Die Macht des Preises
Gewinn ist gleich Preis mal Menge minus Kosten. So simpel ist die Formel, die die Grundlage für den Erfolg eines Unternehmens darstellt. Drei Stellhebel sind also für den Gewinn verantwortlich. Am Hebel „Kosten“ haben sich bereits viele Unternehmen versucht und irgendwann das Potenzial für Kostensenkungen ausgeschöpft. Auch die Absatzmenge lässt sich nur so lange erhöhen, bis die Märkte gesättigt sind. Bleibt der dritte Hebel, der Preis. An den trauen sich die meisten Unternehmen erstaunlicherweise gar nicht erst heran. Im Preis liegt das größte ungenutzte Potenzial, den Gewinn positiv zu beeinflussen. Wer systematisches Preismanagement betreibt, besitzt ein mächtiges Werkzeug, denn schon winzige Veränderungen haben einen großen Effekt. Jeder zusätzliche Euro fließt direkt als Gewinn aufs Konto.
„Jeder Euro, der durch Preismaßnahmen erzielt wird, ist reiner Gewinn.“
Der Hebeleffekt besteht allerdings auch andersherum. Rabatte etwa schöpfen eine Menge vom Unternehmensgewinn ab, da es selten möglich ist, reduzierte Preise durch mehr Menge zu kompensieren. Austauschbare Güter, die Produktion in Billiglohnländern, Überkapazitäten und eine geringe Markentreue – all das setzt die Preise unter Druck. Umso bedauerlicher ist es, dass so wenige Pricing-Experten in den Unternehmen sitzen.
Position beziehen: Welcher Preis ist sinnvoll?
Preismanagement ist mehr als nur die Anpassung von Listenpreisen. Wenn Sie es in Ihrem Unternehmen einführen oder professionalisieren wollen, achten Sie unbedingt auf einen ganzheitlich ausgerichteten Ansatz, und sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter in allen Abteilungen ihn verstehen und mittragen. Das ist keineswegs selbstverständlich, sondern im Gegenteil eine der höchsten Hürden.
„Die Preisfindung ist eine der anspruchsvollsten und folgenreichsten Aufgaben im Rahmen des Marketings.“
Der nachfolgend vorgestellte Prozess besteht aus mehreren, aufeinander aufbauenden Elementen, die zu einer umfassenden Preisstrategie führen. Die einzelnen Pricing-Themen müssen nicht nur inhaltlich im Unternehmen verankert werden. Es bedarf auch entsprechender Prozesse, um sie mit Leben zu füllen.
„Bei vielen Produkten ändern sich im Laufe des Lebenszyklus die Herstellungs- und Bezugskosten ganz erheblich.“
Es gibt unterschiedliche Preisstrategien: Wollen Sie aggressiv Marktanteile erobern, indem Sie günstige Preise festlegen? Oder wollen Sie Ihren Gewinn optimieren? Die beiden Ziele lassen sich normalerweise nicht gleichzeitig erreichen. Umso wichtiger ist ein eindeutiges Pricing-Zielsystem, das von der Geschäftsführung klar kommuniziert wird. Daraus lassen sich, beispielsweise für die nächsten fünf Jahre, Preis- und Wachstumsziele ableiten. Das ist auch erforderlich, weil Preise sonst meist nach dem Zufallsprinzip festgelegt werden.
„Die kostenbasierte Festlegung in Form der Kosten-plus-Methode ist nach wie vor die am weitesten verbreitete Methode im Preismanagement.“
Die strategische Positionierung im Wettbewerb spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Preisgestaltung. Als Premiumanbieter setzen Sie auf hohe Preise und hohe Qualität, was entsprechende Kosten mit sich bringt. Streben Sie hingegen die Kostenführerschaft an, müssen Sie besonders preisgünstig produzieren: Differenzierungsmerkmale lassen sich dann schwieriger herausbilden.
„Der Aufwand des Value-Pricings ist deutlich höher als der des kostenbasierten Pricings.“
Es ist möglich, diese klassischen Positionierungsalternativen zumindest zeitweilig zu verbinden: Die Automarke Lexus beispielsweise wurde aufgrund ihrer geringen Bekanntheit im deutschen Markt zu sehr attraktiven Preisen eingeführt. Heute, da sie etabliert ist, orientieren sich die Preise an den vergleichbaren Wettbewerbern im Premiumsegment. Sinnvoll ist auf jeden Fall eine differenzierte Betrachtungsweise unterschiedlicher Produktsegmente und Absatzregionen: In Region A lassen sich die Produkte eines bestimmten Segments vielleicht zu höheren Preisen verkaufen als in Region B.
