Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens

Buch Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens

Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen

Haupt,


Rezension

Klar struk­turi­ert, in verständlichem Stil und prall gefüllt mit praxisnahen In­for­ma­tio­nen – so leser­fre­undlich und all­t­agstauglich hat das Autorenteam Gomez/Probst sein Buch angelegt, das bereits in dritter Auflage erschienen ist. Die fünf method­is­chen Schritte des ganzheitlichen Problemlösens im Unternehmen werden ausführlich erläutert und mit den konkreten Prozess­feldern „Vernetzt denken“, „Un­ternehmerisch handeln„ und „Persönlich überzeugen„ verknüpft. Auch wenn einige der eingear­beit­eten Un­ternehmens­beispiele nicht mehr ganz taufrisch sind, liefern sie dem Leser immer wieder den praxisgestützten Unterbau für das methodische Theoriegerüst. Der knapp 300 Seiten starke Band besticht zudem durch ein um­fan­gre­iches Stich­wortreg­is­ter und eine Vielzahl von Abbildungen, die den Inhalt plastisch ve­r­an­schaulichen. Dadurch eignet sich das Werk, dessen Inhalte alljährlich in den schweiz­erischen Kursen für Un­ternehmensführung durchex­erziert werden, sehr gut als Lehr- und Nach­schlage­buch. Darum ist es eine Empfehlung von BooksInShort für Führungskräfte, die gegenüber neuen Ansätzen der Problemlösung im Unternehmen aufgeschlossen sind und sich nicht nur durch theorieüberfrachtete „Wälzer„ quälen möchten.

Take-aways

  • Problemlösung­sprozesse sind besonders im F&E-Sektor sehr kosten- und zeit­in­ten­siv.
  • Manager sehen sich immer stärker komplexen statt nur einfachen oder kom­plizierten Prob­lem­stel­lun­gen gegenüber.
  • Die Lösung komplexer Probleme, etwa im Zuge der Glob­al­isierung der Märkte, ist Führungsauf­gabe.
  • Die Güte der Problembewältigung hängt von der Qualität des Modells ab, das Sie zugrunde legen.
  • Eine ganzheitliche Sicht der Prob­lem­si­t­u­a­tion bedeutet, dass Sie un­ter­schiedliche Standpunkte und Per­spek­tiven berücksichtigen.
  • „Vernetzt Denken“, „Un­ternehmerisch handeln„ und „Persönlich überzeugen„ bilden den Dreiklang des ganzheitlichen Problemlösens.
  • Die ganzheitliche Methodik zur Problembewältigung erfolgt in fünf Schritten.
  • Wis­sensori­en­tierte Problemlösung ist mehr als konkrete Problembewältigung im Einzelfall.
  • Teamarbeit spielt eine zentrale Rolle in allen Phasen der Problemlösung.
  • Die Bewältigung komplexer Probleme ist ein Lernprozess.
 

Zusammenfassung

Grundlagen der Methodik des ganzheitlichen Problemlösens

Immer vielfältiger werden die Prob­lem­stel­lun­gen, denen sich Unternehmen von heute ausgesetzt sehen und die sich in drei Kategorien unterteilen lassen:

  1. Einfache Probleme sind durch wenige Einflussgrössen gekennze­ich­net (z. B. Ein­satz­pla­nung von Mi­tar­beit­ern).
  2. Für kom­plizierte Prob­lem­stel­lun­gen sind starke Verknüpfungen von ganz ver­schiede­nen Variablen und Ein­flussfak­toren charak­ter­is­tisch (Erstellung des Jahres­bud­gets oder die logistische Or­gan­i­sa­tion).
  3. Ein Vielzahl von Einflussgrössen, die sich obendrein im Laufe der Zeit immer wieder verändern, kennze­ich­nen schliesslich komplexe Probleme. Dazu gehören die In­ter­na­tion­al­isierung der Märkte, die Umwelt­prob­lematik oder veränderte Lebensstile.
„Ein Problem soll immer so einfach wie möglich gesehen werden, aber nicht einfacher!“ (Albert Einstein)

Dabei ist aktuell eine Verlagerung von den einfachen und kom­plizierten Auf­gaben­stel­lun­gen zu den komplexen Problemen zu beobachten. Diese entstehen aus konkreten Span­nungs­feldern:

  • Zunehmende In­ter­na­tion­al­isierung der Unternehmen bei gle­ichzeit­iger Frag­men­tierung der Märkte.
  • Kürzere Reak­tion­szeiten der Entscheider in Zeiten dy­namis­cherer Firme­nen­twick­lun­gen.
  • Das unge­broch­ene Streben nach Wohlstand bei gle­ichzeit­iger Fokussierung auf ökologische und soziale Ziele.
„Probleme sind nicht einfach gegeben, sie wollen entdeckt werden.“

