Die Wirtschaftstrends der Zukunft

Buch Die Wirtschaftstrends der Zukunft

Campus,


Rezension

Wer würde nicht gerne wissen, was die Zukunft bringt? Prognosen gibt es zuhauf, doch viele erweisen sich früher oder später als falsch. Im Unterschied dazu können Trends laut Hermann Simon ein recht re­al­is­tis­ches Bild der Zukunft zeichnen. Schließlich zeigen sie sich bereits in der Gegenwart und sind damit nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. So bietet Simons Buch denn auch keine großen Überraschun­gen. Dafür aber stellt es sechs re­al­is­tis­che En­twick­lun­gen vor, mit denen Unternehmer rechnen müssen. Gleich mit­geliefert werden Anregungen, wie diese Trends in Chancen zu verwandeln sind. Teilweise sind das ungewöhnliche Maßnahmen, die aber durchaus zu realisieren sind. Allein das letzte Kapitel, das sich mit einer ef­fek­tiv­eren Umsetzung befasst, wirkt etwas fehl am Platz. Die hier gelieferten Tipps haben eher allgemeinen Charakter und sind in jedem zweiten Man­age­men­trat­ge­ber zu finden. Das tut dem Gesamt­nutzen des Buches aber keinen Abbruch. BooksInShort empfiehlt es allen Un­ternehmern und Managern als hilfreichen Wegweiser in die Zukunft.

Take-aways

  • Die Glob­al­isierung schreitet trotz aller Kritik immer schneller voran.
  • Deutschland ist aufgrund seiner zentralen ge­ografis­chen Lage der ideale Standort für in­ter­na­tionale Geschäfte.
  • Asien mischt mit hochw­er­ti­gen und günstigen Produkten den Wettbewerb auf.
  • Als Folge der Krise greift der Staat immer stärker regulierend in die Wirtschaft ein.
  • Share­holder-Value zielt auf langfristige, nicht auf schnelle Gewin­n­max­imierung.
  • Führungskräfte werden sich mittels Aktien verstärkt am Un­ternehmenser­folg und -misserfolg beteiligen müssen.
  • Das Ul­tra­niedrig­preis­seg­ment wächst stärker als das höhere Preis­seg­ment und bietet Unternehmen damit große Chancen.
  • Künftig werden Kosten und Nutzen eines Produkts mehr denn je über den Kauf entscheiden.
  • Wer seinen Kunden eine großzügige Fi­nanzierung bieten kann, ist im Vorteil.
  • Trotz der großartigen Möglichkeiten des Internets in Bezug auf Vertrieb, Vernetzung und Werbung darf der persönliche Kun­denkon­takt nicht zu kurz kommen.
 

Zusammenfassung

Die Trends der Zukunft

Die aktuellen großen Wirtschaft­strends waren schon vor der Krise vorhanden, wurden durch diese aber noch verstärkt. Einige dieser Trends konnten sich bereits etablieren. Andere stecken zwar noch in den Kinder­schuhen, sind aber dennoch nicht mehr aufzuhalten. Führungskräfte sind darum gut beraten, sich mit diesen Trends au­seinan­derzuset­zen und ihre Unternehmen darauf auszurichten.

Trend 1: schnellere Glob­al­isierung

Der Prozess der Glob­al­isierung lässt sich nicht mehr umkehren. Der Versuch, dies durch Pro­tek­tion­is­mus zu erreichen, würde die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Seit dem Jahr 2000 hat sich der weltweite Export verdoppelt. Allein zwischen 2005 und 2008 stieg das Volumen um mehr als 5 Billionen Dollar. Eine her­aus­ra­gende Rolle spielen dabei Deutschland und China. Die USA und Japan hingegen sind stark zurückgefallen.

„Die geostrate­gisch einzi­gar­tige Mittellage ist ein Faktor dafür, dass es im deutschsprachi­gen Raum so auffallend viele Weltmarktführer gibt.“

Deutschland ist keineswegs so unbeweglich und langsam, wie es in den Medien gerne dargestellt wird. Tatsächlich sind heute einige der 150–200 deutschen Firmen, die 2008 mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz erzielt haben, vier- bis zehnmal so groß wie Mitte der 90er Jahre. Im Schnitt lag die jährliche Wach­s­tum­srate bei 15 %. So beschäftigt beispiel­sweise der Win­dan­la­gen­her­steller Enercon, 1984 gegründet, heute mehr als 13 000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 4 Milliarden Euro. Das Unternehmen besitzt ca. 40 % aller weltweit ex­istieren­den Patente auf dem Gebiet der Windenergie.

