Kapitalflucht ins Ausland geführt haben und weiterhin führen, zeigt, wie falsch dieser Ansatz ist. Was nötig ist, wären höhere Bemessungsgrundlagen sowie geringere und einheitliche Steuersätze.
Trend 3: Manager als Unternehmer
Zwar wurde der Shareholder-Value nach seinem Aufstieg in den 90er Jahren von vielen verteufelt, aber künftig wird er es sein, der die Führungskräfte in den Unternehmen lenkt. Gemeint ist jedoch nicht das Denken in Quartalsgewinnen, für die notfalls auch schnell Kostensenkungen, Entlassungen und Stilllegungen durchgeboxt werden. Auf diese Weise haben einige Unternehmen, z. B. die damalige DaimlerChrysler AG unter Jürgen Schrempp, ihren Börsenwert sogar verringert. Shareholder-Value heißt dagegen nichts anderes als: langfristige Steigerung des Gewinns und des Unternehmenswerts. Schließlich sichert dies allein das Überleben eines Unternehmens und das Wohl seiner Mitarbeiter.
„Einher geht die Kontrollwut mit einer zunehmenden Prinzipienlosigkeit, vor allem wenn höhere Steuereinnahmen locken.“
Um das zu erreichen, sind Führungskräfte nötig, die sich mit Herzblut für ihr Unternehmen einsetzen. Das geschieht selten aus reiner Menschlichkeit, sondern vielmehr weil sie ein persönliches Interesse daran haben. Darum sollten Vorstände ebenso wie Führungskräfte auf mittleren Hierarchieebenen Aktien ihres Unternehmens in für sie empfindlicher Höhe halten. Bei Siemens beispielsweise muss jeder Vorstand Aktien kaufen, deren Wert doppelt so hoch ist wie sein Fixgehalt. Diese Aktien müssen drei Jahre lang gehalten werden, wobei eine längere Haltedauer wünschenswert wäre. Nur so entsteht ein echtes Interesse, das Unternehmen langfristig erfolgreich zu führen. Aktienoptionen nützen dagegen nichts, da der Halter nicht an Verlusten beteiligt ist. Über den Weg der Aktienbeteiligung lässt sich möglicherweise auch erreichen, was beim Mittelstand schon immer gang und gäbe war: Kontinuität in der Führung. Während eine KMU-Führungskraft im Schnitt 20 Jahre auf ihrem Posten bleibt und schon deshalb an langfristigem Erfolg interessiert ist, sind es derzeit bei Konzernen nur fünf Jahre.
Trend 4: Verschiebungen in der Produktwelt
Marktsegmente verschieben sich signifikant. Das so genannte Ultraniedrigpreissegment ist inzwischen so groß, dass auch deutsche Hersteller nicht mehr darum herumkommen, ihm Beachtung zu schenken. Der amerikanische Professor Vijay Mahajan geht davon aus, dass 86 % aller Menschen über ein Familieneinkommen von weniger als 10 000 $ im Jahr verfügen. Viele Produkte der Industrieländer sind für diese Menschen unbezahlbar – im Gegensatz zu Konkurrenzprodukten aus anderen Ländern. Ein gutes Beispiel ist der preisgünstige Dacia Logan von Renault, der in Rumänien hergestellt und für 7200 € verkauft wird – mit großem Erfolg. Übrigens zeigt sich bereits jetzt, dass solche Ultraniedrigpreisprodukte auch in Industrieländern zunehmend Fuß fassen. Der indische Hersteller Tata entwickelt schon Varianten des erfolgreichen Kleinwagens Nano für den europäischen und den amerikanischen Markt.
„Im Zuge des globalen Wachstums kommen nicht nur die unteren Einkommensgruppen in relevante Kaufkraftkategorien, sondern es entstehen sehr schnell extrem hohe Vermögen, siehe Russland, China, Indien.“
Im oberen Preissegment sind deutsche Hersteller mit ihren oft nicht austauschbaren und hochwertigen Produkten nach wie vor gut aufgehoben. Im Luxussegment bildet Deutschland dagegen (außer bei Autos) hinter Frankreich, der Schweiz und Italien das Schlusslicht. Besonders in Russland, China und Indien wächst die Schicht der neuen Reichen; hier herrscht auch besonders großer Konsumhunger. So kaufen in China beispielsweise 231 von 1000 Haushalten, die mehr als 100 000 $ verdienen, einen Luxuswagen, während es in Deutschland nur 176 und in den USA nur 52 Haushalte sind.
