Korruption im geschäftlichen Verkehr

Buch Korruption im geschäftlichen Verkehr

Schmiergeldzahlungen und die Folgen

Kohlhammer,


Rezension

Was muss man als Ve­r­ant­wortlicher bei der Behandlung eines Ko­r­rup­tions­falls wissen? Die nötige Grundlage bietet dieses Handbuch. Es ist kein Lesebuch, sondern eher ein kurzer Kommentar zur Geset­zes­lage. Wer tatsächlich mit Korruption in Berührung kommt, wird zusätzliche Werke oder gleich einen Rechts­bei­s­tand benötigen. Vor diesem Hintergrund wäre das eine oder andere Prax­is­beispiel, etwa mit ergänzenden Aussagen der Betroffenen, erhellend gewesen. Auch wird das Thema Ko­r­rup­tion­sprävention ziemlich stiefmütterlich behandelt: Über Com­pli­ance-Sys­teme werden heute schließlich bereits ganze Ab­hand­lun­gen verfasst. Dieses Büchlein ist etwas mehr als ein Pflicht­en­heft und etwas weniger als ein Nach­schlagew­erk. BooksInShort empfiehlt es als Ein­stiegslektüre ins­beson­dere Managern, die einen Überblick über den ju­ris­tis­chen Rahmen suchen, in dem sie und ihre Geschäftspartner sich bewegen (sollten).

Take-aways

  • Hintergrund für die steigende Anzahl der Ko­r­rup­tionsfälle in Wirtschaft und Politik ist deren zunehmende Ver­flech­tung.
  • Korruption bedeutet eine Störung des fairen Wettbewerbs und birgt die Gefahr sach­widriger Entschei­dun­gen; daher steht sie unter Strafe.
  • In Deutschland können nur natürliche Personen bestraft werden, in angelsächsischen Ländern hingegen auch die Unternehmen selbst.
  • Das Strafausmaß bezieht sich auf die Höhe des Vorteils; eigentlich müsste es sich nach der Höhe der Wet­tbe­werb­s­beeinträchtigung richten.
  • Das Sprungbrett zur Korruption sind oft „schwarze Kassen“.
  • Die Behörden versuchen häufig, eine sichere Verurteilung aufgrund des Be­gleit­de­likts Steuer­hin­terziehung herbeizuführen – denn das ist wesentlich einfacher.
  • Selbst Steuer­hin­terziehungs­de­likte verjähren in schweren Fällen erst nach zehn Jahren.
  • Zur Ko­r­rup­tions­bekämpfung sollten Unternehmen ein Com­pli­ance-Sys­tem unterhalten.
  • Als probate Maßnahmen gelten das Vier­au­gen­prinzip, Funk­tio­nen­tren­nung, Jobrotation oder auch ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem.
  • Diese Präventionsmaßnahmen können den Geschäftserfolg negativ bee­in­flussen; ein vernünftiger Mittelweg zwischen Kontrolle und Vertrauen ist gefragt.
 

Zusammenfassung

Korruption und Kon­se­quen­zen

Korruption in der Wirtschaft wird für eine breite Öffentlichkeit häufig erst dann sichtbar, wenn ein ganz großer Fall über den Bildschirm flimmert. Doch diese wenigen medial bekannten Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs. Korruption ist mehr als ein einfacher illegaler Tausch: Sie ist mit ar­beit­srechtlichen, wet­tbe­werb­srechtlichen und gesellschaftlichen Kon­se­quen­zen verbunden, ins­beson­dere was die Un­ternehmen­shaf­tung betrifft. Korruption geht natürlicher­weise häufig mit der Verletzung steuer­licher Pflichten einher. Und neben den rein wirtschaftlichen Folgen müssen sich die Täter über die strafrechtlichen Kon­se­quen­zen ihres Tuns im Klaren sein. Eine wirksame Strategie gegen Korruption beruht sowohl auf Aufklärung wie auf Ab­schreck­ung.

„Wirtschaft­sko­r­rup­tion ist das Gegenstück echten Leis­tungswet­tbe­werbs.“

Wo beginnt Korruption? Bei illegalen Tauschhand­lun­gen wie z. B. Hehlerei hält sich der Schaden für die All­ge­mein­heit in Grenzen. Korruption dagegen beeinträchtigt die Grundlage des Wirtschaftens, den Wettbewerb. Die Akteure: der Bestechende, der Bestochene und dessen Auftrag- oder Arbeitgeber. In der Regel wird ein öffentliches Amt oder ein politisches Mandat missbraucht, womit häufig nicht nur ein Unternehmen, sondern auch die All­ge­mein­heit geschädigt wird. Hintergrund für die steigende Anzahl der Ko­r­rup­tionsfälle in Wirtschaft und Politik ist deren zunehmende Ver­flech­tung, eine Art zweifel­haftes Networking. Dass in zahlreichen Unternehmen die Bere­itschaft fehlt, Delikte in den eigenen Reihen rückhaltlos aufzudecken und entsprechende Kon­se­quen­zen zu ziehen, macht Ko­r­rup­tions­bekämpfung nicht einfacher.

