Beim Führen kommt es auf die Wirkung an
Die meisten Führungskräfte tun eine Menge. Aber sie fragen sich zu selten, was sie mit ihrem Tun bewirken. Führung beeinflusst Entscheidungen und Handlungen von Mitarbeitern. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Haben Sie mit Ihrer Führung die Wirkung erreicht, die Sie wollten? Oder ist der Schuss vielleicht nach hinten losgegangen? Wie Ihre Führungshandlungen wirken, entscheidet sich im Kopf der Mitarbeiter. Dort werden bereits vorhandene Informationen durch Ihre Kommunikation ergänzt. Kommunikation verändert also fortwährend die Informationsbasis, auf der die Mitarbeiter Entscheidungen fällen. Beim Entschlüsseln dieser Entscheidungsprozesse hilft Ihnen die Hirnforschung. Je mehr Sie über Neurokommunikation wissen, desto besser können Sie Ihre Führung danach ausrichten, wie sie auf andere wirkt. Dabei helfen diese fünf R-Prinzipien:
- Rule: Entscheidungen verbessern.
- Rate: Kopf und Bauch zusammenbringen.
- Resort: von anderen verstanden werden.
- Reflect: innere Überzeugungen ausstrahlen.
- Rotate: durch Perspektivenwechsel Wirkung erzielen.
Rule: Verbessern Sie Ihre Entscheidungen
Bei Führungsentscheidungen sollten Sie nicht nur auf Ihren Kopf hören, sondern auch auf Ihr Bauchgefühl und damit auf Ihren Instinkt. Doch woher wissen Verstand und Instinkt, wie sie entscheiden sollen? Kopf und Bauch stützen ihre Bewertung auf Erfahrungen, konkreter: auf Ihre persönlichen Erfahrungen. Daher können wir häufig die Entscheidungen anderer nicht nachvollziehen – sie haben halt andere Erfahrungen gemacht. Ihren Entscheidungsprozess können Sie verbessern, indem Sie die Alternativen mitsamt ihren Konsequenzen auf einem Blatt Papier oder in einer Datei beschreiben. Stellen Sie Vor- und Nachteile, technische Daten, Anschaffungs- und Folgekosten usw. in einer tabellarischen Übersicht dar – und vergessen Sie dabei neben den Fakten nicht Ihr Bauchgefühl. Sie meinen, dass es keine Alternativen gibt, sondern nur eine Lösung? Stimmt nicht, denn in jedem Fall ist Nichtstun eine Alternative zu einer Handlung. Lassen Sie sich Zeit, überschlafen Sie die Entscheidung. Anschließend bewerten Sie die Argumente und Konsequenzen. Vergessen Sie bei einer Entscheidung nicht, die Gründe zu kommunizieren. Denn Ihre Mitarbeiter oder Kunden haben andere Erfahrungen gemacht als Sie und könnten Ihre Entscheidung darum missverstehen.
Rate: Bringen Sie Kopf und Bauch zusammen
Die neurobiologische Forschung hat ergründet, welche Kriterien wir bei der Beurteilung und Bewertung einer Situation heranziehen. Demnach werden Bewertungen im Gehirn in der gleichen Region vorgenommen, in der die Emotionen angesiedelt sind. Unser Gehirn verfügt über sieben Emotionszentren, die von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich ausgeprägt sind. Für Mitarbeiterführung und Kundenorientierung sind fünf davon besonders wichtig:
- Stability: Hier geht es um Sicherheit im privaten Leben und im Beruf. Gute Beziehungen zu Vorgesetzten vermitteln Geborgenheit.
- Cooperation: Das ist die Domäne der Teamplayer. Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, Konfliktfreiheit und Anerkennung sind ihnen besonders wichtig.
- Domination: Persönlicher Erfolg, Karriere und Statussymbole werden von Menschen mit hohen Domination-Werten geschätzt.
- Play: Menschen mit Play-Schwerpunkt lieben Herausforderungen und vertrauen im Wettbewerb auf ihre eigenen Fähigkeiten.
- Seek: Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, Neugier und Entdeckungsdrang kennzeichnen Menschen, die hohe Seek-Werte haben.
