Führen beginnt im Kopf des anderen

Buch Führen beginnt im Kopf des anderen

Wirkungsvoll kommunizieren und überzeugen – so werden Sie endlich verstanden!

Wiley-VCH,


Rezension

Ein in­ter­es­san­ter Ansatz: Das Gehirn bewertet In­for­ma­tio­nen weder ausschließlich rational noch ausschließlich emotional, sondern immer vor dem Hintergrund in­di­vidu­eller Erfahrungen. Damit sind natürlich alle Empfehlun­gen hinfällig, wonach sich Führung entweder auf das eine oder das andere konzen­tri­eren soll. Bei der Motivation geht es genau so weiter: Die Päpste der Mo­ti­va­tions­forschung erweisen sich als fehlbar, wenn sie die Mo­ti­va­tions­fak­toren scheinbar objektiv in Gruppen unterteilen. Auch hier gilt das Primat der In­di­vid­u­alität. Aber müssen denn alle anderen in Schwarz und Weiß gemalt werden, nur damit der Autor in Schat­tierun­gen ar­gu­men­tieren kann? Wenn er das wenigstens mit weniger Redundanzen getan hätte! Allerdings gibt das Buch hilfreiche Tipps und gute Beispiele dazu, wie sich unser Schubladen­denken mithilfe neu­rowis­senschaftlicher Erken­nt­nisse austricksen lässt. BooksInShort empfiehlt es allen Führungs- und vor allem Führungsnach­wuch­skräften sowie Trainern und Beratern.

Take-aways

  • Führung ist Kom­mu­nika­tion und hat als solche immer eine Wirkung. Die Frage ist nur, welche.
  • Nutzen Sie die Erken­nt­nisse der Hirn­forschung und Sie werden die Kon­se­quen­zen Ihres Führung­shan­delns besser verstehen und voraussehen.
  • Die Wirkung Ihrer Kom­mu­nika­tion entscheidet sich im Kopf des anderen.
  • Bewertungen entstehen im Emo­tion­szen­trum unseres Gehirns.
  • Das Emo­tion­szen­trum ist von Mensch zu Mensch un­ter­schiedlich ausgeprägt: Mal steht der Wunsch nach Stabilität im Vordergrund, mal der Drang zu spielen.
  • Das Gehirn wägt Argumente und Kon­se­quen­zen ab und entscheidet blitzschnell vor dem Hintergrund in­di­vidu­eller Erfahrungen.
  • Berücksichtigen Sie die Erfahrungen und Bewertungen von Mi­tar­beit­ern und Kunden.
  • Lassen Sie sich nicht von Ihren eigenen Vorlieben und Schubladen leiten.
  • Sprechen Sie Ihr Gegenüber in seinem in­di­vidu­ellen Be­w­er­tungszen­trum an, denn dort wird über Argumente entschieden.
  • Bei Mi­tar­beit­ern oder Kunden, Krisenbewältigung oder Change-Pro­jek­ten: Denken Sie an die Schubladen Ihres Gegenübers und richten Sie Ihre Argumente danach aus.
 

Zusammenfassung

Beim Führen kommt es auf die Wirkung an

Die meisten Führungskräfte tun eine Menge. Aber sie fragen sich zu selten, was sie mit ihrem Tun bewirken. Führung beeinflusst Entschei­dun­gen und Handlungen von Mi­tar­beit­ern. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Haben Sie mit Ihrer Führung die Wirkung erreicht, die Sie wollten? Oder ist der Schuss vielleicht nach hinten losgegangen? Wie Ihre Führung­shand­lun­gen wirken, entscheidet sich im Kopf der Mitarbeiter. Dort werden bereits vorhandene In­for­ma­tio­nen durch Ihre Kom­mu­nika­tion ergänzt. Kom­mu­nika­tion verändert also fortwährend die In­for­ma­tions­ba­sis, auf der die Mitarbeiter Entschei­dun­gen fällen. Beim Entschlüsseln dieser Entschei­dung­sprozesse hilft Ihnen die Hirn­forschung. Je mehr Sie über Neu­rokom­mu­nika­tion wissen, desto besser können Sie Ihre Führung danach ausrichten, wie sie auf andere wirkt. Dabei helfen diese fünf R-Prinzip­ien:

  • Rule: Entschei­dun­gen verbessern.
  • Rate: Kopf und Bauch zusam­men­brin­gen.
  • Resort: von anderen verstanden werden.
  • Reflect: innere Überzeu­gun­gen ausstrahlen.
  • Rotate: durch Per­spek­tiven­wech­sel Wirkung erzielen.