Die Strategie und die Wettbewerber
Für die Preisstrategie ist auch das Verhalten der Wettbewerber wichtig. Konkurrenten verhalten sich ähnlich wie Menschen in einer Gruppe: Wenn Sie aggressiv vorgehen, provozieren Sie entsprechende Gegenreaktionen. So lösen Sie im schlimmsten Fall einen Preiskampf aus. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihren relevanten Markt und, daraus abgeleitet, Ihren relevanten Wettbewerb kennen.
„Entscheidend für das Verständnis des Value-Pricings ist, dass das Produkt nicht für jeden Kunden den gleichen Wert hat und dadurch auch nicht jeder Kunde die gleiche Zahlungsbereitschaft hat.“
Märkte lassen sich sowohl sachlich als auch regional differenzieren. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes sollten Sie sehr sorgfältig vorgehen. Ein Beispiel: Die Deutsche Bahn hat, oberflächlich betrachtet, als Monopolist auf der Schiene keinen direkten Wettbewerber. In Wahrheit muss sie sich jedoch sowohl gegenüber dem Flugzeug als auch dem privaten Pkw positionieren. Das gelang ihr beispielsweise mit der Einführung der Bahncard. Autofahrer neigen dazu, nur die reinen Benzinkosten und die Bahnpreise einander gegenüberzustellen, während die fixen Fahrzeugkosten ausgeblendet werden. Bahnfahrten wirken dann im Vergleich teuer. Das ändert sich durch die Bahncard: Die Fixkosten – der Kauf der Bahncard – werden ausgeblendet, und die Bahntickets wirken deutlich billiger. Und die Deutsche Bahn ebenso deutlich attraktiver.
Auf der Suche nach dem richtigen Preis
Produkte haben einen Lebenszyklus. Je nachdem, an welcher Stelle dieses Zyklus sie sich befinden, sind unterschiedliche Preisansätze möglich. Wird ein Produkt in den Markt eingeführt, bieten sich zwei Möglichkeiten an: Für technologisch anspruchsvolle Produkte mit einer entsprechend solventen Zielgruppe wird über Skimming (hohe Preise, die später allmählich gesenkt werden) ein satter Gewinn generiert. Bei einer Penetrationsstrategie dagegen wird der Markt durch günstige Einführungspreise schnell erobert.
„Bei Expertenschätzungen schätzen Experten die unterschiedlichen Preisniveaus für die jeweilige Ausprägung der Value-Treiber.“
Am Ende des Lebenszyklus gibt es ebenfalls zwei Standardstrategien: Beim schleichenden Abverkauf wird der Preis sukzessive angehoben, was z. B. die Einführung des Nachfolgemodells zu einem attraktiven Preis ermöglicht. Beim schnellen Abverkauf wird der Preis gesenkt, um Restposten loszuwerden.
„Das Thema Internationales Preismanagement gewinnt durch die zunehmende Globalisierung stetig an Bedeutung.“
Während des gesamten Produktlebenszyklus gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, den Preis für das Produkt festzulegen:
- Kostenbasierte Preisfestlegung: In den meisten Unternehmen wird der Preis mithilfe der so genannten Kosten-plus-Methode ermittelt. Diese Ermittlung ist relativ einfach: Kosten plus Gewinnzuschlag ergibt den Verkaufspreis. Das Problem bei diesem scheinbar simplen Vorgehen sind die Kosten: Was wird eingerechnet, was nicht? Was ist mit den Gemeinkosten? Falsche Kostenberechnungen führen zu falschen Preisen, deshalb sorgt die Kosten-plus-Methode nie für den optimalen Preis.
- Wertbasierte Preisfestlegung: Der Preis orientiert sich am Wert, den ein Kunde dem Produkt beimisst. Was ist die Mona Lisa wert? Rechnet man Material, Arbeitszeit und Gewinnaufschlag zusammen, käme man vielleicht auf 20 000 €. In Wirklichkeit würde ein Kunstliebhaber Unsummen für dieses Gemälde bezahlen. Die kostenbasierte Preisfestlegung würde bei diesem Beispiel zu einem unsinnigen Ergebnis führen.
„Ein logisches und in sich konsistentes Konditionensystem wird auch von den Kunden positiv aufgenommen.“
Bei der zweiten Variante, dem Value-Pricing, spielen die Kosten eine untergeordnete Rolle. Auch wenn niemand die Mona Lisa verkauft: Value-Pricing ist der schlauere Ansatz. Allerdings muss die Frage beantwortet werden, was als Grundlage für den Preis dienen soll.
Was es wert ist: Value-Pricing
Was ist ein Produkt, was ist eine Dienstleistung wert? Das lässt sich vorab nicht bestimmen, sondern zeigt sich letztlich erst im Ernstfall – wenn die Kunden zuschlagen oder eben nicht. Damit die Preise nicht allzu willkürlich festgelegt werden, gibt es Hilfen, um zumindest zu belastbaren Schätzungen zu kommen.
