Wie alles begann: Basel I
Im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung traten in den 1980er Jahren die Handelshemmnisse im Finanzsektor immer deutlicher zutage. In den einzelnen Industrienationen bestanden ganz unterschiedliche Kontrollvorschriften für Banken, und so verlagerten sich die Geschäfte dorthin, wo die Regulierungen am zurückhaltendsten waren. Als Konsequenz verabschiedeten die führenden Wirtschaftsnationen 1988 auf der Basis der Arbeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht die als Basel I bezeichneten Empfehlungen für die Harmonisierung der Finanzmarktkontrolle. Mithilfe der Auflagen sollten die Banken ihre Risiken begrenzen, konkret: das Geschäft strenger an ihrem haftenden Eigenkapital ausrichten.
„Nach dem Grundsatz ‚same business, same risk, same regulation‘ wurde der Anwendungsbereich der entwickelten Risikobegrenzungsnormen über Investment Banks hinaus auch auf den Wertpapierhandelsbestand von Universalbanken ausgedehnt.“
Die Dynamik der Finanzmärkte in den 90er Jahren und die Krise der so genannten New Economy zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellten die neue Bankenaufsicht jedoch schnell auf die Probe. Es kam zu ständigen Produktinnovationen vor allem im Bereich der derivativen Finanztransaktionen. Die Aufsichtsbehörden waren mit der wirksamen Kontrolle der Risikobegrenzung zunehmend überfordert.
Von Basel II zu Basel III
Im Juni 2004 veröffentlichte der Basler Ausschuss eine Verschärfung der Regulierungen. Der Ansatz von Basel II definiert drei grundlegende Auflagen für die Banken: Mindestanforderungen bezüglich der Eigenkapitalausstattung, Vorschriften für eine Kontrolle des Geschäfts durch externe Experten sowie Maßnahmen zur Offenlegung der Geschäfts- und Risikostruktur. In den Empfehlungen an die nationalen Regierungen wurden neben einem neuen Verfahren der Risikoermittlung erstmals auch Regeln für die Einbeziehung externer und interner Ratings verfasst. Nicht angerührt wurde die Mindesteigenkapitalquote: Sie blieb bei 8 % der Risikopositionen.
„Kernstück des neuen Standards ist die Erhöhung und Härtung des von Kreditinstituten mindestens vorzuhaltenden regulatorischen Eigenkapitals.“
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2008 ihren Anfang nahm, ließ aber auch Basel II schon bald an seine Grenzen stoßen. In den USA war durch Geldmengenausweitung und Zinssenkungen nicht nur eine Immobilienblase entstanden, in die die weltweit führenden Finanzinstitute verwickelt waren; die Banken betrieben auch eine Ausweitung ihres Geschäfts außerhalb der Auflagen von Basel II. Das Mittel dazu war die Technik des Verbriefens, bei dem die Banken Kredite an Privatpersonen in eine Zweckgesellschaft übertragen konnten, ohne dafür Eigenkapital bereitstellen zu müssen. Der Grund für die Auslagerung: Mit den für diese Kredite an den Finanzmärkten ausgegebenen Wertpapieren konnten die Banken hohe Renditen erzielen.
„Mit erheblichen regulatorischen Kosten wird auch das ‚normale‘ Kreditgeschäft belastet, denn die Basler Anforderungen verstärken pauschal den Risikoträger – und hier liegt das Hauptproblem der neuen Regulierung!“
Das Streben nach maximalen Gewinnen führte allerdings dazu, dass die Finanzinstitute in der Risikoprüfung sehr sorglos wurden und keine Puffer mehr für mögliche Kreditausfälle anlegten. Als die US-Immobilienblase platzte, landete die Branche entsprechend hart. Die zunehmenden Zahlungsausfälle führten in den Finanzinstituten ab 2008 zu einer Liquiditätskrise. Sie wurde zwar von den staatlichen Notenbanken überbrückt, dennoch gab es verheerende Pleiten wie die von Lehman Brothers.
„Die pauschale Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen benachteiligt vor allem das deutsche Finanzsystem, denn hier dominiert die Finanzierung der mittelständisch geprägten Realwirtschaft über klassische Buchkredite!“
Die Antwort auf den großen Vertrauensverlust der Finanzbranche ist Basel III. Darin wird zwar die Mindesteigenkapitalquote für die Risikoabsicherung in Höhe von 8 % wiederum nicht angetastet, doch es gibt nun strengere Regeln für die Zusammensetzung der Mittel. So muss das Mindesteigenkapital künftig zu 75 % aus hartem Kernkapital bestehen, das gegenüber allen Ansprüchen nachrangig ist. Als weitere Auflage müssen die Banken einen Kapitalerhaltungspuffer aufbauen, dessen Unterschreitung einen Stopp von Ausschüttungen nach sich ziehen kann. Und die Finanzinstitute müssen eine antizyklische Konjunkturrücklage anlegen, die sie in wirtschaftlich schlechten Phasen aufzehren können. Schließlich wurde mit Basel III auch eine Mindestliquiditätsquote definiert. Sie soll den Nettoliquiditätsbedarf für mindestens 30 Tage sichern.