Rule: Verbessern Sie Ihre Entschei­dun­gen

Bei Führungsentschei­dun­gen sollten Sie nicht nur auf Ihren Kopf hören, sondern auch auf Ihr Bauchgefühl und damit auf Ihren Instinkt. Doch woher wissen Verstand und Instinkt, wie sie entscheiden sollen? Kopf und Bauch stützen ihre Bewertung auf Erfahrungen, konkreter: auf Ihre persönlichen Erfahrungen. Daher können wir häufig die Entschei­dun­gen anderer nicht nachvol­lziehen – sie haben halt andere Erfahrungen gemacht. Ihren Entschei­dung­sprozess können Sie verbessern, indem Sie die Al­ter­na­tiven mitsamt ihren Kon­se­quen­zen auf einem Blatt Papier oder in einer Datei beschreiben. Stellen Sie Vor- und Nachteile, technische Daten, An­schaf­fungs- und Folgekosten usw. in einer tabel­lar­ischen Übersicht dar – und vergessen Sie dabei neben den Fakten nicht Ihr Bauchgefühl. Sie meinen, dass es keine Al­ter­na­tiven gibt, sondern nur eine Lösung? Stimmt nicht, denn in jedem Fall ist Nichtstun eine Alternative zu einer Handlung. Lassen Sie sich Zeit, überschlafen Sie die Entschei­dung. Anschließend bewerten Sie die Argumente und Kon­se­quen­zen. Vergessen Sie bei einer Entschei­dung nicht, die Gründe zu kom­mu­nizieren. Denn Ihre Mitarbeiter oder Kunden haben andere Erfahrungen gemacht als Sie und könnten Ihre Entschei­dung darum missver­ste­hen.

Rate: Bringen Sie Kopf und Bauch zusammen

Die neu­ro­bi­ol­o­gis­che Forschung hat ergründet, welche Kriterien wir bei der Beurteilung und Bewertung einer Situation heranziehen. Demnach werden Bewertungen im Gehirn in der gleichen Region vorgenommen, in der die Emotionen angesiedelt sind. Unser Gehirn verfügt über sieben Emo­tion­szen­tren, die von Mensch zu Mensch höchst un­ter­schiedlich ausgeprägt sind. Für Mi­tar­beit­erführung und Kun­de­nori­en­tierung sind fünf davon besonders wichtig:

  • Stability: Hier geht es um Sicherheit im privaten Leben und im Beruf. Gute Beziehungen zu Vorge­set­zten vermitteln Gebor­gen­heit.
  • Cooperation: Das ist die Domäne der Teamplayer. Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, Kon­flik­t­frei­heit und Anerkennung sind ihnen besonders wichtig.
  • Domination: Persönlicher Erfolg, Karriere und Sta­tussym­bole werden von Menschen mit hohen Dom­i­na­tion-Werten geschätzt.
  • Play: Menschen mit Play-Schw­er­punkt lieben Her­aus­forderun­gen und vertrauen im Wettbewerb auf ihre eigenen Fähigkeiten.
  • Seek: Selb­st­bes­tim­mung und Unabhängigkeit, Neugier und Ent­deck­ungs­drang kennze­ich­nen Menschen, die hohe Seek-Werte haben.
„Egal was Sie tun, der entschei­dende Moment ist der, wenn der Kunde seine Pro­duk­tauswahl trifft. Dann zeigt sich, ob Ihre Anstren­gun­gen erfolgreich waren.“

Bewertungen sind also individuell verschieden. Andere Bewertungen müssen nicht notwendi­ger­weise objektiv falsch sein. Sie geben Ihnen vielmehr Hinweise auf dessen Präferenzen. Die Präferenzen eines Kunden sollten Sie unbedingt kennen und beachten, sonst bleiben Sie auf Ihrem Produkt sitzen. Auch bei einem Mitarbeiter sollten Sie nicht darüber hinwegsehen, sondern die richtigen Argumente vorbringen. Vermeiden Sie diejenigen Argumente, die zu Ihrer eigenen Bewertung geführt haben, und beziehen Sie sich stattdessen auf die do­minierende Be­w­er­tungskat­e­gorie Ihres Gegenübers. So werden Sie etwa mit Ihrer Vorliebe für Visionen einen sicher­heit­sori­en­tierten Menschen kaum überzeugen. Die Bewertungen anderer zu erkennen, kann man lernen. Das verbessert die Wirkung Ihrer Kom­mu­nika­tion erheblich.