Wettbewerb als anerkanntes Rechtsgut

Lange Zeit hielt man Korruption für ein Luxu­s­prob­lem, das es nur in „Ba­na­nen­re­pub­liken“ gibt. Die Siemens-Affäre, der schwerste und un­durch­sichtig­ste Fall von Wirtschaft­skrim­i­nalität in Deutschland seit Langem, änderte dies – die Au­far­beitung läuft noch heute. Eine deutsche Beson­der­heit ist, dass nur natürliche Personen bestraft werden können, während in angelsächsischen Ländern u. U. auch die Unternehmen selbst vor Gericht gezogen werden. Das stellte für Siemens denn auch das größte und damit mil­liar­den­schwere Risiko bei der Au­far­beitung der eigenen Ver­gan­gen­heit dar. Wieso ist Korruption überhaupt straf­be­wehrt? Weil der freie bzw. faire Wettbewerb als einhellig anerkanntes Rechtsgut in­ter­pretiert wird. Störungen des Wettbewerbs und auch die Gefahr sach­widriger Entschei­dun­gen gehören demzufolge unter Strafe gestellt.

Untreue regiert die Welt der Vermögenden

Die in die Öffentlichkeit getragenen Fälle betreffen häufig das Spezialde­likt Untreue. Dabei werden so genannte „schwarze Kassen“ ein­gerichtet, um ein Schmiergeldsys­tem zu unterhalten. Untreue ist ein Vermögensdelikt. Dem Inhaber der „Son­derkon­ten“ stehen Vermögen­sre­ser­ven außerhalb der Buchhaltung zur Verfügung, auf die er z. B. für Schmiergeldzahlun­gen zurückgreift. Der Ver­wen­dungszweck der schwarzen Kassen ist allerdings nicht relevant; auch nicht die Frage, ob die Verwendung für den Treugeber wirtschaftlich positive Auswirkun­gen hatte. Der Gesetzgeber hat klargestellt: Allein schon das Führen schwarzer Kassen gilt als Verur­sachung eines Vermögenss­chadens. Zudem unterliegt es der Un­ter­lassensstraf­barkeit, eine schwarze Kasse einfach von seinem Vorgänger im Amt zu übernehmen.

Wer ist schuld?

Wer ist schuld, wenn sich ein Unternehmen strafbar macht? Der Gesetzgeber ist relativ offen, was die Auslegung des Begriffs „Angestell­ter“ angeht. Auf jeden Fall muss eine Weisungs­ge­bun­den­heit vorliegen. Das ist z. B. auch bei Vor­standsmit­gliedern einer Ak­tienge­sellschaft und Be­trieb­sratsmit­gliedern der Fall. Der Täter muss in einem besonderen Pflicht­en­verhältnis stehen. Auch Außenstehende können belangt werden, sofern sie die Möglichkeit haben, auf Entschei­dun­gen des Un­ternehmens Einfluss auszuüben. Un­ternehmens­ber­ater, die beispiel­sweise Lieferanten vermitteln, von denen sie zuvor korrumpiert wurden, gehören genauso dazu wie niederge­lassene Ärzte, die Beauftragte einer Krankenkasse sind. In Betracht kommen darüber hinaus In­sol­ven­zver­wal­ter, Steuer­ber­ater, Rechtsanwälte sowie Anlage- und Un­ternehmens­ber­ater. Wer nicht in der Lage ist, Einfluss auszuüben, kann sich höchstens der Anstiftung oder Beihilfe strafbar machen, was mit einer Strafmilderung einhergeht. Tathand­lun­gen sind das Fordern, Annehmen oder Sich-Ver­sprechen-Lassen eines Vorteils für sich oder einen Dritten, sei es in Form eines Di­rek­t­be­trags, eines Honorars, einer Rückvergütung oder einer Urlaub­sreise. Allein der Versuch reicht für eine Straftat aus: Dass die Forderung erfolgreich ist, ist keine Vo­raus­set­zung; schon die Anbahnung einer Korruption ist strafbar.