„Ein direktes und wirksames Verfahren zur Angst- und Risikoreduktion für den Kunden besteht darin, Garantien zu geben bzw. als Verkäufer Risiken des Kunden zu übernehmen.“
Um sich auch künftig im oberen Preissegment behaupten zu können, müssen die deutschen Hersteller interne Kompetenzen verbessern, d. h. sie müssen in Forschung und Entwicklung investieren, näher an die Topkunden rücken und Mitarbeiter laufend fortbilden. Die hochwertigen Produkte sollten auch zu adäquaten Preisen angeboten werden. Das erfordert eine richtige Einschätzung des gebotenen Kundennutzens und nicht zuletzt auch Geschick und den Mut, mehr Geld zu verlangen.
Trend 5: verändertes Kundenverhalten
Die Krise hat das Vertrauen der Verbraucher ebenso wie ihre Finanzkraft auf eine harte Probe gestellt. In der Folge stehen Unternehmen vor einem veränderten Kundenverhalten. In manchen Facetten kann sich das nach einigen Jahren wieder normalisieren, in anderen aber auch nicht. Gravierend ist der Vertrauensverlust, den Unternehmen mit geeigneten Maßnahmen abschwächen müssen. Verbraucher denken nicht mehr langfristig. Sie haben erfahren, dass quasi von heute auf morgen Werte vernichtet und sie ihrer Existenzgrundlage beraubt werden können. Insofern ist ihnen ein langfristiger Nutzen weniger wichtig als ein kurzfristiger. Stellen Sie diesen bei Ihren Angeboten besonders heraus. Mehr als je zuvor zählen heute auch Kostenvorteile und der Faktor Sicherheit.
„Vermutlich wird es auf längere Zeit gedruckte und elektronische Versionen einer Zeitung parallel geben. Die gedruckten verschwinden dann mit ihren letzten Lesern.“
Weil das Geld nicht mehr so locker sitzt wie vor der Krise, ist die Finanzierung bei Geschäfts- und Privatkunden ein sensibles Thema. Kredite werden mit verschärften Anforderungen verknüpft. Lieferanten und Anbieter, die ihren Kunden eine großzügige Finanzierung und Zahlungsziele anbieten können, sind im Vorteil. Dann lassen sich sogar höhere Preise durchsetzen. Um dem Kunden die Angst vor der Kaufentscheidung zu nehmen, sollten Sie auch innovative Garantien, Probezeiten und Rücktrittsmöglichkeiten bieten. So gewährte beispielsweise der Projektträger einer Ferienhaussiedlung den zögernden Käufern eine Renditegarantie, und die Verkaufszahlen gingen prompt nach oben.
Trend 6: digitale Vernetzung
Das Internet ist längst nicht mehr nur ein Spielzeug für Jugendliche, sondern wird in Deutschland inzwischen zum größten Teil von den 40- bis 49-Jährigen genutzt. Fast 13 % der deutschen Internetnutzer sind sogar älter als 60 Jahre. Bereits jetzt werden im Netz in hohem Maß Bankgeschäfte getätigt und Nachrichten gelesen. Noch fehlt in vielen Bereichen die Bereitschaft der Kunden, für digitale Inhalte zu zahlen. Am weitesten fortgeschritten ist diesbezüglich der Musiksektor. Ein gutes Beispiel ist Apple mit seinem iTunes-Store, in dem der Kunde Musik zu günstigen Preisen kaufen kann. Der Store rundet das Angebot des iPods ideal ab, mit dem der Nutzer Musik hören sowie Filme und Bilder ansehen kann. Zeitungen haben es heute besonders schwer, da Nachrichten und Meinungen nicht nur in Blogs, sondern sogar von den Zeitungen selbst kostenlos angeboten werden. Aber Journalisten müssen bezahlt werden, und auch für den sonstigen Betrieb einer Zeitung reichen Werbeeinnahmen allein nicht aus. Wahrscheinlich wird es gedruckte Zeitungen schon bald nicht mehr geben.
„Das Internet bietet fantastische Möglichkeiten zur Vernetzung mit dem Kunden. Dennoch genügt diese Art der Kundenbindung allein auch in Zukunft nicht.“
Viel stärker als den Vertrieb hat das Internet die Vernetzung der Menschen vorangebracht. Unternehmen können soziale Netzwerke wie Facebook oder LinkedIn dazu nutzen, Werbung zu platzieren, die auf das persönliche Profil der Nutzer zugeschnitten ist. Die Kosten sind deutlich geringer und die Wirkung um einiges höher als bei herkömmlicher Printwerbung, ja sogar als bei Bannerwerbung im Internet. Was Unternehmen trotz allem nicht vernachlässigen dürfen, ist der direkte und häufige Kundenkontakt. Wenn nur noch über den Bildschirm verkauft wird, entscheidet der Kunde ausschließlich nach dem Preis. Einem Verkäufer aus Fleisch und Blut, den er persönlich kennt, wird er jedoch nicht so ohne Weiteres den Rücken kehren.