Resort: Werden Sie von anderen verstanden

Sie sprechen im Teammeeting von Her­aus­forderun­gen und meinen damit Chancen – Ihre Mitarbeiter verstehen aber „Risiken“ und denken an Ar­beit­splatzver­lust. Darüber sollten Sie sich nicht ärgern; versuchen Sie lieber zu verstehen, wie unser Gehirn arbeitet. Grundsätzlich will es Energie sparen. Also versucht es bereits nach wenigen Signalen, diese zu deuten: Schublade auf, Thema hinein, Schublade zu – fertig. Die Bewertung äußerer Reize, also z. B. Ihrer Worte, erfolgt auf der Basis von Erfahrungen. Als Führungskraft haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Her­aus­forderun­gen Chancen sind, die Sie in Ihre Position gebracht haben. Ein Mitarbeiter aber ist vielleicht schon mal an Her­aus­forderun­gen gescheitert und befürchtet sofort weitere Risiken für seine Position. Darauf müssen Sie eingehen. Erkennen Sie frühzeitig, wohin das Schubladen­denken Ihr Gegenüber führt. Dort können Sie mit Ihrer Kom­mu­nika­tion ansetzen. Aber Vorsicht: Auch Ihr Gehirn denkt in Schubladen, und die werden vermutlich nicht mit jenen des Mi­tar­beit­ers übere­in­stim­men. Schließen Sie Ihre eigenen Schubladen, sonst führt Ihre Kom­mu­nika­tion zu Missverständnissen.

Reflect: Strahlen Sie Ihre Überzeu­gun­gen aus

Ausstrahlung ist keine Sache des Aussehens, sondern der inneren Überzeu­gun­gen. Damit schaffen Sie es, Ihr Gegenüber anzus­prechen; das funk­tion­iert so ähnlich wie ein Lächeln, das Ihnen eine Zu­falls­begeg­nung in der Straßenbahn zeigt und das Sie erwidern. Die Hirn­forschung spricht von Spiegel­neu­ro­nen, die wir bei unserem Gegenüber aktivieren. Vo­raus­set­zung ist allerdings, dass Sie Ihre Überzeu­gun­gen und Werte tatsächlich her­aus­lassen. Expressive Menschen haben eine positive Ausstrahlung. Es wäre jedoch kon­trapro­duk­tiv, wenn Sie Überzeu­gun­gen, Erfolg oder Expressivität spielen oder vortäuschen würden. Das durchschaut Ihr Gegenüber ziemlich schnell und ist dann umso enttäuschter. Besinnen Sie sich lieber auf Ihre Stärken und Ihre eigenen Bewertungen. Wenn Sie ein Teamplayer sind, geben Sie besser nicht den Platzhirsch, nur weil Sie glauben, so müsse eine Führungskraft sein. Kom­mu­nizieren Sie Ihre Überzeu­gun­gen, das verbessert Ihre Wirkung ganz erheblich.

Rotate: Versetzen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein

Sie wundern sich, warum Ihre Mitarbeiter selbst konkrete Anweisungen häufig nicht beachten? Nun, sie werden ihre Gründe haben. Versetzen Sie sich in den Betroffenen hinein: Nach dem Rule-Prinzip wägt er Al­ter­na­tiven und Kon­se­quen­zen ab und bewertet sie. Dann trifft er die Entschei­dung, entgegen Ihren Führungsvor­gaben zu handeln. Versuchen Sie, die Bewertungen Ihres Gegenübers nachzu­vol­lziehen. Möglicher­weise lassen Sie sich eines Besseren belehren und überdenken Ihre Führungsentschei­dung. Oder Sie bleiben dabei, aber erkennen, dass Sie ar­gu­men­ta­tiv nachlegen müssen. Um beim nächsten Mal ohne Nachlegen auszukommen, kom­mu­nizieren Sie von vornherein auf der richtigen Wellenlänge mit Ihren Mi­tar­beit­ern. Dabei helfen klare Bilder, der Verzicht auf Negierungen und das Öffnen der Schubladen Ihres Gegenübers. Kurze Sätze – im Sinne von Leitgedanken – sind wirksamer als ausführliche Erklärungen. Ein Beispiel: Mit einer For­mulierung wie „neue Maßstäbe setzen“ eine Un­ternehmensfu­sion anzukündigen, muss schiefgehen und bei sicher­heits- und stabilitätsori­en­tierten Mi­tar­beit­ern Ängste wecken. Deren Schubladen im Gehirn können Sie vermutlich öffnen, wenn Sie von „Veränderung aus Tradition“ sprechen.