Strafmaß

Der deutsche Gesetzgeber hat das Gefährdungs­de­likt dergestalt ausgelegt, dass möglichst wenige Umgehungen oder Be­weiss­chwierigkeiten eine Verfolgung der straf­be­wehrten Ver­hal­tensweisen behindern. Entschuldigende oder recht­fer­ti­gende Umstände kommen damit praktisch nie in Betracht. Im Fall der Fälle droht eine Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Ein Malus ist der Umstand, dass sich die Strafe auf die Höhe des Vorteils bezieht – sinnvoller wäre es, sie nach der Stärke der Wet­tbe­werb­s­beeinträchtigung zu bemessen. Diese ist allerdings weitaus schwieriger zu ermitteln als der persönliche Vorteil im Zuge der Korruption. Hier hat der Gesetzgeber den leichteren Weg gewählt.

Zivil­rechtliche Kon­se­quen­zen

Neben der Strafrechts­barkeit sind in Ko­r­rup­tionsfällen auch die zivil­rechtlichen Kon­se­quen­zen von Bedeutung. Natürlich müssen die Bestochenen im Fall der Aufdeckung die vere­in­nahmten Schmiergelder wieder herausgeben. Kom­plizierter ist jedoch die Frage nach dem Schadenser­satz: Wie hätte sich die Situation entwickelt, wenn es keine Übereinkunft zwischen Bestechen­dem und Bestochenem gegeben hätte? Das Problem: Wet­tbe­wer­ber müssen nachweisen können, dass ein Ver­tragsab­schluss mit ihnen statt mit dem Schmiergeldzahler zustande gekommen wäre. Das ist in der Regel kaum möglich, außer wenn etwa bei einer Auf­tragsver­gabe mehrere konkur­ri­erende Angebote vorlagen und jenes des Wet­tbe­wer­bers das nächstgünstigste nach jenem des Schmiergeldzahlers war.

Steuerde­likte als Indizien

Eine typische Be­gleit­er­schei­n­ung einer Ko­r­rup­tion­shand­lung ist die Verletzung steuer­licher Pflichten. Zum einen ist der Empfänger bemüht, seine „Vergütung“ geheim zu halten; zum anderen gibt auch der Ko­r­rumpierende eine falsche Steuererklärung ab, wenn er gezahlte Schmiergelder als Be­trieb­saus­gaben ver­schleiert. So hat die Finanzbehörde die Pflicht, bei Verdacht auf Korruption der Staat­san­waltschaft eine Kon­trollmit­teilung zu machen. Zwar ist mit dieser Regelung das Steuerge­heim­nis durch­brochen, jedoch muss es sich schon um einen hin­re­ichen­den Tatverdacht handeln – ein einfacher, allgemeiner Verdacht ist noch nicht genug. Dies ist auch für den Fi­nanzbeamten ein schmaler Grat: Bei zu stringenter Auslegung droht ihm der Vorwurf einer Verletzung des Steuerge­heimnisses.

„Die Beteiligten müssen abwägen, ob sie den erzielbaren Vorteil durch Korruption höher gewichten als die erwartbaren negativen Sanktionen bei einer möglichen Aufdeckung.“

Ein hin­re­ichen­der Verdacht auf Schmiergeldzahlun­gen fehlt selbst dann, wenn ein Empfänger nicht namentlich genannt wird oder wenn Geld auf ein Konto mit der Bezeichnung „nicht abzugsfähig“ überwiesen wurde. Da Ko­r­rup­tion­sstraftaten oftmals erhebliche Nach­weis­prob­leme mit sich bringen, sind Ermittler versucht, bei Verdächtigungen eher eine sichere Bestrafung wegen Steuer­hin­terziehung herbeizuführen, als einer unsicheren, zeit- und arbeitsaufwändigen Bestrafung wegen eines Schmiergeld­de­likts hin­ter­herzu­laufen.

Verjährung

Generell gilt: Schmiergeldzahlun­gen müsste der Bestochene als steuerpflichtige Einnahme deklarieren. Im Rahmen eines Besteuerungsver­fahrens darf die Fi­nanzver­wal­tung die anfallenden Steuern schätzen, wenn der Grund der Besteuerung feststeht. Im Steuer­strafver­fahren wiederum liegt die Schätzung beim Tatrichter, der allerdings die Schätzungen der Finanzbehörden übernehmen darf, wenn er zum gleichen Ergebnis kommt – dies jedoch muss er nachvol­lziehbar darlegen, denn im Rahmen eines Strafver­fahrens gilt erst einmal die Un­schuldsver­mu­tung für den Beschuldigten.