Stresstests und externe Ratings
Um zu gewährleisten, dass die Banken ihre Risiken angemessen bewerten und ausreichend Eigenkapital zur Absicherung vorhalten, müssen sie sich spätestens mit Basel III regelmäßigen Überprüfungen, so genannten Stresstests, unterziehen. Das gilt vor allem für diejenigen Banken, die ihre Eigenkapitalbasis nach einem internen Rating bestimmen. Die Stresstests bestehen aus Sensitivitäts- und Szenarioanalysen. Bei einer Sensitivitätsanalyse werden einzelne Risikofaktoren ermittelt und die Auswirkungen ihrer Veränderungen auf das Geschäft untersucht. Szenarioanalysen dagegen betrachten die gleichzeitige Veränderung mehrerer Risikotreiber, ausgelöst durch ein Ereignis wie eine Rezession.
„Liquidität ist zwingende Voraussetzung für die Existenz von Banken und deren Erfolgsstreben.“
Sinnvoll sind solche Stresstest allerdings nur, wenn die Ergebnisse sofort in die Geschäftsplanung und die Risikostrategie einfließen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Finanzinstitute angemessen auf Krisen reagieren. Eine Alternative zu den regelmäßigen Stresstests sind externe Ratings durch spezielle Agenturen wie Standard & Poor’s. Die Banken profitieren insbesondere dann davon, wenn auch ihre Unternehmenskunden sich von außen beurteilen lassen. Erste Studien schätzen jedoch, dass Basel III nicht zu einer erhöhten Nachfrage nach externen Bewertungen auf Firmenseite führen wird, da sie erhebliche Kosten verursachen.
Weitere Wege zur Risikobegrenzung
Ein Hauptgrund für die laxe Einstellung der Banken gegenüber Risiken und damit für die Finanzkrise war die Praxis der Verbriefung, womit Kreditgeschäfte aus der eigenen Bilanz ausgelagert wurden. Bereits bei Basel II wurden Regulierungen eingeführt, die bis Ende 2011 in der EU gesetzlich bindend waren. Zu den Neuerungen zählen u. a. strengere Risikobeurteilungen von Verbriefungspositionen. Nach Ansicht des Basler Ausschusses sind allerdings noch weiter gehende Änderungen nötig, um Risiken aus Verbriefungen effektiv zu begrenzen.
„Entscheidend für ein angemessenes Liquiditätsrisikomanagement ist eine gesamtbankbezogene Sicht des Liquiditätsrisikos, d. h. ein umsichtiges Verständnis des jeweiligen Geschäftsmodells und dessen Nachhaltigkeit sowie der Nettomittelabflüsse, der Konzentrations-, Abruf-, Anreizrisiken, Vertriebs-, Markt-, Ausfallrisiken.“
Ein viertes Mittel, Bankenrisiken zu begrenzen, besteht darin, den Umgang mit Marktrisiken wie Kurs- und Zinsverlusten sowie Zahlungsausfällen zu verschärfen. Die Auflagen bezüglich der Verbriefungen im Investment- und dem Geschäftsbanking wurden angeglichen und das Gewicht der Ausfallrisiken bei dem für die Absicherung zu ermittelnden Eigenkapital wurde erhöht. Generell müssen die Banken künftig mehr Kapital für riskante Finanzprodukte bereitstellen. In diesem Zusammenhang wurden auch erstmals Anforderungen für die operationalen Risiken – Verluste der Finanzinstitute aufgrund von Fehlern unternehmensinterner Abläufe oder externer Ereignisse – definiert. In einem ersten Schritt hat der Basler Ausschuss Verfahren entwickelt, mit denen die operationalen Risiken genau zu bestimmen sind. Dazu zählen u. a. der Basisindikatoransatz, das Standardverfahren oder ambitionierte Messansätze (AMA). Der Einsatz der unterschiedlichen Verfahren erfordert von den Banken mindestens, dass sie den Kriterien des „Sound Practices for the Management and Supervision of Operational Risk“-Papiers entsprechen. Obwohl die Prüfung der operationalen Risiken seit Anfang 2007 in Deutschland umgesetzt wird, befindet sich der Prozess noch in einer frühen Entwicklungsphase. Ziel ist die Definition von so genannten Operational-Risk-Standards.