„Die Zuwanderer sollten aus Gesellschaften rekrutiert werden, die erstens der Bildung Wert zumessen und zweitens eine hohe In­te­gra­tionsfähigkeit aufweisen.“

Deutschland profitiert von einer sehr vorteil­haften Lage: Es liegt quasi im Zentrum der Welt. Anders als von den USA oder von Asien aus lassen sich alle wichtigen globalen Wirtschaft­szen­tren in einer moderaten Zeit erreichen. Der Zeitun­ter­schied zu Amerika und Asien hält sich im Rahmen und ermöglicht einen direkten Kontakt zwischen Geschäftspartnern und Mi­tar­beit­ern. Weitet ein in Deutschland ansässiges Unternehmen seine Bürozeiten auf neun Stunden aus, lässt sich mit beiden Kontinenten kom­mu­nizieren. Anders ist es beispiel­sweise bei New York und Tokyo, wo ein Zeitun­ter­schied von 14 Stunden besteht.

„Ich neige dazu, chinesische Unternehmen als die schärfsten und gefährlichsten Konkur­renten für deutsche Hersteller anzusehen.“

Auch die deutsche Bürokratie ist besser und un­kom­plizierter als ihr Ruf. So lässt sich hierzulande beispiel­sweise schnell und sicher eine GmbH gründen. Soll Deutschland auch langfristig ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Land bleiben, muss die Zuwanderung von hoch qual­i­fizierten Arbeitskräften gefördert werden. Deutsche Universitäten machen in Ländern mit gut aus­ge­bilde­ten Leuten noch zu wenig Werbung für sich. In Asien sind sie weitgehend unbekannt. Die Harvard University beispiel­sweise schickt viermal im Jahr Vertreter nach Jakarta, um Studenten nach Amerika zu locken. Künftig werden Unternehmen um die Märkte in China und Indien nicht mehr herumkommen. Doch Asien bietet nicht nur große Märkte: Besonders chinesische Unternehmen sind längst über die Bil­ligschiene hin­weggekom­men und mischen im in­ter­na­tionalen Wettbewerb mit qualitativ hochw­er­ti­gen Produkten mit. Ein gutes Beispiel ist der Bau­maschi­nen­her­steller Sany, der inzwischen auch schon in Deutschland einen Pro­duk­tion­s­stan­dort errichtet hat.

Trend 2: starker Staat

Eine Folge der jüngsten Krise ist der Trend zur stärkeren Regulierung der Wirtschaft durch die Politik. Er zeigt sich beispiel­sweise in der Pro­tokol­lierungspflicht für Bankber­atungs­ge­spräche, in langen und für Laien kaum verständlichen Beschrei­bun­gen bestimmter Kap­i­ta­lan­la­gen oder auch in Vorschriften zur Daten­spe­icherung. Viele dieser Reg­ulierun­gen verlangen dem Verbraucher enorme Anstren­gun­gen ab. Zusätzlich sind sie für den Staat ein enormer Kosten­fak­tor, denn die Einhaltung von Gesetzen und Bes­tim­mungen muss kon­trol­liert werden, wofür wiederum Personal eingestellt werden muss. Steuerge­setze, wie etwa das Erb­schaftss­teuerge­setz, haben eine enorme Komplexität erreicht, die noch mehr Steuer­ber­ater, Rechtsanwälte und Notare als früher auf den Plan ruft. Nicht grundlos gibt es hierzulande heute dreimal so viele Steuer­ber­ater wie 1970. Dass die immer höheren steuer­lichen Belastungen zu einer Kap­i­talflucht ins Ausland geführt haben und weiterhin führen, zeigt, wie falsch dieser Ansatz ist. Was nötig ist, wären höhere Be­mes­sungs­grund­la­gen sowie geringere und ein­heitliche Steuersätze.

Trend 3: Manager als Unternehmer

Zwar wurde der Share­holder-Value nach seinem Aufstieg in den 90er Jahren von vielen verteufelt, aber künftig wird er es sein, der die Führungskräfte in den Unternehmen lenkt. Gemeint ist jedoch nicht das Denken in Quar­tals­gewin­nen, für die notfalls auch schnell Kostensenkun­gen, Ent­las­sun­gen und Stil­l­le­gun­gen durchgeboxt werden. Auf diese Weise haben einige Unternehmen, z. B. die damalige Daim­ler­Chrysler AG unter Jürgen Schrempp, ihren Börsenwert sogar verringert. Share­holder-Value heißt dagegen nichts anderes als: langfristige Steigerung des Gewinns und des Un­ternehmenswerts. Schließlich sichert dies allein das Überleben eines Un­ternehmens und das Wohl seiner Mitarbeiter.

