Korruption und Konsequenzen
Korruption in der Wirtschaft wird für eine breite Öffentlichkeit häufig erst dann sichtbar, wenn ein ganz großer Fall über den Bildschirm flimmert. Doch diese wenigen medial bekannten Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs. Korruption ist mehr als ein einfacher illegaler Tausch: Sie ist mit arbeitsrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen verbunden, insbesondere was die Unternehmenshaftung betrifft. Korruption geht natürlicherweise häufig mit der Verletzung steuerlicher Pflichten einher. Und neben den rein wirtschaftlichen Folgen müssen sich die Täter über die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Tuns im Klaren sein. Eine wirksame Strategie gegen Korruption beruht sowohl auf Aufklärung wie auf Abschreckung.
„Wirtschaftskorruption ist das Gegenstück echten Leistungswettbewerbs.“
Wo beginnt Korruption? Bei illegalen Tauschhandlungen wie z. B. Hehlerei hält sich der Schaden für die Allgemeinheit in Grenzen. Korruption dagegen beeinträchtigt die Grundlage des Wirtschaftens, den Wettbewerb. Die Akteure: der Bestechende, der Bestochene und dessen Auftrag- oder Arbeitgeber. In der Regel wird ein öffentliches Amt oder ein politisches Mandat missbraucht, womit häufig nicht nur ein Unternehmen, sondern auch die Allgemeinheit geschädigt wird. Hintergrund für die steigende Anzahl der Korruptionsfälle in Wirtschaft und Politik ist deren zunehmende Verflechtung, eine Art zweifelhaftes Networking. Dass in zahlreichen Unternehmen die Bereitschaft fehlt, Delikte in den eigenen Reihen rückhaltlos aufzudecken und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, macht Korruptionsbekämpfung nicht einfacher.
Wettbewerb als anerkanntes Rechtsgut
Lange Zeit hielt man Korruption für ein Luxusproblem, das es nur in „Bananenrepubliken“ gibt. Die Siemens-Affäre, der schwerste und undurchsichtigste Fall von Wirtschaftskriminalität in Deutschland seit Langem, änderte dies – die Aufarbeitung läuft noch heute. Eine deutsche Besonderheit ist, dass nur natürliche Personen bestraft werden können, während in angelsächsischen Ländern u. U. auch die Unternehmen selbst vor Gericht gezogen werden. Das stellte für Siemens denn auch das größte und damit milliardenschwere Risiko bei der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit dar. Wieso ist Korruption überhaupt strafbewehrt? Weil der freie bzw. faire Wettbewerb als einhellig anerkanntes Rechtsgut interpretiert wird. Störungen des Wettbewerbs und auch die Gefahr sachwidriger Entscheidungen gehören demzufolge unter Strafe gestellt.
Untreue regiert die Welt der Vermögenden
Die in die Öffentlichkeit getragenen Fälle betreffen häufig das Spezialdelikt Untreue. Dabei werden so genannte „schwarze Kassen“ eingerichtet, um ein Schmiergeldsystem zu unterhalten. Untreue ist ein Vermögensdelikt. Dem Inhaber der „Sonderkonten“ stehen Vermögensreserven außerhalb der Buchhaltung zur Verfügung, auf die er z. B. für Schmiergeldzahlungen zurückgreift. Der Verwendungszweck der schwarzen Kassen ist allerdings nicht relevant; auch nicht die Frage, ob die Verwendung für den Treugeber wirtschaftlich positive Auswirkungen hatte. Der Gesetzgeber hat klargestellt: Allein schon das Führen schwarzer Kassen gilt als Verursachung eines Vermögensschadens. Zudem unterliegt es der Unterlassensstrafbarkeit, eine schwarze Kasse einfach von seinem Vorgänger im Amt zu übernehmen.
Wer ist schuld?