„Ko­r­rup­tions­bekämpfung fängt schon bei der Be­wer­ber­auswahl an.“

Als „großes Ausmaß“ eines Steuer­schadens gelten für den Bun­des­gericht­shof Beträge über 50 000 €, ab einem sechsstel­li­gen Hin­terziehungs­be­trag kommt man nur noch in einigen Ausnahmefällen mit einer Geldstrafe davon. Bei einem Schaden in Millionenhöhe sind definitiv Frei­heitsstrafen die Folge, die in der Regel zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach fünf Jahren verjährt die Strafver­fol­gung bei einer Steuer­hin­terziehung, in besonders schweren Fällen erst nach zehn Jahren. Dies gilt aber nicht für Nachzahlun­gen: Die Fest­set­zungsverjährung liegt hier bei durchgängig zehn Jahren.

Wehret den Anfängen!

Ko­r­rup­tions­bekämpfung auf dem Papier ist wertlos, wenn sie im Unternehmen nicht wirksam etabliert, durchge­setzt und überwacht werden kann. Dazu gehört die Schaffung eines Risiko­man­age­mentsys­tems oder auch Fraud-Man­age­ments, das Ver­hal­tensregeln und deren Sich­er­stel­lung vorgibt. Eng verknüpft damit ist ein generelles Com­pli­ance-Sys­tem. Während die Corporate Governance („gute Un­ternehmensführung“) die Ver­hal­tensregeln aufzeigt, setzen Compliance und Fraud-Man­age­ment diese durch. So sollte ein Unternehmen einen Compliance Officer ernennen, dem die Leitung des Com­pli­ance-Sys­tems unterstellt ist. Weitere einfache Maßnahmen, die sich in der Praxis bewährt haben, sind:

  • Vier­au­gen­prinzip: Kein Mitarbeiter sollte allein einen wichtigen Vorgang bearbeiten. Das macht per se jeden Ko­r­rup­tionsver­such teurer und riskanter.
  • Funk­tion­stren­nung: Die Prozesse der Auftragserfüllung und der Auftragsprüfung sollten im Unternehmen getrennt sein.
  • Need-to-know-Prinzip: Jeder Beschäftigte sollte nur Zugriff auf In­for­ma­tio­nen haben, die er für seine Arbeit benötigt. Sensible Daten müssen nicht jedem zugänglich sein.
  • Job-Ro­ta­tion: Sie ist ein sehr effektives Mittel zur Ko­r­rup­tions­bekämpfung. Ein Mitarbeiter ist nicht lange genug in ein und derselben Position, um zu ver­trauliche Beziehungen zu Ver­tragspart­nern aufzubauen.
  • Whistle­blow­ing: Laut einer Studie steigt der Anteil der Ent­deck­un­gen korrupter Handlungen, wenn das Unternehmen ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem unterhält. Korruption ist ein Heim­lichkeits­de­likt, weshalb die Behörden auf be­trieb­sin­terne Informanten angewiesen sind.

Kosten-Nutzen-Analyse?

Die genannten Präven­tion­sin­stru­mente sind nicht ohne Nachteile. Ein oblig­a­torischer, turnusmäßiger Zuständigkeitswech­sel bedeutet einen Verlust an Fachken­nt­nis­sen und einen wiederkehren­den Einar­beitungsaufwand. Ver­trauliche Beziehungen zu Geschäftspartnern sind häufig das A und O des Geschäftserfolgs. Definitiv übers Ziel hinaus schießen Videoüberwachun­gen vonseiten des Ar­beit­ge­bers, das Abhören von Tele­fonge­sprächen oder die Kontrolle der Post – es sei denn, es liegen schon Ver­dachtsmo­mente vor. Ide­al­er­weise setzt Ko­r­rup­tions­bekämpfung bereits bei der Per­son­alauswahl an. Lassen Sie sich Zeugnisse vorlegen, und machen Sie Gebrauch von Ihrem Fragerecht. Unter dem Strich ist es dann dem Arbeitgeber überlassen, ob und welche Maßnahmen zur Ver­hin­derung bzw. Erschwerung korrupter Handlungen er ergreift. Anders als bei den aller­meis­ten anderen un­ternehmerischen Entschei­dun­gen kann die Geschäftsleitung hier kaum eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen.

Über die Autoren

Roland Pfefferle ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Handels- und Gesellschaft­srecht. Simon Pfefferle ist Doktorand an der Freien Universität Berlin.