„Einher geht die Kontrollwut mit einer zunehmenden Prinzip­i­en­losigkeit, vor allem wenn höhere Steuere­in­nah­men locken.“

Um das zu erreichen, sind Führungskräfte nötig, die sich mit Herzblut für ihr Unternehmen einsetzen. Das geschieht selten aus reiner Men­schlichkeit, sondern vielmehr weil sie ein persönliches Interesse daran haben. Darum sollten Vorstände ebenso wie Führungskräfte auf mittleren Hi­er­ar­chieebe­nen Aktien ihres Un­ternehmens in für sie empfind­licher Höhe halten. Bei Siemens beispiel­sweise muss jeder Vorstand Aktien kaufen, deren Wert doppelt so hoch ist wie sein Fixgehalt. Diese Aktien müssen drei Jahre lang gehalten werden, wobei eine längere Haltedauer wünschenswert wäre. Nur so entsteht ein echtes Interesse, das Unternehmen langfristig erfolgreich zu führen. Ak­tienop­tio­nen nützen dagegen nichts, da der Halter nicht an Verlusten beteiligt ist. Über den Weg der Ak­tien­beteili­gung lässt sich möglicher­weise auch erreichen, was beim Mittelstand schon immer gang und gäbe war: Kontinuität in der Führung. Während eine KMU-Führungskraft im Schnitt 20 Jahre auf ihrem Posten bleibt und schon deshalb an langfristigem Erfolg in­ter­essiert ist, sind es derzeit bei Konzernen nur fünf Jahre.

Trend 4: Ver­schiebun­gen in der Produktwelt

Mark­t­seg­mente verschieben sich signifikant. Das so genannte Ul­tra­niedrig­preis­seg­ment ist inzwischen so groß, dass auch deutsche Hersteller nicht mehr darum herumkommen, ihm Beachtung zu schenken. Der amerikanis­che Professor Vijay Mahajan geht davon aus, dass 86 % aller Menschen über ein Fam­i­lieneinkom­men von weniger als 10 000 $ im Jahr verfügen. Viele Produkte der Industrieländer sind für diese Menschen unbezahlbar – im Gegensatz zu Konkur­ren­zpro­duk­ten aus anderen Ländern. Ein gutes Beispiel ist der preisgünstige Dacia Logan von Renault, der in Rumänien hergestellt und für 7200 € verkauft wird – mit großem Erfolg. Übrigens zeigt sich bereits jetzt, dass solche Ul­tra­niedrig­preis­pro­dukte auch in Industrieländern zunehmend Fuß fassen. Der indische Hersteller Tata entwickelt schon Varianten des er­fol­gre­ichen Kleinwagens Nano für den europäischen und den amerikanis­chen Markt.

„Im Zuge des globalen Wachstums kommen nicht nur die unteren Einkom­mensgrup­pen in relevante Kaufkraftkat­e­gorien, sondern es entstehen sehr schnell extrem hohe Vermögen, siehe Russland, China, Indien.“

Im oberen Preis­seg­ment sind deutsche Hersteller mit ihren oft nicht aus­tauschbaren und hochw­er­ti­gen Produkten nach wie vor gut aufgehoben. Im Luxu­sseg­ment bildet Deutschland dagegen (außer bei Autos) hinter Frankreich, der Schweiz und Italien das Schlus­slicht. Besonders in Russland, China und Indien wächst die Schicht der neuen Reichen; hier herrscht auch besonders großer Kon­sumhunger. So kaufen in China beispiel­sweise 231 von 1000 Haushalten, die mehr als 100 000 $ verdienen, einen Luxuswagen, während es in Deutschland nur 176 und in den USA nur 52 Haushalte sind.

„Ein direktes und wirksames Verfahren zur Angst- und Risiko­re­duk­tion für den Kunden besteht darin, Garantien zu geben bzw. als Verkäufer Risiken des Kunden zu übernehmen.“

Um sich auch künftig im oberen Preis­seg­ment behaupten zu können, müssen die deutschen Hersteller interne Kompetenzen verbessern, d. h. sie müssen in Forschung und Entwicklung investieren, näher an die Topkunden rücken und Mitarbeiter laufend fortbilden. Die hochw­er­ti­gen Produkte sollten auch zu adäquaten Preisen angeboten werden. Das erfordert eine richtige Einschätzung des gebotenen Kun­den­nutzens und nicht zuletzt auch Geschick und den Mut, mehr Geld zu verlangen.