Wer ist schuld, wenn sich ein Unternehmen strafbar macht? Der Gesetzgeber ist relativ offen, was die Auslegung des Begriffs „Angestellter“ angeht. Auf jeden Fall muss eine Weisungsgebundenheit vorliegen. Das ist z. B. auch bei Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft und Betriebsratsmitgliedern der Fall. Der Täter muss in einem besonderen Pflichtenverhältnis stehen. Auch Außenstehende können belangt werden, sofern sie die Möglichkeit haben, auf Entscheidungen des Unternehmens Einfluss auszuüben. Unternehmensberater, die beispielsweise Lieferanten vermitteln, von denen sie zuvor korrumpiert wurden, gehören genauso dazu wie niedergelassene Ärzte, die Beauftragte einer Krankenkasse sind. In Betracht kommen darüber hinaus Insolvenzverwalter, Steuerberater, Rechtsanwälte sowie Anlage- und Unternehmensberater. Wer nicht in der Lage ist, Einfluss auszuüben, kann sich höchstens der Anstiftung oder Beihilfe strafbar machen, was mit einer Strafmilderung einhergeht. Tathandlungen sind das Fordern, Annehmen oder Sich-Versprechen-Lassen eines Vorteils für sich oder einen Dritten, sei es in Form eines Direktbetrags, eines Honorars, einer Rückvergütung oder einer Urlaubsreise. Allein der Versuch reicht für eine Straftat aus: Dass die Forderung erfolgreich ist, ist keine Voraussetzung; schon die Anbahnung einer Korruption ist strafbar.
Strafmaß
Der deutsche Gesetzgeber hat das Gefährdungsdelikt dergestalt ausgelegt, dass möglichst wenige Umgehungen oder Beweisschwierigkeiten eine Verfolgung der strafbewehrten Verhaltensweisen behindern. Entschuldigende oder rechtfertigende Umstände kommen damit praktisch nie in Betracht. Im Fall der Fälle droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Ein Malus ist der Umstand, dass sich die Strafe auf die Höhe des Vorteils bezieht – sinnvoller wäre es, sie nach der Stärke der Wettbewerbsbeeinträchtigung zu bemessen. Diese ist allerdings weitaus schwieriger zu ermitteln als der persönliche Vorteil im Zuge der Korruption. Hier hat der Gesetzgeber den leichteren Weg gewählt.
Zivilrechtliche Konsequenzen
Neben der Strafrechtsbarkeit sind in Korruptionsfällen auch die zivilrechtlichen Konsequenzen von Bedeutung. Natürlich müssen die Bestochenen im Fall der Aufdeckung die vereinnahmten Schmiergelder wieder herausgeben. Komplizierter ist jedoch die Frage nach dem Schadensersatz: Wie hätte sich die Situation entwickelt, wenn es keine Übereinkunft zwischen Bestechendem und Bestochenem gegeben hätte? Das Problem: Wettbewerber müssen nachweisen können, dass ein Vertragsabschluss mit ihnen statt mit dem Schmiergeldzahler zustande gekommen wäre. Das ist in der Regel kaum möglich, außer wenn etwa bei einer Auftragsvergabe mehrere konkurrierende Angebote vorlagen und jenes des Wettbewerbers das nächstgünstigste nach jenem des Schmiergeldzahlers war.
Steuerdelikte als Indizien
Eine typische Begleiterscheinung einer Korruptionshandlung ist die Verletzung steuerlicher Pflichten. Zum einen ist der Empfänger bemüht, seine „Vergütung“ geheim zu halten; zum anderen gibt auch der Korrumpierende eine falsche Steuererklärung ab, wenn er gezahlte Schmiergelder als Betriebsausgaben verschleiert. So hat die Finanzbehörde die Pflicht, bei Verdacht auf Korruption der Staatsanwaltschaft eine Kontrollmitteilung zu machen. Zwar ist mit dieser Regelung das Steuergeheimnis durchbrochen, jedoch muss es sich schon um einen hinreichenden Tatverdacht handeln – ein einfacher, allgemeiner Verdacht ist noch nicht genug. Dies ist auch für den Finanzbeamten ein schmaler Grat: Bei zu stringenter Auslegung droht ihm der Vorwurf einer Verletzung des Steuergeheimnisses.
„Die Beteiligten müssen abwägen, ob sie den erzielbaren Vorteil durch Korruption höher gewichten als die erwartbaren negativen Sanktionen bei einer möglichen Aufdeckung.“
Ein hinreichender Verdacht auf Schmiergeldzahlungen fehlt selbst dann, wenn ein Empfänger nicht namentlich genannt wird oder wenn Geld auf ein Konto mit der Bezeichnung „nicht abzugsfähig“ überwiesen wurde. Da Korruptionsstraftaten oftmals erhebliche Nachweisprobleme mit sich bringen, sind Ermittler versucht, bei Verdächtigungen eher eine sichere Bestrafung wegen Steuerhinterziehung herbeizuführen, als einer unsicheren, zeit- und arbeitsaufwändigen Bestrafung wegen eines Schmiergelddelikts hinterherzulaufen.