Neue Eigenkapitaldefinitionen
Die Ausstattung mit Eigenkapital dient grundsätzlich zwei Zielen: Erstens sollen damit Risiken begrenzt, zweitens Verluste gedeckt werden. Doch Eigenkapital ist nicht gleich Eigenkapital. Es gibt drei Abstufungen, die für den Ausgleich von Verlusten von unterschiedlicher Bedeutung sind. Das Kernkapital hat in puncto Verlustdeckung die höchste Qualität. Es steht den Banken immer zur Verfügung und darf auch auf Verlangen des Gläubigers nicht zurückgezahlt werden. Ergänzungskapital dagegen steht nur für eine begrenzte Frist zur Verfügung und haftet damit, wie die noch kurzfristigeren Drittmittel, nur nachrangig. Bei Letzteren handelt es sich z. B. um Nettogewinne oder kurzfristige Verbindlichkeiten.
„Die neuen Anforderungen der MaRisk lassen sich prinzipiell als Detaillierungen und Verschärfungen bereits bestehender Anforderungen verstehen.“
Im Zuge von Basel III wurden die Auflagen für das haftende Eigenkapital deutlich verschärft. Zwar unterscheidet der Ausschuss noch zwischen Kern- und Ergänzungskapital, auf die Drittmittel verzichtet er jedoch künftig. Zudem wird das Kernkapital noch einmal nach harten und zusätzlichen Mitteln (Hybridkapital) differenziert. Zur Absicherung von Risiken muss das Kernkapital künftig mindestens zu zwei Dritteln aus den harten Anteilen bestehen.
Basel III und die Finanzierung des Mittelstands
Die deutsche Wirtschaft kennt im internationalen Vergleich besonders viele mittelständische Unternehmen: Rund 99,7 % der Firmen beschäftigen 10–499 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von 1–50 Millionen Euro. Zudem zeichnet sich Deutschland durch eine damit verbundene, besondere Finanzierungsstruktur aus. Da Mittelständler sich neben dem Gründungskapital der Eigentümer und dem Umsatz hauptsächlich über Bankdarlehen finanzieren, spielt der Kapitalmarkt für sie eine untergeordnete Rolle. Umso bedeutender wirken sich deshalb die Basler Vereinbarungen auf den Mittelstand aus. Bereits Basel II führte dazu, dass die höheren Bankenauflagen die Kreditaufnahme für Unternehmen mit schwacher Bonität erschwerten. Basel III wird diesen Prozess weiter forcieren und dem Mittelstand zusätzliche Anforderungen abverlangen. Wollen die Firmen sich auch künftig über die Banken finanzieren, müssen sie sich nicht nur mit dem Thema Rating intensiv auseinandersetzen und ihre Bonität unabhängig von den Kosten prüfen lassen; sie müssen auch ihre Eigenkapitalbasis, vor allem in konjunkturell starken Phasen, ausweiten, sich alternativen externen Kapitalquellen öffnen und den Themen Finanzen und Controlling einen deutlich höheren Stellenwert beimessen.
Die Folgen von Basel III für die Bankenaufsicht
Das Hauptaugenmerk von Basel III liegt auf der Verschärfung von Eigenkapitalregeln sowie auf der Begrenzung von Risiken. An der Bankenaufsicht als solcher hat sich allerdings nichts geändert. Wie schon bei Basel II basiert diese weiterhin auf vier einfachen Grundsätzen, die die Eigenverantwortung der Finanzinstitute sowie einen offenen Informationsaustausch zwischen der Prüfungsbehörde und den Banken betonen. Was die Offenlegung von Daten betrifft, wurden die Auflagen aber erhöht. In Basel II umfassten die zu veröffentlichenden Informationen der Banken die Anwendung der Eigenkapitalvorschriften, die Eigenkapitalstruktur, die Eigenmitteladäquanz und die eingegangenen Risiken. Mit Basel III muss darüberhinaus über alle Verbriefungen, Marktpreisrisiken und die Kapitalerhaltungspuffer aufgeklärt werden.
Das Risikomanagement
Parallel zu Basel III verfasste die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Ende 2005 Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute (MaRisk). Derzeit gilt bereits die dritte Novelle, die Ende 2010 erschienen ist und in der die Auflagen weiter konkretisiert wurden. Von den Banken werden danach u. a. ein umfassendes Controllingsystem bezüglich ihrer Risiken, regelmäßige Risikoinventuren, die Entwicklung einer zur Geschäftsstrategie passenden Risikostrategie sowie umfassende Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität gefordert. Gemäß MaRisk ist das Liquiditätsrisiko eine der Hauptgefahren für Kreditinstitute. Deshalb sind für die Banken künftig nicht nur regelmäßig spezielle Liquiditätsstresstests Pflicht; die Finanzinstitute müssen auch laufend ihre Liquiditätskosten und die Liquiditätsrisikotoleranz berechnen.