„Egal was Sie tun, der entscheidende Moment ist der, wenn der Kunde seine Produktauswahl trifft. Dann zeigt sich, ob Ihre Anstrengungen erfolgreich waren.“
Bewertungen sind also individuell verschieden. Andere Bewertungen müssen nicht notwendigerweise objektiv falsch sein. Sie geben Ihnen vielmehr Hinweise auf dessen Präferenzen. Die Präferenzen eines Kunden sollten Sie unbedingt kennen und beachten, sonst bleiben Sie auf Ihrem Produkt sitzen. Auch bei einem Mitarbeiter sollten Sie nicht darüber hinwegsehen, sondern die richtigen Argumente vorbringen. Vermeiden Sie diejenigen Argumente, die zu Ihrer eigenen Bewertung geführt haben, und beziehen Sie sich stattdessen auf die dominierende Bewertungskategorie Ihres Gegenübers. So werden Sie etwa mit Ihrer Vorliebe für Visionen einen sicherheitsorientierten Menschen kaum überzeugen. Die Bewertungen anderer zu erkennen, kann man lernen. Das verbessert die Wirkung Ihrer Kommunikation erheblich.
Resort: Werden Sie von anderen verstanden
Sie sprechen im Teammeeting von Herausforderungen und meinen damit Chancen – Ihre Mitarbeiter verstehen aber „Risiken“ und denken an Arbeitsplatzverlust. Darüber sollten Sie sich nicht ärgern; versuchen Sie lieber zu verstehen, wie unser Gehirn arbeitet. Grundsätzlich will es Energie sparen. Also versucht es bereits nach wenigen Signalen, diese zu deuten: Schublade auf, Thema hinein, Schublade zu – fertig. Die Bewertung äußerer Reize, also z. B. Ihrer Worte, erfolgt auf der Basis von Erfahrungen. Als Führungskraft haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Herausforderungen Chancen sind, die Sie in Ihre Position gebracht haben. Ein Mitarbeiter aber ist vielleicht schon mal an Herausforderungen gescheitert und befürchtet sofort weitere Risiken für seine Position. Darauf müssen Sie eingehen. Erkennen Sie frühzeitig, wohin das Schubladendenken Ihr Gegenüber führt. Dort können Sie mit Ihrer Kommunikation ansetzen. Aber Vorsicht: Auch Ihr Gehirn denkt in Schubladen, und die werden vermutlich nicht mit jenen des Mitarbeiters übereinstimmen. Schließen Sie Ihre eigenen Schubladen, sonst führt Ihre Kommunikation zu Missverständnissen.
Reflect: Strahlen Sie Ihre Überzeugungen aus
Ausstrahlung ist keine Sache des Aussehens, sondern der inneren Überzeugungen. Damit schaffen Sie es, Ihr Gegenüber anzusprechen; das funktioniert so ähnlich wie ein Lächeln, das Ihnen eine Zufallsbegegnung in der Straßenbahn zeigt und das Sie erwidern. Die Hirnforschung spricht von Spiegelneuronen, die wir bei unserem Gegenüber aktivieren. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie Ihre Überzeugungen und Werte tatsächlich herauslassen. Expressive Menschen haben eine positive Ausstrahlung. Es wäre jedoch kontraproduktiv, wenn Sie Überzeugungen, Erfolg oder Expressivität spielen oder vortäuschen würden. Das durchschaut Ihr Gegenüber ziemlich schnell und ist dann umso enttäuschter. Besinnen Sie sich lieber auf Ihre Stärken und Ihre eigenen Bewertungen. Wenn Sie ein Teamplayer sind, geben Sie besser nicht den Platzhirsch, nur weil Sie glauben, so müsse eine Führungskraft sein. Kommunizieren Sie Ihre Überzeugungen, das verbessert Ihre Wirkung ganz erheblich.
Rotate: Versetzen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein
Sie wundern sich, warum Ihre Mitarbeiter selbst konkrete Anweisungen häufig nicht beachten? Nun, sie werden ihre Gründe haben. Versetzen Sie sich in den Betroffenen hinein: Nach dem Rule-Prinzip wägt er Alternativen und Konsequenzen ab und bewertet sie. Dann trifft er die Entscheidung, entgegen Ihren Führungsvorgaben zu handeln. Versuchen Sie, die Bewertungen Ihres Gegenübers nachzuvollziehen. Möglicherweise lassen Sie sich eines Besseren belehren und überdenken Ihre Führungsentscheidung. Oder Sie bleiben dabei, aber erkennen, dass Sie argumentativ nachlegen müssen. Um beim nächsten Mal ohne Nachlegen auszukommen, kommunizieren Sie von vornherein auf der richtigen Wellenlänge mit Ihren Mitarbeitern. Dabei helfen klare Bilder, der Verzicht auf Negierungen und das Öffnen der Schubladen Ihres Gegenübers. Kurze Sätze – im Sinne von Leitgedanken – sind wirksamer als ausführliche Erklärungen. Ein Beispiel: Mit einer Formulierung wie „neue Maßstäbe setzen“ eine Unternehmensfusion anzukündigen, muss schiefgehen und bei sicherheits- und stabilitätsorientierten Mitarbeitern Ängste wecken. Deren Schubladen im Gehirn können Sie vermutlich öffnen, wenn Sie von „Veränderung aus Tradition“ sprechen.