Verjährung
Generell gilt: Schmiergeldzahlungen müsste der Bestochene als steuerpflichtige Einnahme deklarieren. Im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens darf die Finanzverwaltung die anfallenden Steuern schätzen, wenn der Grund der Besteuerung feststeht. Im Steuerstrafverfahren wiederum liegt die Schätzung beim Tatrichter, der allerdings die Schätzungen der Finanzbehörden übernehmen darf, wenn er zum gleichen Ergebnis kommt – dies jedoch muss er nachvollziehbar darlegen, denn im Rahmen eines Strafverfahrens gilt erst einmal die Unschuldsvermutung für den Beschuldigten.
„Korruptionsbekämpfung fängt schon bei der Bewerberauswahl an.“
Als „großes Ausmaß“ eines Steuerschadens gelten für den Bundesgerichtshof Beträge über 50 000 €, ab einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag kommt man nur noch in einigen Ausnahmefällen mit einer Geldstrafe davon. Bei einem Schaden in Millionenhöhe sind definitiv Freiheitsstrafen die Folge, die in der Regel zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach fünf Jahren verjährt die Strafverfolgung bei einer Steuerhinterziehung, in besonders schweren Fällen erst nach zehn Jahren. Dies gilt aber nicht für Nachzahlungen: Die Festsetzungsverjährung liegt hier bei durchgängig zehn Jahren.
Wehret den Anfängen!
Korruptionsbekämpfung auf dem Papier ist wertlos, wenn sie im Unternehmen nicht wirksam etabliert, durchgesetzt und überwacht werden kann. Dazu gehört die Schaffung eines Risikomanagementsystems oder auch Fraud-Managements, das Verhaltensregeln und deren Sicherstellung vorgibt. Eng verknüpft damit ist ein generelles Compliance-System. Während die Corporate Governance („gute Unternehmensführung“) die Verhaltensregeln aufzeigt, setzen Compliance und Fraud-Management diese durch. So sollte ein Unternehmen einen Compliance Officer ernennen, dem die Leitung des Compliance-Systems unterstellt ist. Weitere einfache Maßnahmen, die sich in der Praxis bewährt haben, sind:
- Vieraugenprinzip: Kein Mitarbeiter sollte allein einen wichtigen Vorgang bearbeiten. Das macht per se jeden Korruptionsversuch teurer und riskanter.
- Funktionstrennung: Die Prozesse der Auftragserfüllung und der Auftragsprüfung sollten im Unternehmen getrennt sein.
- Need-to-know-Prinzip: Jeder Beschäftigte sollte nur Zugriff auf Informationen haben, die er für seine Arbeit benötigt. Sensible Daten müssen nicht jedem zugänglich sein.
- Job-Rotation: Sie ist ein sehr effektives Mittel zur Korruptionsbekämpfung. Ein Mitarbeiter ist nicht lange genug in ein und derselben Position, um zu vertrauliche Beziehungen zu Vertragspartnern aufzubauen.
- Whistleblowing: Laut einer Studie steigt der Anteil der Entdeckungen korrupter Handlungen, wenn das Unternehmen ein Hinweisgebersystem unterhält. Korruption ist ein Heimlichkeitsdelikt, weshalb die Behörden auf betriebsinterne Informanten angewiesen sind.
Kosten-Nutzen-Analyse?
Die genannten Präventionsinstrumente sind nicht ohne Nachteile. Ein obligatorischer, turnusmäßiger Zuständigkeitswechsel bedeutet einen Verlust an Fachkenntnissen und einen wiederkehrenden Einarbeitungsaufwand. Vertrauliche Beziehungen zu Geschäftspartnern sind häufig das A und O des Geschäftserfolgs. Definitiv übers Ziel hinaus schießen Videoüberwachungen vonseiten des Arbeitgebers, das Abhören von Telefongesprächen oder die Kontrolle der Post – es sei denn, es liegen schon Verdachtsmomente vor. Idealerweise setzt Korruptionsbekämpfung bereits bei der Personalauswahl an. Lassen Sie sich Zeugnisse vorlegen, und machen Sie Gebrauch von Ihrem Fragerecht. Unter dem Strich ist es dann dem Arbeitgeber überlassen, ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Erschwerung korrupter Handlungen er ergreift. Anders als bei den allermeisten anderen unternehmerischen Entscheidungen kann die Geschäftsleitung hier kaum eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen.