Einfacher managen

Buch Einfacher managen

Mit systemischem Denken zum Erfolg

Wiley-VCH,


Rezension

Es klingt so einfach: Man zeichnet ein Diagramm, und schon verstehen alle das Problem, und sei es noch so komplex. Tatsächlich ist es eher so, dass das systemische Denken, das so manchem Wirkungs- oder Fluss­di­a­gramm zugrunde liegt, eine Wis­senschaft für sich ist. Dieses Buch soll dabei helfen, sie durch­schauen zu lernen. Der Autor versucht, die abstrakte Materie mittels sehr vieler Schaubilder zu verdeut­lichen. Außerdem bringt er nicht nur Beispiele aus der Wirtschaft, sondern auch aus dem Alltag ein, um das Verständnis für die Grundlagen des sys­temis­chen Denkens zu wecken. Allerdings steht der Leser am Ende des Buches vermutlich doch erst am Anfang der Wis­senschaft. Denn es ist ein Unterschied, ob man über eine Technik liest oder sie selbst anwendet. Das Buch kann darum trotz aller Diagramme und Übungsauf­gaben nicht mehr als eine Einführung sein. BooksInShort empfiehlt es allen, die vor komplexen Problemen stehen und fürchten, den Überblick zu verlieren.

Take-aways

  • Sys­temis­ches Denken sollte die Grundlage jeder wichtigen Entschei­dung sein.
  • Beim sys­temis­chen Denken geht es darum, die Zusammenhänge im Großen und Ganzen zu verstehen, ohne alles in Einzelteile zu zerlegen.
  • Sys­temis­ches Denken lässt sich in Grafiken darstellen: Wirkungs- und Fluss­di­a­gramme sollen die Realität abbilden.
  • Ohne ständige Rückkopplung, also Feedback, funk­tion­iert in unserem Alltag nichts; wir sind uns dessen aber nicht bewusst.
  • Ein Diagramm ohne Feed­backschleife ist nie vollständig.
  • Feed­backschleifen können immer entweder sta­bil­isierend oder eskalierend sein.
  • Sys­temis­ches Denken kann in In­vest­ment­banken genauso wie in Fernse­hanstal­ten oder beim Sup­ply-Chain-Man­age­ment zur Problemlösung eingesetzt werden.
  • Durch sys­temis­ches Denken lässt sich nichts Neues jenseits der bekannten Realität erfahren.
  • Überfrachten Sie Ihre Diagramme nicht, beschränken Sie sich auf das wirklich Relevante.
  • Kein Wirkungs­di­a­gramm ist für die Ewigkeit. Sie müssen Ihre Diagramme ggf. ständig weit­er­en­twick­eln.
 

Zusammenfassung

Was ist sys­temis­ches Denken?

Egal ob im Berufs- oder im Privatleben: Viele Situationen und Vorgänge sind äußerst komplex. Wer sie durch­schauen will, muss sie ganzheitlich betrachten. Das klingt nach Vere­in­fachung, kann aber ziemlich aufwändig und kompliziert sein. Ein Instrument zur Beschle­u­ni­gung des ganzheitlichen Denkens ist das systemische Denken. Wer es beherrscht, wird selbst die kom­pliziertesten Zusammenhänge verstehen. Und das ist zum Vorteil aller Beteiligten: Denn Entschei­dun­gen, die erst gefällt werden, nachdem man einen Vorgang wirklich durchschaut hat, sind sinnvoller und halten länger.

„Die meisten Ur­sache-Wirkungs-Beziehun­gen gehen mit Zeitverzögerungen Hand in Hand, denn nur selten führt eine Handlung sofort zu einem Ergebnis.“

Um zu verstehen, was es mit dem sys­temis­chen Denken genau auf sich hat, sollte man zunächst den Begriff analysieren. Ein System besteht nicht einfach aus wild zusammengewürfelten Elementen. Vielmehr sind die Einzelteile nach einer bestimmten Logik miteinander verbunden. Darum bringt es nichts, zur Lösung eines komplexen Problems die Einzelteile näher zu betrachten. Denn sobald Sie beginnen, einzelne Stücke aus dem Ganzen herauszulösen, bricht das gesamte System zusammen. Wenn Sie z. B. an der Schraube einer großen Maschine drehen, wird das vermutlich Auswirkun­gen auf das Gesamt­pro­dukt haben. Oder ein anderes Beispiel: Wer ein Pferd teilt, wird keine zwei Pferde bekommen, die den Wagen ziehen, sondern muss sich selbst einspannen. Denn zwei Pferdehälften werden überhaupt nichts mehr ziehen können.

Die Bedeutung von Feedback

Die einzelnen Elemente eines Systems müssen nicht mit Ketten aneinan­derge­bun­den sein. Oft entstehen Systeme, ohne dass sie einem bewussten Prozess unterliegen. So bilden beispiel­sweise die einzelnen Körner in einem Sandsturm ein dynamisches System, ohne eine Ahnung davon zu haben. Ein Fahrrad­fahrer, der dem Rad durch das Treten der Pedale Energie zuführt, bildet gemeinsam mit dem Fahrzeug ein dynamisches System. Das kann jedoch nur funk­tion­ieren, wenn es eine Art Rückkopplung gibt, also einen ständigen Abgleich von Aktion und Reaktion. Der Radfahrer wackelt, wenn er durch ein Schlagloch fährt, doch er kann sich wieder ins Gle­ichgewicht bringen. Ist das Schlagloch allerdings zu tief, bricht das System zusammen, denn dann gelingt es dem Fahrer nicht mehr, die Unebenheit auszu­gle­ichen. Diese einfachen Beispiele zeigen: Es ist wichtig, die Situation als Ganzes wahrzunehmen, sie ganzheitlich zu betrachten. Das gilt übrigens auch für ein Team: Es reicht nicht aus, all dessen Mitglieder zu kennen, denn daraus ergibt sich noch keine Aussage darüber, wie sie gemeinsam agieren. Ein Hochleis­tung­steam funk­tion­iert – wie das Fahrer-Fahrrad-Sys­tem – erst dann, wenn sich die zusam­me­nar­bei­t­en­den Elemente regelmäßiges Feedback geben.

Sys­temis­ches Denken in der Praxis

Sys­temis­ches Denken kann sehr gut im Beruf­sall­tag eingesetzt werden. Nehmen wir das Beispiel einer In­vest­ment­bank, in der Kosten gespart werden sollen. In der Bank gibt es ein Frontoffice, in dem mit Wert­pa­pieren gehandelt wird. Die Mitarbeiter im Backoffice müssen die Käufe und Verkäufe richtig verarbeiten und stehen im Regelfall unter großem Druck. Außerdem gibt es eine Abteilung, die sich um die Computer- und Soft­ware­fra­gen des Un­ternehmens kümmert, sowie eine Per­son­al­abteilung und natürlich den Vorstand. Um Kosten zu sparen, wurde das Backoffice schon vor Jahren auf ein Minimum eingedampft und mit Zeitar­beit­skräften wieder aufgefüllt – eine Maßnahme, die sich natürlich auf das gesamte System auswirkt: Mit weniger Mi­tar­beit­ern nimmt die Belastung für den Einzelnen zu, was zu mehr Fehlern führt und den Druck auf die Manager erhöht. So wächst die Belastung dort und damit natürlich wiederum die Fehlerquote.

„Entschlossen­heit ist nicht mit übereilten, le­ichtsin­ni­gen Schnellschüssen gle­ichzuset­zen.“

In jedem Unternehmen können die Verhältnisse durch sys­temis­ches Denken in Form von Diagrammen dargestellt werden, um sie wirklich transparent zu machen. Da ist beispiel­sweise das Wirkungs­di­a­gramm, das auch Kausalitätskreis genannt wird. Darin werden Beziehungen mit Pfeilen, Plus- und Mi­nusze­ichen grafisch dargestellt, z. B. nach der Regel: „Wenn x und y größer werden, dann nimmt auch z zu.“ Außerdem gibt es Fluss­di­a­gramme, die sich durch eine höhere Anzahl von Variablen auszeichnen, die zudem spez­i­fis­cher sind.

„Alle es­kalieren­den Feed­backschleifen zeigen entweder ex­po­nen­tielles Wachstum oder ex­po­nen­tiellen Niedergang, je nachdem, wie die Kreis­be­we­gung ausgelöst wird.“

Diese Grafiken ermöglichen Ihnen, die berühmten und gefürchteten Teufel­skreise schnell als solche zu iden­ti­fizieren. Ein Beispiel dafür: Mitarbeiter eines Fernsehsenders, die nicht gut genug bezahlt werden, verlassen das Unternehmen. Darunter sind auch Stars. Durch ihren Weggang verliert der Sender Zuschauer. Das wirkt sich wiederum auf die Werbekunden aus, und so hat der Sender noch weniger Geld, um gute Leute ordentlich zu bezahlen. Ein solcher Teufel­skreis muss un­ter­brochen werden. Doch dazu muss man ihn erst erkennen. Mit sys­temis­chem Denken funk­tion­iert das sehr gut. Gerade bei komplexen Zusammenhängen wie im Beispiel des Fernsehsenders oder der In­vest­ment­bank, kommt es darauf an, das Problem als Ganzes wahrzunehmen und nicht Schnellschüsse abzufeuern, die letztlich die Situation nur ver­schlim­mern.

„Im sys­temis­chen Denken werden Sie aktiv ermutigt, un­ein­deutige Variablen zu berücksichtigen, da sie häufig entschei­dende Elemente unserer Geschäftstätigkeit untermauern.“

Sys­temis­ches Denken kann aber auch ganz anders eingesetzt werden, beispiel­sweise um die Kreativität in einer Abteilung zu erhöhen oder um Prognosen für die Zukunft zu treffen. Die Einsatzmöglichkeiten dieses Man­age­mentin­stru­ments sind vielfältig.

Zwei Arten von Feed­backschleifen

Wenn Sie in Ihrem Diagramm einen geschlosse­nen Kreislauf haben, sprechen wir von einer Feed­backschleife. Diese Schleifen kommen in jedem Wirkungs­di­a­gramm vor – sollte bei Ihnen keine zu erkennen sein, haben Sie einen wesentlichen Punkt vergessen. Feed­backschleifen erleben wir ständig in unserem Alltag, oft ohne uns ihrer bewusst zu sein. Beispiel Kaffee: Sie schenken sich eine Tasse ein, und Ihre Augen melden dem Gehirn die Füllhöhe. Ist die Tasse voll, bekommen Sie von dort die Nachricht, mit dem Füllen aufzuhören. Mit geschlosse­nen Augen hätten Sie keine Feed­backschleife, und die Tasse würde sehr wahrschein­lich überlaufen.

„Management bedeutet, Maßnahmen zu ergreifen, Entschei­dun­gen zu fällen und Klugheit zu beweisen.“

Das Besondere ist, dass es nur zwei Varianten von Feed­backschleifen gibt: es­kalierende und sta­bil­isierende. Nimmt beispiel­sweise der Kostendruck in jeder weiteren Runde zu, spricht man von einem positiven Feedback, und die zugehörige Schleife ist eine es­kalierende Feed­backschleife. Negative oder sta­bil­isierende Feed­backschleifen sollen dagegen ein bestimmtes Ziel erreichen, beispiel­sweise eine gut gefüllte Kaffeetasse. Sie zu un­ter­schei­den ist sehr einfach: Sie müssen nur die Mi­nusze­ichen in Ihrem geschlosse­nen Kreislauf zählen. Bei einer geraden Zahl von Mi­nusze­ichen (auch die Null zählt hier als gerade Zahl) haben Sie eine es­kalierende Feed­backschleife. Ist die Zahl der Mi­nusze­ichen ungerade, ist Ihre Feed­backschleife sta­bil­isierend.

Teufel­skreise und Zeitverzögerungen

Vielleicht haben Sie es schon erraten: Die es­kalieren­den Feed­backschleifen sind oft Teufel­skreise. Allerdings können sie auch Tu­gend­kreise sein. Je nachdem führen sie entweder zu einem ex­po­nen­tiellen Niedergang oder zu einem ebensolchen Wachstum. Denken Sie an die zu füllende Kaffeetasse: Sie wird nicht leerer, solange Kaffee einfließt. Möglicher­weise läuft sie über, aber leer wird sie nicht.

„Der Prüfstein ist die Plausibilität, also die Möglichkeit, dass eine Alternative Realität wird, nicht etwa ihre Wahrschein­lichkeit oder unsere Hoffnung, dass genau dies geschehen wird.“

Bei sta­bil­isieren­den Feed­backschleifen kann das Problem in der Zeitverzögerung stecken. Denn dadurch wird es schwierig, den angepeilten Soll-Zu­s­tand zu erreichen. Eine Zeitverzögerung führt zu extremen Ausschlägen, bis sich der Ist-Zustand langsam dem Soll annähert. Das kennen Sie z. B. aus der Dusche in einem Hotelzimmer: Ist sie zu heiß, stellen Sie sie auf kalt, doch vermutlich ist es jetzt schnell zu kalt, darum drehen Sie wieder in die andere Richtung, doch das ist zu warm. Irgendwann haben Sie die richtige Temperatur gefunden. Um den Soll-Zu­s­tand zu erreichen, können Sie also an un­ter­schiedlichen Hebeln bzw. in un­ter­schiedliche Richtungen drehen. Die Wirkung lässt sich jedoch nur sehr schwer einschätzen. Denken Sie an den Hebel Werbung: Er erlaubt Ihnen keine präzise Prognose darüber, wie sich Ihr Absatz nach der Schaltung einer Wer­beanzeige entwickeln wird.

So zeichnen Sie gute Diagramme

Ein wichtiger Punkt ist die Frage, was alles in Ihr Diagramm hineingehört. Sie wollen die Realität abbilden und das Problem ganzheitlich betrachten. Dieser Begriff ist natürlich dehnbar. Wenn Sie eine Gruppe von Menschen befragen, wie die Realität einer Situation aussieht, werden Sie vermutlich mehrere un­ter­schiedliche Meinungen hören. Darum ist die Frage immer: Welche Realität wird abgebildet? Abgesehen davon kann die Darstellung der Realität sehr unübersichtlich werden. Wichtig ist, dass Sie nur die relevanten und nützlichen Aspekte in Ihre Überlegungen mit einbeziehen. Auf keinen Fall sollten Sie Ihr Diagramm überfrachten. Hier gilt: Übung macht den Meister.

„In der Praxis können Sie tatsächlich nur eines tun, nämlich die Hebel in Richtung der Soll-Ein­stel­lun­gen ziehen, von denen Sie überzeugt sind, die Augen schließen und hoffen, dass sich die richtigen Resultate einstellen werden.“

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Frage des richtigen Einstiegs. Suchen Sie z. B. nach den wichtigsten Elementen in Bezug auf Ihr Problem. Da Sie ja einer Wirkungs­kette folgen und in dieser Kette alle Elemente enthalten sein werden, laufen Sie nicht Gefahr, etwas zu vergessen. Denken Sie bereits beim Zeichnen darüber nach, wovon ein neu hinzugefügtes Element beeinflusst wird und was es selbst beeinflusst. Außerdem gewinnt Ihr Diagramm an Qualität, wenn Sie die folgenden Ratschläge beachten:

  • Benutzen Sie bei der Beschrei­bung der einzelnen Elemente Substantive statt Verben; so wird das Diagramm klarer struk­turi­ert.
  • Die Wörter „Anstieg“ und „Rückgang“ sollten Sie komplett außen vor lassen, schließlich drücken Sie beides durch Minus- oder Pluszeichen aus.
  • Themen, die beispiel­sweise in der Buchhaltung unter den Tisch fallen, weil sie nicht bezifferbar sind, können und sollen in Ihrem Diagramm durchaus vorkommen: Sie sollen die Realität abbilden.
  • Bringen Sie bei jedem geze­ich­neten Pfeil sofort ein Plus- oder ein Mi­nusze­ichen an, wenn Sie später nicht im Chaos enden wollen.
  • Ihre Diagramme sind keine Kunstwerke und Sie sind kein Künstler. Falls man Sie kritisiert, sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie den ange­sproch­enen Punkt wirklich richtig wiedergegeben haben.
  • Da sich die Welt ständig weit­er­en­twick­elt, ist kein Wirkungs­di­a­gramm für die Ewigkeit gedacht. Sie müssen Ihre Diagramme ggf. ständig weit­er­en­twick­eln.

Kritik kontern

Ihre Diagramme werden nicht überall und sofort auf Gegenliebe stoßen. Wahrschein­licher ist, dass sie kritisiert werden. Diejenigen, die sich nicht mit ihnen anfreunden können, halten sie schlichtweg für banal, weil sie keine neuen Erken­nt­nisse bringen. Man wirft ihnen vor, dass die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen auch ohne Wirkungs­di­a­gramm hätten erkannt werden können. Tatsächlich ist es so, dass Wirkungs­di­a­gramme gar nichts Neues darstellen wollen, denn sie sollen die Realität abbilden. Wenn man aber die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen auch ohne Wirkungs­di­a­gramm erkennen kann, bleibt eine Frage bestehen: Warum werden so viele dumme und falsche Entschei­dun­gen getroffen?

Über den Autor

Dennis Sherwood war als Un­ternehmens­ber­ater bei Deloitte Haskin & Sells sowie bei Coopers & Lybrand tätig und wechselte dann in eine leitende Position bei Goldman Sachs. Heute ist er Geschäftsführer des Be­ratung­sun­ternehmens The Silver Bullet Machine Man­u­fac­tur­ing.