Motivieren und Verkaufen: Nutzen Sie den Neuro-Code
Nachdem Sie die fünf R-Prinzipien kennen gelernt haben, trainieren Sie deren Anwendung im Führungsalltag. Zu Ihren Schlüsselqualifikationen als Führungskraft gehört es, sich selbst und andere zu motivieren. Das wird Ihnen künftig leichterfallen, wenn Sie genau beobachten, welche Bewertung des Neurocodes Sie bei Ihren Mitarbeitern ansprechen wollen. Versetzen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein und Sie werden erkennen, wie Sie es auf geeignete Weise ganz individuell ansprechen: Handelt es sich um einen Risikospieler oder einen Freund der Stabilität? Um einen Teamplayer oder einen Platzhirsch? Bisherige Motivationsmodelle (Herzberg, Sprenger u. a.), die vermeintlich objektive, also eben nicht individuelle Motivationsfaktoren beschreiben, sind damit hinfällig.
„Krisen sind für Betroffene zunächst eben nicht Chancen. Sondern es geht darum, wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen.“
Auch beim Verkauf helfen Ihnen die fünf R-Prinzipien. Das gilt nicht nur im Kontakt zu Ihren Kunden, sondern auch, wenn Sie Ihrem Chef ein neues Projekt „verkaufen“ wollen. Ihr Gegenüber handelt nach dem Rotate-Prinzip und wählt die Alternative, die ihm den höchsten Nutzen bietet. Sie antworten mit dem Rule-Prinzip: Argumente vorbringen und Konsequenzen aufzeigen, und zwar abgestimmt auf die individuellen Bewertungen Ihres Gegenübers. Sie sollten dessen Neurocode kennen und sich entsprechend auf Gespräche vorbereiten: Stability, Seek, Domination, Play oder Cooperation erfordern jeweils andere Argumente und Ansprachen Ihrerseits. Verzichten Sie auf Showelemente, kommunizieren Sie ehrlich und authentisch, sonst entlarvt Ihr Gesprächspartner Sie in Windeseile. Und hüten Sie sich vor Ihren eigenen Schubladen im Gehirn, denn die entsprechen vermutlich nicht den vorherrschenden Bewertungen des Kunden oder Chefs. Sie kennen die vorherrschende Bewertung eines Kunden nicht, z. B. bei einem Erstkontakt? Dann entscheiden Sie sich mutig für eine Variante, achten Sie genau auf seine Signale und gehen Sie sofort darauf ein, wenn Sie falsch liegen. Das ist besser als Herumeiern und Monologe halten.
Krisen bewältigen und Wandel gestalten
Gesunde Unternehmen bewältigen Krisen besser als solche, die bereits in guten Zeiten weniger erfolgreich sind. Die Basis für die Krisenbewältigung wird also bereits vor der Krise gelegt. Zeigen sich Vorboten einer Krise, macht sich bei vielen Mitarbeitern Angst breit. Kaum jemand wird eine Krise als Chance begreifen. Jetzt ist eine klare Kommunikation gefragt, mit der Sie die Mitarbeitet tatsächlich erreichen. Nehmen Sie deren Ängste ernst und sprechen Sie ihre Schubladen an. Sicherheit können Sie vermutlich nicht bieten, aber zumindest können Sie zeigen, dass Sie das Sicherheitsbedürfnis Ihrer Mitarbeiter verstehen und daran arbeiten, einen solchen Zustand wiederherzustellen. Als Führungskraft sind Sie daran beteiligt, Ihr Unternehmen fit zu machen und ständigen Wandel zu managen. Auch dabei hilft Ihnen der Neurocode. Mitarbeiter mit Stability- oder Cooperation-Schwerpunkt werden mit Angst oder Abwehr auf Veränderungen reagieren, im besten Fall mit Abwarten. Solange Sie darauf mit Ihrer Kommunikation nicht eingehen und die entsprechenden, weit offen stehenden Schubladen der Mitarbeiter meiden, bewirken Sie nichts – außer dass Ihr Projekt zu den 80 % der Veränderungsprojekte gehört, die scheitern. Bedenken Sie, dass der Wandel schnell gehen muss, damit die instabile Phase kurz bleibt, und dass Sie Ihre Argumente und Szenarien immer wiederholen müssen, um neue Schubladen in den Gehirnen Ihrer Mitarbeiter zu schaffen.