Motivieren und Verkaufen: Nutzen Sie den Neuro-Code

Nachdem Sie die fünf R-Prinzip­ien kennen gelernt haben, trainieren Sie deren Anwendung im Führungsall­tag. Zu Ihren Schlüsselqual­i­fika­tio­nen als Führungskraft gehört es, sich selbst und andere zu motivieren. Das wird Ihnen künftig le­ichter­fallen, wenn Sie genau beobachten, welche Bewertung des Neurocodes Sie bei Ihren Mi­tar­beit­ern ansprechen wollen. Versetzen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein und Sie werden erkennen, wie Sie es auf geeignete Weise ganz individuell ansprechen: Handelt es sich um einen Risikospieler oder einen Freund der Stabilität? Um einen Teamplayer oder einen Platzhirsch? Bisherige Mo­ti­va­tion­s­mod­elle (Herzberg, Sprenger u. a.), die ver­meintlich objektive, also eben nicht in­di­vidu­elle Mo­ti­va­tions­fak­toren beschreiben, sind damit hinfällig.

„Krisen sind für Betroffene zunächst eben nicht Chancen. Sondern es geht darum, wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen.“

Auch beim Verkauf helfen Ihnen die fünf R-Prinzip­ien. Das gilt nicht nur im Kontakt zu Ihren Kunden, sondern auch, wenn Sie Ihrem Chef ein neues Projekt „verkaufen“ wollen. Ihr Gegenüber handelt nach dem Ro­tate-Prinzip und wählt die Alternative, die ihm den höchsten Nutzen bietet. Sie antworten mit dem Rule-Prinzip: Argumente vorbringen und Kon­se­quen­zen aufzeigen, und zwar abgestimmt auf die in­di­vidu­ellen Bewertungen Ihres Gegenübers. Sie sollten dessen Neurocode kennen und sich entsprechend auf Gespräche vorbereiten: Stability, Seek, Domination, Play oder Cooperation erfordern jeweils andere Argumente und Ansprachen Ihrerseits. Verzichten Sie auf Show­ele­mente, kom­mu­nizieren Sie ehrlich und authentisch, sonst entlarvt Ihr Gesprächspartner Sie in Windeseile. Und hüten Sie sich vor Ihren eigenen Schubladen im Gehirn, denn die entsprechen vermutlich nicht den vorherrschen­den Bewertungen des Kunden oder Chefs. Sie kennen die vorherrschende Bewertung eines Kunden nicht, z. B. bei einem Erstkontakt? Dann entscheiden Sie sich mutig für eine Variante, achten Sie genau auf seine Signale und gehen Sie sofort darauf ein, wenn Sie falsch liegen. Das ist besser als Herumeiern und Monologe halten.

Krisen bewältigen und Wandel gestalten

Gesunde Unternehmen bewältigen Krisen besser als solche, die bereits in guten Zeiten weniger erfolgreich sind. Die Basis für die Krisenbewältigung wird also bereits vor der Krise gelegt. Zeigen sich Vorboten einer Krise, macht sich bei vielen Mi­tar­beit­ern Angst breit. Kaum jemand wird eine Krise als Chance begreifen. Jetzt ist eine klare Kom­mu­nika­tion gefragt, mit der Sie die Mitarbeitet tatsächlich erreichen. Nehmen Sie deren Ängste ernst und sprechen Sie ihre Schubladen an. Sicherheit können Sie vermutlich nicht bieten, aber zumindest können Sie zeigen, dass Sie das Sicher­heits­bedürfnis Ihrer Mitarbeiter verstehen und daran arbeiten, einen solchen Zustand wieder­herzustellen. Als Führungskraft sind Sie daran beteiligt, Ihr Unternehmen fit zu machen und ständigen Wandel zu managen. Auch dabei hilft Ihnen der Neurocode. Mitarbeiter mit Stability- oder Co­op­er­a­tion-Schw­er­punkt werden mit Angst oder Abwehr auf Veränderungen reagieren, im besten Fall mit Abwarten. Solange Sie darauf mit Ihrer Kom­mu­nika­tion nicht eingehen und die entsprechen­den, weit offen stehenden Schubladen der Mitarbeiter meiden, bewirken Sie nichts – außer dass Ihr Projekt zu den 80 % der Veränderung­spro­jekte gehört, die scheitern. Bedenken Sie, dass der Wandel schnell gehen muss, damit die instabile Phase kurz bleibt, und dass Sie Ihre Argumente und Szenarien immer wiederholen müssen, um neue Schubladen in den Gehirnen Ihrer Mitarbeiter zu schaffen.

Über den Autor

Nikolaus Körner ist pro­movierter Be­trieb­swirt und Experte für angewandte Neu­rokom­mu­nika­tion. Die von ihm gegründete Firma u-motions berät zahlreiche namhafte Unternehmen.