Trend 5: verändertes Kun­den­ver­hal­ten

Die Krise hat das Vertrauen der Verbraucher ebenso wie ihre Finanzkraft auf eine harte Probe gestellt. In der Folge stehen Unternehmen vor einem veränderten Kun­den­ver­hal­ten. In manchen Facetten kann sich das nach einigen Jahren wieder nor­mal­isieren, in anderen aber auch nicht. Gravierend ist der Ver­trauensver­lust, den Unternehmen mit geeigneten Maßnahmen abschwächen müssen. Verbraucher denken nicht mehr langfristig. Sie haben erfahren, dass quasi von heute auf morgen Werte vernichtet und sie ihrer Ex­is­ten­z­grund­lage beraubt werden können. Insofern ist ihnen ein langfristiger Nutzen weniger wichtig als ein kurzfristiger. Stellen Sie diesen bei Ihren Angeboten besonders heraus. Mehr als je zuvor zählen heute auch Kosten­vorteile und der Faktor Sicherheit.

„Vermutlich wird es auf längere Zeit gedruckte und elek­tro­n­is­che Versionen einer Zeitung parallel geben. Die gedruckten ver­schwinden dann mit ihren letzten Lesern.“

Weil das Geld nicht mehr so locker sitzt wie vor der Krise, ist die Fi­nanzierung bei Geschäfts- und Pri­vatkun­den ein sensibles Thema. Kredite werden mit verschärften An­forderun­gen verknüpft. Lieferanten und Anbieter, die ihren Kunden eine großzügige Fi­nanzierung und Zahlungsziele anbieten können, sind im Vorteil. Dann lassen sich sogar höhere Preise durchsetzen. Um dem Kunden die Angst vor der Kaufentschei­dung zu nehmen, sollten Sie auch innovative Garantien, Probezeiten und Rücktrittsmöglichkeiten bieten. So gewährte beispiel­sweise der Projektträger einer Fe­rien­haussied­lung den zögernden Käufern eine Ren­dite­garantie, und die Verkauf­szahlen gingen prompt nach oben.

Trend 6: digitale Vernetzung

Das Internet ist längst nicht mehr nur ein Spielzeug für Jugendliche, sondern wird in Deutschland inzwischen zum größten Teil von den 40- bis 49-Jährigen genutzt. Fast 13 % der deutschen In­ter­net­nutzer sind sogar älter als 60 Jahre. Bereits jetzt werden im Netz in hohem Maß Bankgeschäfte getätigt und Nachrichten gelesen. Noch fehlt in vielen Bereichen die Bere­itschaft der Kunden, für digitale Inhalte zu zahlen. Am weitesten fort­geschrit­ten ist diesbezüglich der Musiksektor. Ein gutes Beispiel ist Apple mit seinem iTunes-Store, in dem der Kunde Musik zu günstigen Preisen kaufen kann. Der Store rundet das Angebot des iPods ideal ab, mit dem der Nutzer Musik hören sowie Filme und Bilder ansehen kann. Zeitungen haben es heute besonders schwer, da Nachrichten und Meinungen nicht nur in Blogs, sondern sogar von den Zeitungen selbst kostenlos angeboten werden. Aber Jour­nal­is­ten müssen bezahlt werden, und auch für den sonstigen Betrieb einer Zeitung reichen Wer­beein­nah­men allein nicht aus. Wahrschein­lich wird es gedruckte Zeitungen schon bald nicht mehr geben.

„Das Internet bietet fan­tastis­che Möglichkeiten zur Vernetzung mit dem Kunden. Dennoch genügt diese Art der Kun­den­bindung allein auch in Zukunft nicht.“

Viel stärker als den Vertrieb hat das Internet die Vernetzung der Menschen vo­r­ange­bracht. Unternehmen können soziale Netzwerke wie Facebook oder LinkedIn dazu nutzen, Werbung zu platzieren, die auf das persönliche Profil der Nutzer zugeschnit­ten ist. Die Kosten sind deutlich geringer und die Wirkung um einiges höher als bei herkömmlicher Print­wer­bung, ja sogar als bei Ban­ner­wer­bung im Internet. Was Unternehmen trotz allem nicht vernachlässigen dürfen, ist der direkte und häufige Kun­denkon­takt. Wenn nur noch über den Bildschirm verkauft wird, entscheidet der Kunde ausschließlich nach dem Preis. Einem Verkäufer aus Fleisch und Blut, den er persönlich kennt, wird er jedoch nicht so ohne Weiteres den Rücken kehren.

Über den Autor

Hermann Simon leitet das deutsche Be­ratung­sun­ternehmen Simon, Kucher & Partners. Außerdem verfasste er bereits zahlreiche Fachbücher, die in viele Sprachen übersetzt worden sind, beispiel­sweise den Bestseller Hidden Champions des 21. Jahrhun­derts.