Angesichts dieser weiter ausufernden Auf­gaben­flut müssen Führungskräfte geeignete Methoden zur Bewältigung der „Mega-Auf­gaben„ zur Hand haben und v. a. in die un­ternehmerischen Abläufe im­ple­men­tieren. Da Probleme zudem keine Rücksicht darauf nehmen, wie die Abteilungsab­gren­zun­gen innerhalb einer Or­gan­i­sa­tion angelegt sind, bietet sich die Methodik des ganzheitlichen Problemlösens an, die in fünf Schritten umgesetzt wird:

  1. Probleme entdecken und iden­ti­fizieren,
  2. Zusammenhänge und Span­nungs­felder der Prob­lem­si­t­u­a­tion verstehen,
  3. Gestal­tungs- und Lenkungsmöglichkeiten erarbeiten,
  4. mögliche Problemlösungen beurteilen und
  5. Problemlösungen umsetzen und verankern.

Schritt 1: Wie wird das Problem zum Problem?

Durch vernetztes Denken bereits bei der Prob­le­ment­deck­ung und -iden­ti­fika­tion beleuchten Sie die Situation aus ver­schiede­nen Blick­winkeln und Per­spek­tiven und erreichen so eine ganzheitliche Sicht. Dabei müssen Sie z. B. die un­ter­schiedlichen Standpunkte von Marketing, Einkauf und Per­son­al­we­sen einbeziehen. Eine darauf basierende Kri­te­rien­liste liefert Ihnen letztlich die Schlüsselfak­toren, die für die Beurteilung der Prob­lem­si­t­u­a­tion auss­chlaggebend sind.

„Wir nehmen die Welt durch eine bestimmte Brille wahr und erhalten so nur eine eindi­men­sion­ale Sicht. Was wir brauchen, sind ver­schiedene Brillen ... Ein und dieselbe Prob­lem­si­t­u­a­tion sieht durch die Brille der Aktionäre völlig anders aus als in den Augen der Gew­erkschaften.“

Danach muss es Ihnen darum gehen, auf dem Prozessfeld „Un­ternehmerisch handeln„ die legitimen Anspruchs­grup­pen teammässig einzubeziehen, ihre Interessen zu Un­ternehmen­szie­len zu verdichten und die er­forder­lichen Kompetenzen zur Erreichung der Ziele zu bestimmen. Ab­schliessend sorgen Sie dafür, dass jeder auf dem Prozessfeld „Persönlich überzeugen„ seine jeweilige Ve­r­ant­wor­tung übernimmt und die zugrunde liegenden Visionen für alle transparent gemacht werden. Kernkom­pe­ten­zen und Schw­er­punkte sollten stärker ins Blickfeld rücken, von der vielfach zu beobach­t­en­den Verzettelung der un­ternehmerischen Aktivitäten müssen Sie Abschied nehmen.

Schritt 2: Wie entsteht aus Teilen ein in­te­gri­ertes Ganzes?

Im Vorfeld der Entwicklung eines Netzwerkes und der Iden­ti­fika­tion des zentralen Kreislaufes im Unternehmen müssen Sie her­aus­finden, wie die ver­schiede­nen Or­gan­i­sa­tion­steile in Beziehung zueinander stehen. Standen im ersten Schritt der Methodik noch die un­ter­schiedlichen Per­spek­tiven oder Standpunkte der ver­schiede­nen Anspruchs­grup­pen im Vordergrund, so geht es jetzt darum, den zentralen Wirkungskreis­lauf („Motor„) her­auszukristallisieren, der das Ganze (die Prob­lem­si­t­u­a­tion) antreibt. So ist von den drei möglichen Sichtweisen: des wirtschaftlichen Erfolges, der Umweltverträglichkeit und der sozialen Ve­r­ant­wor­tung, für das Unternehmen ohne Zweifel der wirtschaftliche Erfolg der zentrale Antrieb­smo­tor. Um diesen Motor des Wirkungskreis­laufs müssen Sie an­schliessend Einflussgrössen (Image, Kun­den­nutzen, F&E, Verkäufe, Umweltschädigung usw.) herum­grup­pieren, die letztlich das gesamte Netzwerk Ihrer Firma abbilden.