„Die Phase der Preisdurchsetzung ist das Nadelöhr der nachhaltigen Ertragssteigerung.“
Sie können z. B. Experten zurate ziehen. Die dürfen ruhig aus dem eigenen Unternehmen kommen. In Workshops oder während verschiedener Phasen der Produktentwicklung werden diese Fachleute gefragt, was sie vom Produkt halten und welchen Preis sie als angemessen betrachten. Diese Meinungen werden in den Computer eingespeist, und eine passende Software leitet daraus den optimalen Preis für den maximalen Umsatz bzw. Gewinn ab. Dieses pragmatische und kostengünstige Verfahren stößt bei echten Innovationen allerdings an seine Grenzen.
„Preiskriege haben eine fatale Auswirkung auf den Gewinn und können sogar die Existenz eines Unternehmens gefährden.“
Kunden sind ebenfalls eine große Hilfe, vor allem im B2C-Bereich (Business-to-Consumer). Zwei Marktforschungsmethoden haben sich dabei bewährt. Bei der nach ihrem Erfinder benannten Van-Westendorp-Methode werden dem Kunden vier Fragen gestellt, die den Preis eines Produkts zwischen den Dimensionen „günstig“, „zu günstig“, „teuer“ und „zu teuer“ abstecken. Mit einer hinreichend großen Stichprobe lassen sich aus den Antworten die untere und obere Preisschranke (jenseits dieser Schranken empfinden Kunden den Preis als zu günstig oder zu teuer) und der so genannte Indifferenzpreis ableiten, der als Idealpreis angenommen werden kann. Bei der Conjoint-Analyse werden die Produkte in ihre Werttreiber aufgegliedert (z. B. die Servicequalität oder das Markenimage) und die Kunden werden mit diesen Werttreibern konfrontiert. Die Präferenzen der Kunden sind für die Festlegung der Produkteigenschaften und des Preises wertvoll.
Jenseits von Kosten und Wert: die Sonderfälle
Der Preis ist nichts Starres, er kann oder muss sich sogar verändern, je nach Zeitpunkt im Produktlebenszyklus und je nach Region. Das Streben nach Gewinnmaximierung ist nicht verwerflich, doch manchmal muss es hintangestellt werden, damit spezielle Herausforderungen bewältigt werden können. Das gilt etwa in folgenden Fällen:
- Internationales Pricing: Grenzüberschreitend ist es klug, einen Preiskorridor mit verbindlichen Preisunter- und Preisobergrenzen einzuführen, die Graumarktimporte unattraktiv machen.
- Beeinflussung des Preisimage: Wer gelegentlich Geräte billiger als zum Einkaufspreis verkauft und das mit genügend Tamtam begleitet, erhält sich sein Image als Preisführer. Media Markt und Saturn sind in diesem Bereich vorbildlich.
- Ersatzteilpreise: Sie sind einerseits wichtige Werttreiber, müssen aber andererseits dem Kunden gegenüber fair bepreist sein. Vor allem im B2B-Bereich (Business-to-Business) werden nicht nur die Anschaffungskosten, sondern die Gesamtbetriebskosten eines Produkts für die Bewertung herangezogen (Total Cost of Ownership).
- Service: Er muss ebenfalls wertbasiert bepreist werden, was aber aufgrund der Immaterialität schwierig sein kann.
Die vermaledeiten Rabatte: keine Leistung ohne Gegenleistung
Einen Preis festzusetzen ist die eine Sache, ihn beim Kunden durchzusetzen eine andere. Viele Kunden gerade im B2B-Bereich erwarten hohe Rabatte. Werden Rabatte verweigert, springen die Kunden ab. Was also tun? Ein strukturiertes Konditionenmanagement hilft. Es folgt einer simplen Grundregel: kein Rabatt ohne Gegenleistung. Wer einen hohen Rabatt will, muss beispielsweise große Mengen abnehmen oder sich langfristig auf Ihr Unternehmen als Lieferanten festlegen.
„Rabatte sind keine Geschenke an die Kunden.“
Um ein systematisches Konditionensystem zu etablieren, müssen Sie im ersten Schritt den Status quo erfassen: Welche Rabatte oder Boni kommen wann und unter welchen Bedingungen zur Anwendung? Dabei ist der so genannte Pricing-Wasserfall sehr hilfreich: Er listet stufenweise den Weg des Preises vom Listenpreis über Aufschläge, Standardrabatte, Sonderrabatte, besondere Zahlungsbedingungen usw. bis hin zum Nettopreis auf. Die unterschiedlichen Rabattkonditionen sollten sich entweder an den Kunden (A-, B-, C-Kategorie), den Produkten oder an auftragsbezogenen Details orientieren.