„Problemlösungen dürfen nicht nur auf die heutige Situation mass­geschnei­dert zugeschnit­ten werden, sodass sie schon bei der ersten Turbulenz wieder in Frage gestellt werden müssen.“

Soll sich auch beim un­ternehmerischen Handeln das Denken in Kreisläufen durchsetzen, so müssen Sie künftig nach Prozessen und nicht nach Funktionen or­gan­isieren. Damit tragen Sie einer veränderten Aus­gangslage Rechnung, in der Kunden die Unternehmen immer stärker unter Druck setzen, indem sie terminliche Verzögerungen oder Qualitätsmängel nicht mehr länger akzeptieren. Um Er­fordernissen wie „faster time to market„ oder „customer focus„ nachkommen zu können, müssen Sie demzufolge eine Umverteilung der Ve­r­ant­wortlichkeiten auf ein Team von Führungskräften durchführen. So wurde beispiel­sweise die Produktion bei Hewlett Packard von der üblichen Gliederung nach den Funktionen F&E, Produktion, Verkauf, Finanz- und Rech­nungswe­sen sowie Personal in or­gan­isatorische Einheiten bestehend aus sechs Prozessen überführt. Darüber hinaus widmen heute viele Unternehmen dem Zeit­man­age­ment grössere Aufmerk­samkeit, indem sie in ihrem Netzwerk die Beschle­u­ni­gungsmöglichkeiten aufspüren und damit einem wichtigen Teilaspekt der ganzheitlichen Problemlösung Rechnung tragen.

„Entschei­dend für den Erfolg eines Problemlösung­sprozesses ist es, dass ganz von Anfang an Ve­r­ant­wor­tung übernommen und das gewünschte Lösungsver­hal­ten vorgelebt wird.“

Die Konzepte der Prozes­sori­en­tierung des Un­ternehmens, In­trapre­neur­ship und Zeit­man­age­ment lassen sich allerdings nur überzeugend umsetzen, wenn Sie dem Teamwork oberste Priorität einräumen. Dabei muss die Reise weg von den Fach­abteilun­gen und hin zu den Prozessteams führen, einfache Auf­gaben­zuteilun­gen sollten von mul­ti­di­men­sion­alen Berufs­bildern abgelöst werden und die Ermutigung der Mitarbeiter zur Selb­stent­fal­tung und -initiative an die Stelle der Kontrolle gesetzt werden.

Schritt 3: Welches sind die Ansatzpunkte für Veränderungen?

Wie aber können Sie zur Lösung von Problemen in das Netzwerk eingreifen? Dazu müssen Sie die Ver­hal­tens­muster der nicht lenkbaren Bereiche ermitteln und die Lenkungsmöglichkeiten und -optionen ausloten. Bei einer Zeitschrift wären beispiel­sweise die redak­tionelle Qualität oder Aus­gestal­tung, die Zusam­menset­zung des Redak­tion­steams, der Verkauf­spreis oder die Verkauf­sor­gan­i­sa­tion in un­ter­schiedlichem Ausmass bee­in­fluss­bar. In diesem Zusam­men­hang benennen Sie Grössen des Netzwerks, die als Indikatoren Hinweise darauf geben, wie sich die Prob­lem­si­t­u­a­tion unter dem Einfluss von Rah­menbe­din­gun­gen oder durch Ihre Lenkungsak­tivitäten verändert.

„Es ist nicht nur eine Führungsauf­gabe, Machbares in Gang zu setzen, sondern of­fen­sichtlich auch, die Grenzen aufzuzeigen, Einsicht zu fördern und Kontexte zu entwickeln.“

In dieser Phase der ganzheitlichen Problemlösung schliesst das un­ternehmerische Handeln die Entwicklung von Szenarien ein, um mögliche Zukun­fts­bilder zu entwerfen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Prog­nose-Meth­o­den sollen Szenarien die Entwicklung von Umweltkon­stel­la­tio­nen als vernetzte Gebilde ve­r­an­schaulichen. Auf der Grundlage der Szenarien und Sim­u­la­tion­s­mod­elle können Sie nunmehr die Aus­gangslage erfassen, die im ersten Schritt der Methodik vorgenommene Prob­lemab­gren­zung überprüfen und die Zielsetzung präzisieren. Für das Prozessfeld „Persönlich überzeugen„ ergeben sich daraus die nächsten Hand­lungsstufen: „Zukun­ft­sori­en­tiert denken und handeln“, „Machbarkeit und Grenzen aufzeigen„ sowie „Zielo­ri­en­tiert führen und Kreativität fördern“.

Schritt 4: Welcher Lösungsansatz passt?

Die auf den ersten Blick optimal er­scheinende Problemlösung mit allen Mitteln oder gar brachialer Gewalt durchzuset­zen, entspricht sicher nicht dem Sinne der ganzheitlichen Methodik. Vielmehr müssen Sie die Lenkung­se­in­griffe der Komplexität der Prob­lem­si­t­u­a­tion anpassen, zwischen Bewahrung und Wandel ein har­monis­ches Gle­ichgewicht herstellen und u. U. auch ein un­kon­trol­liertes Wachstum vermeiden. Dabei gehört zu der Überprüfung möglicher Problemlösungen sowohl die qualitative Beurteilung der Al­ter­na­tiven als auch ihre quan­ti­ta­tive Einordnung.

„Kreativität drückt sich nur selten in Schulnoten aus.“

Allerdings – die herkömmliche Art der Quan­tifizierung möglicher Problemlösungen, die in der Ermittlung des jeweiligen Gewin­npoten­zials besteht, weist bedeutende Schwächen auf. Der finanzielle Erfolg ist nur ein Messkri­terium unter vielen.

Die Anwendung der Lenkung­se­in­griffe muss sich auch daran orientieren, ob ihre Umsetzung die harmonische Entwicklung des Un­ternehmens fördert oder hemmt. Dazu muss sich die Führungsebene ein genaues Bild über die Befind­lichkeit der gesamten Or­gan­i­sa­tion machen, die Lernfähigkeit unter die Lupe nehmen, die Führungskul­tur beleuchten und auch die Un­ternehmen­stra­di­tion nicht aus den Augen verlieren. Zudem spielt das Bench­mark­ing zur Beurteilung von Problemlösungen eine immer stärkere Rolle.

„Die Nutzung des Potenzials des In­trapre­neur­ships erweist sich gerade für Grossun­ternehmen aufgrund des zunehmenden Druckes kleinerer Unternehmen im Markt als notwendig.“

In dieser Phase der praktischen Problemlösung gilt es überdies, die Ermächtigung jedes einzelnen Mi­tar­beit­ers („Empowerment„) und damit die Förderung der Eigenini­tia­tive für eine gesunde Entwicklung des gesamten Un­ternehmens vo­ranzutreiben.

Schritt 5: Wie bringen Sie die Problemlösung zum Laufen?

Um konkrete Problemlösungen nach ganzheitlicher Methodik in Gang zu setzen und anzugehen, werden Sie sie auf jeder Un­ternehmensebene gesondert gestalten müssen. Denn nicht alle Abteilungen sind auf demselben Wis­sens­stand, manche haben u. U. gerade eine Re­or­gan­i­sa­tion hinter sich.

„Un­ternehmerisches Handeln bedeutet heute für jedes Unternehmen auch Management der Zeit.“

Sie müssen daher bei der praktischen Umsetzung jedes System dort abholen, wo es gerade ist. So können Sie Ab­wehrmech­a­nis­men und Verun­sicherung, Unverständnis, Über- oder Un­ter­forderung vermeiden. Ferner sollten Sie den Mi­tar­beit­ern, die in die praktische Lösung der Probleme eingebunden sind, mit einfachen Hil­f­s­mit­teln die Wirkungszusam­menhänge bildlich erläutern und damit Vorurteile abbauen.

„Eine Vision ist ein Traum mit einem Ver­falls­da­tum.“

Parallel dazu müssen Sie sich­er­stellen, dass ein ganzheitliches Controlling die Früherkennung und Fortschrittskon­trolle im Rahmen der Problemlösungsak­tivitäten gewährleistet. Dieses Controlling leitet u. a. über die gezielte Hin­ter­fra­gung kon­stru­ierter Zusammenhänge Ko­r­rek­tur­mass­nah­men ein. Dabei sollen Denkfehler bei der Systemüberwachung aus­geschal­tet werden, wie etwa die fehlende Erkennung der Signale, die eine künftige Ver­schlechterung oder Abwehr im System ankündigen (fehlende Frühwarnindika­toren).

„Nur wenige Führungskräfte sehen ein, dass sie letztlich nur eine Person führen müssen, nämlich sich selbst.“

Da die Ver­wirk­lichung der Problemlösung nicht von heute auf morgen verordnet werden kann, ist eine schrit­tweise, evolutionär angelegte Durchführung er­forder­lich, die nicht als Dogma ve­r­ab­so­lu­tiert wird. Die Umsetzung der Problembewältigung setzt dazu eine Zielvere­in­barung mit den Mi­tar­beit­ern voraus: Kom­mu­nizieren Sie Zeit und Mittel, und halten Sie die Mass­nah­menpläne in Ablauf, Ter­min­vor­gaben und Ve­r­ant­wortlichkeiten fest.

Über die Autoren

Peter Gomez ist Professor für Be­trieb­swirtschaft­slehre an der Universität St. Gallen (HSG) und Leiter des Instituts für Be­trieb­swirtschaft. Gilbert Probst ist Professor für Or­gan­i­sa­tion und Management an der Universität Genf und Leiter des MBA-Pro­gramms.